Strukturalismus/Literatursemiotik sind eine Methode in dem Sinne, dass sie erstens von bestimmten Grundannahmen ausgehen, was das Verständnis ihres Gegenstandes Literatur und ihres Umgangs damit betrifft, und zweitens einen Grundzugang bei der konkreten Analyse favorisieren und sich dabei drittens (auch) spezifische Beschreibungsinventare und Begrifflichkeiten bedienen.
„Keine Leserin und kein Leser kann ‚theoriefrei‘ Literatur lesen.“ Tilmann Köppe und Simone Winko formulieren diesen Satz als allgemeine Schlussfolgerung bzw. Bemerkung in der Einleitung ihres Bandes über Literaturtheorien. Sie gehen davon aus, dass es unmöglich ist, Literatur theoriefrei zu lesen und dass man sich literaturtheoretisch bilden muss. Beim Lesen literarischer Texte muss immer reflektiert werden, welcher methodische Ansatz sich spezifisch eignet und worin seine jeweiligen Leistungen bzw. Grenzen bestehen. Literaturtheorien sind sozusagen „nachvollziehbare und plausibel anwendbare Türöffner für literarische Texte und das Gespräch über dieselben.“ Anders ausgedrückt sind sie verschiedene Brillen, mit denen auf Literatur geschaut werden kann. Sie ermöglichen verschiedene Lektüreweisen und Interpretationsmuster, die auf ganz intersubjektive Weise den Textsinn und die Textdeutung zu rekonstruieren vermögen. Die Vielzahl der vertretenen Ansätze – dies muss man sich vor Augen führen – scheint angesichts des Status quo kaum überschaubar zu sein. Zu wissen ist, dass Literaturtheorien sich ergänzen können oder inkompatibel sind, sodass eine Theorie die Eigenschaft hat, die darauffolgende aufzulösen. Da man die Bandbreite der Theorien nicht zitieren kann, ist der geradlinige Blick auf den Text "Die Marquise von O..." hochtragend, der als Angelpunkt der vorliegenden Arbeit fungiert. Die Analyse beantwortet die Frage, wie es dem sprachlich-strukturierten Zeichensystem gelingt, das Konstruktionsprinzip von Heinrich von Kleists "Die Marquise von O…" zu durchschauen, die Ambivalenzen herauszuarbeiten und dann einen zusammenhängenden Sinn zu erzeugen. Diese Frage widmet sich vor allem dem struktural-literatursemiotischen Ansatz. Im Folgenden wird zunächst auf die historische Skizze und Fragestellungen von Strukturalismus und Literatursemiotik eingegangen; dann werden sie auf die Novelle angewandt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Theoretische Fundierung
- 1. Strukturalismus
- 1.1. Historische Kontextualisierung
- 1.2. Strukturalismus als literarische Interpretationsmethode
- 2. Semiotik
- 2.1. Historische Kontextualisierung
- 2.2. Literatursemiotik
- 1. Strukturalismus
- II. Struktural-literatursemiotische Analyse von Kleists Die Marquise von O...
- 1. Komplexe Zeichenstrukturen und das Familienleben im krisenhaften Kontext
- 1.1. Die komplexe Verfasstheit der Novelle
- 1.2. Ambivalenzen in der Novelle: zwischen Oppositionen und Äquivalenzen
- 1.3. Zwischen verbaler und non-verbaler Kommunikation
- 2. Die kulturelle Einordnung der strukturierten Zeichen
- 1. Komplexe Zeichenstrukturen und das Familienleben im krisenhaften Kontext
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Heinrich von Kleists Novelle Die Marquise von O... mithilfe der methodischen Ansätze des Strukturalismus und der Literatursemiotik. Sie befasst sich mit der Frage, wie die sprachlichen Zeichen in der Novelle strukturiert sind und wie diese Strukturen die Ambivalenzen und die komplexe Geschichte der Marquise von O... darstellen.
- Die historische und theoretische Entwicklung des Strukturalismus und der Literatursemiotik
- Die Anwendung struktural-literatursemiotischer Analysen auf die Novelle Die Marquise von O...
- Die Bedeutung von Zeichenstrukturen für das Verständnis der Ambivalenzen und Konflikte in der Novelle
- Die Rolle der sprachlichen und nicht-sprachlichen Kommunikation in der Erzählung
- Die Einordnung der Novelle in den kulturellen Kontext des 19. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die methodischen Ansätze des Strukturalismus und der Literatursemiotik vor und erläutert, wie sie für die Analyse der Novelle Die Marquise von O... relevant sind. Der erste Abschnitt widmet sich der historischen Kontextualisierung und den Grundannahmen des Strukturalismus sowie der Literatursemiotik. Der zweite Abschnitt zeigt, wie die Novelle Die Marquise von O... mit den Begriffen des Strukturalismus und der Literatursemiotik analysiert werden kann. Insbesondere werden die komplexen Zeichenstrukturen, die Ambivalenzen und die Rolle der Kommunikation innerhalb der Erzählung untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Schlüsselbegriffe Strukturalismus, Literatursemiotik, Zeichenstrukturen, Ambivalenz, Kommunikation, Heinrich von Kleist, Die Marquise von O... und den kulturellen Kontext des 19. Jahrhunderts. Die Analyse der Novelle Die Marquise von O... erfolgt unter Verwendung von methodischen Ansätzen des Strukturalismus und der Literatursemiotik, um die komplexen Zeichenstrukturen, die Ambivalenzen und die Bedeutung der Kommunikation in der Erzählung zu beleuchten.
- Arbeit zitieren
- Joel Henri Tatissong (Autor:in), 2021, Zeichenhafte Ordnungen zur Darstellung der ambivalenten Geschichte in Heinrich von Kleists Novelle "Die Marquise von O…", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1281179