Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
1.1. Debatte um Meeresfreundlichkeit von UV-Filtern
1.2. UV-Strahlung und ihr Wirkspektrum
1.2.1. Die Physikalischen Grundlagen der UV-Strahlung
1.2.2. Die Auswirkung von UV-Strahlung auf die Hautphysiologie
1.2.3. UV-Filter in Sonnenschutzprodukten
1.2.4. Rechtsgrundlage für Sonnenschutzmittel
1.3. Grundlagen der Ökotoxikologie
1.3.1. Die Produktionshöhe
1.3.2. Die Art der Anwendung
1.3.3. Die Umwandlung und Persistenz
1.3.4. Die Dispersionstendenz
1.3.5. Die Stoffauswirkungen
1.3.6. Praxis der Ökotoxikologie – OECD Standardtestmethoden
1.3.7. Kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen
2. Methodik zur Ermittlung des ökologischen Risikos
3. Studienlage zum Umweltrisiko von Octocrilen und Oxybenzon
3.1. Ergebnisse der PBT-Analyse für Octocrilen
3.1.1. Persistenz von Octocrilen
3.1.2. Akkumulationspotential von Octocrilen
3.2. Studienergebnisse der ED-Analyse von Oxybenzon
3.2.1. Beschreibung der Endokrinen Disruption
3.2.2. Studienergebnisse von ED-Wirkung bei Oxybenzon
4. Diskussion des ökologischen Risikos
4.1. Interpretation der Ergebnisse der Studienrecherche
4.1.1. Das PBT-Potenzial von Octocrylen
4.1.2. Endokrine Wirkung von Oxybenzon
4.1.3. Langzeitmonitoring und wissenschaftliche Auseinandersetzung
4.1.4. Alternativer UV-Schutz
4.1.5. Kritik an eigener Arbeit
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abstract
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den ökologischen Auswirkungen chemischer UV-Filtersubstanzen in Sonnenschutzmitteln. Die beiden weitläufig verbreiteten UV-Filter, Octocrilen und Oxybenzon, werden häufig in Sonnencremes verwendet und stehen in Kritik, aufgrund eines Verdachts auf die beiden risikobehafteten Umweltfaktoren Akkumulation und endokrine Wirkung in Lebewesen.
Die Vermittlung einer theoretischen Grundlage zu UV-Filtern in Sonnenschutzmitteln führt in die Thematik ein. Ein wichtiger Bestandteil dessen, ist die gesetzliche Reglementierung zur Bewertung und Zulassung von UV-Filtern. Anschließend werden der Forschungs- und Wissenstand der Ökotoxikologie aufgezeigt und analysiert, d.h. welche Effekte, Messmethoden und Standards in dem Forschungsfeld bestehen, um eine fundierte Einschätzung des Umweltrisikos der beiden UV-Filter vorzunehmen zu können sowie die Berechtigungsgrundlage der Kritik an den chemischen UV-Schutzfiltern zu überprüfen.
In einer studienbasierten Literaturrecherche wird die aktuell zur Verfügung stehende Datenlage zusammengetragen, die zur Einschätzung des Umweltrisikos, im Hinblick auf die genannten kritischen Umweltfaktoren, nötig ist. Im Anschluss werden die Forschungsergebnisse in Zusammenhang gebracht und kritisch diskutiert.
Die Literaturrecherche hat ergeben, dass es sich bei Octocrilen berechtigt, um eine ökologische Risikosubstanz in Bezug auf die Persistenz und Bioakkumulation handelt. Auch Oxybenzon weist risikobehaftete Auswirkungen im Hinblick auf endokrine Effekte in der Umwelt auf.
Abkürzungsverzeichnis
BCF Bioakkumulationsfaktor
BP3 Oxybenzon (UV-Filter)
bw body weight, wet weiht
CHPA Consumer Healthcare Products Association
CO Konzentrationswert der Fremdsubstanz im Lebewesen
CoRAP Community rolling action plan
CW Konzentrationswert im Umgebungsmedium
dw dry weight
EC Effekt Konzentration
ECHA Europäische Chemikalien Agentur
ED Endokrine Disruption
EDS Endokrine Disruptoren
EG Europäische Gemeinschaft
EU Europäische Union
K1 Geschwindigkeitskonstante der Aufnahme in Tagen
K2 Geschwindigkeitskonstante der Ausscheidung in Tagen
KOW n-Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient
LC Letale Konzentration
LOQ limit of quantification
LSF Lichtschutzfaktor
lw lipid weight
OCT Octocrilen (UV-Filter)
REACH Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals
(v)PBT (very)Persistens, Bioakkumulation, Toxizität
SCCS Scientific Committee on Consumer Safety
US United States
USA United States of America
UV Ultra Violett
Einheitsverzeichnis
g Gramm
mg Milligramm
µg Mikrogramm
ng Nanogramm
nm Nanometer
l Liter
h Stunde
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Umsatz von Sonnenschutzprodukten/Jahr in Mio. €
Tabelle 2: Profil von Octocrilen
Tabelle 3: Profil von Oxybenzon
Tabelle 4: OCT-Konzentrationen in Fisch und Wasser nach 16 Tagen / BCF
1. Einleitung
1.1. Debatte um Meeresfreundlichkeit von UV-Filtern
Am 1. Januar 2021 ist im US-Bundesstaat Hawaii das Gesetz SB 2571 zum Verbot der in Sonnenschutzmittel verwendeten UV-Filtersubstanzen Oxybenzon und Octinoxat zum Schutz des Ökosystems der Korallenriffe in Kraft getreten.[1] Dieses Gesetz führte zu einer medienwirksamen Debatte über die Sicherheit von UV-Filtern für die Meeresgesundheit.[2],[3] In Palau ist schon seit 2020 der Verkauf und Gebrauch von Sonnenschutzmittel mit Oxybenzon und neun anderen Chemikalien, wie das in Kritik stehende Octocrilen, zum Schutz der Umwelt rechtswidrig.[4] Auch Bonaire, die Amerikanischen Jungferninseln und diverse Naturschutzgebiete in Mexiko untersagen den Gebrauch von Sonnenschutzprodukten mit bestimmten UV-Filtern aus ökologischen Gründen.[2]
Einige Kosmetikhersteller nutzen das 2021 in Kraft getretene Gesetz als Gelegenheit ihre Produkte von der Konkurrenz abzugrenzen um somit ein gutes Image für ihre Marke zu schaffen.[4],[2] Der deutsche Drogeriekonzern dm zum Beispiel, bewirbt Sonnenprodukte der Hausmarke sundance mit einem Siegel, dass die Konformität mit dem neuen Hawaiianischen Riffgesetz versichert.[5] Die Kosmetikbranche hat erkannt, wie wichtig den Kunden die Verwendung von nachhaltiger und ökologisch vertretbarer Kosmetik ist.[6]
In der Wissenschaft zeichnet sich ebenfalls ein wachsendes Interesse gegenüber der ökologischen Sicherheit von UV-Filtern ab. Dies zeigt sich durch die vermehrte Veröffentlichung von Studien zum Thema UV-Filter und ihren Auswirkungen auf die Umwelt im Verlauf der letzten Jahre.[7](p[7])
Die Industrie positioniert sich gegenüber dieser neuen Entwicklung kritisch. So äußert Jay Sirois[8], Senior Director der Abteilung für Regulatorische und Wissenschaftliche Angelegenheiten der Consumer Healthcare Products Association (CHPA)1, in einem Statement, dass UV-Filter die äußerst effektiv und unbedenklich für den menschlichen Konsum seien, aufgrund unzureichender Datenlage verboten werden. [3]
Genau diese Kritik gibt Anlass die Datenlage zum ökologischen Risiko von UV-Filtersubstanzen genauer zu untersuchen. In der vorliegenden Arbeit wurden zwei weit verbreitete UV-Filter auf ihre jeweils in Kritik stehenden Merkmale, Bioakkumulation und endokrine Wirkung neu bewertet: Das in den Medien diskutierte Octocrilen (OCT) und Oxybenzon (BP3). Daraus ergibt sich folgende Forschungsfrage:
Inwiefern handelt es sich bei den in Sonnenschutzmittel verwendeten UV-Filtern Oxybenzon und Octocrilen, um Risikosubstanzen für aquatische Ökosysteme, im Hinblick auf ihre in Kritik stehenden Merkmale (PBT und ED)?
Um diese Frage zu beantworten wird auf Basis einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema UV-Schutzmittel und Ökotoxikologie sowie einer systematischen Studienrecherche die Datenlage der beiden UV-Filterstoffe dargelegt, verglichen und diskutiert. Der weitere Forschungsbedarf und Perspektiven werden im Anschluss thematisiert.
1.2. UV-Strahlung und ihr Wirkspektrum
1.2.1. Die Physikalischen Grundlagen der UV-Strahlung
Die UV-Strahlung ist eine von der Sonne ausgehende, energiereiche Strahlung, die sich in UVA-, UVB- und UVC-Strahlen unterteilen lässt. Diese unterscheiden sich durch die Wellenlänge ihrer Strahlung, die in Nanometern (nm) gemessen wird. Je kürzer die Wellenlänge, desto energiereicher ist die Strahlung.[10](p[196])
Die kurzwelligen UVC-Strahlen werden komplett vom Ozon in der Erdatmosphäre gefiltert. Die UVB-Strahlen, die sich im Bereich von 280 – 315 nm[11] bewegen, werden abhängig von geografischen und klimatischen Verhältnissen zu etwa 90 % gefiltert. [10](p[197]-[199]) Die UVA Strahlung kommt mit einer Wellenlänge von 315 – 380 nm[11] nahezu ungefiltert auf der Erdoberfläche an. [10](p[197]-[199])
Durch die UV-Strahlung werden zwar einerseits zahlreiche Stoffwechselprozesse in Lebewesen aktiviert, andererseits birgt die energiereiche Strahlung bei ausgedehnter Exposition auch Gefahren. Ihr hohes Energiepotenzial ist in der Lage chemische Reaktionen auszulösen, die zu Radikalbildung, Mutationen der DNA, Spaltung und Neukombinationen von biochemischen Stoffen führen kann.[10](p[196])
1.2.2. Die Auswirkung von UV-Strahlung auf die Hautphysiologie
Die Haut steht in direktem Kontakt zur Außenwelt und ist in erster Linie für den Schutz vor exogenen Einflüssen zuständig, zu denen unter anderem auch die UV-Strahlung der Sonne zählt.[12](p[4])
Die UVA-Strahlung ist die energieärmere, langwelligere Strahlung, die jedoch tief in die unteren Hautschichten gelangt. Sie steht im Vordergrund, wenn es um Langzeitschäden geht. Sie steht in engem Verhältnis zur Hautalterung, da sie Pigmentationsstörungen und den Abbau von Elastin- und Collagenfasern in der Haut bewirkt.[13](p[202]) Zudem ist die UVA-Strahlung verantwortlich für die meisten phototoxischen und photoallergischen Reaktionen. Krankheitsbilder wie zum Beispiel die Mallorca Akne werden durch den Kontakt von UVA-Strahlen mit reaktiven Chemikalien wie Duftstoffen, UV-Filtern und Medikamenten ausgelöst.[13](p[202])
Die UVB-Strahlung hingegen ist kurzwelliger und damit energetisch stärker als die UVA-Strahlung. Sie dringt nur in die obere Hornschicht der Haut. Dort aktiviert sie die Melaninsynthese, die zu einer Bräunung der Haut führt, wodurch die Haut in der Lage ist sich eigenständig vor den UV-Strahlen zu schützen. Eine übermäßige Dosis der UVB-Strahlen führt zu einer Überlastung des körpereigenen UV-Schutzmechanismus und es kommt zu einem Sonnenbrand, der von einer leichten Rötung der Haut bis hin zu schwerwiegenden Verbrennungen reichen kann. Durch die Mutagenität der UVB-Strahlen steht die Anzahl von Sonnenbränden in direkter Korrelation mit der Wahrscheinlichkeit an Hautkrebs zu erkranken.[13](p[200])
1.2.3. UV-Filter in Sonnenschutzprodukten
Unser über die Jahre verändertes Freizeitverhalten führt zu einem übermäßigen Sonnenkonsum in der Bevölkerung.[13](p[204]) Dadurch sind jährlich ansteigende Zahlen von Hautkrebserkrankungen weltweit zu beobachten.[14](p[298]),[15](p[58]) Daraus ergibt sich die Notwendigkeit des Hautschutzes vor den schädlichen Auswirkungen von UV-Strahlung. Neben den klassischen physikalischen Schutzmaßnahmen durch Kleidung und Kopfbedeckung[13](p[205]) hat sich heutzutage die Verwendung von kosmetischen Präparaten wie Sonnencremes oder Sonnenmilch zum Schutz vor UV-Strahlung, seit dem ersten Sonnenschutzprodukt 1935, etabliert.[16](p[929])
Sonnenschutzprodukte sind ein wachsendes und lukratives Segment innerhalb des Kosmetikmarkts. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Umsätze und die Umsatzprognosen von Sonnenschutzprodukten und ist aufgeteilt nach Regionen der Welt.[17] Die Tabelle zeigt, dass in allen Märkten steigende Umsätze zu verzeichnen sind und eine weitere Steigung prognostiziert wird.
Tabelle 1: Umsatz von Sonnenschutzprodukten/Jahr in Mio. €
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung [17]
Sonnenschutzprodukte leisten bei korrekter Anwendung einen effektiven Sonnenschutz, der unmittelbar auf der Haut liegt und sich präzise dosieren und sich flächendeckend auf der Haut verteilen lässt. Die Filterwirkung geht von chemischen Substanzen aus, die in der Lage sind UV-Strahlung zu absorbieren.
Der Grad der Schutzwirkung eines Sonnenschutzmittels wird mit der Einheit Lichtschutzfaktor (LSF) bemessen. Diese Einheit beschreibt den Faktor, um den sich die Eigenschutzzeit der Haut verlängert bis es zu einem Sonnenbrand kommt. Der LSF bezieht sich somit auf die Filterwirkung der UVB-Strahlen. Da jedoch die gesamte Bandbreite der UV-Strahlung Schädigungen der Haut auslösen kann, muss der UVA-Schutz eines Sonnenschutzproduktes seit dem 01.01.2007 ein Drittel des UVB-Schutzes betragen.[13](p[213]) Dies wird erreicht in dem drei bis acht verschiedene UV-Filtersubstanzen in den Präparaten kombiniert werden.[18](p[1527])
Die UV-Filter, die in den Sonnenschutzprodukten verwendet werden, lassen sich in zwei Stoffklassen aufteilen: die anorganischen und organischen Filtersubstanzen.
Die anorganischen, auch physikalischen UV-Filter genannt, streuen und reflektieren die UV-Strahlung. Die bekanntesten physikalischen UV-Filter sind das Titanoxid und Zinkoxid.
Die organischen UV-Filter, auch chemische UV-Filter genannt, absorbieren die energetische UV-Strahlung und wandeln sie in Wärme um. In der Gruppe der organischen UV-Filter befindet sich eine große Vielfalt chemischer Stoffe aus verschiedenen chemischen Stoffklassen, die aber Ähnlichkeiten in ihren strukturellen Eigenschaften besitzen. Dazu zählen zum einen die konjugierten Ringsysteme, welche Elektronen freisetzten oder aufnehmen können, und zum anderen die intramolekularen Wasserstoffbrückenbindungen.[7](p[8])
Die beiden Filter OCT und BP3, die im Rahmen dieser Arbeit auf ihre Umweltverträglichkeit hin untersucht werden, gehören zu der Stoffklasse der organischen Sonnenschutzfilter.
Octocrilen
Tabelle 2: Profil von Octocrilen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung [19],[20],[13](p[206])
Diese Tabelle zeigt eine Übersicht der Namen, Stoffeigenschaften und Verwendungsdaten von OCT. Es handelt sich dabei um eine klare, gelbliche Flüssigkeit, mit einem n-Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient (KOW-Wert) von 6,88.[21] Der KOW-Wert beschreibt die Verteilung eines Stoffes in einem Zweiphasensystems aus Wasser und n-Octanol.[22](p[273]) Mit einem Wert von 6,88 ist OCT eine stark lipophile Substanz. Diese Eigenschaft steht im Zusammenhang mit dem Umweltrisiko einer Substanz und wird im weiteren Verlauf der Arbeit näher beleuchtet.
Die Substanz gehört zu der Familie der Zimtsäurederivate und zeigt zwei aromatische Ringe in ihrer chemischen Struktur, die die Absorption von UV-Strahlung ermöglichen. Der Filter zeigt nur eine schwache Absorption im Bereich der UVB-Strahlung. Dafür wird OCT wegen seiner sehr hohen Photostabilität zur Stabilisierung anderer photosensibler UV-Filter genutzt. Dieser UV-Filter wird dank dieser Fähigkeit nicht nur in Sonnenschutzprodukten verwendet, sondern findet in nahezu allen kosmetischen Produkten Verwendung, um die Lagerdauer zu erhöhen.[23](p[194])
OCT ist ein chemischer UV-Schutzfilter der seit etwa 15 Jahren auf dem Markt ist. Eine dänische Studie von 2002, die Sonnenschutzprodukte europäischer und amerikanischer Hersteller untersuchte verdeutlicht, dass OCT in jedem fünften Produkt verwendet wurde und das in fast doppelt so hohen Mengen wie andere häufig verwendete UV-Filter. Dies ergab einen Median von 9,22 g pro 100 g Produkt und bringt mengenmäßig auf den ersten Platz von insgesamt 18 untersuchten UV-Filtersubstanzen.[24] Laut der Europäische Chemikalien Agentur (ECHA) wird OCT in Mengen zwischen 1.000 – 10.000 Tonnen pro Jahr innerhalb der EU verwendet, verarbeitet bzw. importiert.[19]
Die Verwendungshäufigkeit von OCT steigt dazu weltweit seit Jahren kontinuierlich an. So wurde OCT in 2005 in Großbritannien in 36 % aller verkauften Produkte verwendet und stieg in 2010 auf 91 % an.[25],[26] Ähnliche Entwicklungen der Verwendungshäufigkeit zeigten sich auch in der Schweiz und in den USA.[23](p[194])
Die molare Masse von OCT beträgt 361,5 g/mol und damit wird OCT als kleines Molekül klassifiziert.[27] Bedenken über ein potentielles ökologisches Risiko sind durch die Sicherheitsangabe H410 (siehe Tabelle 2) bereits erkennbar.
Oxybenzon
Tabelle 3: Profil von Oxybenzon
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung [28],[29],[13](p[206])
In dieser Tabelle werden Namen, Stoffeigenschaften und Verwendungsdaten von BP3 aufgeführt. Es handelt sich dabei um einen weißen Feststoff der in organischen Substanzen lösbar ist. Der KOW Wert beträgt 3,79.[21] Es handelt sich also um eine Substanz mit lipophilem Charakter.
Die Substanz gehört zu der Familie der aromatischen Ketone, auch Benzophenone genannt und weist, die für die organischen UV-Filter typische Doppelring-Struktur auf. Dieser Filter absorbiert im Bereich der UVA- und UVB-Strahlung und wird in Sonnenschutzmitteln als effizienter Breitbandfilter eingesetzt.
Eine dänische Studie von 2002, die Sonnenschutzprodukte europäischer und amerikanischer Hersteller untersuchte ergab, dass BP3 in etwa jedem fünftem Produkt enthalten ist und durchschnittlich verarbeitet wird.[24] Zudem ergab sie, dass durchschnittlich 2,43 g BP3 pro 100 g Produkt verarbeitet wird.[24] Laut Registrierungsdaten der ECHA wird BP3 in Mengen zwischen 100 – 1.000 Tonnen pro Jahr innerhalb der EU verwendet, verarbeitet bzw. importiert. [28]
Die molare Masse von OCT beträgt 228,24 g/mol und dadurch wird BP3 als kleines Molekül klassifiziert. Bedenken über ein potentielles ökologisches Risiko sind durch die Sicherheitsangabe H400, H411 und P273 (siehe Tabelle 2) bereits erkennbar.
1.2.4. Rechtsgrundlage für Sonnenschutzmittel
Auf dem Markt für Sonnenschutzmittel, unter anderem in Europa[30], den USA[31] und Australien[32], wird die Verwendung von UV-Filtersubstanzen gesetzlich geregelt. Die in der EU geltenden Gesetzte und Sicherheitsbewertungen von Chemikalien gelten weltweit als Orientierungsgrundlage.[33](p[64]) Aus diesem Grund werden exemplarisch die gesetzlichen Regulierungen der Europäische Union (EU) näher beleuchtet.
Innerhalb der EU ist die Europäische Chemikalien Agentur (ECHA) dafür verantwortlich, dass jede Chemikalie, die im europäischen Raum auf dem Markt ist, den Anforderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, auch REACH-Verordnung genannt, entspricht.[34] Die Anforderungen laut Art.1(1) der REACH-Verordnung sind:
„[…] ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherzustellen, einschließlich der Förderung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren, sowie den freien Verkehr von Stoffen im Binnenmarkt zu gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu verbessern.“ [35],[34]
Jede Chemikalie muss seit 2008 bei der ECHA registriert werden, um im Europäischen Raum legal in Produkten verarbeitet auf den Markt zu kommen und verkauft zu werden. Die Industrie ist nach dem Motto „no data, no market“ selbständig dafür verantwortlich alle Daten zu liefern, die laut REACH-Verordnung benötig werden. Dazu zählen Daten zu Stoffeigenschaften, Studien zu Risikobewertungen für den Menschen und auch der Umwelt. [34]
Bei ökologischen Bedenken ist die ECHA dafür zuständig weitere Studien zur Sicherheit der jeweiligen Substanz von den Registrierungspflichtigen einzufordern. So wurde BP3 von den dänischen Behörden 2014 auf Grund von ökologischen Bedenken wegen hormoneller Wirksamkeit bei der ECHA gemeldet.[36],[37] Auch OCT wurde 2012 von den französischen Behörden auf Grund ökologischer Bedenken gemeldet.[38] Beide Stoffe befinden sich seit der Meldung auf der Community Rolling Action Plan (CoRAP) Liste der ECHA. Der Prozess der Neubewertung der beiden UV-Filter ist bis heute noch nicht abgeschlossen.[36],[38] Weiterführende Informationen zu dem Prozess werden im Kapitel 1.3.6. aufgeführt.
Die Registrierung einer Chemikalie bei der ECHA, ist die Grundlage zur Verwendung von Chemikalien in kosmetischen Mitteln. Die EU-Kosmetikmittelverordnung reguliert auf Basis der in der ECHA vorliegenden Daten, unter welchen Bedingungen die Chemikalien verwendet werden dürfen. Die Chemikalien OCT und BP3 sind durch die EU-Kosmetikverordnung (EG) Nr.1223/2009, Anhang VI, als UV-Filtersubstanz zur Verwendung in kosmetischen Mitteln, zugelassen und dürfen im Rahmen der festgelegten Regularien eingesetzt werden.[30]
So dürfen OCT und BP3 auch eine Höchstkonzentration von 10 % in Sonnenschutzprodukten nicht überschreiten. Zusätzlich muss auf Produkten, die BP3 enthalten, der Warnhinweis „Enthält Benzophenone-3“ auf der Verpackung sichtbar platziert sein.[30] Diese Werte wurden basierend auf der toxikologischen Sicherheitsbewertung der beiden UV-Filter in Sonnenschutzprodukten für den Menschen festgelegt. Bei Einhaltung der zulässigen Höchstkonzentration gilt die Verwendung von OCT und BP3 als sicher. Die Höchstgrenzen beider UV-Filter wurde Ende 2020 erneut durch die Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS), einer wissenschaftlichen Beratungsinstitution der EU, bewertet und als sicher eingestuft.[39],[40]
1.3. Grundlagen der Ökotoxikologie
Die Ökotoxikologie ist eine fächerübergreifende Disziplin und beschäftigt sich mit den schädlichen Effekten chemischer Substanzen innerhalb von Ökosystemen. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit der Ökotoxikologie stehen die qualitative und quantitative Erforschung des Vorkommens und Verhaltens der Chemikalien in Ökosystemen, in Anbetracht aller biologischer Ebenen: der molekularen Ebene, der organischen, der Ebene einzelner Lebewesen bis hin zu ganzen Populationen und komplexer artenübergreifender Lebensgemeinschaften.[41] Dabei werden natürliche Systeme stets als Ganzes betrachtet.[42](p[1])
Zur ökotoxikologischen Beurteilung der Chemikalien werden stetig neue Test- und Analysemethoden entwickelt. Dafür werden Methoden und Messverfahren aus den Gebietenden Versuche an lebenden Testorganismen (in vivo) oder an Gewebe, Zellkulturen, etc. (in vitro) statt.[42](p[243]) Die zwei gängigsten Methoden der Ökotoxikologie sind das Monitoring und die Wirkungsforschung.[42](p[3])
Monitoring
Es werden Konzentrationsveränderungen von Fremdstoffen in langfristig ausgelegten regelmäßigen Messungen identifiziert und quantifiziert.
Wirkungsforschung
Die zu untersuchende Substanz wird gezielt in die natürliche Umwelt bzw. künstlich angelegte, jedoch in ihren Variablen konstante, Ökosysteme eingebracht, um Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten zwischen Umweltfaktoren und chemischen Substanzen zu erkennen. Dadurch werden Erkenntnisse über Eintritt, Aufnahme, Abbau, Umwandlung und Verteilung des Fremdstoffs in Ökosystemen gewonnen.
Die Erkenntnisse zum Gefahrpotenzial chemischer Stoffe dienen als Grundlage für die Weiterentwicklung von Gesetzen zum Schutz der Umwelt. Dabei steht für die Politik im Gegensatz zur Ökotoxikologie, die Gefährdung der für den Menschen essentiellen Umwelt stets im Mittelpunkt der Forschung.[42](p[1])
Folgende Kriterien sind für die Bewertung der Substanzen im Hinblick auf das Umweltrisiko entscheidend:[42](p[3])
1. Die Produktionshöhe
2. Die Art der Anwendung
3. Die Umwandlung und Persistenz
4. Das Dispersionspotenzial
5. Die Auswirkungen auf Lebewesen und Systeme (Toxizität und Ökotoxizität)
1.3.1. Die Produktionshöhe
Die Produktionshöhe gibt die Menge einer Substanz an, die im Umlauf ist und in die Natur gelangt bzw. tendenziell in Zukunft gelangen wird.[42](p[7]) Bei der Registrierung einer Substanz bei der ECHA ist ein Sicherheitsbericht ab einem Import bzw. Verarbeitung eines Stoffs von zehn Tonnen erforderlich.[43]
Es werden insgesamt jährlich zwischen 1.000 – 10.000 Tonnen OCT importiert bzw. verarbeitet und BP3 in einer Menge zwischen 100 – 1.000 Tonnen.[36] Der Markt für Sonnenschutzmittel ist in den letzten Jahren sowohl in der EU als auch global stetig gestiegen[17] (siehe Tabelle 1) wodurch mit einer globalen Steigerung der UV-Filter OCT und BP3 in der Natur zu rechnen ist.[44](p[317]) [33]
1.3.2. Die Art der Anwendung
Bei der Art der Anwendung wird ermittelt in welcher Form der jeweilige Stoff in die Umwelt gelangt und wie ausgehend davon die Ausbreitung verläuft.[42](p[15])
Um alle Eintrittswege einer Substanz in die Umwelt zu identifizieren, müssen alle Produkte, in denen die Substanz verarbeitet wird, erfasst werden. Die UV-Filter OCT und BP3 kommen wie bereits beschrieben in kosmetischen Produkten und Sonnenschutzmitteln zum Einsatz. Allerdings erstreckt sich ihr Einsatzfeld in geringen Konzentrationen von 0,05 – 2 % aufgrund ihrer photostabilisirenden Eigenschaften auch in Lacken, Baustoffen, Verpackungen, Medikamenten und vielen weiteren industriell gefertigten Produkten.[45](p[1817]) Zur Umfangsreduktion dieser Arbeit beschränkt sich die Betrachtung auf die UV-Filter, die in Sonnenschutzmitteln verarbeitet sind. Die Verwendung von OCT und BP3 in Kosmetika und Sonnenschutzmitteln trägt maßgeblich dazu bei, dass die UV-Filter in Wasser gelöst in die Umwelt kommen. Dadurch belasten sie aquatische Ökosysteme. Zu den aquatischen Ökosystemen gehören die Süßwasserökosysteme und auch die marinen Ökosysteme.
Die Eintrittswege der beiden Substanzen in die aquatischen Ökosysteme erfolgen auf direktem und indirektem Weg.
Der direkte Weg
Wenn auf die Haut aufgetragene kosmetische Sonnenschutzpräparate, durch das Abwaschen beim Sonnenbaden oder Freizeitaktivitäten ins Wasser gelangen, spricht man vom direkten Eintrittsweg. Dadurch ergeben sich hohe UV-Filterbelastungen von Gewässern, Küsten und Stränden, die Menschen als Erholungsgebiete nutzen, wie zum Beispiel das Mittelmeer[44](p[317]) oder die US-amerikanische Küste.[46](p[370]) Die Hotspots unterliegen starken saisonalen Schwankungen, die stark von der touristischen Frequentierung der Orte abhängig sind.[47], [48](p[60])
Ein Sonnenschutzprodukt besteht durchschnittlich zu 5 – 20 % aus UV-Filtern. Das bedeutet, dass ein gesamter Körperauftrag von 10 g Produkt einem Input von 0,5 g -2 g UV-Filter pro Person in die Umwelt entspricht.[49](p[953]) Schätzungen zu Folge, können so an einem sonnigen Tag bis zu 966 kg von UV-Filter in einen Badesee gelangen.[18] (p[1528])
Der indirekte Weg
Auf dem indirekten Weg gelangen UV-Filter durch das Abwasser von Kläranlagen in die Umwelt. Besonders das Abwasser dichtbesiedelter Städte in der Nähe von Stränden und Küsten wird mit UV-Filtern belastet. Das Abwaschen der Sonnenschutzprodukte während des Duschens, das Waschen von mit UV-Filter belasteter Kleidung und sogar der Urin, sind die Eintrittspforten der UV-Filter in das Abwasser. Durch eine mangelnde Aufbereitung des Abwassers gelangen die UV-Filter anschließend in die Natur.[18](p[1528]),[49](p[953]) Auch dieser Eintrittsweg unterliegt starken saisonalen Schwankungen, die von der touristischen Frequentierung der Orte abhängig sind.[21]
1.3.3. Die Umwandlung und Persistenz
Die Umwandlung beschreibt in diesem Kontext, welchem Maß die Substanz unter Umweltbedingungen, einem Metabolismus oder Abbauprozessen unterliegt.[42](p[50]) Die Persistenz bezieht sich auf die Stabilität organischer Substanzen und ihrer Metabolite in der Umwelt bis zu ihrem vollkommenen Abbau.[42](p[47]) Substanzen mit hoher Persistenz sind kritisch zu bewerten, da sie sich dauerhaft in der Natur ablagern und infolge dessen langfristig Einfluss auf das Gleichgewicht eines Ökosystems nehmen können.
Generell zeichnen sich chemische UV-Filter um den politischen Anforderungen zu genügen, durch eine hohe Stabilität aus. In Sonnenschutzprodukten verarbeitet, sollen sie konstant über die Haltbarkeitsdauer ihre Struktur und Wirkung beibehalten. Auf der Haut aufgetragen unterliegen sie keinem Metabolismus.[18] Das macht sie gegenüber natürlichen Abbauprozessen in der Umwelt unempfindlich. Auch durch Abbauprozesse in Kläranlagen lassen sich die UV-Filter nicht vollständig entfernen. Auf die Weise gelangen sie kontinuierlich in die aquatischen Ökosysteme.[18](p[1528]),[49](p[953])
1.3.4. Die Dispersionstendenz
Die Dispersionstendenz beschreibt das Ausbreitungsverhalten von Chemikalien in der Umwelt. Grundlegend sind dafür die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Chemikalien verantwortlich, welche die Lebensdauer und Transportgeschwindigkeit des Stoffes in der Natur beeinflussen.[42](p[19])
Im Wasser unterliegen die UV-Filtersubstanzen Diffusionsprozessen, sodass Höchstkonzentrationen nur direkt nach dem Eintritt des UV-Filters in das Medium messbar sind. Je nach chemischen Eigenschaften verteilen sich die UV-Filter mit der Zeit gleichmäßig in den Gewässern und Sedimenten.[42]
Durch die hohe Stabilität und kleine Molekülgröße der beiden UV-Filter, gelangen sie durch Meeresströmungen und Gezeiten bis an die abgelegensten Orte, wie die Antarktis[50](p[331]) und Arktis.[48](p[58])
1.3.4.1. Die Akkumulation
Ein Teilaspekt der Dispersion ist die Akkumulation. Sie beschreibt wie die Fremdsubstanz in Lebewesen angehäuft wird. Die Akkumulationsfähigkeit des Lebewesens ist, wie auch bei der Dispersion, von den chemischen und physikalischen Eigenschaften des Fremdstoffs abhängig. Liegt in der Umwelt eine niedrigere Konzentration der Fremdsubstanz als im Lebewesen vor, spricht man von einer Akkumulation.[42](p[27])
[...]
1 Die CHPA ist ein US-amerikanischer Verband der Gesundheitsbranche. Sie vertreten die Interessen der Hersteller und Vertreiber von Körperpflegeprodukten, rezeptfreien Medikamenten, Nahrungsergänzungsmittel. Sie vertreten Firmen wie Bayer und Johnson & Johnson. Sie arbeiten eng mit der Politik zusammen.9