Konstruktion von Männlichkeit(en) im Fitnessstudio. Bedeutung von Drogen, Homosexualität und der Abgrenzung zu Frauen


Hausarbeit, 2022

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Körperbilder, soziale Kontrolle und Fitness

3. Männliche Körper

4. Konstruktion von Männlichkeit im Fitnessstudio
4.1 Drogen, PES und Bodybuilding
4.2 Homosexualität und Homoerotik
4.3 Deindustrialisierung und Moderne
4.4 Homosoziale Netzwerke und die Abgrenzung zu Frauen

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Junge Männer und ihr Körperkult“, so lautet der Titel einer vor vier Wochen veröffentlichten Dokumentation des Fernsehsenders ARTE. In dieser werden verschiedene junge Männer be­gleitet und gezeigt, welche Rolle Sport und Fitness in ihrem Leben spielen. Den meisten geht es darum, sich wohl in ihrem Körper zu fühlen. Dazu gehört es, das alte eher dünne, eher schwa­che Selbst mit Muskeln zu bestücken und stark zu werden. Die Männer bezeichnen den Sport als Spaß und Freizeitaktivität, einer betreibt Bodybuilding auch auf Wettbewerbsniveau. Neben ihnen kommen auch weibliche Personen aus ihrem Leben zur Sprache, wie Freundinnen oder Mütter, die mal mit Sorge mal mit Stolz auf die Entwicklung der Männer schauen. Aber auch ein Mann ist dabei, den der Wunsch nach immer mehr Muskeln in eine Sucht getrieben hat, aus der er sich mühsam wieder herauskämpfen musste. Auch seine Geschichte wird erzählt, (vgl. ARTE 2022). Das Thema Fitness ist so präsent wie nie, vor allem für (junge) Männer. Schaut man auf die Website des Männermagazins „Men’s Health“ sieht man eine eigene Rubrik für Fitness, auf der es Tipps und Tricks zum Abnehmen von Fett und zum Aufbau von Muskeln, Emährungshilfen und Rezepte für besonders eiweißhaltige Gerichte gibt. Es wird suggeriert, dass es wichtig ist, muskulös und fit zu sein, um ein Mann zu sein (vgl. Men’s Health 2022). Auch ein Blick auf die Cover der Zeitschrift macht deutlich, dass Themen wie Fitness und Schlankheit aber auch modisches Aussehen und Potenz eine wichtige Rolle bei der Konstruk­tion von Männlichkeit spielen (vgl. Men’s Health 2020a; Men’s Health 2020b).

Auch die wissenschaftliche Debatte beschäftigt sich immer mehr mit dem Thema von Ge­schlecht und Fitness und wie Geschlechterkonstruktionen im Fitnessstudio konstruiert und re­produziert werden. Auf Grundlage dessen wird diese Arbeit der Frage danach nachgehen, wie Männlichkeit im Fitnessstudio hergestellt und reproduziert wird. Dabei soll auch gezeigt wer­den, welche Aspekte zur Konstruktion von Männlichkeit beitragen und inwiefern diese im Fit­nessstudio erkennbar sind. Um diese Frage beantworten zu können, wurde eine literature review durchgeführt mit Publikationen aus den Jahren 1996 bis 2022, die sich alle mit der Konstruktion von Männlichkeit im Kontext von Fitness(-studios) beschäftigen. In der verwendeten Literatur geht es zumeist um die Darstellung von Studien, die in Fitnessstudios durchgeführt wurden und bei denen zumeist männlich gelesene Personen zu ihren Beweggründen befragt wurden, warum sie das Studio besuchen.

Die vorliegende Arbeit ist inhaltlich so aufgebaut, dass es zunächst eine Einführung in Körper­bilder, soziale Kontrolle und Fitness im Allgemeinen geben wird. Anschließend wird sich auf männliche Körperbilder fokussiert. Bei der Analyse der Literatur sind vier Unterpunkte heraus­gefiltert worden, anhand derer die Konstruktion von Männlichkeit verdeutlicht werden soll. Bei ihnen handelt es sich um Drogen, performance-enhancing substances (PES) und Bodybuilding, Homosexualität und Homoerotik, Deindustrialisierung und Moderne sowie Homosoziale Netz­werke und die Abgrenzung zu Frauen. Am Ende schließt sich noch ein Fazit an, in dem auch Hinweise auf zukünftige Forschung gegeben werden.

2. Körperbilder, soziale Kontrolle und Fitness

Der französische Philosoph Michel Foucault setzte sich viel mit der Bedeutung des Körpers in der Moderne auseinander. Er stellte fest, dass Individuen und ihre Körper möglichst gewinn­bringend für die Wirtschaft eingesetzt werden sollen (vgl. Foucault 1976: 174). Dies solle durch eine bestimmte Raum- und Zeitaufteilung verbunden mit ständigem Wiederholen und Üben passieren, was Gesten, Bewegungen und Haltungen an einen Standard anpasse (vgl. Sobiech 2006: 2719). Er spricht hier also von einer Art Verhaltensweise, die darauf abgestimmt ist, dass Menschen möglichst effizient handeln. Sei es bei der Arbeit oder im Leben allgemein. Dabei sind diese Disziplinierungsmaßnahmen nicht neu, denn schon die Klosterdisziplin sorgte für mehr oder weniger strenge Regeln was das Verhalten und vor allem den Tagesablauf anging (vgl. Sarasin 2016: 140). Später wurde die „Disziplinierung der Körperbewegungen“ (ebd.) dann im Rahmen der soldatischen Ausbildung in den protestantischen Heeren in Holland und Schweden eingeführt und die Figur des Soldaten wurde zu etwas, was hergestellt werden musste: „aus einem formlosen Teig, aus einem untauglichen Körper macht man die Maschine, deren man bedarf‘ (vgl. Foucault 1976: 173). Gleichzeitig kam es laut Foucault auch zu einer Individualisierung innerhalb der Überwachung der Menschen durch das Modell des Panopti­cons, welches vom Rechtsphilosophen Jeremy Bentham entwickelt wurde und die „architekto­nische Struktur für alle Überwachsungsinstitutionen“ (Sarasin 2016: 143) beschreiben sollte. In diesem sind alle Insassinnen in einer eigenen Zelle eingesperrt, die wiederum ringförmig angeordnet undjederzeit von einer einzigen Person eingesehen werden können (vgl. ebd.). Ziel ist es, „den Gefangenen in ihren Zellen das wohlbegründete Gefühl zu vermitteln, dauernd kon­trolliert zu werden“ (ebd.).

Gill/Henwood/McLean (2005) haben in ihrer Studie untersucht, welche Bedeutung der Körper für die Individuen heutzutage hat und herausgefunden, dass er für sie eine Möglichkeit bietet, ihre Identität darzustellen („identity functions“, ebd.: 37). Immer öfter sei auch von „body pro­jects“ (ebd.: 40) die Rede, was impliziere, dass der Körper auch jetzt noch als unfertig oder unvollständig angesehen wird und als etwas, an dem es zu arbeiten gilt. Benson (2013) spricht in diesem Zusammenhang von einer ,,kommerziellen[n] Kolonisierung des Körpers durch Me­dien“ (ebd.: 49), was bedeutet, dass von immer mehr Seiten vorgegeben wird, wie ein idealer Körper auszusehen hat und noch wichtiger, welche Produkte nötig sind, um dieses Ideal zu erreichen. Dabei wird der Körper als eine soziale Konstruktion verstanden, der überwacht wer­den will - und laut dem Modell des Panopticons auch ständig überwacht wird. Ein Beispiel für diese sogenannte soziale Kontrolle ist das Schlankheitsideal (vgl. ebd.: 57). Menschen behan­deln ihren Körper in der Folge wie eine Ware, die sie auf dem Arbeitsmarkt anbieten. Um hier erfolgreich zu sein, müssen die Körper entsprechend geformt und gestylt werden (vgl. ebd.: 71). Es werden Bilder von perfekten Körpern konstruiert, wobei dort die Frage mitschwinge, wie denn ein perfekter männlicher, weiblicher oder auch nicht-binärer Körper auszusehen hat (vgl. Johansson 1996: 32).

Die erste Forschung im Bereichyztaess- und gym-culture kam in den 1990er Jahren auf. Damals mit einem Fokus auf Körper, Gender und Identität (vgl. Andreasson 2015: 547). In der heutigen gym-culture werden Körper oft als ästhetische und erotische Objekte idealisiert. Trainierte Kör­per symbolisieren das Ergebnis harter Arbeit und sind gleichzeitig ein Schönheitsideal gewor­den (vgl. ebd.: 555). In seiner Untersuchung stellt Andreasson (2015) fest, dass das Geschlecht vor allem bei Bodybuilding-Wettbewerben in den Hintergrund tritt. Befragte sagten, wenn sie bei einem solchen, weiblichen Teilnehmerinnen helfen sollen, sich einzucremen, sehen sie keine nackte Frau vor sich, sondern lediglich ihren durchtrainierten Körper und ihre Muskeln. „The object of his desire and the gender of muscles seem to be more fluid and situational in his mind” (ebd.: 556) fasst der Autor es zusammen. Der Körper wird dadurch für einen Moment geschlechtslos (vgl. ebd.).

Johansson (1996) stellt fest, dass sich innerhalb des Fitnessstudios, vor allem unter jüngeren Besucherinnen, eine „subculture“ (ebd.: 32) entwickelt. Innerhalb dieser werden bestimmte Körper mehr wertgeschätzt als andere. Dadurch entsteht eine „ideology of the dissatisfied“ (ebd.), also eine Ideologie der Unzufriedenen, bei der es darum geht, seinen Körper immer weiter zu formen, weil man nie vollends damit zufrieden ist. Dazu kommt, dass im Fitnesstudio spezielle Gender-Identitäten produziert und reproduziert werden. Damit einher geht auch eine Naturalisierung von Körpern und der Darstellung einiger Körper als natürlicher als andere. Johansson (1996) stellt in seiner Untersuchung beispielsweise fest, dass muskulöse Frauenkör­per als weniger natürlich wahrgenommen werden (vgl. ebd.: 43). Inwiefern das heutzutage im­mer noch so wahrgenommen wird, wird im Laufe der Arbeit noch erläutert werden.

3. Männliche Körper

Männliche Körper haben eine Entwicklung durchgemacht „from near invisibility to hypervisi­bility in the course of a decade“ (Gill/Henwood/McLean 2005: 39). Das traditionelle Muster, nachdem nur Frauenkörper beschaut wurden, wird mehr und mehr durchbrochen und immer häufiger werden auch Männerkörper für Werbezwecke genutzt und ausgestellt (vgl. ebd.: 38; Brown/Graham 2008: 96). Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten und Vorstellungen davon, wie ein männlicher Körper auszusehen hat, damit er als ein solcher wahrgenommen wird. Eine wichtige Rolle hierbei spielt die sogenannte hegemoniale Männlichkeit. Sie kann als eine „kul­turell herausgehobene Form von Männlichkeit an der Spitze einer Hierarchie von Männlichkei­ten“ (Wedgwood/Connell 2010: 116) bezeichnet werden. Dabei ist männliche Herrschaft als ein System zu verstehen, das immer wieder mittels Geschlechterbeziehungen reproduziert und neu konstruiert wird (vgl. ebd.). Dem entgegen spricht Andreasson (2015) von einer „Inclusive Masculinity“ und hält fest, dass durch die Abnahme von Homophobie die Möglichkeiten der Performance von Männlichkeit erweitert wurde. Es entsteht „an archetype of masculinity that undermines the principles of orthodox (read: hegemonic) masculine values” (Andreasson 2015: 548).

Allerdings gibt es auch für Andreasson (2015) nicht nur eine Art von Männlichkeit. Er zeigt eine Art Abstufung beziehungsweise drei Interpretationen von Männlichkeit. Angefangen mit der komplizenhaften Position. Diese spielt sich innerhalb der hegemonialen Männlichkeit ab und vertritt die Auffassung, dass der ideale männliche Körper stark und muskulös sein muss, was meist nur durch den Gebrauch von „performance-enhancing substances (PES)“ (ebd.: 547) erreicht werden kann. Außerdem geht diese Position von einer binären Geschlechtervorstellung aus (vgl. ebd.: 557). Die zweite Position ist die aushandelnde, die sich einerseits an alten Werten orientiert, andererseits aber auch offen für Transformationen innerhalb der Geschlechtervor- stellungen ist (vgl. ebd.). Sie bewegt sich also zwischen den Vorstellungen einer hegemonialen und einer inklusiven Männlichkeit. Schließlich gibt es dann die inklusive Position. Vor allem der Gebrauch von PES und Doping wird hier reflektiert und ein Bezug zur Beziehung zum eigenen Körper und zur Heteronormativität hergestellt. Diese Position kann dazu führen, dass immer häufiger auch queere Identitäten angenommen werden (vgl. ebd.: 558). Hier schließt auch die Vorstellung von „hybrid masculinities“ (Rabii 2021: 233) an, die das Inkorporieren von Weiblichkeit oder marginalisierter Männlichkeiten in die eigene Selbstpräsentation be­schreibt. Diese stellen allerdings nur oberflächliche Veränderungen der hegemonialen Männ­lichkeit dar, ohne sie wirklich zu hinterfragen (vgl. ebd.: 251).

Eine andere Herangehensweise stellt die „discrepancy theory“ (Brown/Graham 2008: 95) dar. Laut dieser würden Männer mit geringeren „masculinity scores“ (ebd.) eher dazu tendieren, ein Problem mit ihrem Körper zu haben. Je maskuliner sich Befragte gefühlt haben, desto wohler haben sie sich auch in ihrem Körper gefühlt. Maskulinität wird also direkt mit Körperzufrie­denheit bei Männern in Verbindung gebracht. Diese Verbindung kann für Männlichkeit und Körperbild gezogen werden, für Weiblichkeit konnte dies allerdings nicht nachgewiesen wer­den (vgl. ebd.). Studien fanden weiterhin heraus, dass 75 Prozent der Männer eine Diskrepanz zwischen ihrem jetzigen Körper und ihrem Idealkörper ausmachen. Dabei schwankt es zwi­schen dem Wunsch schlanker und dem muskulöser zu sein (vgl. ebd.). Sowohl Männer als auch männliche Jugendliche sind heutzutage mit steigender Tendenz unzufriedener mit ihrem Kör­per, als es noch vor 30 Jahren der Fall war (vgl. Benson 2013: 81). Während Mishkind in einer Studie von 1987 schon feststellte, dass 95 Prozent der befragten Studenten mit mindestens ei­nem Teil ihres Körpers unzufrieden sind, haben Hofstadler/Buchinger herausgefunden, dass Befragte es als defizitär wahrnehmen, nicht dem männlichen Ideal zu entsprechen (vgl. ebd.). Der Körper ist für Männer also immer mehr zum Objekt des Stolzes geworden (vgl. Gibbs/Sa- linas/Turnock 2022: 230) und wird somit auch dafür verantwortlich gemacht, wenn beispiels­weise die Partnerin die Beziehung beendet. So hatte Andreas aus der Studie von Sobiech (2006) das Gefühl, seine Freundin störe sich daran, dass er nicht muskulös sei (vgl. ebd.: 2724). Span­nend ist hier allerdings, dass Andreas sich auch nach mehrjährigem Training und Muskelaufbau noch immer defizitär und nicht männlich genug fühlt. Die Körpermaße, die er sich nach außen hin antrainiert hat, spürt er im Inneren nicht. Nach wie vor ist ihm die Bestätigung von außen, vor allem von Frauen, sehr wichtig (vgl. ebd.: 2727).

Der Körper bietet aber auch die Möglichkeit, sich als Individuum auszudrücken und sich einen Platz in der Gesellschaft zu verdienen (Gill/Henwood/McLean 2005: 57). Befragte machten hier deutlich, dass sie viel Wert auf das „right to ,do what you want with your own body‘“ (ebd.) legen. Ein Beispiel hierfür ist auch der Gang zum Arzt, der meist als unmännlich gilt, da er impliziere man sei nicht stark genug, um selbstständig wieder gesund zu werden (vgl. ebd.). Insgesamt sind Schlankheit und Fitness zu übergeordneten Werten in der allgemeinen Konsum­kultur geworden (vgl. Benson 2013: 71). Es entwickelt sich eine „Bedeutungsaufwertung des muskulösen männlichen Körperideals“ (ebd.: 72), von dem auch Hersteller anaboler Steroide und Muskelaufbaupräparaten profitieren, wie im Folgenden noch deutlich werden wird.

4. Konstruktion von Männlichkeit im Fitnessstudio

Die sogenannte Körper-(Sub)Kultur war ursprünglich männlich dominiert, da traditionell Stärke mit Begriffen wie Kriegsführung, Gewalt und Nationalstaatsbildung verbunden war, welche männlich konnotiert waren (vgl. Andreasson 2015: 546). In diesem Zusammenhang galt auch Bodybuilding als Sport stets als männliche Domäne (vgl. ebd.: 547) und in der Untersu­chung von Andreasson (2015) stellte er unter anderem die Konstruktion einer muskulösen Männlichkeit im Fitnessstudio fest, bei gleichzeitiger Reproduktion traditioneller Geschlech- ternormen (vgl. ebd.: 550). Während einige Befragte sagten, dass sie der Wunsch danach an­treibt, stärker zu werden und aus der Masse herauszustechen, gaben andere an, dass das Fit­nesstraining für sie eine Möglichkeit darstelle, sich von Mobbing zu befreien und eine Alterna­tive zu Teamsportarten bilde (vgl. ebd.). Aber trotzdem spielt scheinbar auch der Konkurrenz­kampf hier eine entscheidende Rolle, so äußert einer der Befragten: „It’s more fun if you notice that you are better than everyone else“ (ebd.: 551), der Spaß am Training ist also unmittelbar damit verbunden, bessere Ergebnisse als andere zu erzielen. Verstärkend wirkt bei Fitnesstrai­ning und der Kultur darum auch, dass muskulöse Körper meist als das Ergebnis von harter Arbeit angesehen werden und vor allem in Mainstream Filmen und Serien ein Bild von heroi- scherMännlichkeitausdrücken(vgl. ebd.: 553).

Auch heute sind in Fitnessstudios noch mehr männliche als weibliche Mitglieder angemeldet, was diese Institutionen ebenfalls als männlich kennzeichnet (vgl. Gibbs/Salinas/Turnock 2022: 221). Laut Brown/Graham (2008) wird Sport und Fitness generell mit dem Wunsch nach einem besseren Aussehen assoziiert. Gleichzeitig gaben aber mehr Männer als Frauen an, dass sie aus gesundheitlichen Gründen Sport machen würden (vgl. ebd.: 96; Gill/Henwood/McLean 2005: 50), auch wenn ein anderer Befragter der Überzeugung war, dass das Training zu 75 Prozent dazu da ist, um besser auszusehen (vgl. Gill/Henwood/McLean 2005: 50). Auf der anderen Seite haben Männer, die das Fitnessstudio nicht besuchen, dies oftmals damit begründet, dass sie nicht zu hirnlosen „followers“ (ebd.: 45) werden wollen, die nicht mehr selbst denken kön­nen. Dem entgegen haben die Besucher von Fitnessstudios entlang von fünf Narrativen über die Gründe für das Training gesprochen, unter anderem wurde hier auch Individualismus, der Wunsch nach dem Anderssein und der Autonomie über den eigenen Körper genannt, die einen Kontrast zu der Vorstellung von nicht selbstdenkenden Mitläufern darstellen (vgl. ebd.: 56). Darüber hinaus ging es auch um eine Unbefangenheit und die Ablehnung von Eitelkeit, ein ausgeglichenes und nicht-obsessives Selbst und den Respekt vor sich selbst (vgl. ebd.). Gleich­zeitig stellt Johansson (1996) aber auch fest, dass das Fitnessstudio der Ort ist, an dem Männer sich der Schönheit und den narzisstischen Tendenzen ihres Körpers hingeben können (vgl. ebd.: 45).

Rabii (2021) hat in seiner Studie ein sogenanntes Boxing-Gym untersucht, in dem explizit eine Philosophie von Liebe, Sorge, Disziplin, Sicherheit und persönlichem Wachstum im Mittel­punkt steht (vgl. ebd.: 232) und damit weniger Werte traditioneller oder hegemonialer Männ­lichkeit. Vom Eigentümer des Studios wird diese Philosophie als Lebenseinstellung bezeichnet, die auch dabei helfen soll, im Leben allgemein besser zurecht zu kommen (vgl. ebd.). Mitar­beitende des Studios framen den Boxsport außerdem als Möglichkeit, sich selbst weiterzuent­wickeln und kritisieren explizit diejenigen, die ihn in erster Linie benutzen, um ihre Männlich­keit unter Beweis zu stellen (vgl. ebd.). Die Leitprinzipien des Studios beziehen sich also auf die Bestärkung von Liebe und Freundlichkeit und verurteilen gleichzeitig Macho-Verhalten, welches es in anderen Studios sehr viel mehr gäbe (vgl. ebd.: 243). Das Ergebnis der Studie zeigtejedoch, dass auch in diesem Studio Merkmale traditioneller (amerikanischer) Männlich­keit weiterhin reproduziert werden. So empfanden einige Trainer ihren Stil zu Boxen besser als den anderer Trainer und haben Besucherinnen bewusst davon abgeraten, bei diesen zu trainie­ren, obwohl das gegen die Philosophie des Studios verstößt (vgl. ebd.: 233). Weiterhin wurde sich über Personen lustig gemacht, wenn sie Fehler bei der Ausführung von Techniken gemacht haben (vgl. ebd.: 251). Darüber hinaus wurde es vermieden, mit weiblichen Studiobesucherin­nen zu sparren, es gab Beleidigungen und Wettkämpfe, um den Stärkeren zu ermitteln (vgl. ebd.: 233). Obwohl das Studio also den Anspruch an sich selbst hatte, traditionellen männlichen Normen keinen Raum zu geben, konnte es sich selbst nicht von ihnen frei machen (vgl. ebd.: 254). Stattdessen entsteht eine hybride Männlichkeit, die oben bereits erläutert wurde.

Im Folgenden soll nun genauer auf Aspekte eingegangen werden, die bei der Konstruktion von Männlichkeit im Fitnessstudio eine wichtige Rolle spielen. Angefangen mit dem Gebrauch von Drogen und PES wird in diesem Unterkapitel auch das Thema Bodybuilding verhandelt. Da­nach wird ein Blick auf Homosexualität und Homoerotik geworfen, und zwar sowohl in Bezug auf homoerotische Tendenzen zwischen heterosexuellen Männern als auch auf homosexuelle Männer allgemein. Anschließend geht es um die Rolle, die Deindustrialisierung und die Mo­derne beim Aufkommen der heutigen gym-culture spielen und schließlich um den Aufbau ho­mosozialer Netzwerke im Fitnessstudio und damit verbunden auch die Abgrenzung zu Frauen.

4.1 Drogen, PES und Bodybuilding

Die in den Medien verbreiteten Bilder von Männern seien meist nur durch Sport und den Ein­satz anaboler Mittel zu erreichen und zu erhalten, was ein unrealistisches beziehungsweise auch gefährliches Männerbild konstruiere (vgl. Benson 2013: 81). Diese Unerreichbarkeit resultiere schließlich in Unzufriedenheit, welche äußerst lukrativ für die männliche Körperbildindustrie sei (vgl. ebd.) und einen Adonis-Komplex bei Männern hervorrufen könne. Dabei handelt es sich um eine „steigende Obsession von Männern mit ihrer physischen Erscheinung, die sich in Körperbild- und Essstörungen manifestiert“ (ebd.: 87). Diese Störungen wurden bei Männern lange Zeit weder untersucht noch erkannt, da sie zumal als „Frauenkrankheiten“ galten. Zudem wurde und wird die Fixierung auf den eigenen Körper auch heute noch äußerst selten von Män­nern angesprochen, da eine übertriebene Sorge um das Äußere als narzisstisch und feminin gilt (vgl. ebd.: 88). Ein muskulöser Körper, der auf Leistung getrimmt ist, wird aber nichtsdestotrotz als Ausdruck von Männlichkeit verstanden.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde das Training im Fitnessstudio immer mehr in den Be­reich der „mass leisure actvity“ (Andreasson 2015: 553) verschoben, es waren also immer mehr Menschen da, die den Sport als Freizeitaktivität betrieben und nicht auf Wettbewerbsniveau. Das führte dazu, dass das Bodybuilding immer mehr marginalisiert wurde. In den 1990er Jahren wurde der Sport immer häufiger mit einer verteidigenden und kompensatorischen Männlichkeit verbunden und lange Zeit mit dem Gebrauch von PES gleichgesetzt (vgl. ebd.: 553/547). Durch letzteres wurde schließlich auch die Konstruktion von Männlichkeit mit dem Aufbau von Mus­keln und vor allem der Einnahme von Drogen verbunden (vgl. ebd.: 547). In der Studie von Andreasson (2015) nennt ein Befragter als seine drei key concepts bei der Einnahme von PES Rationalität, Dominanz und Kontrolle, alles Eigenschaften, die der hegemonialen Männlichkeit zugeordnet werden können. Er distanziert sich außerdem von denjenigen, die die Substanzen unkontrolliert einnehmen und macht deutlich, dass er in der Lage ist nötige Pausen zu machen und dann wieder einzusteigen (vgl. ebd.: 551). Hier wird deutlich, dass zum Training im Fit­nessstudio scheinbar auch gehört, sich spezifisches Wissen nicht nur über Trainingstechniken und Emährungspläne anzueignen, sondern eben auch über den Einsatz und die Kontrolle von PES (vgl. Gibbs/Salinas/Tumock 2022: 228).

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Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Konstruktion von Männlichkeit(en) im Fitnessstudio. Bedeutung von Drogen, Homosexualität und der Abgrenzung zu Frauen
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
1,0
Autor
Jahr
2022
Seiten
22
Katalognummer
V1283017
ISBN (Buch)
9783346747464
Sprache
Deutsch
Schlagworte
konstruktion, männlichkeit, fitnessstudio, bedeutung, drogen, homosexualität, abgrenzung, frauen
Arbeit zitieren
Areti-Kristin Bouras (Autor:in), 2022, Konstruktion von Männlichkeit(en) im Fitnessstudio. Bedeutung von Drogen, Homosexualität und der Abgrenzung zu Frauen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1283017

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