Leseprobe
Inhalt
I. Einleitung
1. Vorbereitungen zur Hochzeit Friedrichs V. mit Elisabeth von England
1.1 Der politische Weg der Kurpfalz bis zur Hochzeitsverhandlung mit England
1.2 England - Tor zum Protestantischen Machtblock
2. Die kurfürstlich-königliche Heirat
2.1 Hochzeitslegitimation und der Kampf gegen Rom -die Rettung der Protestanten
2.2 Demonstration von Kultur, Fortschritt und Stärke - ein Ausruf zur Anspannung
3. Fazit
II. Quellenverzeichnis
III. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Freude, Legitimation, Rangerhöhung? Die Hochzeit des Pfälzer Kurfürsten Friedrich V. mit der englischen Prinzessin Elisabeth Stuart löste im 17. Jahrhundert diverse öffentliche Reaktionen aus. Dass ein Kurfürst eines kleinen Territorialstaates eine englische Prinzessin heiratete, war nicht üblich gewesen - denn es gab viele ranghöhere Anwärter für die Tochter Jakobs I. Diese Hausarbeit soll anhand ausgewählter Quellenauszüge und Forschungsliteratur beantworten, inwiefern die Hochzeit des jungen Paares den Willen nach Rangerhöhung der Kurpfalz im Alten Reich konsolidierte. Wozu führte die Vermählung, wie reagierte die Außenwelt, welche Folgen konnten möglicherweise aus der dynastischen Verbindung entstehen?
Deutsch- und englischsprachige Werke der Forschungsliteratur konnten zur Bearbeitung der Fragestellung herangezogen werden. Armin Kohnle bietet mit seinem Werk „Kleine Geschichte der Kurpfalz“1ein umfangreiches Bild der Pfalz im Alten Reich und informiert in einem allgemeinen Rahmen, was die Einarbeitung in die Thematik vorantrieb. Zur Vertiefung und Spezialisierung wurden die Arbeiten „Heidelberg und seine Kurfürsten“2sowie der wissenschaftliche Sammelband der Herausgeber Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim & Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg3 herangezogen. Vor allem galt die Arbeit Magnus Rüdes4 als das Hauptwerk mit vielen Verweisen auf weitere hilfreiche Literatur.
Die Quellenlage gestaltet sich als umfangreich und aufgrund der Online-Publikationen historischer Schriften als leicht zugänglich. Der Churfürstliche hochzeitliche Heimführungstriumph5, Descriptions von William Fennor6 sowie George Withers Hochzeitsgedicht7 boten Passagen, die für die Untersuchung der Fragestellung nützlich gewesen sind.
Die Arbeit führt die Lesenden anfangs in den zeitlich-politischen Rahmen ein und erklärt die Innen- sowie Außenpolitik unter Hinzunahme der Konfessionsthematik beider Bündnispartner. Welche Bedingungen mussten für dieses Ereignis geschaffen werden? Anschließend sollen Reaktionen auf die Heirat sowie die Selbstdarstellung der Pfalz ebenso den Grund wie auch den Effekt der Festlichkeit verdeutlichen. Das Fazit resümiert die Ergebnisse der Ausarbeitung.
1. Vorbereitungen zur Hochzeit Friedrichs V. mit Elisabeth von England
Folglich soll die Historie beider an der Heirat beteiligten Dynastien skizziert werden, um ein Verständnis für die zeitgenössischen Geschehnisse zu entwickeln. Damit sich die Kurpfalz die Hochzeit Friedrichs V. mit Elisabeth Stuart sichern konnte, musste intensive Vorarbeit geleistet werden - schließlich entsprach der kurfürstliche Rang nicht dem eines Prinzen.
1.1 Der politische Weg der Kurpfalz bis zur Hochzeitsverhandlung mit England
Unter der Regierung des Kurfürsten Friedrich IV. (1592-1610) bekannte sich die Kurpfalz zum Reformiertentum und prägte damit ihre politische Partizipation innerhalb sowie außerhalb des Alten Reiches. Als erstes reformiertes Territorium im losen Staatenverbund schlug der kleine Territorialstaat Pfalz einen sich von den anderen Mitgliedern des Heiligen Römischen Reiches unterscheidenden Weg ein. Dieses bewusst durchdachte Vorhaben richtete sich explizit gegen das katholische habsburgische Haus, welches die Kaiserkrone des Reiches trug und in Europa für religiöse Auseinandersetzungen sorgte. Zwar verfügte Friedrich IV. selbst nicht über große politische Fähigkeiten, doch besaß er kompetente Räte an seiner Seite, die ihn in der Pfalzpolitik unterstützen.8Der herausragende Akteur Christian von Anhalt Bernburg leistete große Dienste für den Kurfürsten und prägte als Außenminister die pfälzische Politik bis in den 30-jährigen Krieg hinein und sorgte dafür, dass das Ansehen des Kurfürstentums innerhalb des Alten Reiches wuchs.9Eines der wichtigen Ziele war die Unterstützung der Hugenotten im französischen Glaubenskrieg sowie der Niederländer gegen die spanischen Habsburger. Diese außenpolitische Orientierung wurde aufgrund von Konfessionsfragen und zudem Interessen an internationalen Bündnissen vollzogen. Die Kurpfalz sah in den calvinistischen Ständen und in England geeignete Bündnispartner für eine Koalition gegen die Katholiken.10Zwar waren die reformierten Gemeinden in der Minderheit, jedoch gelang es Ihnen, das politische System vor Ort trotzdem vor Probleme zu stel- len.11Die Kurpfalz profitierte von den Exulantengemeinden Frankenthal, Otterberg, Lambrecht und Schönau, die sie für reformierte Flüchtlinge gründete. In kurzer Zeit entwickelten sich die Orte zu Städten, welche begabten und gelehrten Zuwanderern religiösen Schutz bieten konnten.12Mit der westlichen Ausrichtung der Außenpolitik entstand ein Agentennetzwerk, mit dem religiöse aber auch politische Fragen zwischen der Kurpfalz, Frankreich, den Niederlanden sowie England verhandelt werden konnten.13Friedrich IV. erhob aufgrund der Gegenreformation, die Anfang des 17. Jh. an Stärke zunahm, gemeinsam mit seinen Räten den Anspruch auf die Führung und Vertretung lutherischer Parteien innerhalb des Alten Reiches und setzte mit der Gründung der Protestantischen Union im Jahr 1608 bei Auhausen nach Besetzung der bikonfessionellen Reichsstadt Donauwörth durch katholische Streitkräfte einen Grundstein für das antikatholische Defensionsbündnis, welches die vorherrschende Angst, Wut, Unsicherheit sowie das Minderwertigkeitsgefühl der Protestanten im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation reduzieren sollte.14Das Bündnis mit der Verwaltung durch die Kurpfalz verband erstmalig evangelische und reformierte Stände und fundierte nicht nur als militärisches Bündnis, sondern auch als Institution und Ergänzung zur Reichsverfassung, nachdem protestantische Stände im Reichstag selten Wahrnehmung und Berücksichtigung trotz des Augsburger Religionsfriedens von 1555 erhielten. So galt die Gründung der Union als zusätzliche Maßnahme, die protestantische Partizipation im Alten Reich zu etablieren.15Durch die Führung und Verwaltung übernahm die Kurpfalz eine bedeutende Aufgabe und präsentierte sich als kompetente und politisch aktive Partei im Staatenverbund.
Beim Tod des Kurfürsten 1610 war sein Nachfolger gerade einmal vierzehn Jahre alt, weshalb die Vormundschaftsregierung durch den Schwiegersohn Johann von Zweibrücken organisiert wurde. Friedrich V. wurde am französischen Hof des reformierten Herzogs von Boullion in Sedan erzogen und gelehrt, ehe er 1612 nach England reiste, um sich der englischen Prinzessin Elisabeth Stuart anzunähern. Dies bedurfte einer intensiven diplomatischen Vorarbeit durch die kurpfälzischen Räte, die sich stark für die Heirat der beiden engagierten und den Rang Friedrichs verteidigen mussten, bis es zu Verhandlungen kam.16
1.2 England - Tor zum Protestantischen Machtblock
Nachdem die ehe- und kinderlose Königin Elizabeth I. aus der Tudordynastie im Jahr 1603 verstarb, wurde per Agnatsprinzip der schottische König Jakob VI. als Jakob I. zum König von England gekrönt. Die englische Elite jedoch leistete dem aus Schottland stammenden König Widerstand, weshalb das Land durch Instabilität und Unsicherheiten geprägt worden war. Die „Großbritannienidee“ Jakobs mit einer Unionsbildung beider Länder kam nicht zustande.17Zudem plagte die Frage nach der staatlichen Konfession den calvinistischen Nachfolger Elizabeths. Seit der Reformation formierten sich in England verschiedene religiöse Gruppierungen. Die zur englischen Mehrheitskonfession Zugehörigen teilten sich auf in 1. Konformisten mit mäßiger calvinistischer Prägung, 2. Anticalvinistische Gruppen mit arminianischer Prägung und 3. Radikale bis gemäßigte Puritaner. Die katholische Seite wurde gebildet durch 1. Anhänger der altkirchlichen Bräuche und 2. Überzeugte einer neuformierten katholischen Gegenreformation.18 Es ist also leicht erkennbar und nachvollziehbar, dass das Leben des englischen Volkes durch eine Vielzahl religiöser Gruppierungen und Milieus geprägt wurde. Zu jener Zeit bestimmte die Frage nach der Konfession die eigene Stellung im Land. Die Stuart Herrschaft zur Zeit des 17. Jahrhunderts war durch keine eindeutige Zuordnung des Landes zu einer Konfession, sondern vielmehr durch ein ungeordnetes Konvolut, das konfessionelle Fragen zur Orientierung und Zugehörigkeit innerhalb der Gesellschaft nutzte, geprägt. Schon beim Herrschaftsantritt 1603 musste der englische König zwischen jenen religiösen Strömungen vermitteln können, woraus das Religionsgespräch 1604 resultierte, um eine „via media“ zwischen dem Calvinis- mus und der englischen altkirchlichen Tradition für die anglikanische Kirche zu finden.19Das Ergebnis dieser Verhandlungen wurde maßgeblich durch den König dirigiert, indem er als Verfasser vieler religiöser Abhandlungen seine Stellung als Oberhaupt der Kirche demonstrierte. Vom Volk wurde die Akzeptanz Jakobs als geistlichen sowie weltlichen Herrscher und die Anerkennung religiöser anglikanischer Grundsätze gefordert.20Im selben Jahr konnte Jakob den englisch-spanischen Krieg, welcher seit 1585 andauerte, beenden. Die Beziehung Englands mit Spanien verbesserte sich, sogar eine Heirat des englischen Prinzen Henry of Wales mit einer spanischen Prinzessin wurde anvisiert, ehe eine von der französischen Königswitwe Marie de Médici initiierte Doppelhochzeit zwischen Frankreich und Spanien im Jahr 1611 verkündet worden war und Gefahren bildete. Jene Botschaft verleitete den englischen König dazu, die Relation zu Spanien erkalten zu lassen, da die Angst eines katholischen Machtbündnisses im Westen präsent geworden war. Christian von Anhalt konnte den aus dem Haus Stuart stammenden Herrscher zum Allianzschluss Englands und der Protestantischen Union überzeugen. Der Engländer übernahm hierbei sogar die Führungsrolle.21Die Annäherung beider protestantischen Parteien blühte erfolgreich auf, die Heirat zwischen Elisabeth Stuart und Friedrich V. wurde konkreter verhandelt, bis es letztendlich 1612 zum Vertragsabschluss beider Seiten und damit zur Heirat kam. Die Hochzeit wurde aufgrund des Todes von Henry of Wales auf das Jahr 1613 verschoben, fand jedoch in voller Pracht statt und sandte bedeutsame Zeichen in Richtung des katholischen Machtblocks.22
2. Die kurfürstlich-königliche Heirat
Im Februar 1613 schlossen Friedrich V. und Elisabeth Stuart den Ehepakt und etablierten eine Dynastieverbindung der Wittelsbacher und der Stuarts mit geeinter protestantischer Autorität gegen das habsburgische Machtkonstrukt. Die Feierlichkeiten wurden von Februar bis Juni in mehreren Orten zelebriert - angefangen in London über Den Haag bis nach Heidelberg, der neuen Residenz Elisabeths - und verkündeten prachtvoll die aussichtsreiche Vermählung beider Parteien. Auf den folgenden Seiten sollen öffentliche Äußerungen von Zeitzeugen sowie die symbolische Machtdemonstration während des Festzuges in den Kontext der Konfessionsproblematik und des politischen Konstrukts des 17. Jahrhunderts gestellt werden. Anhand dessen soll vermittelt werden, welchen Stellenwert die Heirat des Kurfürsten mit der englischen Prinzessin für die Kurpfalz im frühen 17. Jahrhundert aufweist und zu welchen Folgeerscheinungen dies führte.
2.1 Hochzeitslegitimation und der Kampf gegen Rom - die Rettung der Protestanten
Auf der Insel widmeten sich die sogenannten Spenserians - eine Gruppe radikalprotestantischer Literaten - der Hochzeitsthematik und der damit einhergehenden politischen Verflechtung Englands in die internationalen Auseinandersetzungen Zentraleuropas. Sie schenkten der englischen Positionierung große Hoffnungen und Vorstellungen in Bezug auf die Konfessionswahrung aber auch auf die Auswahl des Bündnispartners.23
„His court is pleasant, and his person Royall, his Councell grave, his Officers care true; His Gentry faithfull, and his Commons loyall, his lands are fruitfull, what can then ensue? Nothing but his Religion, which is grounded upon the Gospel that hath Rome confounded.“24
William Fennor preist den pfälzischen Kurfürsten aufgrund seiner königlichen Person, des angenehmen Hofes, der ehrlichen Räte. Zudem sei die Kurpfalz reich an fruchtbaren und schönen Ländereien und dazu vertrete sie die richtige Religion, die sich Rom widersetze. Der Autor verkündet Freude über die Verbindung Englands mit der Kurpfalz und schreibt in seinem Werk von der Schönheit des rheinländischen Territoriums, was den Leser dazu verleitet, ebenso eine positive Neigung zur Pfalz zu entwickeln. Das Bekenntnis der Pfalz zum Calvinismus ist der essentiellste Bestandteil der Vermählung, Fennor begrüßt die konfessionelle antikatholische Stellung der Kurpfalz im Alten Reich. Weiter schreibt er:
„What may be in a Prince in him their flowes, excepting Vice for that he ever hated, what should be in a Prince in him their growes: for Englands good this good Prince was created, His Lawes are iust his government is civill, he doth pursue good and esche- weth evill.“25
[...]
1 Vgl. Kohnle, A.: Kleine Geschichte der Kurpfalz.
2 Vgl. Moers-Messmer, W. v.: Heidelberg und seine Kurfürsten.
3 Vgl. Wieczorek et. al.: Die Wittelsbacher am Rhein. Die Kurpfalz und Europa.
4 Vgl. Rüde, M.: England und Kurpfalz im werdenden Mächteeuropa.
5 Vgl. Anonym: Churfürstlicher hochzeitlicher HeimführungsTriumph.
6 Vgl. Fennor, W.: Descriptions.
7 Vgl. Wither, G.: Epithalamia or Nuptiall Poems.
8 Vgl. Kohnle: Kleine Geschichte der Kurpfalz, S. 102.
9 Vgl. Ebd., S. 104.
10 Vgl. Ebd., S. 105.
11 Vgl. Rüde: England und Kurpfalz, S. 71.
12 Vgl. Hermann: Vom Werden und Vergehen französisch-reformierter Gemeinden im pfälzisch-lothringischen Grenzbereich. Erweiterte Fassung eines Vortrages auf dem 35. Deutschen Hugenottentag in Zweibrücken am 24. April 1987, S. 14.
13 Vgl. Kohlndorfer: Jacques Bongars (1554-1612). Lebenswelt und Informationsnetzwerke eines frühneuzeitlichen Gesandten S. 9.
14 Vgl. Ritter: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges (1555-1648) S. 259-278.
15 Vgl. Heckel: Die Krise der Religionsverfassung des Reiches und die Anfänge des Dreißigjährigen Krieges, S. 115.
16 Vgl. Bilhöfer: Nicht gegen Ehre und Gewissen. Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz - der Winterkönig von Böhmen (1596-1632), S. 35-36.
17 Vgl. Galloway: The Union of England and Scotland 1603-1608, S. 166.
18 Vgl. Rüde: England und Kurpfalz, S. 77.
19 Vgl. Ebd., S. 79.
20 Vgl. Lake: Calvinism and the English Church 1570-1635, S. 34.
21 Vgl. Bilhöfer: Nicht gegen Ehre und Gewissen, S. 35-36.
22 Vgl. Neumaier: Heiratspolitik und dynastische Verflechtung der Pfälzer Kurfürsten in Europa, S. 118.
23 Vgl. Norbrook: Poetry and Politics in the English Renaissance, S. 202.
24 Vgl. Fennor: Descriptions, S. 8.
25 Vgl. Ebd., S.9.