Seit langer Zeit und in immer größerem Umfang leben Menschen in urbanen Räumen. Dort wohnen sie, verrichten alltägliche Arbeiten und sehen ihre Kinder in gewohnter Umgebung aufwachsen. Die Stadt ist aber zudem der Schauplatz, an dem das Fremde und Andersartige in seinen vielen Gestalten begegnet.
Zentrales Thema in Richard Sennetts Buch „Fleisch und Stein“ ist eben dieses Fremde. Es geht um Konflikte im Rahmen von Widersprüchlichkeiten, denen Personen ausgesetzt sind, wenn sie Menschen aus anderen kulturellen Kreisen sehen, riechen, mit einem Wort: erleben. Eingebettet sind diese Problemstellungen, die zumal in der Neuzeit ihre Aktualität stets neu beweisen, in eine Stadtgeschichte, die ihr Gewicht durch Rekurs auf herrschende Körperbilder zu verschiedenen Zeiten gewinnt: Das Verhältnis des Menschen zur städtischen Architektur war und ist ein zutiefst gespaltenes und einen Überblick über Versuche, dieses zu bestimmen bzw. zu definieren, hat sich der amerikanische Soziologe zum Ziel gesetzt.
Deutlich schimmern in Sennetts Buch Vorschläge durch, Sozialität in städtischen Räumen, die sich scheinbar im Banne des modernen Individualverkehrs in ihrer Vielfältigkeit eingeschränkt zeigt, wiederzubeleben, um jene Spannung im zwischenmenschlichen Geschehen, die sich auf eine konfliktbehaftete Fremderfahrung gründet, nicht als zu umgehendes, gefahrvolles „Gebilde“ zu markieren. Diese Arbeit versucht zunächst, sich in kritischer Auseinandersetzung um eine gebündelte Darstellung der „wichtigsten“ zeitlichen Geschehnisse im Ausgang sennettscher Gedanken zu bemühen, um im Anschluss den „Zustand“ beschreiben zu können, der sich zur Kennzeichnung heutiger Problemfelder im Rahmen innerstädtischer Sozialität heranziehen lässt.
Danach wird der Frage nachzugehen sein, inwieweit die Merkmale des modernen Menschen im Zwischenspiel mit der Architektur von Sennett treffend und detailliert geschildert worden sind um in einem weiteren Schritt mögliche Widersprüche im Argumentationsgang aufzudecken bzw. dort zu vertiefen, wo genauere Analysen nicht angeboten werden...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- „Corrosion of Character“
- Der neue Kapitalismus
- Flexibilität im Zwielicht
- Der Körper und die Stadt: Fleisch und Stein
- Die Geburtshelfer des Individualismus
- Im Banne des Kreislaufs: Blut zirkuliert
- Hygienik und städtische Architektur
- Kreisläufe „moderner“ Ökonomie
- Stationen auf dem Weg zur „taktilen Krise“ der Gegenwart
- Das Trauma des „neutralen Raumes“
- Technologien der Bewegung
- Der passive Körper der Neuzeit
- Die Wiedergeburt der Stadt aus dem Schmerz
- Der Schmerz
- Mitleid und Widerstand
- „Wenn sich die Eingeweide rühren.“ Bedenken gegenüber einer Mitleidsethik
- Inkongruenzen: Ort und Raum
- Be-rührende Blicke
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Das Buch „Fleisch und Stein“ von Richard Sennett untersucht das Verhältnis des Menschen zur städtischen Architektur und beleuchtet die komplexen und widersprüchlichen Erfahrungen von Fremdheit in urbanen Räumen. Die Arbeit zielt darauf ab, eine kritische Analyse der Stadtgeschichte und der sich daraus ergebenden sozialen Konflikte vorzunehmen.
- Die Auswirkungen des modernen Kapitalismus auf die Identität und den Charakter des Menschen
- Die Bedeutung von Körperlichkeit und räumlichen Beziehungen in der Stadt
- Die Rolle von Mitleid und Empathie in der Begegnung mit Fremdem
- Der Einfluss von Architektur und Technologie auf die menschliche Wahrnehmung und Interaktion
- Die Herausforderungen der sozialen Ordnung und der Integration in einer globalisierten Welt
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Sennett führt in die Thematik der Fremdheit in der Stadt ein und stellt die zentrale Frage nach dem Verhältnis des Menschen zur städtischen Architektur.
- „Corrosion of Character“: Dieses Kapitel befasst sich mit den negativen Auswirkungen des modernen Kapitalismus auf den Charakter des Menschen. Sennett analysiert die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt und ihre Folgen für die menschliche Identität und soziale Beziehungen.
- Der Körper und die Stadt: Fleisch und Stein: Hier wird die Bedeutung von Körperlichkeit und räumlichen Beziehungen in der Stadt hervorgehoben. Sennett betont, wie die Art und Weise, wie wir einander sehen, hören und berühren, unsere sozialen Interaktionen prägt.
- Die Geburtshelfer des Individualismus: In diesem Kapitel werden die historischen Entwicklungen beleuchtet, die zur heutigen Form des Individualismus geführt haben. Sennett untersucht die Rolle von Kreisläufen, Hygiene und städtischer Architektur in diesem Prozess.
- Stationen auf dem Weg zur „taktilen Krise“ der Gegenwart: Dieses Kapitel analysiert die Entwicklung der „taktilen Krise“ in der Moderne, die durch den wachsenden Einfluss von Technologie und den Rückgang der körperlichen Begegnung gekennzeichnet ist.
- Die Wiedergeburt der Stadt aus dem Schmerz: In diesem Kapitel beschäftigt sich Sennett mit der Frage, wie der Schmerz der Fremdheit und die damit verbundenen Konflikte zu einer neuen Form von Solidarität führen können.
- Inkongruenzen: Ort und Raum: In diesem Kapitel wird der Unterschied zwischen Ort und Raum beleuchtet. Sennett argumentiert, dass Orte eine wichtige Rolle bei der Gestaltung unserer sozialen Interaktionen spielen.
- Be-rührende Blicke: In diesem Kapitel untersucht Sennett die Rolle des Blicks in der sozialen Interaktion. Er hinterfragt die Vorstellung, dass der Blick ein passives Rezeptionsorgan ist und argumentiert, dass er eine aktive Rolle beim Verständnis des Fremden spielt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter des Buches sind: Stadtgeschichte, Fremdheit, Individualismus, Kapitalismus, Flexibilität, Körperlichkeit, Raum, Ort, Mitleid, Empathie, Blick, soziale Interaktion, Urbanität, Architektur, Technologie.
- Arbeit zitieren
- Marcus Reiß (Autor:in), 2002, Wenn sich die Eingeweide rühren . Überlegungen zu Richard Sennetts - Fleisch und Stein -, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12853