Zur Dialektik von Staat und Kapitalismus

Über Materialistische Staatstheorie


Hausarbeit, 2008

22 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsangabe

2. Einleitung

3. Marx’ Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie

4. Nicos Poulantzas’ Staatstheorie

5. Der Nationalstaat im transnationalen Vergesellschaftungssystem

6. Schlussfolgerung

7. Literaturangabe

2. Einleitung

„Zwischen Kapitalismus und Demokratie besteht ein unauflösliches Spannungsverhältnis mit beiden konkurrieren nämlich zwei entgegengesetzte Prinzipien der gesellschaftlichen Integration um den Vorrang“ (Habermas 1995b: 507)

Der Staat bildet den allgemeinen Reflexionsgegenstand vorliegender Abhandlung. Soziologisch soll hier verfahren werden, denn andere sich mit dem Staat befassende Einzelwissenschaften wie die Politikwissenschaft und die Rechtswissenschaft haben sich einer anderen Vorgehensweise verschrieben, die in ihren Fundamenten abzulehnen ist. Sie werfen lediglich die Frage auf, wie sich die verschiedenen Staatstypen, in Vergangenheit und Gegenwart, beschreiben und klassifizieren lassen (Hoerster 2004: 9). Dass dies nicht die Aufgabenstellung vorliegender Arbeit ist (und im Allgemeinen nicht sein darf) sei hier einleitend hervorzuheben. Im Gegenteil, die Fragestellung dieser Abhandlung zielt auf eine ganz andere Ebene ab: Soziologisch soll der Zusammenhang zwischen Marktwirtschaft und Staat erfasst werden, im Sinne einer dialektischen Denkfigur. Positivismus soll damit entgegengearbeitet werden. Auch der vorwiegende Teil der Staatsphilosophie geht an dieser Dialektik vorbei. Norbert Hoerster bringt das grundlegende Problem der philosophischen Meinung auf den Punkt, in dem er verdeutlicht, dass die „staatsphilosophische Fragestellung“ (Hoerster 2004: 11) zwar auf den Grund des Staates abzielt, und sie damit schon einen Schritt aus dem bloßen Empirismus der Politik- oder Rechtswissenschaften gemacht hat, sie allerdings in einer strikt anti-soziologischen Fragestellung verhaftet bleibt: „Für den Staatsphilosophen ist die Warum-Frage eine Frage der Rechtfertigung“ (ebd.). Hier lässt sich sehen, dass fast die gesamte politische Philosophie den Staat als ein von dem Menschen bewusst geschaffenes Konstrukt, einen Überbau, ansieht, welcher in dem meisten Fällen auf einem gemeinsamen Willen fußt, Allgemein- und Sonderinteresse zur Identität zu bringen. Der Staat erscheint somit als eine „soziale Vereinigung“ (Hoerster 2004: 12).

Vorliegende Arbeit versucht nun den bürgerlichen Staat und seiner bürgerlichen Rechtfertigungsphilosophie einer Kritik zu unterziehen und somit einer Ideologie entgegenzusteuern, die ihn als die Verkörperung eines „allgemeinen Willens“ oder als ein über der Gesellschaft stehendes Subjekt darstellt. Deswegen kann diese Arbeit auch als eine Kritik der Politikwissenschaft gelten, da diese in den meisten Fällen in ihrer Methode positivistisch verfährt. Joachim Hirsch verdeutlicht dies, denn „nicht zuletzt (…) kann die politische Wissenschaft, die an den äußerlichen Erscheinungsformen anknüpft und ihre gesellschaftlichen Grundlagen nicht hinterfragt, mit dem Begriff Staat nicht allzu viel anfangen.“ (Hirsch 2005: 48) Antonio Gramsci sieht daher in der „kritischen Ökonomie“ den „angemessenen Ausgleich zwischen der deduktiven Methode und der induktiven Methode angestrebt“ (Gramsci 1994: 1294), da es hier um die historische Bestimmung von Begriffen und Theorien geht, was bei der „klassischen Ökonomie“ (und hier analog: Politikwissenschaft) kaum erfolgt: „Die gesamte Konzeption der kritischen Ökonomie ist historizistisch.“ (Gramsci 1994: 1296) Auch wenn sich nicht von „der“ Politikwissenschaft sprechen lassen kann, soll hier aufgezeigt werden, dass sie in den meisten Fällen bloß deskriptiv, nicht historisch-dialektisch verfährt: „Politik liegt dann nämlich nur vor, wenn Interessengegensätze ausgetragen werden. Wo kein Konflikt, da auch keine Politik“ (Robert 2003: 8). Hier herrscht also auch die Idee des Staates als Überbau vor, antagonistische Interessen im Zaun zu halten. Des weiteren stehen in der Politikwissenschaft schwammige, nichts erklärende Definitionen im Raum, wie: „Ein politisches System ist ein ausdifferenziertes gesellschaftliches Teilsystem, dessen Funktion darin besteht, Entscheidungen zu treffen, die für die Gesellschaft als Ganze von existentieller Bedeutung sind und die eben deshalb verbindlichen Charakter beanspruchen.“ (Robert 2003: 9). Nach Horkheimers Philosophieverständnis geht es deswegen darum, „die herrschenden Ideen, Handlungsweisen und gesellschaftlichen Verhältnisse nicht unreflektiert, rein gewohnheitsmäßig hinzunehmen“ (Horkheimer 1940: 289) um ein kritisches dialektisches Denken zu entfalten was auf eine „vernünftige Organisation der menschlichen Gesellschaft“ (Horkheimer 1940: 285) abzielt.

Ausgehen tut die Arbeit von Überlegungen der Karl Marxschen Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, in der bereits die Kritik der bürgerlichen Sozialphilosophie auf den Begriff gebracht wird. Auch wenn es an dieser Stelle nicht sinnvoll erscheint die Hegelianische Rechtsphilosophie als so genannten „Prototypen“ der bürgerlichen politischen Philosophie zu wählen, soll dies hier trotzdem geschehen, da die Marxsche Philosophie die Basis dieser Abhandlung bilden soll. Marx’ Programm einer Wissenschaft als Kritik zielt darauf ab nicht die einzelnen Theorien, sondern bereits deren zugrunde liegenden Kategorien, also Begriffe, zu kritisieren (Heinrich 2006: 381). So lässt sich Marx nicht bloß verkürzt als Kritiker der politischen Ökonomie verstehen, sondern als Kritiker von Ideologie im Allgemeinen! Diesem Standpunkt will ich mich in dieser Abhandlung anschließen und einleitend die Ideologie der bürgerlichen politischen Philosophie in Gestalt der Hegelschen darstellen. In einem zweiten und dritten Teil soll das Hauptaugenmerk auf den aktuellen (post-)fordistischen Staat der westlichen Gesellschaften gelegt werden, wobei mir vor allem die Arbeiten von Nicos Poulantzas und Joachim Hirsch dienen, zwei Vertreter der materialistischen Staatstheorie. Der materialistisch gedeutete Staat soll hierbei im Spiegel der veränderten Vergesellschaftungsweise durch die Transnationalisierung der Kapitalverhältnisse (die so genannte „Globalisierung“) betrachtet werden.

3. Marx’ Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie

„Der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee“ (Hegel 2004: 242)

„Alles, was der Mensch ist, verdankt er dem Staat; er hat nur darin sein Wesen“ (Hegel 2004: 244)

Um Marx’ Kritik an der Hegelschen politischen Philosophie verstehen zu können sei an dieser Stelle kurz etwas über Hegels Denksystem zu sagen. Hegels Versuch der Überwindung des kantischen transzendentalen Idealismus’ (also des krassen Subjektivismus’ das alles Denken vom Ich denke ausgehe) kulminiert in seinem absoluten Idealismus. Das heißt, dass er die Idee als den Grund allen Seins sieht, als die eigentliche Wirk lichkeit. Diese Idee wird nun im Geschichtsverlauf auf unterschiedlichen Stufen zum Vorschein gebracht, verobjektiviert, Hegels Terminologie nach auf den Begriff gebracht. Recht, Moralität und Sittlichkeit stellen bspw. solche auf den Begriff gebrachten Konkretisierungen dar.

In der Hegelschen Rechtsphilosophie wird der Staat nun als politisch auf den Begriff gebrachte Institutionalisierung der Idee dargestellt, die hier auch als synonym mit Vernunft gelten kann (Hegel 2004: 239), da nach Abschluss der Bildungsgeschichte des Menschen, dargestellt in der Phänomenologie des Geistes, die Vernunft sich selbst wissend geworden ist, also das Subjekt sich nun als Subjekt und Objekt zu gleich zu wissen versteht womit der Subjektivismus Kants aufgehoben wird.

Hegel sieht Marx zufolge im Staat eine Institutionalisierung des „System[s] des allgemeinen Interesses“, welches dem „System des Sonderinteresses (der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft)“ gegenüber steht (Marx 2002: 94). Erst durch die Identität der beiden Systeme, also ihrer dialektischen Vermittlung, kann es zur „konkrete[n] Freiheit“ (ebd.) kommen, was Hegel zufolge den Sinn des bürgerlichen Staates ausmacht (Hegel 2004: 242). Der Staat stellt Hegel zufolge das höchste Dasein der Freiheit dar, das „Dasein der selbstbewussten Vernunft“ (Marx 2002: 138). Der Staat sei also eine „äußerliche Notwendigkeit“ (ebd.) für die Erhaltung des allgemeinen Interesses plus Erhaltung der besonderen Interessen (Marx 2002: 103). Dies mache Hegel zufolge den „Staatszweck“ (Marx 2002: 104) aus. Marx grundlegende Kritik an Hegels politischer Philosophie besteht darin, dass Hegel nur einen „Staatsformalismus [entwickle]. Das eigentliche materielle Prinzip ist ihm die Idee, die abstrakte Gedankenform des Staates als ein Subjekt, die absolute Idee, die kein passives, kein materielles Moment in sich hat.“ (Marx 2002: 208) Dies deutet bereits den Unterschied zur materialistischen Staatstheorie an. So unterliege Hegel einer Verdrehung von Subjekt und Prädikat, also einer Verdrehung von Staat und Gesellschaft. Die bürgerliche Gesellschaft und Familie wird zum Abgeleiteten, und das Abgeleitete, der Staat, wird zum alleinigen agierenden Subjekt, der vorangehenden Idee. Marx verdeutlicht dass es sich historisch genau anders herum zugetragen hat. In ihrer Entwicklung geht die bürgerliche Gesellschaft und die Familie dem Staat als besondere Sphäre voraus (Marx 2002: 95). Erst aus ihnen gehe er hervor. Hegel zufolge garantiere der Staat Freiheiten der Staatsbürger indem er Forderungen, also Gesetze erlässt, sodass „Pflicht und Recht in einer und derselben Beziehung vereinigt sind.“ (Marx 2002: 96) Hegel verdeutlicht: „Das Wahre ist die Einheit des allgemeinen und subjektiven Willens; und das Allgemeine ist im Staate in den Gesetzen.“ (Hegel 2004: 245)

Marx´ hier einsetzende Kritik bezieht sich auf begriffliche logische Tautologien, denn „die Bedingung wird aber als das Bedingte, das Bestimmende wird als das Bestimmte, das Produzierende wird als das Produkt seines Produktes gesetzt.“ (Marx 2002: 99) Hegels Fehler liege darin, überall die Idee zum Subjekt und damit das wirkliche Subjekt zum bloßen Prädikat zu verdrehen. Marx verdeutlicht: „die logische Entwicklung von Familie und bürgerlicher Gesellschaft zum Staat ist also reiner Schein“ (Marx 2002: 101). Die politische Verfassung als auf den Begriff gebrachte Idee des Organismus bestimmt somit die politische Gesinnung der Staatsbürger. Marx fasst Hegels bisherige Staatsanalyse dahingehend zusammen, dass der sich wissende und wollende Geist die Substanz des Staates ausmacht (Einsicht in die Notwendigkeit sowie dass das Subjekt zugleich Subjekt und Objekt ist), der allgemeine Zweck das allgemeine Interesse und in ihm die Erhaltung der besonderen Interessen ist und dass die Verwirklichung der Staatsmacht durch verschiedene Gewalten, also eine gegliederte Macht vollzogen wird (Marx 2002: 105).

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Zur Dialektik von Staat und Kapitalismus
Untertitel
Über Materialistische Staatstheorie
Hochschule
Universität Münster
Note
1,0
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V128551
ISBN (eBook)
9783640335701
ISBN (Buch)
9783640335916
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dialektik, Staat, Kapitalismus, Materialistische, Staatstheorie
Arbeit zitieren
Anonym, 2008, Zur Dialektik von Staat und Kapitalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128551

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