Neben Güter- und Dienstleistungsmärkten existieren auch Märkte für Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen, welche sich im Zuge der Globalisierung zu einem „Weltmarkt für Unternehmen“ entwickelten. In den vergangenen Jahren konnte eine rasante Entwicklung des Volumens der weltweiten Transaktionen auf diesem Markt für Unternehmensübernahmen beobachtet werden.
Von den verschiedenen Methoden der Kontrollerlangung über Unternehmen wird in dieser Arbeit das Übernahmeangebot betrachtet, welches vor allem in den USA und in Großbritannien als „dominierende Übernahmetaktik“ angewandt wird. In Deutschland dagegen war diese Möglichkeit der Kontrollübernahme bis Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts von eher untergeordneter Bedeutung. Ab dem Jahr 1995 konnte allerdings auch hier eine deutliche Zunahme der Übernahmeangebote festgestellt werden.
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen zum einen ökonomische Aspekte des Übernahmeangebotes und zum anderen die Gestaltungsmöglichkeiten aus Sicht des Bieterunternehmens.
In der vorliegenden Arbeit werden aus der Perspektive des übernehmenden Unternehmens mögliche Gestaltungsmöglichkeiten des Übernahmeangebotes dargestellt und ausgewählte Parameter (Höhe der angebotenen Gegenleistung - Umtauschverhältnis, Art der Gegenleistung - Bargeld, Wertpapiere oder deren Kombination) einer ökonomischen Analyse unterzogen.
Dazu werden die Ziele und Interessen des Bieters vorgestellt, auf deren Grundlage dann eine Bewertung stattfinden kann. Im Zuge der Betrachtung werden Vor- und Nachteile bestimmter Gestaltungsformen aus Sicht des Bieters ebenso erörtert wie mögliche Risiken, die sich für diesen aus unterschiedlichen Angebotsbedingungen ergeben können. Anschließend erfolgt eine Bewertung des Übernahmeangebotes als Kontrollerlangungsmethode im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der Übernahme von Kontrolle über Unternehmen. Die Vor- und Nachteile sowie mögliche Risiken dieser Methode werden wiederum aus Sicht des übernehmenden Unternehmens vorgestellt.
In einem abschließenden Resümee werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfassend dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Einführung und Eingrenzung der Arbeit
1.2 Gang der Arbeit
2. Unternehmenskontrolle
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Ausgewählte Kontrollerlangungsmethoden
2.2.1 Marktkäufe
2.2.2 Paketkauf
2.2.3 Proxy voting
2.2.4 Übernahmeangebot
3. Übernahmeangebote als Methode zur Erlangung der Unternehmenskontrolle
3.1 Begriffsbestimmung
3.2 Zeitlicher Ablauf
3.3 Gestaltungsparameter
3.3.1 Vorbemerkung
3.3.2 Zeitliche Aspekte
3.3.3 Anzahl der zu übernehmenden Wertpapiere
3.3.4 Art der zu übernehmenden Wertpapiere
3.3.5 Gegenleistung
3.3.5.1 Tauschangebot
3.3.5.2 Barangebot
3.3.6 Preisfestsetzung
3.3.7 Preisdifferenzierung
3.3.8 Nebenbedingungen
4. Ökonomische Analyse ausgewählter Gestaltungsparameter
4.1 Vorbemerkung
4.2 Ziele und Interessen des Bieters
4.3 Gegenleistung
4.3.1 Höhe der Gegenleistung
4.3.1.1 Vorbemerkung
4.3.1.2 Unternehmensbewertung
4.3.1.3 Festlegung des Umtauschverhältnisses
4.3.2 Art der Gegenleistung
4.3.2.1 Vorbemerkung
4.3.2.2 Barmittel
4.3.2.3 Wertpapiere
4.3.2.4 Kombination aus Barmitteln und Wertpapieren
5. Bewertung von Übernahmeangeboten als Kontrollerlangungsmethode
5.1 Vorbemerkung
5.2 Vorteile des Übernahmeangebotes
5.3 Nachteile des Übernahmeangebotes
6. Resümee
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung des Transaktions-Marktes weltweit
Abbildung 2: Übernahmeangebote nach dem Übernahmekodex
Abbildung 3: Zeitlicher Ablauf eines Übernahmeangebotes
Abbildung 4: Gestaltungsparameter bei Übernahmeangeboten
Abbildung 5: Auswirkungen unterschiedlicher Angebotsfunktionen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Einführung und Eingrenzung der Arbeit
Neben Güter- und Dienstleistungsmärkten existieren auch Märkte für Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen, welche sich im Zuge der Globalisierung zu einem „Weltmarkt für Unternehmen“[1] entwickelten.[2] Die rasante Entwicklung des Volumens der weltweiten Transaktionen auf diesem Markt für Unternehmensübernahmen verdeutlicht Abbildung 1.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung des Transaktions-Marktes weltweit
(Quelle: Thomson Financial zitiert nach Picot (2002a), S. 5.)
Diese Übersicht zeigt, dass sich das Transaktionsvolumen von 1992 bis zum Jahr 2000 nahezu verzehnfacht hat. Der Rückgang des Volumens im Jahre 2001 ist dabei auf eine schwache Weltkonjunkturlage, geringe Börsenkurse und die Verunsicherung durch die Attentate des 11. September 2001 zurückzuführen.[3] Im Jahr 2002 sank das Volumen weiter auf 996 Mrd. US-$.[4]
Bei Transaktionen mit deutscher Beteiligung kann eine ähnliche Entwicklung festgestellt werden. Während sich das Volumen in den Jahren 1995 bis 2000 von 31 Mrd. € auf 478 Mrd. € erhöhte, sank dieser Wert im Jahre 2001 auf 163 Mrd. €. Dies entspricht einem Rückgang von 65 %.[5] Dabei ist für das Jahr 2000 zu berücksichtigen, dass allein die Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone Airtouch ein Volumen von 203 Mrd. € ausmachte und damit die größte internationale Unternehmensübernahme der Jahre 1996 bis 2000 war.[6]
Durch diese Transaktion erlangte das (feindliche) Übernahmeangebot auch in der deutschen Öffentlichkeit Beachtung. Beispielhaft wurde hier die besondere Brisanz des feindlichen Übernahmeangebotes aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen der Betroffenen deutlich. Die Emotionalität von Unternehmensübernahmen spiegelt sich in der verwendeten Sprache und den Bezeichnungen der Beteiligten wider. So wird das übernehmende Unternehmen als (Raub-)Ritter (raider) und das Zielunternehmen als target bezeichnet. Als Abwehrmaßnahmen können Giftpillen (poison pills) eingesetzt werden, und ein dem Management des Zielunternehmens freundlich gestimmter Gegenspieler des Übernehmers wird als rettender weißer Ritter (white knight) charakterisiert.
Von den verschiedenen Methoden der Kontrollerlangung über Unternehmen wird in dieser Arbeit das Übernahmeangebot betrachtet, welches vor allem in den USA und in Großbritannien als „dominierende Übernahmetaktik“[7] angewandt wird. In Deutschland dagegen war diese Möglichkeit der Kontrollübernahme bis Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts von eher untergeordneter Bedeutung.[8] Ab dem Jahr 1995 konnte allerdings auch hier eine deutliche Zunahme der Übernahmeangebote festgestellt werden. Diese Entwicklung verdeutlicht Abbildung 2, in der die freiwilligen Übernahmeangebote nach dem deutschen Übernahmekodex der Jahre 1995 bis 2000 aufgeführt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Übernahmeangebote nach dem Übernahmekodex
(Vom Verfasser modifiziert übernommen aus: Picot (2002b), Abb. G0047.)
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen zum einen ökonomische Aspekte des Übernahmeangebotes und zum anderen die Gestaltungsmöglichkeiten aus Sicht des Bieterunternehmens. Dabei werden rechtliche Aspekte nicht näher analysiert.
Die Darstellung und Analyse des Übernahmeangebotes konzentriert sich auf den Erwerb von Anteilen einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien. Die Besonderheiten beim Erwerb von Anteilen anderer Gesellschaftsformen werden in dieser Arbeit nicht betrachtet.
1.2 Gang der Arbeit
In der vorliegenden Arbeit werden aus der Perspektive des übernehmenden Unternehmens mögliche Gestaltungsmöglichkeiten des Übernahmeangebotes dargestellt und ausgewählte Parameter einer ökonomischen Analyse unterzogen.
Dazu wird zunächst der Begriff der Unternehmenskontrolle im Sinne dieser Arbeit definiert (Kapitel 2.1.). Darauf aufbauend werden ausgewählte Methoden vorgestellt, die es einem Unternehmen ermöglichen, die Kontrolle über ein anderes Unternehmen zu erlangen (Kapitel 2.2.).
Im dritten Kapitel werden die wesentlichen Kennzeichen von Übernahmeangeboten vorgestellt. Anschließend wird eine Definition des Begriffes „Übernahmeangebot" für die vorliegende Arbeit eingeführt (Kapitel 3.1.).
Nach einer Darstellung des zeitlichen Ablaufes eines Übernahmeangebotes werden in Kapitel 3.3. die unterschiedlichen Parameter für die Gestaltung von Übernahmeangeboten aus Sicht des Bieters erläutert.
Auf Basis der vorgestellten Gestaltungsmöglichkeiten eines Übernahmeangebotes für das übernehmende Unternehmen werden dann in Kapitel vier ausgewählte Parameter des Angebotes einer ökonomischen Analyse unterzogen. Dazu werden die Ziele und Interessen des Bieters vorgestellt, auf deren Grundlage dann eine Bewertung stattfinden kann (Kapitel 4.2.). Im Zuge der Betrachtung werden Vor- und Nachteile bestimmter Gestaltungsformen aus Sicht des Bieters ebenso erörtert wie mögliche Risiken, die sich für diesen aus unterschiedlichen Angebotsbedingungen ergeben können. Als Gestaltungsparameter werden in Kapitel 4.3.1. die Höhe der angebotenen Gegenleistung (Umtauschverhältnis) und in Kapitel 4.3.2. die Art der Gegenleistung (Bargeld, Wertpapiere oder deren Kombination) betrachtet. Bei der Beurteilung der Höhe der Gegenleistung wird eine kurze Vorstellung von Methoden zur Unternehmensbewertung und der damit verbundenen Problemfelder vorgenommen (Kapitel 4.3.1.2.).
Anschließend erfolgt in Kapitel fünf eine Bewertung des Übernahmeangebotes als Kontrollerlangungsmethode im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der Übernahme von Kontrolle über Unternehmen. Die Vor- und Nachteile sowie mögliche Risiken dieser Methode werden wiederum aus Sicht des übernehmenden Unternehmens vorgestellt.
In einem abschließenden Resümee (Kapitel sechs) werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfassend dargestellt.
2. Unternehmenskontrolle
2.1 Begriffsbestimmung
Zielsetzung von Unternehmensübernahmen ist die Erlangung der Kontrolle über ein anderes Unternehmen (Zielunternehmen).[9] Für die folgenden Ausführungen ist es zunächst notwendig, den Begriff der Kontrolle zu erläutern:
Von Kontrolle über ein Unternehmen kann allgemein dann gesprochen werden, wenn der Kontrollinhaber die Möglichkeit besitzt, dessen „Geschäfts- und Unternehmenspolitik zu bestimmen“[10]. Der Inhaber der Kontrolle ist in diesem Fall also „Träger der Entscheidungsmacht“[11]. Nachdem die Unternehmensleitung der Zielgesellschaft unmittelbar die Geschäfts- und Unternehmenspolitik bestimmt, kann sie gemäß der eingangs vorgestellten Definition als Kontrollinhaber angesehen werden.[12] Allerdings wird in den hier betrachteten Kapitalgesellschaften der Vorstand direkt oder indirekt[13] von der Versammlung der Eigentümer bestimmt. Aus diesem Grund muss der Begriff der Kontrolle weiter gefasst werden. Dem Kontrollinhaber eines Unternehmens muss es also möglich sein, die Unternehmensleitung nach seinen Vorstellungen zu bestellen bzw. abzuberufen, um so „seine unternehmerischen Vorstellungen in der Gesellschaft durchzusetzen“[14].
Zur Beurteilung, ob ein Übernehmer faktisch diese Möglichkeit der Kontrolle besitzt, bzw. ab welcher Anteilsquote dies der Fall ist, sind im jeweiligen Fall verschiedene Spezifika zu betrachten: die Aktionärsstruktur, die Präsenz bei Hauptversammlungen und die Inanspruchnahme von Stimmrechtsvertretungen etc.[15]
Neben dem Besitz aller Anteile an einem Unternehmen kann auch bei einer Mehrheitsbeteiligung (Beteiligung >50%) von der Übernahme der Kontrolle gesprochen werden, denn diese ermöglicht die Berufung bzw. Abberufung der Unternehmensleitung und sichert die Mehrheit bei einer Vielzahl von Entscheidungen in der Hauptversammlung.[16] Aber auch bei Minderheitsbeteiligungen unter 50% kann sich eine Stimmrechtsmehrheit auf der Hauptversammlung ergeben („effective control“[17]). Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich die Aktien im Streubesitz befinden, die Präsenz des bei der Hauptversammlung vertretenen Kapitals gering ist oder wenn die Aktionäre ihre Stimmrechte nicht gemeinsam auf einen Dritten übertragen.[18]
In der vorliegenden Arbeit soll dann von einer „Kontrollerlangung“ gesprochen werden, wenn der Übernehmer eine Anteilsquote erreicht, die es ihm ermöglicht, nach seinen Vorstellungen Einfluss auf die „Unternehmens- und Geschäftspolitik“[19] zu nehmen. Diese Quote wird als Zielbeteiligungs- oder Zielstimmrechtsquote bezeichnet.
2.2 Ausgewählte Kontrollerlangungsmethoden
Für das Erlangen der angestrebten Zielstimmrechtsquote in der Hauptversammlung bieten sich dem Übernehmer mehrere Möglichkeiten.
Neben der Reinform können auch Kombinationen dieser Methoden angewandt werden. Bspw. kann ein Übernahmeangebot nach einer Reihe von Markt- oder Paketkäufen abgegeben werden.
2.2.1 Marktkäufe
Der Kauf von Aktien einer Zielgesellschaft über die Börse wird als Marktkauf („creeping tender offer“[20]) bezeichnet. Der Erwerb kann dabei direkt durch den Käufer oder durch einen von ihm beauftragten Dritten getätigt werden. Dem Käufer bieten sich dabei zwei verschiedene Strategien:[21] Zum einen kann er durch Käufe innerhalb kürzester Zeit versuchen, die angestrebte Beteiligungsquote zu erreichen. Busch spricht hier von einem „Überraschungsmanöver“[22]. Zum anderen kann mit einer langfristigen Strategie durch mehrere Marktkäufe die Beteiligungsquote kontinuierlich aufgebaut werden.
Voraussetzung für diese Form des Beteiligungserwerbs ist, dass die Aktien der Zielgesellschaft an einem für den Bieter zugänglichen Markt gehandelt werden.
Neben Aktien können mit dieser Methode auch andere Wertpapiere, mit denen ein zukünftiges Stimmrecht verbunden ist, erworben werden. So können bspw. durch den Kauf von Bezugsrechten das Recht auf den Bezug sog. junger Aktien und den damit verbundenen Stimmrechten erlangt werden.[23]
2.2.2 Paketkauf
Im Gegensatz zum Marktkauf findet der Paketkauf nicht über den Markt (Börse) statt. Bei dieser Methode vereinbaren Käufer und Verkäufer die Vertragskonditionen, insbesondere den Kaufpreis, individuell, wobei zwei Konstellationen möglich sind:
Hält ein Großaktionär ein Aktienpaket, das die Kontrollmehrheit über das Zielunternehmen sichert, genügt der Kauf dieses einen Paketes zur Kontrollerlangung. Existieren mehrere Aktienpakete, bei denen jedes Paket für sich genommen nicht die erforderliche Mehrheit beinhaltet, so kann die Kontrolle durch den Kauf mehrerer Pakete erlangt werden.
Existiert lediglich ein Großaktionär, so wird dieser bei den Verhandlungen und der Preisgestaltung auch die Tatsache berücksichtigen, dass mit dem Verkauf auch die Kontrolle über das Unternehmen an den Käufer übergeht.
Da für diese Kontrollerlangungsmethode zwingend eine entsprechende Aktionärsstruktur vorliegen muss, kann sie bei einem starken Streubesitz nicht in Betracht gezogen werden kann.[24] Dieses Mittel ist auch bei einer nicht börsennotierten Gesellschaft möglich.
2.2.3 Proxy voting
Zur Erlangung der Kontrolle über ein Unternehmen ist unter Umständen der Erwerb von Aktien nicht zwingend erforderlich. Maßgeblicher Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen oder die Besetzung der Unternehmensleitung kann auch über Stimmrechte anderer Aktionäre ausgeübt werden. Bei dieser als „proxy voting“[25] bezeichneten Methode lässt sich der Übernehmer entweder durch eine Vollmachtserklärung die Stimmrechte der Aktionäre übertragen, oder diese garantieren ihm ein bestimmtes Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung.[26] In der Auseinandersetzung um die Übertragung der Stimmrechte (sog. „proxy fight“[27] oder „proxy contest“[28]) versucht der Übernehmer, die Aktionäre von der Überlegenheit seiner Zielsetzungen gegenüber deren des Vorstandes zu überzeugen.[29] Dies kann z. B. durch die Zusage einer höheren Dividende geschehen.[30]
Um eine langfristige Kontrolle zu erlangen, bietet sich dem Übernehmer die Möglichkeit, über die vertragliche Übertragung der Stimmrechte hinaus eine Kaufoption für die Aktien im Rahmen von „Poolverträgen“[31] zu erwerben.[32] Dadurch kann ggf. der kurzfristige Erfolg eines proxy voting durch eine dauerhafte Kontrolle ausgebaut werden.
2.2.4 Übernahmeangebot
Als weiteres Mittel zur Kontrollerlangung über ein Unternehmen besteht die Möglichkeit der Abgabe eines Übernahmeangebotes (tender offer, takeover bid). In diesem Angebot bietet der Übernehmer (Bieter, bidder oder raider) öffentlich einer Vielzahl oder allen Aktionären[33] der Zielgesellschaft an, ihre Wertpapiere zu kaufen oder gegen andere Wertpapiere innerhalb eines festgelegten Zeitraumes zu tauschen.[34] Das Angebot ist dabei regelmäßig an bestimmte Bedingungen geknüpft, wobei die Konditionen vom Bieter festgelegt werden.[35]
Abhängig von der Haltung des Vorstandes können Übernahmeangebote als freundlich oder feindlich[36] klassifiziert werden.[37] Bei freundlichen Angeboten empfiehlt der Vorstand den Aktionären die Annahme des Angebotes, bei feindlichen lehnt er diese ab und ergreift ggf. Abwehrmaßnahmen (z. B. Vinkulierung von Aktien).[38]
Das Übernahmeangebotes als Methode zur Kontrollerlangung über Unternehmen wird im Folgenden ausführlicher betrachtet.
3. Übernahmeangebote als Methode zur Erlangung der Unternehmenskontrolle
3.1 Begriffsbestimmung
Sowohl in der Literatur, als auch in den staatenspezifischen Rechtsordnungen finden sich eine Vielzahl von Definitionen des Begriffs „Übernahmeangebot“.[39] In der vorliegenden Arbeit soll der Terminus unabhängig von seiner juristischen Festlegung unter rein ökonomischen Gesichtspunkten definiert werden. Dabei wird von den wesentlichen Bestandteilen eines Übernahmeangebotes ausgegangen, um so zu einer semantischen Eingrenzung zu gelangen.
In Anlehnung an Frei gehören folgende Elemente zu den wesentlichen Bestandteilen eines Übernahmeangebotes:[40]
1. Freiwilliges, öffentliches Angebot an eine Vielzahl oder an alle Aktionäre
Das Übernahmeangebot richtet sich direkt an eine Vielzahl[41] oder an alle[42] Aktionäre des Zielunternehmens. Ist dem Bieter die Identität der Aktionäre nicht bekannt,[43] muss dieser das Angebot zwingend öffentlich in Form von Zeitungsanzeigen, Pressemitteilungen o. ä. bekannt machen. Für Zwecke dieser Arbeit werden nur freiwillig abgegebene Übernahmeangebote betrachtet. Pflichtangebote werden nicht berücksichtigt.
2. Einer natürlichen oder juristischen Person[44]
Obwohl sich in den Ausgestaltungsmöglichkeiten unter Umständen Unterschiede aus der Rechtspersönlichkeit des Bieters ergeben können,[45] kann der Bieter sowohl eine natürliche, als auch eine juristische Person sein. Darüber hinaus können Gruppen von juristischen und/oder natürlichen Personen als Bietergemeinschaften auftreten.[46]
3. Zu vom Bieter einseitig festgelegten, einheitlichen Konditionen
Charakteristisch für Übernahmeangebote ist weiterhin, dass alle das Angebot betreffenden Bedingungen und Konditionen einseitig durch den Bieter einheitlich für alle betroffenen Aktionäre festgelegt werden. Ein „privatautonomes Handeln“[47] der Aktionäre ist also in diesem Fall ausgeschlossen; die Angebotskonditionen stellen für ihn „ein Datum dar“[48]. Als Entscheidungsalternativen für den Aktionär bieten sich daher nur die Annahme oder die Ablehnung des Angebotes.[49]
4. Wertpapiere des Zielunternehmens
Das Angebot kann für alle unterschiedlichen Arten von Wertpapieren[50] abgegeben werden, auch wenn mit diesen kein unmittelbares Stimmrecht verbunden ist.[51]
Eine Börsennotierung des Zielunternehmens, wie es Frei vorsieht,[52] muss nicht zwingendes Charakteristikum für ein Übernahmeangebot sein.[53]
5. Innerhalb eines definierten Zeitraumes
Die Annahme des Angebotes muss innerhalb eines festgelegten Zeitraumes durch den Aktionär erfolgen.
6. Zu kaufen oder gegen andere Wertpapiere einzutauschen
Als Gegenleistung werden dem Aktionär Bargeld oder andere Wertpapiere angeboten.[54]
Zusammenfassend wird das Übernahmeangebot für diese Arbeit wie folgt definiert:
Ein Übernahmeangebot ist das freiwillig und öffentlich an eine Vielzahl oder alle Aktionäre einer Zielgesellschaft gerichtete Angebot einer natürlichen oder juristischen Person, Wertpapiere eines Zielunternehmens innerhalb eines definierten Zeitraumes zu kaufen oder gegen andere Wertpapiere zu tauschen. Dabei werden die Konditionen des Angebotes einseitig und für alle Aktionäre einheitlich vom Bieter festgelegt.
3.2 Zeitlicher Ablauf
Der zeitliche Ablauf einer geplanten Übernahme mittels Übernahmeangebot kann in drei Phasen eingeteilt werden.[55]
In der ersten Phase legt der Übernehmer die Konditionen für das Übernahmeangebot fest. Die Ausgestaltung dieser Bedingungen erfolgt dabei anhand der definierten Ziele des Bieters.[56] Außerdem kann der Bieter in dieser Phase Verhandlungen mit den Organen des Zielunternehmens führen und versuchen, diese zu einer Befürwortung des Angebotes gegenüber den Aktionären zu bewegen. Um jedoch im Falle einer Ablehnung von Seiten der Leitung des Zielunternehmens Abwehrmaßnahmen zu verhindern, kann alternativ auch eine strikte Geheimhaltung der Übernahmepläne sinnvoll sein.[57] Die erste Phase endet mit der öffentlichen Bekanntmachung des Übernahmeangebotes.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anschließend entscheiden die Aktionäre des target innerhalb der Angebotsfrist über die Annahme oder Ablehnung des Angebotes. Im Falle einer Ablehnung des Angebotes durch die Leitung des Zielunternehmens, werden von diesem unter Umständen Abwehrmaßnahmen vorgenommen.[58] Diese zweite Phase endet entweder mit einer erfolgreichen Übernahme (die Zielbeteiligungsquote des Bieters wurde erreicht) oder mit dem Scheitern des Übernahmeversuchs. Bei einer erfolgreichen Übernahme folgt ggf. im Anschluss die Phase der Integration der Zielgesellschaft, welche den dritten Abschnitt des Prozesses darstellt.[59]
Abbildung 3: Zeitlicher Ablauf eines Übernahmeangebotes
(vom Verfasser modifiziert übernommen aus: Bästlein (1997), S. 60.)
3.3 Gestaltungsparameter
3.3.1 Vorbemerkung
Da der Bieter die Angebotsbedingungen einseitig festlegen kann, ergeben sich für ihn verschiedene Gestaltungsparameter. Diese werden im Folgenden dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Gestaltungsparameter bei Übernahmeangeboten
3.3.2 Zeitliche Aspekte
Für den Bieter ergeben sich zeitliche Gestaltungsalternativen zum einen durch die Wahl des Zeitpunktes der Bekanntgabe des Angebotes und zum anderen durch die Frist, die den Aktionären der Zielgesellschaft für die Annahme der Offerte eingeräumt wird.
Grundsätzlich ist der Übernehmer frei in der Wahl des Zeitpunktes der Angebotsunterbreitung.[60] Er kann jedoch hierfür einen für das Zielunternehmen unvorteilhaften Termin auswählen.[61] Ein für das target ungünstiger Zeitpunkt könnte bspw. eine kritische wirtschaftliche Situation darstellen. Der Bieter kann dann durch den Verweis auf negative Ertragserwartungen und die mangelnde Kompetenz des aktuellen Managements die Aktionäre der Zielgesellschaft ggf. leichter von der Vorteilhaftigkeit des Angebotes überzeugen.[62] Darüber hinaus werden die Möglichkeiten von Abwehrmaßnahmen der Unternehmensleitung des target durch eine überraschende Angebotsabgabe eingeschränkt.
Das Timing der Angebotsabgabe kann auch so gewählt werden, dass dieses für potentielle Mitbewerber um die Übernahme nachteilige Konsequenzen hat. Auch hier können Situationen ausgenutzt werden, in denen sich mögliche Konkurrenten in einer problematischen Lage befinden, um so Gegenangebote von vornherein zu verhindern.[63]
In einem sogenannten „Saturday Night Special“[64] kann die Übernahmeofferte nach Börsenschluss oder am Wochenende veröffentlicht werden. Auch in diesem Fall wird die Handlungsfähigkeit der Organe der Zielgesellschaft und der potentiellen Mitbewerber deutlich eingeschränkt.
Auch die Länge der Annahmefrist für ein Übernahmeangebot wird einseitig vom Bieter festgelegt. Innerhalb dieser Frist sollen die Aktionäre der Zielgesellschaft die Inhalte des Angebotes überprüfen können und sich anschließend für oder gegen eine Annahme entscheiden. Der Bieter wird dabei bestrebt sein, diese Zeitspanne möglichst kurz zu definieren, um die Aktionäre unter einen gewissen Entscheidungsdruck zu setzen.[65] Darüber hinaus kann so relativ zeitnah das Ergebnis der Übernahme antizipiert und diese schnell durchgeführt werden. Außerdem wird durch eine kurze Frist das Risiko von Spekulationen der Zielaktionäre, Abwehrmaßnahmen und die Abgabe von Gegenangeboten möglicher Mitbewerber verringert.[66]
Aus diesen Gründen wird der Zeitraum für die Annahme des Angebotes tendenziell kurz gewählt. Dieser liegt „gewöhnlich zwischen zehn Tagen und drei Wochen“[67]. Aufgrund rechtlicher Bestimmungen kann der Übernehmer für die Laufzeit des Angebotes an national unterschiedliche Fristen gebunden sein, welche ein Minimum und/oder ein Maximum festlegen.[68]
[...]
[1] Picot (2002a), S. 3.
[2] Vgl. Jansen (2000), S. 16.
[3] Vgl. Picot (2002a), S. 4.
[4] Vgl. Studie KPMG Corporate Finance zitiert nach Berschens (2003), S. 3.
[5] Vgl. Picot (2002a), S.6.
[6] Vgl. ebenda, S.5.
[7] Witt (1998), S. 42.
[8] Vgl. Busch (1996), S. 23f.
[9] Vgl. Richter (1998), S. 5.
[10] Busch (1996), S. 38.
[11] Watter (1990), S. 64.
[12] Vgl. Busch (1996), S. 38.
[13] Die Wahl des Vorstandes (board of directors) erfolgt bspw. in den USA direkt durch die
Hauptversammlung, während in Deutschland der Vorstand durch den Aufsichtsrat
bestimmt wird, welcher von der Hauptversammlung gewählt wird.
[14] Immenga (1992), S. 20.
[15] Vgl. auch zu weiteren Faktoren Immenga/Noll (1990), S. 16.
[16] Ausgenommen könnten lediglich solche Entscheidungen sein, bei denen laut Gesetz oder gemäß der Satzung eine größere Mehrheit erforderlich ist.
[17] Behrens (1975), S. 438.
[18] Wie bspw. beim sogenannten proxy-Verfahren (vgl. Gliederungspunkt 2.2.3).
[19] Busch (1996), S. 38.
[20] Watter (1990), S. 48.
[21] Vgl. Busch (1996), S. 49.
[22] ebenda, S. 49.
[23] Hierzu ausführlich Witt (1998), S. 21f.
[24] Vgl. Röhrich (1992), S. 29.
[25] Röhrich (1992), S. 29.
[26] Vgl. Watter (1990), S. 56.
[27] Peltzer (1986), S. 276.
[28] Weston/Chung/Hoag (1990), S. 472.
[29] Vgl. Peltzer (1986), S. 276.
[30] Vgl. Watter (1990), S. 56.
[31] Witt (1998), S. 29.
[32] Vgl. ebenda, S. 29f.
[33] Obwohl als Wertpapiere nicht nur Aktien in Betracht kommen, wird im Folgenden
vereinfachend von „Aktionären“ gesprochen.
[34] Vgl. hierzu Lüttmann (1992), S. 22; Witt (1998), S. 22-24 und Watter (1990), S. 50.
[35] Vgl. Witt (1998), S. 24.
[36] Zur Problematik der Begrifflichkeiten vgl. ausführlich Ebenroth/Daum (1991), S. 1105f.
und Bästlein (1997), S. 34-36.
[37] Vgl. Watter (1990), S. 50f.
[38] Zu möglichen Abwehrmaßnahmen vgl. Röhrich (1992), S. 68-77 oder Sudarsanam
(1995), S. 196-212.
[39] Für eine Übersicht vgl. Frei (1996), S. 11f.
[40] Vgl. ebenda, S. 13-15.
[41] Vgl. Dietrich (1975), S. 25 oder Watter (1990), S. 50.
[42] Vgl. Bozenhardt (1990), S. 9 oder Frei (1996) S. 13.
[43] Bei Inhaberpapieren ist dies nicht möglich. Im Falle von Namensaktien kann dem Bieter
unter Umständen der Zugang zum Aktionärsbuch verweigert werden.
[44] Vgl. auch Bozenhardt (1990), S. 9.
[45] Bspw. können bei einer natürlichen Person keine selbst emittierten Wertpapiere als
Gegenleistung angeboten werden.
[46] Vgl. Witt (1998), S. 15.
[47] Bozenhardt (1990), S. 10.
[48] Schubert/Küting (1981), S. 255.
[49] Vgl. Küting (1978), S. 1751.
[50] Frei (1996), S. 14.
[51] Vgl. Gliederungspunkt 3.3.4.
[52] Vgl. Frei (1996), S. 13f.
[53] Vgl. Küting (1978), S. 1753.
[54] Vgl. Gliederungspunkt 3.3.5.
[55] Vgl. hierzu Bästlein (1997), S. 60.
[56] Vgl. zu den Zielen und Interessen des Bieters Gliederungspunkt 4.2.
[57] Zu den Gründen für die Geheimhaltung vgl. Witt (1998), S. 72-74.
[58] Zu möglichen Abwehrmaßnahmen vgl. Röhrich (1992), S. 68-77 oder
Sudarsanam (1995), S. 196-212.
[59] Vgl. Picot (2002a), S. 17.
[60] Vgl. Assmann/Bozenhardt (1990), S. 86.
[61] Vgl. Bästlein (1997), S. 231f.
[62] Vgl. Sudarsanam (1995), S. 130.
[63] Vgl. Bästlein (1997), S. 232.
[64] ebenda, S. 232.
[65] Sog. „take-it-or-leave-it-factor“, Bachmann (1992), S. 31.
[66] Vgl. Küting (1978), S. 1753 und Schubert/Küting (1981), S. 257.
[67] Dietrich (1975), S. 43.
[68] Vgl. Bozenhardt (1990), S. 124.
- Arbeit zitieren
- Klaus Dohrmann (Autor:in), 2003, Übernahmeangebote - Darstellung und ökonomische Analyse ausgewählter Gestaltungsformen aus Sicht des Bieters, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12857