Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Zolltheorie
3 Zukünftige Wirtschaftsbeziehungen
4 Effekte des Brexits
4.1 Effekte für Deutschland
4.2 Effekte für die Niederlande
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der Brexit (Abkürzung für „British Exit“) ist ein Novum. Noch nie hat ein EU-Mitglied freiwillig die Europäische Union wieder verlassen wollen. (Aykanat 2016) Am 23. Juni 2016 jedoch entschieden sich 51,9% der Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs, bei einer Volksbefragung, für den Austritt aus der Europäischen Union. (The electoral commission 2016) Besonders ältere Wähler und Wähler aus den Industrieregionen in Mittelengland stimmten für einen Austritt aus der EU. In Schottland, Nordirland und London dagegen haben eine klare Mehrheit für einen Verbleib in der EU gestimmt. (Welfens 2018, S. 44) Außerhalb von London stimmten dagegen die meisten Regionen in England für einen Brexit. (Welfens 2018, S. 44) Als Folge der Entscheidung, Pro-EU-Austritt, legte Premierminister David Cameron sein Amt nieder, woraufhin am 13. Juli 2016 Theresa May das Amt der Premierministerin übernahm. (JUG/Dpa et al 2016) May leitete daraufhin den Austrittsprozess aus der EU, gemäß Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union, durch schriftliche Mitteilung an den Vorsitzenden des Europäischen Rates Donald Tusk rechtlich wirksam ein. (Adam 2019, S. 181) Dies bedeutete, dass das Vereinigte Königreich ab jetzt eine zweijährige Frist hatte, einen Austritt aus der Europäischen Union zu verhandeln. (Welfens 2018, S. 44; Adam 2019, S. 181) Am 14. November 2018 stellte Premierministerin May dem Kabinett den Entwurf des Austrittsabkommens vor, welches mit der Europäischen Union ausgehandelt wurde und über welches das britische Unterhaus am 11. Dezember 2018 abstimmten sollte. (Adam 2019, S. 226-233) Aufgrund von innerpolitischen Widerständen wurde diese Abstimmung jedoch verschoben und Nachverhandlungen wurden anberaumt. (Adam 2019, S. 233 – 236) In Folge von drei gescheiterten Abstimmungen im britischen Unterhaus, Vertrauensverlust in der Partei und einem Verlust von 14,2 % der Stimmen bei der Europawahl im Vereinigten Königreich 2019 legte May ihr Amt nieder und Boris Johnson wurde innerparteilich als Mays Nachfolger gewählt. (Reuters/dpa 2019) Am 29. Oktober 2019 stimmte das britische Unterhaus mit einer großen Mehrheit für Neuwahlen, welche am 12. Dezember 2019 stattfanden und in welcher die konservative Partei rund um Premierminister Boris Johnson die absolute Mehrheit im britischen Unterhaus erlangen konnte, wodurch ein Brexit als gesichert galt. (Tsp/dpa et al. 2019)
Am Freitag den 31.01.2020 verließ das Vereinigte Königreich offiziell die Europäische Union und die elfmonatige Übergangsphase (welche auf zwei Jahre erhöht werden kann) beginnt. (Zeit online, afp et al 2020) In dieser Zeit sind die Briten weiterhin im europäischen Binnenmarkt und in der Zollunion vertreten, haben allerdings in der Europäischen Union kein Mitbestimmungsrecht mehr.
Für Deutschland und die Niederlande sind die vergangenen Entwicklungen von hoher Relevanz. Alleine in Deutschland lag das Volumen der deutschen Güterexporte in das Vereinigte Königreich im Jahr 2016 bei circa 86 Milliarden Euro, was einen Anteil von 2,6 % am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausmacht. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 7) Nach Zahlen aus 2014 hängen in Deutschland direkt und indirekt ungefähr 556.000 Arbeitsplätze alleine am Export in das Vereinigte Königreich, was 1,4 % der Beschäftigten in Deutschland ergibt. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 8) Doch auch die Niederlande weist gemessen an ihrem ökonomischen Gewicht, eine überproportional starke Verbindung zum Vereinigten Königreich auf, so lagen die Bankforderungen der Niederlande gegenüber dem Vereinigten Königreich im Jahr 2015 bei knapp 100 Milliarden US-Dollar. (Miethe/Pother 2016, S. 685)
Das Ziel der fortführenden Seminararbeit ist es, herauszufinden, wie die zukünftigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union aussehen könnten und welche Effekte der Brexit dadurch auf Deutschland und die Niederlande hat.
Die Seminararbeit setzt sich aus 5 Kapiteln zusammen. Das Kapitel 1 dient als Einleitung der Seminararbeit, in der die Problemstellung und der Aufbau der Arbeit dargestellt wird. In Kapitel 2 wird die Theorie des Zolls erläutert, wie man diesen differenzieren kann und welche Auswirkungen dieser auf ein Land hat. Das 3. Kapitel befasst sich mit verschiedenen Modellen bereits existierender wirtschaftlicher Beziehungen zwischen der Europäischen Union und anderen Ländern. In Kapitel 4 werden die Effekte des Brexits differenziert für Deutschland und die Niederlande betrachtet. Die Seminararbeit schließt in Kapitel 5 mit einem Fazit, in welchem die Forschungsfrage, nach den Effekten des Brexits für Deutschland und die Niederlande beantwortet wird.
2 Die Zolltheorie
Eines der ältesten und am meisten diskutiertesten Instrumente der Handelspolitik ist der Zoll. In diesem Kapitel werden deswegen die Bedeutung und die Auswirkungen einer Zollerhebung erläutert.
Zölle sind Abgaben, welche vom Staat erhoben werden, wenn Waren die Grenzen des Staates bzw. des Zollgebiets überschreiten, sprich importiert, exportiert oder durchgeschleust werden. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 598) Bei Zöllen handelt es sich per Definition um Handelsschranken. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 598) Ein Beispiel für ein Zollgebiet ist die Europäische Zollunion (zu welcher auch Deutschland zählt), die den Unternehmen innerhalb der Union den Handel erleichtern soll. (Generaldirektion Kommunikation 2019) Die Zollbehörden der teilnehmenden Länder arbeiten hierbei wie eine einzige Behörde zusammen. Auf Waren, welche aus Drittländern in die EU importiert werden, wird ein einheitlicher Zolltarif angewendet, wohingegen bei internem Warenverkehr kein Zoll erhoben wird. (Generaldirektion Kommunikation 2019)
Ein Zoll lässt sich auf zwei Arten differenzieren. Als erste Möglichkeit gibt es, wie bereits bei der Definition erwähnt, die Differenzierung nach der Art. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 598) Hierbei wird differenziert nach der Form des grenzüberschreitenden Warenverkehrs. So gibt es den Ausfuhrzoll bei Exporten, den Einfuhrzoll bei Importen und den Durchfuhrzoll beim einfachen Durschschleusen, wobei der Einfuhrzoll die mit Abstand größte Bedeutung hat. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 598) Eine zweite Möglichkeit den Zoll zu differenzieren besteht in der Bemessungsgrundlage. So kann man den spezifischen Zoll, bei welchem eine Abgabe je Einheit eines Gutes erhoben wird, zum Wertzoll differenzieren, bei dem ein gewisser Prozentsatz vom Wert des Gutes als Zoll festgelegt wird. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 598) Daraus lässt sich ableiten, dass ein einheitlicher Wertzoll, hochwertige Güter relativ zum Preis, stärker belastet als geringwertigere. Beim Stückzoll hingegen ist genau das Gegenteil der Fall. Hierbei werden hochwertige Güter, relativ gesehen, geringer belastet als ein geringwertiges Gut. Abseits dieser beiden Zollformen gibt es dazu noch etliche Kombinationen, in Form von Misch- oder Gleitzöllen. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 598) Im Folgenden konzentriert sich diese Seminararbeit, im Zuge einer Partialanalyse, auf die Auswirkungen eines Importzolls, welche sich auf dem Inlandsmarkt bemerkbar machen, anhand eines Beispiels.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Abb 1. Zolltheorie – Wirkung einer Zollerhebung. Quelle: Weerth 2018)
Die Grafik zeigt eine Angebots- und Nachfragefunktion für ein Gut x, mit einem Gleichgewichtspreis und -menge Pi und Qi im Inland, in einer Volkswirtschaft ohne jegliche internationale Wirtschaftsbeziehungen. In Folge von internationalen Wirtschaftsbeziehungen kommt es zur Veränderung des Preises, wodurch sich ein einheitlicher Weltmarktpreis Pw ergibt (in diesem Spezialfall wird von Transaktionskosten, etc. abgesehen). Aufgrund des gesunkenen Preises kommt es zu einem Nachfrageüberschuss zwischen BL, welches durch den Import aus anderen Ländern gedeckt wird. Wird nun ein Zoll auf die Einfuhr des Gutes x erhoben, so erhöht sich der Weltmarktpreis Pw auf den neuen Preis Piz. Ein erster Effekt der Zollerhebung ist der Schutzeffekt, in Form von einer gestiegenen Inlandsproduktion von BE auf den Punkt D, da aufgrund des gestiegenen Preises, die inländische Wirtschaft zu einer höheren Produktion in der Lage ist. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 599-600) Aus dem gleichen Grund sinkt gleichzeitig die Nachfrage nach dem Gut x, um HL, auf den Punkt G. Dies nennt man den Konsumeffekt. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 599) Die steigende Produktion und sinkende Nachfrage im Inland hat den Außenhandelseffekt zur Folge, wodurch der benötige Import von BL auf DG sinkt. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 599) Gleichzeitig hat die Zollerhebung eine Erhöhung der staatlichen Zolleinnahmen um DG * PwPiz (sprich: Summe der importierten Mengeneinheiten mal dem erhobenen Zoll) zur Folge, was man als Zolleinnahmeeffekt bezeichnet. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 599) Die Produzentenrente (was die Fläche zwischen Preislinie, Angebotskurve und Ordinate darstellt) steigt um die Fläche PwBDPiz, wohingegen die Konsumentenrente (Fläche zwischen Preislinie, Nachfragekurve und Ordinante) um PwLGPiz sinkt. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 599) Die Einkommen werden demnach von Konsumenten auf die Produzenten und den Staat umverteilt, was man als Umverteilungseffekt bezeichnet. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 599) Dies hat zur Folge, dass die private Wohlfahrt um die Fläche BLDG sinkt. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 599) Die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt (der Nutzen aller Individuen in bestimmten Märkten oder gesamten Wirtschaft) sinkt unter Berücksichtigung der Wohlfahrtseffekte der Zolleinnahmen um die Flächen BED+LHG. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 599) Mit einem zunehmenden Zollschutz werden diese Effekte größer. Die Ausnahme bilden hierbei die staatlichen Zolleinnahmen, welche ab einer bestimmten Grenzen bei wachsenden Zollsätzen abnehmen, da in diesem Fall der Import völlig zum Erliegen kommen würde und die Zolleinnahmen dem entsprechend bei Null liegen würde. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 600) Ist dieses Szenario der Fall, so spricht man von einem Prohibitiv-Zoll. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 600) Ziel eines Zolls kann unter anderem sein, dem Land aus allgemeinen politischen Gründen einen Wirtschaftszweig zu erhalten, der ohne Zollschutz nicht überlebensfähig wäre. (Rose/Sauernheimer 2006, S. 600)
3 Zukünftige Wirtschaftsbeziehungen
Die zukünftigen Auswirkungen des Brexits hängen zu einem großen Teil von den ausgehandelten Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich ab. In diesem Kapitel werden deswegen bereits existierende Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Dritten aufgezeigt.
Das erste Modell ist das so genannte Norwegen-Modell (oder auch EWR-Modell genannt). So gehört Norwegen, neben Island, Lichtenstein und der Schweiz, der so genannten Europäischen Freihandelsassoziation (kurz: EFTA) an, dessen Ziel die Vertiefung des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa ist. (Müller 2011, S. 8-10) Grundlage des Norwegen-Modells ist der Abschluss des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen), durch welchen die Länder weitestgehenden Zugang zum europäischen Binnenmarkt haben. (Gäbler/Krause et al 2017, S. 56) So wurde der Rechtsbestand der vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (bestehend aus dem freien Verkehr von Waren, dem freien Verkehr von Personen, dem freien Verkehr von Dienstleistungen, sowie dem freien Kapitalverkehr) (Die Bundesregierung 2015) quasi wortgleich, wie es im europäischen Primärrecht steht, übertragen. (Fachbereich Europa 2018, S. 5) Im Gegenzug sind die EFTA-Staaten, welche sich am Europäischen Wirtschaftsraum beteiligen, dazu verpflichtet einen großen Teil des sekundären Unionsrechts in ihr Recht zu übernehmen, wobei die Übernahme dynamisch erfolgt. (Fachbereich Europa 2018, S. 5) Dies verpflichtet die Staaten dazu ihr Recht konstant an das Unionsrecht anzupassen. (Fachbereich Europa 2018, S. 5; Pernice/Guerra Martins 2019, S. 81-82) Trotz dieser auferlegten Pflicht, hat man selber aber kaum Möglichkeiten um auf die Beschlüsse Einfluss zu nehmen. (Köhne 2017) Norwegen hat darüber hinaus ein Abkommen mit der Europäischen Union über das „Schengener-Abkommen“, welches die Aufhebung von Personenkontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums vorsieht. (Böhmer/Pivac et al 2016, S. 6) Dazu umfasst der Europäische Wirtschaftsraum keine Zollunion. Es gibt dem zur Folge keine gemeinsamen Außenzölle der EU und Norwegens. Nach dem EWR-Abkommen sind im Art. 115 ff. Zahlungspflichten der EFTA-Staaten an den EU-Haushalt normiert. (Fachbereich Europa 2018, S. 4-5)
Ein zweites Modell ist das so genannte Schweiz-Modell. Auch die Schweiz ist Mitglied der EFTA, anders als beispielweise Norwegen jedoch kein Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums. (Goldenstede/Schmalz 2018, S. 8) Die Europäische Union und die Schweiz haben im Jahr 1972 ein Freihandelsabkommen abgeschlossen, welches sie über die Jahre durch mehr als 120 bilaterale Abkommen erweitert haben. (Fachbereich Europa 2018, S. 6) Das breite Netz an Abkommen hat eine weitgehende Einbindung der Schweiz in den europäischen Binnenmarkt zum Ergebnis. In den Bilateralen I&II, bestehend aus verschiedenen Einzelabkommen, wurden neben Regelungen zur gegenseitigen schrittweisen und kontrollierten Öffnung der Märkte, unter anderem auch die Bereiche der Betrugsbekämpfung und das Schengen-Abkommen geregelt, zu welchem die Schweiz seit dem 12. Dezember 2008 gehört. (Fachbereich Europa 2018, S. 6; Staatsekretariat für Migration SEM 2016) Anders als beim Norwegen Modell sind die Abkommen im Schweiz-Modell statisch. So verlangen einige Abkommen zwar, dass die Schweiz Unionsrecht übernimmt, jedoch nicht dazu verpflichtet ist Änderungen, der unionsrechtlichen Regelungen zu übernehmen. (Gäbler/Krause et al 2017, S. 56; Fachbereich Europa 2018, S. 6-7) Wie beim Norwegen-Modell bildet auch die Schweiz mit der Europäischen Union keine Zollunion. Es gibt dementsprechend keine gemeinsamen Außenzölle. (Fachbereich Europa 2018, S. 7-8) Im Rahmen der Beziehung zwischen der Schweiz und der Europäischen Union hat auch die Schweiz sich zu Zahlungen verpflichtet. (Fachbereich Europa 2018, S. 7-8)
Ein drittes Modell ist das Kanada-Modell, welches von den bisher genannten, dass am stärksten eingeschränkte Modell ist. Das Wirtschafts- und Handelsabkommen, kurz CETA (für: Comprehensive Economic and Trade Agreement), ermöglicht nur eingeschränkt einen freien Warenverkehr und Dienstleistungshandel. (Aichele/Felbermayr 2014, S. 20; Fachbereich Europa 2018, S. 8) Anders als bei den bisherigen Modellen, ist bei diesem Modell der Vertragspartner nicht verpflichtet bestimmte Rechtsakte zu übernehmen, kann dies jedoch durch eine freiwillige Abstimmung tun. (Fachbereich Europa 2018, S. 9) Ein weiterer Unterschied zu den anderen Modellen ist, dass durch das Abkommen CETA keine Zahlungspflichten für Kanada bestehen. Auch durch CETA entsteht keine Zollunion zwischen der Europäischen Union und Kanada. (Fachbereich Europa 2018, S. 9) Ein weiterer Unterschied zu den vorherigen Modellen ist, dass Kanada kein Teil des Schengen-Abkommens ist.
Das letzte Modell ist das so genannte WTO-Modell, welches im Falle eines „harten Brexits“, also im Falle keiner Einigung zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich, in Kraft tritt. Der harte Brexit hätte einen Ausstieg aus dem Europäischen Binnenmarkt und der Zollunion, sowie den Verlust aller vorhanden Privilegien zur Folge. (Goldenstede/Schmalz 2018, S. 3) Fortlaufend fallen, sollte kein Präferenzabkommen geschlossen werden, die geltenden Regelzollsätze für Drittländer der Welthandelsorganisation, kurz WTO (für: World Trade Organization) an. (Goldenstede/Schmalz 2018, S. 3)
4 Effekte des Brexits
Das Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Effekten des Brexits. Im Abschnitt 4.1 werden die Effekte des Brexits für Deutschland erläutert. Daraufhin wird im Abschnitt 4.2 ein Blick auf die Effekte für die Niederlande geworfen.
4.1 Effekte für Deutschland
Der Brexit hat auf Deutschland positive und negative Effekte, welche in Abhängigkeit zu den ausgehandelten Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich stehen. Kurzfristig führt der Brexit zu einer realen Währungsaufwertung und zu sinkenden Zinsen durch den „Sicheren-Hafen-Effekt“ (neben Deutschland auch in Frankreich, der Niederlande, etc.). Ein erster negativer Effekt für Deutschland ist der Einnahmenausfall im EU-Haushalt durch den Austritt des Vereinigten Königreichs von circa 11,88 %, welche damit hinter Deutschland mit 20,78 % und Frankreich mit 15,58 % den prozentual größten Beitrag zum EU-Haushalt beitragen (. Dazu kommt, dass Deutschland das wirtschaftlich finanziell stärkste Mitgliedsland der Europäischen Union ist, was zur Folge hat, dass sich die Erwartungen an Deutschland richten, den Einnahmeausfall mit zu tragen Als Vergleich kann man hier zum Beispiel Deutschland (das bevölkerungsreichste Land der Europäischen Union mit circa 83 Millionen Einwohner) mit dem in der Europäischen Union auf Platz 2 stehendem Frankreich (circa 67 Millionen Einwohner) und einem BIP von 3.386 Milliarden Euro auf deutscher Seite und einem BIP von 2.348,99 Milliarden Euro auf der Seite Frankreichs nehmen Das macht ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 40.800 € auf deutscher Seite und 35.100 € auf der französischen und zeigt damit einen klaren Vorsprung Deutschlands. (Auch die Bundesregierung hat bereits mit dem Ausfall der Beiträge für den EU-Haushalt gerechnet, weswegen man im Koalitionsvertrag die Bereitschaft zu höheren EU-Beiträgen signalisiert hat und damit den Erwartungsdruck weiter verstärkt: „Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschland zum EU-Haushalt bereit.“ ( o werden die momentan durchschnittlichen 30 Milliarden Euro, welche Deutschland jährlich zum EU-Haushalt beisteuert, auf knapp 45 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen. (Deutschland gehört wie zum Beispiel auch das Vereinigte Königreich oder Frankreich, zu den Nettozahlern in der Europäischen Union, worunter man ein Mitgliedstaat der Europäischen Union versteht, welches mehr Zahlungen an den EU-Haushalt leistet, als es an Rückflüssen aus diesem erhält. ( In Deutschland ergab der Haushaltsaldo im Jahr 2018 ein Minus von 13.41 Milliarden Euro. ( So liegen die Nettozahlungen an die Europäische Union prozentual vom BIP bei 0,39 % bzw. bei 131 Euro pro Kopf. (S. 24) Durch steigende Beiträge von Seiten Deutschlands, wird dem zur Folge auch der negative Nettosaldo weiter steigen. (S. 5) Nach Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich (welches auch zu den permanenten Nettozahlern gehört) und der Europäischen Union, wurde diesen ein sogenannter „Britenrabatt“ gewährt, welcher besagt, dass 66 % der Nettozahlungen erstattet werden. (Neben dem Vereinigten Königreich genießen mittlerweile auch Deutschland, Österreich, die Niederlande und Schweden den sogenannten „Rabatt auf den britischen Rabatt“, wodurch diese Länder nur 25 % des Beitrages zahlen müssen, welcher durch den Britenrabatt eigentlich zusätzlich für den EU-Haushalt anfallen würde. ( Durch den Brexit scheint sicher, dass der Rabatt entfallen wird und der Rabatt für Deutschland somit verloren geht. (S. 5)Gleichzeitig bedeutet der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union aber auch, dass die deutsche Volkswirtschaft in der Europäischen Union weiter an Bedeutung gewinnt, da mit dem Vereinigten Königreich die zweit größte Volkswirtschaft (mit einem Bruttoinlandsprodukt von 2.390,19 in Milliarden Euro in 2018) die Union verlässt. , S. 58; E) Eine weitere Auswirkung des Brexit-Abkommens wird insbesondere die Stadt Frankfurt und dessen Umgebung spüren, welche von der Schwächung der City of London profitieren werden. Geschätzte 10.000 bis 12.000 Finanzexperten werden London den Rücken kehren. Nach unterschiedlichen Berichten zur Folge rechnet man mit 2500 bis mehr als 5000 Experten, welche es in die hessische Metropole zieht. Dies hat einen Anzug der Büromieten, sowie einen lokalen Boom zur Folge, aufgrund von gestiegener Nachfrage nach Dienstleistungen wie Ärzten und Anwälten bis hin zum Reinigungspersonal oder auch Kindermädchen. Als starke Konkurrenz für Frankfurt gilt unter anderem Paris, welche ebenfalls ein Auge auf die Chance, der neue wichtigste Finanzplatz in Europa zu werden, geworfen haben. ( Der Vorteil für Frankfurt gegenüber Paris liegt darin, dass sie bereits ein etablierter Finanzplatz mit Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) sind. ( Doch der Zuwachs von Finanzexperten bietet nicht nur Vorteile für Frankfurt und Umgebung, sondern auch Nachteile welche sich insbesondere in einem Wohnraumdefizit und einem steigenden Mietpreis für Wohnraum niederspiegeln wird. Aber auch andere Städte als Frankfurt wecken das Interesse abwanderungswilliger Briten. Alleine im Jahr 2017 (im Jahr nach dem Brexit Entscheid) haben sich 152 Unternehmen in Deutschland angesiedelt, was gut ein Fünftel mehr Unternehmen sind als im Jahr davor . Die Mehrzahl der umgesiedelten Unternehmen kommen aus der Finanz- und Unternehmensdienstleistung, aber auch Firmen aus den Branchen Informationstechnologie und Software zieht es nach Deutschland. Besonders attraktiv für neue Unternehmen ist in Deutschland der große Binnenmarkt, sowie die Vielzahl von ausgebildeten Fachkräften. ( Doch nicht nur aus dem Vereinigten Königreich werden die Menschen nach Deutschland kommen. Auch Auswanderer aus osteuropäischen Staaten werden vermehrt den Weg nach Deutschland und zu anderen westeuropäische EU-Länder (wie Frankreich oder die Niederlande) wählen, aufgrund der großen Unsicherheit über den Status von EU-Zuwanderern nach dem Brexit. Ein weiterer Effekt des Brexits auf Deutschland wurde bereits indirekt in der Einleitung angedeutet. So gehört das Vereinigte Königreich mit zu einem der wichtigsten Handelspartner für Deutschland, mit einem Anteil von 7 % am Exportvolumen und einem Anteil von 4 % der Importe. Insbesondere die Bereiche Fahrzeug, Pharma und Maschinenbau gehören zu den wichtigsten Bereichen im deutschen Export in das Vereinigte Königreich, so exportieren die Maschinenbausektoren alleine im Jahr 2016 ein Volumen in Höhe von 17 Milliarden Euro. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 84) Ein weiteres Beispiel für die große Bedeutung des deutschen Exports in das Vereinigte Königreich liefert die Zahl der exportierten Autos im Jahr 2017. Alleine in diesem Jahr exportierte man 800.000 Autos in das Vereinigte Königreich, zum Vergleich waren es nach Italien und Frankreich gerade mal 310.000 bzw. 285.000 Autos. (Adam 2019, S. 342) Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union werden sich die Importe und Exporte, in Abhängigkeit von den ausgehandelten Wirtschaftsbeziehungen, verringern. (Schoof/petersen et al 2015, S. 1) Im Falle eines „Harten Brexits“ in Form des WTO-Modells (sprich: das Vereinigte Königreich steigt aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus) führt dies zu einem geschätzten Verlust von 50 % der Importe aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland. . (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 79) Bei Abschluss eines EWR-Abkommens dagegen würde der deutsche Import nur um gute 15 % sinken. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 79) Besonders betroffen davon wird der Großhandel sein, welcher einen sinkenden Export nach Deutschland von bis zu 66 % erwartet. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 80) Aber auch in anderen Sektoren (wie z.B. chemische Erzeugnisse, Finanzdienstleistungen, usw.) ist ein starker Rückgang des Imports sichtbar. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 80) Doch auch die Exporte in das Vereinigte Königreich werden zurückgehen. Schätzungen zur Folge allerdings weniger stark als für das Vereinigte Königreich selber. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 81) Auch hier besteht wieder eine große Abhängigkeit zu den am Ende festgelegten Wirtschaftsbeziehungen. Während man bei einem harten Brexit von einem Verlust von 28 % bis 33 % der Exporte ausgeht, liegt der Wert bei einem „Soft Brexit“ (EWR-Abkommen, Freihandelsabkommen, etc.) zwischen 5 % und 11 %. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 82) Wobei ein harter Brexit besonders dem deutschen Fahrzeughandel und Maschinenbau treffen würde, so würde dieser circa 60 % seines Exportvolumens einbüßen. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 81) Doch neben dem Rückgang der Exporte in das Vereinigte Königreich, wird Deutschland je nach Form des Brexits in andere Länder, aufgrund von innereuropäischen Handelsumlenkungen, eine größere Menge als vorher exportieren. So würde insbesondere im Falle eines harten Brexits der Export nach Irland zwischen 4,8 % und 7,9 % steigen. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 82) Dieser steigende Export wird zu einem großen Teil durch die Bereiche Maschinen, Metall, Elektronik und KFZ getragen. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 83) Der Handelsrückgang welcher sich aus dem Brexit zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland ergibt, kann allerdings nicht komplett durch die Handelsumlenkungen kompensiert werden. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 83) Der Rückgang des Exports hat gleichzeitig einen Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes zur Folge, welcher ebenfalls in Abhängigkeit zu den möglichen Wirtschaftsmodellen gesehen werden muss. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 69) So liegt der Verlust des realen BIPs je nach Modell zwischen 0,06 % und 0,24 %, was eine Veränderung des realen BIPs pro Kopf in Deutschland zwischen 22 € und 83 € (was in Summe ein Verlust von rund 6 Milliarden Euro bedeuten würde). (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 70) Besonders deutlich zu sehen ist auch, dass im Falle eines soften Brexits die Einbußen deutlich geringer ausfallen, nämlich zwischen 22 € und 40 € pro Kopf, als bei einem harten Brexit, bei dem es zwischen 65 € und 83 € pro Kopf sind. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 70) Doch neben allen wirtschaftlichen Komponenten hängen auch mehr als 550.000 Arbeitsplätze (ca. 1,4 % der Beschäftigen in Deutschland) von dem bilateralen Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland ab, welchen je nach Ausmaß des Brexits der Verlust des Arbeitsplatzes droht und somit zu einer höheren Arbeitslosenquote führen kann. (Adam 2019, S. 341; Welfens 2018, S. 125) Auch in diesem Fall hängt die Zukunft der Mitarbeiter in einem gewissen Maße an dem ausgehandelten Wirtschaftsmodell. (Felbermayr/Gröschl et al. 2017, S. 35) Durch den Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union verliert Deutschland gleichzeitig einen wichtigen Mitstreiter für eine freihandelsorientierte europäische Wirtschafspolitik und offene Märkte. (Gäbler/Krause et al 2017, S. 58) So werden die benötigten Stimmanteile für eine Sperrminorität von 35 % im EU-Ministerrat ohne das Vereinigte Königreich nicht mehr erreicht, wohingegen der Anteil der Länder (vorwiegend südeuropäische Länder und Frankreich), welche eher ein protektionistisches Wirtschaftssystem befürworten auf 42 % steigt. (Gäbler/Krause et al 2017, S. 58) Daraus folgt, dass sich eher protektionistisch orientiertereichts Länder zukünftig gegen die vorwiegend freihandelsorientierten mittel- und nordeuropäischen Staaten, welche dann nur noch 25 % der Stimmanteile haben, durchsetzen können. (Gäbler/Krause et al 2017, S. 58) Für ein besseres Verständnis der Bedeutung dessen, benötigt es eine Definition des Begriffes „Protektionismus“. Der Protektionismus beschreibt eine Form der Handelspolitik, welche das Gegenstück zum Freihandel darstellt. (Gröschl 2012, S. 35-38) Anders als beim Freihandel versucht man beim Protektionismus ausländischen Anbietern den Handel auf dem Inlandsmarkt durch Handelshemmnisse (zum Beispiel durch Zölle oder Subventionen) zu verkomplizieren, um damit inländische Anbieter vor ausländischer Konkurrenz zu schützen (Gröschl 2012, S. 35-38) Aus dieser Definition und der zunehmenden Stimmanteile der Staaten welche für ein protektionistisches Wirtschaftssystem sind, lässt sich der Effekt ableiten, dass der weitere Ausbau eines möglichst freien Handels (welchen Deutschland anstrebt) ins Stocken geraten könnte bzw. wird.
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