Lern- und Leistungsstörungen im Kindes- und Jugendalter

Familie als Ursache für Lernstörungen


Hausarbeit, 2007

19 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Begriff Lernstörungen

3. Erscheinungsbild lern- und verhaltensgestörter Kinder

4. Familie als Ursachenherd für Lernstörungen
a. Elterliche Erwartungen
b. Erziehungsverhalten
c. Das Kind als Symptomträger

5. Interventi onen

6. Schluss

7. Literaturverzeichnis

Einleitung

Schlagworte wie „Legasthenie“, Dyskalkulie“, oder „ADS“ sind in aller Munde und gehören längst zur Kehrseite unserer ambitionierten Lern- und Leistungsgesellschaft. Fällt ein Kind häufiger „negativ“ im Unterricht auf, ist die Schablone zur Einordnung in diverse Störungsbilder nicht weit. Das entlastet Lehrer und Eltern meist und auch leider davon ihren Beitrag zum Störungsbild des nicht angemessen Lernverhaltens des Kindes zu reflektieren. Dass Lernstörungen meist in ein hochkomplexes Ursachenfeld eingebettet sind, also das Zusammenspiel mehrerer Faktoren auslösend wirkt, wird dabei oft vergessen. Regelrecht geleugnet wird dabei in vielen Fällen die Verantwortung häuslicher Interaktionen, also das Zusammenspiel von Eltern und Kindern. Ebenso sehen sich die Lehrer in ihrer Situation oftmals überfordert und handlungsunfähig. Kein Wunder: Allein 38 Prozent der Kinder einer Studie wiesen in einer Untersuchung zum Thema Lernstörungen Konzentrationsstörungen in auffälliger Form auf, 18,7 Prozent hatten Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten und circa 50 Prozent mussten als verhaltensgestört klassifiziert werden, (vgl. Strobel 1975, S. 20). Dass diese Erscheinungen lediglich in jedem zehnten Fall auf Intelligenzmangel zurückzuführen sind, verschärft die Frage nach elterlicher und schulischer Verantwortungsübernahme, (vgl. Riedel 1988, S. 1ff). Die Ansätze zur Erklärung von Lernstörungen sind vielfältig und erstrecken sich auf unterschiedliche Bereiche (vgl. 2.). In dieser Arbeit werde ich zunächst der Frage nachgehen, was die Institution Familie zur Entwicklung von Lern- und Verhaltensstörungen bei Kindern beitragen kann. Hierzu werde ich auf drei mögliche Ursachenbereich eingehen: Die elterlichen Erwartungen an das Kind, das Erziehungsverhalten und eine Störung im Familiensystem. Anschließend werde ich die Frage reflektieren, welche Interventionen in den von mir beschriebenen Ursachenfeldern greifen könnten, wobei ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit der genannten Methoden erhebe. Zunächst jedoch ist es unabdingbar den Begriff „Lernstörung“ zu klären, was ich im folgenden Punkt tun werde.

Um Kinder zu beschreiben, die in der Schule nicht „nach Plan“ funktionieren, bieten sich in der Literatur unzählig ähnlich klingende Begriffe an. Immer wieder tauchen Bezeichnungen auf wie beispielsweise „lernbehindert“, „lerngehemmt“ aber auch Ausdrücke wie „Schulschwierigkeiten“, „Leistungsschwierigkeiten“ oder „Verhaltensstörungen“ et cetera. Nach Apel und Schwarzer erstreckt sich das Spektrum der Faktoren, die ursächlich für Lernstörungen sein können von der hirnorganischen Schädigung des Kindes bis hin zum gesellschaftspolitischen Konfliktpotential.

Sie unterscheiden

1. Primäre Lernstörungen

2. Psychisch bedingte Lernstörungen
a) durch Familie bedingte Lernstörungen
b) durch die Schule bedingte Lernstörungen

3. Gesellschaftlich bedingte Lernstörungen

Im Bereich der primären Lernstörungen findet man Kinder mit Anomalien im physiologischen und organischen Bereich. Oftmals verursachen diese körperlichen Abweichungen gestörte Drüsenfunktionen oder gestörte Funktionen im Zentralhirnsystem. Dies kann zu Schwachsinn, Unterbegabung, Legasthenie oder Reizbarkeit - um nur einige zu nennen - führen. Während die primären Ursachen von Lernschwierigkeiten, nämlich die organisch bedingten, nicht weiter zurückführbar sind - weshalb sie eben auch „primäre“ genannt werden -, sind die psychischen Faktoren der Lernschwierigkeiten nach ihren Herkunftsbereichen weiter aufzuschlüsseln. Man findet hier wiederum die „Krisenherde“ Familie und Schule. Zu den durch die Familie bedingten Lernstörungen gehören alle Faktoren, die familiär und im häuslichen Milieu die individuelle Entwicklung des Kindes betreffen. Hier stehen im Mittelpunkt der Auslösefaktoren Erziehungsfehler und Erziehungsschwierigkeiten der Eltern. Zu den Faktoren aus dem primären Sozialisationsbereich, die psychische Störungen einschließlich Lernstörungen verursachen kommen weitere Faktoren aus dem sekundären Sozialisationsbereich, der Schule, hinzu. Hier spielen möglicherweise eine Rolle: Die Lehrverfahren, das Lehrerverhalten, die dem Lehrer mehr oder weniger bewusste Theorie der Schule, die Einstellung zur Schule, die Gruppensituationen und weitere. Als ein letzter Ursachenbereich für Lernschwierigkeiten wird die Gesellschaft genannt, insofern ihr Klassencharakter zu Normdivergenzen führt für die Schüler, deren Sozialstatus sie von vornherein in Gegensatz zur Schule als Mittelklasseninstitution bringt - beispielsweise erfahren Arbeiterkinder eine Vermittlung von Sozialisationsformen, die zwar für ihre spezielle Gesellschaftsgruppe funktional sind, sich jedoch als dysfunktional in der schulischen Umgebung erweisen und dort Störungen verschiedenster Art hervorrufen, da Schule nicht Unterschicht- sondern Mittelschichtgeeicht ist, (vgl. Apel; Schwarzer 1978, S. 20 ff).

3. Das Erscheinungsbild lerngestörter Kinder

Anstatt eine vage Definition von Lern- und Leistungsstörungen zu liefern, soll an dieser Stelle ein plastisches Bild eines typischen lerngestörten Kindes gezeichnet werden. Zunächst einmal fällt das Kind meist auf durch das Nachlassen schulischer Aktivitäten und Leistungen in bestimmten Fächern - hier spricht man von partiellen Lern- und Leistungsstörungen - oder in allen Lernsituationen - diese werden als generelle Lern - und Leistungsstörungen bezeichnet. In unserem Schulsystem manifestiert sich das Leistungsversagen am deutlichsten in schlechten Zensuren. In den meisten Fällen ist die Lernmotivation beim lerngestörten Kind erheblich beeinträchtigt, d.h. es begibt sich zögernd und zaudernd in eine Lernsituation. Zur Bewältigung der Hausaufgaben braucht das Kind meist unverhältnismäßig lang, ist dabei leicht ablenkbar und wendet sich anderen Beschäftigungen wie Malen oder auch Tagträumen zu. Meist fehlt das Durchhaltevermögen - entweder wird die Arbeit nach kleinen Anfangserfolgen abgebrochen oder auf später verschoben, was auf ein geringes Durchhaltevermögen schließen lässt, Aufgaben zielstrebig voranzutreiben. In der Schule fallen diese Kinder meist durch ihren geringen Aufmerksamkeitspegel auf. Häufig gesellen sich zu den beschriebenen Symptomen Verhaltensstörungen hinzu. Dieses so genannte Problemverhalten ist definiert als Verhalten, das eine Gefährdung für die eigene Entwicklung oder die Entwicklung anderer darstellt (vgl. Flammer & Alsacker 2002, S. 268). Einerseits kann sich ein derartiges Fehlverhalten also in starker Gehemmtheit des Kindes, Kontaktarmut und einem sich ängstlich Zurückziehen zeigen, andererseits in aggressivem, auffälligem, querulantem Verhalten oder auch der so genannten Klassenkasperei. Zu diesen Manifestationsformen kommen häufig auch noch Symptome wie Nägelkauen, Daumen- und Fingerlutschen, motorische Über- und Unteraktivität oder Herzklopfen, Schweißausbrüche, Bauch- und Kopfweh, Bettnässen und viele andere somatische Erscheinungen hinzu, (vgl. Strobel 1975, S. 18 ff).

4. Familie als Ursache von Lern- und Verhaltensstörungen

a) Selbstkonzept als Prädikator für Schulleistungen

Eine, an der Leistungsfähigkeit eines Kindes maßgeblich beteiligte Variable - das Begabungskonzept - wird grundlegend vom Elternhaus geprägt. „Das Bild der Eltern von ihrem Kind trägt vermutlich als Grundlage kindbezogener Erwartungen und Verhaltensweisen zur Ausbildung und Stabilisierung entsprechender Kindmerkmale im Sinne sich selbst erfüllender Prophezeiungen bei“ - konstatiert Peter Ludwig in seiner Dissertation zum Phänomen der Selffulfilling Prophecy (im folgenden SFP), (Ludwig 1991, S. 120). Im Konstrukt der SFP geht man davon aus, dass Erwartungen dazu führen, dass sie sich durch bestimmte zwischengeschaltete Mechanismen tatsächlich erfüllen. Ein geläufiges Sprichwort, dass das Phänomen der SFP treffend beschreibt ist jenes, dass der Glaube Berge zu versetzen vermag. Geht beispielsweise ein abergläubischer Mensch zu einem Kartenleger, der ihm voraussagt, dass er keinen Job finden wird, stellt der Arbeitslose sein Bewerbungsengagement ein und findet tatsächlich keinen Job. Die Theorie der SFP geht davon aus, dass der Arbeitslose jedoch nicht aufgrund der vermeintlichen Wahrheit der Aussage des Kartenlegers keinen Job findet, sondern weil er seine Realität gemäß seiner Überzeugung, ohnehin keinen Job zu finden, gestaltet und erst dadurch erfolglos bleibt. Die Frage die sich stellt ist: Wie können Erwartungen, die Eltern - oder wichtige Bezugspersonen von ihren Kindern haben, dazu führen, dass sich bestimmte Verhaltensweisen verfestigen oder regelrecht ausbilden? Über die Einschätzung der Eltern, die sie dem Kind direkt oder indirekt mitteilen, wird das Selbstkonzept des Kindes maßgeblich beeinflusst. „Das Selbstkonzept umfasst alle relativ stabilen Vorstellungen zu der eigenen Person“ (Ludwig, 1991, S. 78). Ein Teil des Selbstkonzeptes, das maßgeblich ausschlaggebend ist für die schulischen Leistungen eines Kindes, ist das Begabungskonzept. Hier ist verankert, was ein Kind über seine Leistungsfähigkeit generell und in bestimmten Teilgebieten denkt. Das fatale ist nun: Das Selbstkonzept hat sich selbst verwirklichende Tendenzen. Einerseits dadurch, dass der Mensch nach dem eigenen Selbstkonzept lebt, sich also in Situationen begibt, in denen sich dieses Selbstkonzept wieder neu bestätigt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Kind von sich selbst denkt es könne mathematische Aufgaben ohnehin nicht bewältigen und demnach erst gar nicht versucht, sich konsequent um die Lösung einer Aufgabe zu bemühen. Dadurch löst es die Aufgabe tatsächlich nicht und bestätigt somit erneut sein denken über sich selbst - „Ich kann Mathe nicht“ - und stabilisiert somit seine Leistungsschwäche. Andererseits schafft das Selbstkonzept dadurch sich selbst entsprechende Tatsachen, indem Person A sich gemäß der Meinung, die sie von Person В hat verhält. Person В nimmt diese Wahrnehmung auf in ihr Selbstkonzept, denn so, wie sie sich wahrgenommen sieht, denkt sie, tatsächlich zu sein, (vgl. Ludwig 1991, S. 81). In Bezug auf Eltern und deren Kinder kann es beispielsweise passieren, dass Eltern ihr Kind für technisch unbegabt halten. Einerseits führt das dazu, dass das Kind sich selbst wenig zutraut auf technischem Gebiet, da die elterliche Erwartung zur eigenen Wird, andererseits werden die Eltern es wahrscheinlich nicht in Dinge einbeziehen, die technischer Versiertheit bedürfen, wie z.B. das wechseln eines Fahrradschlauches. Dem Kind bleibt damit einerseits die Möglichkeit verwehrt eine korrigierende Erfahrung zu machen und sich „umzupolen“ auf „technisch begabt“, indem es erleben kann, dass es sehr wohl diese Aufgabe lösen kann. Noch dazu bekommt es indirekt zusätzlich vermittelt, dass ihm von den Eltern nicht zugetraut wird, technische Abläufe zu verstehen und zu meistern was wiederum das Begabungskonzept „technisch unfähig“ bestätigt und verstärkt. Verheerend ist dies wenn tatsächlich schon eine Lernbehinderung diagnostiziert ist, bzw. das Kind damit vorschnell Etikettiert wurde. Tollison und Mitarbeiter zeigten in einer Studie, dass Mütter von lernbehinderten Kindern geringere Leistungserwartungen gegenüber ihren Kindern haben und diese Kinder weniger bei ihren Lernaufgaben unterstützen, als Mütter „normaler“ Kinder, (vgl. Ludwig 1991, S. 120ff). Dies führt dazu, dass das Kind möglicherweise nicht ausreichend Gelegenheit bekommt, seine Fähigkeiten tatsächlich zu verbessern und das Stigma „Lernbehinderung“ abzulegen. Andererseits zeigten Tausch und andere, dass Erfahrungen sich zu generalisierten Erwartungen verdichten, dass sich ähnliche zukünftige Situationen wieder ähnlich entwickeln werden, (vgl. Ludwig 191, S. 202). Bezogen auf das lernbehinderte Kind bedeutet das, dass dem Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Möglichkeit genommen wird, korrigierende Erfahrungen zu machen, welche die Chance beinhalten, dass es sein Begabungskonzept in Frage stellen kann.

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Lern- und Leistungsstörungen im Kindes- und Jugendalter
Untertitel
Familie als Ursache für Lernstörungen
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1.0
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V128784
ISBN (eBook)
9783640348695
ISBN (Buch)
9783640348213
Dateigröße
537 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lern-, Leistungsstörungen, Kindes-, Jugendalter, Familie, Ursache, Lernstörungen
Arbeit zitieren
Michaela Walther (Autor:in), 2007, Lern- und Leistungsstörungen im Kindes- und Jugendalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128784

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