Die Verwandlung - Eine Interpretation über die innerfamiliären und persönlichen Entwicklungen bei den Samsas


Hausarbeit, 2008

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Analyse der Familienstrukturen und Darstellung der Rollenverteilung

3. Betrachtung der Rollen im Einzelnen
3.1. Rolle der Mutter
3.2. Rolle der Schwester
3.3. Rolle des Vaters

4. Schlussfolgerung - Die komplementäre Verwandlung der Familie

Literaturverzeichnis
- Primärliteratur
- Sekundärliteratur
- Internetquellen

1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Analyse der Familienstrukturen der Familie Samsa aus der novellenhaften Erzählung „Die Verwandlung“ v on Franz Kafka. Er schrieb die Erzählung im November 1912. Sie wurde jedoch erst fast drei Jahre später gedruckt. Es geht um eine Verwandlung des Handelsvertreters Gregor Samsa. Dieser wacht eines Morgens auf und entdeckt sich in der Gestalt eines übermäßig großen Ungeziefers. Typisch für die heißen Anfänge Kafkas, findet sich der Leser, ohne Vorwarnung und Begründung, in einer utopischen Begebenheit wieder. Nachdem Gregor realisiert, dass es sich nicht um einen Traum handelt, beginnt er über die Strapazen seines Berufes nachzusinnen. Nur durch große Anstrengung gelingt es ihm das Bett zu verlassen und die Tür seines Zimmers zu öffnen. Die Reaktionen sind mannigfach. Die Mutter fällt mit gefalteten Händen auf die Knie und der Vater ballt drohend die Hand zur Faust. Die weiterführende Handlung verläuft für den Leser höchst aufschlussreich, da Gregor aus der Retrospektive das vorangegangene Familienleben schildert. Parallel dazu lassen sich die gegenwärtigen Entwicklungen der einzelnen Personen, bedingt durch Gregors Verwandlung, verfolgen. Als nicht mehr vollwertiges Familienmitglied und nach drei vermeintlichen Fluchtversuchen, wird der ehemalige Versorger der Familie nun vernachlässigt, gequält und verletzt. Schließlich stirbt er an den Folgen von körperlicher Gewalt und seelischem Schmerz.

Ich möchte in meiner Arbeit analytisch die Familienstrukturen und -verhältnisse vor und nach Gregors Verwandlung beleuchten, vor allem die einzelnen Entwicklungen und die dadurch bedingten Änderungen der innerfamiliären Beziehungen aufdecken und bewerten. Dabei möchte ich nicht zu detailliert auf die Charakterzüge der jeweiligen Personen eingehen, obwohl dies nicht unbeachtet bleibt, sondern eher die einzelnen Rollen analysieren, die innerhalb der Familie eingenommen und verkörpert werden. Weiterhin werde ich insbesondere auf das Motiv der Hände Bezug nehmen, da sich dieses fortlaufend durch die gesamte Handlung zieht und die Familienmitglieder gerade durch ihre Gestik zu beurteilen sind.

2. Analyse der Familienstrukturen und Darstellung der Rollenverteilung

Die vierköpfige bürgerliche Familie besteht aus dem Ehepaar Samsa, der Schwester Grete und dem Sohn Gregor, welcher der einzige ist, der einer beruflichen Tätigkeit nachgeht. Er übt den anstrengenden Beruf eines Reisenden aus,[1] der Tuchwaren verkauft.[2] Mit dieser Beschäftigung ist er durchaus nicht glücklich. Er beklagt sich über das ständige Unterwegssein,[3] schlechtes, unregelmäßiges Essen[4] und dass er durch diesen Beruf keine engeren Bekanntschaften schließen kann, da der fast nie zu hause ist. Die von ihm geschäftlich geknüpften Kontakte sind nur oberflächlich und nicht beständig.[5] Doch nimmt Gregor all diese Strapazen auf sich um die Schulden der Eltern abzuarbeiten, die durch dass Bankrottgehen des Vaters mit dem eigenen Geschäft entstanden sind.[6] Somit ermöglicht er der Familie einen hohen Lebensstandard, indem er die recht große Wohnung und das Dienstpersonal finanziert.

Der Vater sei ein körperlich gesunder Mann, jedoch nicht mehr der jüngste und seit einigen Jahren aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Zudem sei er behäbig geworden und hätte in den ersten Rentenjahren etwas Fett angesetzt.[7]

Die Mutter wird ebenfalls als nicht werkstätig beschrieben. Sie leide unter schwerem Asthma und dadurch bereitete ihr selbst der Gang durch die Wohnung Probleme.[8] Da die meisten Aufgaben vom Dienstpersonal erledigt werden, habe sie auch im Haushalt nicht viel zu tun.

Die siebzehnjährige Schwester, die noch keine Ausbildung begonnen hat und als noch als Kind bezeichnet wird, verbringt ihre Zeit damit, morgens lange zu schlafen, sich hübsch zu kleiden, diversen Vergnügungen nachzugehen und mit dem Spielen der Violine. Gelegentlich hilft sie den Eltern wohl auch in der Wirtschaft.[9]

Diese Verhältnisse kommen dem Begriff des sozialen Bummelns sehr nahe. Demnach sei es eine unbewusste Neigung von Personen, im eigenen Streben nachzulassen und auch weniger Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, wenn die Gruppe, hier die Familie, aus mehreren Mitgliedern bestehe. Auch gebe es einen Geschlechtsunterschied, da dieses Phänomen eher bei Männern, als bei Frauen auftrete.[10]

Übertragen auf die Familie Samsa ist es der Vater, der die eigentliche Rolle des Versorgers übernehmen sollte, der sich zurücklehnt, da sein Sohn nun genug Geld verdient um die Familie zu ernähren. Doch Gregor zerstört durch seine plötzliche und unberechenbare Verwandlung die sich bisher gefestigte Gruppennorm. Nach Zimbardo können sich die Interaktionsteilnehmer einer Gruppe sich vorstellen, wie sich die anderen in einer bestimmten Situation verhalten oder was sie sagen.[11] Da Gregor nun von keinem mehr verstanden wird und sein Handeln nur Angst und Verunsicherung auslöst, wird sein Verhalten den Erwartungen der Familie nicht mehr gerecht.

Zimbardo beschreibt eine Rolle als ein sozial definiertes Verhaltensmuster, das von einer Person, die eine bestimmte Funktion in der Gruppe übernimmt, erwartet wird.[12] Vor dem Hintergrund der Familienstruktur der Familie Samsa, wird nun von Gregor implizit erwartet, dass er für die Kosten des täglichen Lebens aufkommt. So ist die Rollenverteilung innerhalb der Familie zwar klar geregelt, aber äußerst unausgewogen. Sie weicht zudem von der traditionellen Familienstruktur ab. Schon der Aspekt, dass nur der Sohn den Ernährer der Familie repräsentiert, ist außergewöhnlich. Auch die siebzehnjährige Schwester Grete hätte bereits eine Ausbildung beginnen können und damit zum Familienunterhalt beitragen können. Und genauso die Mutter wäre, trotz ihrer Atembeschwerden, in der Lage, einer leichten Tätigkeit nachzugehen. Die Rolle des Vaters ist am Anfang der Erzählung nicht ganz offensichtlich. Es scheint vorerst als habe ihn der Untergang des Geschäfts, nach jahrelanger Arbeit, seelisch sehr mitgenommen. Man könnte meinen, er resigniert aufgrund der Tatsache, dass er beruflich versagt hat. Warum er nicht versucht hat, sich und seiner Familie eine neue Existenz aufzubauen, wird nicht geklärt. Doch das es weitaus mehr als nur der Fakt seiner Bequemlichkeit ist, stellt sich noch im ersten Kapitel der Erzählung heraus. Denn er verschweigt dem schwer arbeitenden Sohn, dass er nach dem Zusammenbruch der Firma noch einen kleinen Teil des Vermögens beiseite gebracht hat und zudem noch von dem Geld, welches Gregor monatlich zum Unterhalt der Familie aufbrachte, gespart hatte.[13] Obwohl er die Rolle des Ernährers nicht übernimmt, mimt er das Familienoberhaupt und versucht diese Rolle, beispielsweise durch das Erheben der Stimme, oder einer aggressiven Geste wie das Ballen der Fäuste zu verwirklichen.[14] Wie dies zu bewerten ist, werde ich unter 3.3. noch genauer erläutern.

[...]


[1] Kafka, Franz, Die Verwandlung, S.5, Z.34-35

[2] Kafka, Franz, a.a.O., S.5 Z.15

[3] Kafka, Franz, a.a.O., S.5, Z.35

[4] Kafka, Franz, a.a.O., S.5, Z.38-39

[5] Kafka, Franz, a.a.O., S.5, Z.39-40

[6] Kafka, Franz, a.a.O., S.6, Z.20-21

[7] Kafka, Franz, a.a.O., S.26, Z12-17

[8] Kafka, Franz, a.a.O., S.26, Z.17–21

[9] Kafka, Franz, a.a.O., S.26, Z.21-26

[10] Vgl. Zimbardo, Philip G., Psychologie, S.596, Soziales Bummeln

[11] Vgl. Zimbardo, Philip G., a.a.O., S.596, Gruppennormen

[12] Vgl. Zimbardo, Philip G., a.a.O., S.594, Gruppenstrukturen und Rollen

[13] Kafka, Franz, a.a.O., S.25, Z.26-28

[14] Kafka, Franz, a.a.O., S.7, Z.29-32

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Verwandlung - Eine Interpretation über die innerfamiliären und persönlichen Entwicklungen bei den Samsas
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltung
Kafka
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V128886
ISBN (eBook)
9783640350568
ISBN (Buch)
9783640371495
Dateigröße
432 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verwandlung, Eine, Interpretation, Entwicklungen, Samsas
Arbeit zitieren
Anika Nagel (Autor:in), 2008, Die Verwandlung - Eine Interpretation über die innerfamiliären und persönlichen Entwicklungen bei den Samsas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128886

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