Averroes und Thomas von Aquin hatten mit philosophischen Richtungen zu tun, die eine Schöpfung ablehnten (Aristoteles) oder eine Emanation vertraten (Neuplatonismus), oder die auf unterschiedliche Weise vornehmlich aus diesen beiden Richtungen Teile in ihre Theorien integrierten (islamische und christliche Philosophie). Eng damit zusammen hängt die je eigene Religion des Averroes und des Thomas. Der Islam berief (und beruft) sich auf den Koran, das Christentum auf die Bibel. Die Theologen beider Religionen waren sich einig in der Annahme einer creatio ex nihilo.
Averroes und Thomas sahen sich somit Einflüssen von Theorien ausgesetzt, die sich zum Teil widersprachen. Die Auseinandersetzung mit diesen äußerst unterschiedlichen Lehren sind bei der Diskussion um den Welt- und Schöpfungsbegriff bei Averroes und bei Thomas von fundamentaler Bedeutung. Aber nicht nur das: Bekannt ist, dass Thomas Averroes teilweise einschneidend kritisiert. Daher ist ein Vergleich der Welt- und Schöpfungsbegriffe des Averroes und des Thomas angebracht - nicht zuletzt auch deshalb, weil Thomas nur einen Teil der Schriften des Averroes kannte und seine Kritik somit nicht den „ganzen“ Averroes einbezieht.
Vorliegende Abhandlung möchte dazu beitragen, Nähe und Distanzen der beiden behandelten Personen zueinander aufzuzeigen, d. h. Thomas und Averroes selbst zum Thema „Schöpfung” sprechen zu lassen. Zunächst kommt der Welt- und Schöpfungsbegriff des Averroes zur Sprache und daran anschließend der Schöpfungsbegriff des Thomas im Vergleich zu dem des Averroes. Ein Resümee, das die wichtigsten Ergebnisse zusammenfasst, bildet den Abschluss der Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Der Welt- und Schöpfungsbegriff des Averroes
- I. ZUR DISPOSITION
- II. AVERROES UND DIE EMANATIONSLEHRE
- 1. Al-Farabis und Avicennas Emanationslehren als Ansatzpunkte der Auseinandersetzung des Averroes
- 2. Emanationsansätze in der Epitome der „Metaphysik“
- 3. Kritik an der Emanationslehre in der Destructio destructionum und im großen Kommentar zur „Metaphysik“
- a. Zur Auseinandersetzung in der Destructio destructionum
- b. Zur Auseinandersetzung im großen Kommentar zur „Metaphysik“
- III. VON DER BEWEGUNG ZUR ORDNUNG DER WELT - ZUM VIII. BUCH DES GROẞEN PHYSIKKOMMENTARS
- IV. ERSCHAFFUNG DER WELT IM GROẞEN METAPHYSIK-KOMMENTAR?
- 1. Einleitung
- 2. Zum Ursprung der Dinge
- a. Das Erkennen Gottes
- b. Gott und Schöpfung
- c. Seiendes und Substanz
- d. Materie und Form
- 3. Im Widerstreit der Meinungen - verschiedene Auffassungen zur Schöpfung und Averroes' Stellungnahme dazu
- 4. Zur Funktion der Wärme bei der Hervorbringung der Dinge
- 5. Abschließende Gedanken
- V. SCHÖPFUNG IN DER AUSEINANDERSETZUNG ZWISCHEN THEOLOGIE UND PHILOSOPHIE – ZUM BUCH FASL AL-MAQAL
- 1. Zweck der Abhandlung
- 2. Forderung der Reflexion durch das religiöse Gesetz und Forschung mit Blick auf die Alten
- 3. Zu den in Bezug auf den Glauben abgestuften Naturen des Menschen
- 4. Ewigkeit und Entstandensein der Welt
- 5. Zum Zweck der Religion und die Philosophie als „Milchschwester“ der Theologie
- VI. GOTT DER SCHÖPFER UND SEINE HANDLUNGEN IM BUCH AL-KASHF
- 1. Einleitung
- 2. Die Existenz Gottes
- 3. Gott ist einer und hat verschiedene Attribute
- 4. Zur göttlichen Transzendenz und den göttlichen Handlungen
- a. Erschaffung der Welt und Sendung der Propheten
- b. Prädestination und Denken Gottes
- c. Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit und Leben nach dem Tode
- VII. DIE EWIGKEIT DER WELT IN DER SCHRIFT DESTRUCTIO DESTRUCTIONUM
- 1. Einleitung
- 2. Vier Beweise zur Ewigkeit der Welt
- a. Erster Beweis
- α. Ablehnung von al-Ghazzalis Interpretation der Welt als reine Möglichkeit
- β. Die zeitliche Erschaffung der Welt durch einen ewigen (göttlichen) Willen ist unmöglich
- γ. Im Prozess des Werdens und Vergehens der Welt sind nur potentielle und akzidentelle Unendlichkeiten zulässig
- δ. Gott wählt keine bestimmte Zeit zur Erschaffung und die Welt kann nicht anders sein als sie ist
- ε. Abschluss
- b. Zweiter Beweis
- α. Gott, der unbewegte Beweger, geht der Welt nicht zeitlich voraus wie ein zeitliches Bewegtes
- β. Zeit steht in logischer Verbindung zur Bewegung und hat nicht die von al-Ghazzali angenommene Parallele zur räumlichen Ausdehnung
- c. Dritter Beweis: Es gibt keine unendliche Zahl von Möglichkeiten für Welten
- a. Erster Beweis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Dissertation verfolgt das Ziel, den Welt- und Schöpfungsbegriff von Averroes und Thomas von Aquin vergleichend zu untersuchen. Sie analysiert die jeweiligen philosophischen Konzepte und ihre Unterschiede, um ein tieferes Verständnis der mittelalterlichen Auseinandersetzung mit diesen fundamentalen Fragen zu ermöglichen.
- Averroes' Interpretation der aristotelischen Metaphysik
- Die Rolle der Emanationslehre in Averroes' Denken
- Averroes' Kritik an al-Ghazzali
- Der Einfluss des religiösen Gesetzes auf Averroes' philosophische Positionen
- Vergleichende Analyse mit Thomas von Aquin (implizit)
Zusammenfassung der Kapitel
A. Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Dissertation ein und skizziert die Forschungsfrage nach den Welt- und Schöpfungsbegriffen von Averroes und Thomas von Aquin. Sie beschreibt den methodischen Ansatz der vergleichenden Studie und benennt die zentralen Quellen und Forschungsliteratur.
B. Der Welt- und Schöpfungsbegriff des Averroes: Dieses Kapitel bietet eine umfassende Darstellung von Averroes' Welt- und Schöpfungsverständnis. Es analysiert seine Auseinandersetzung mit der aristotelischen Philosophie und den verschiedenen Interpretationen der Schöpfung. Die Kapitel untersuchen Averroes' Interpretation der aristotelischen Metaphysik, die Rolle der Emanationslehre und seine Kritik an al-Ghazzali. Besondere Aufmerksamkeit wird der Frage nach der Ewigkeit oder der Erschaffung der Welt gewidmet, unter Einbezug von Averroes' verschiedenen Schriften wie dem großen Kommentar zur Metaphysik und der Destructio destructionum.
II. AVERROES UND DIE EMANATIONSLEHRE: Dieses Kapitel konzentriert sich auf Averroes' Auseinandersetzung mit der Emanationslehre von Al-Farabi und Avicenna. Es analysiert, wie Averroes diese Lehren als Ansatzpunkte für seine eigene Position nutzt und gleichzeitig kritisiert. Das Kapitel untersucht Averroes' Argumentation in der Epitome der Metaphysik und seiner Destructio destructionum, um seine kritische Haltung und seine eigene Interpretation des Weltbildes zu beleuchten.
III. VON DER BEWEGUNG ZUR ORDNUNG DER WELT - ZUM VIII. BUCH DES GROẞEN PHYSIKKOMMENTARS: Dieses Kapitel untersucht Averroes' Sicht auf die Ordnung der Welt im Kontext seiner Physikkommentare. Es analysiert die Rolle der Bewegung und wie Averroes diese mit seiner Interpretation des Schöpfungsbegriffs verbindet. Das Kapitel beleuchtet das Verhältnis von Bewegung und Ordnung, wie es in Averroes' Werken präsentiert wird.
IV. ERSCHAFFUNG DER WELT IM GROẞEN METAPHYSIK-KOMMENTAR?: Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage der Schöpfung im Kontext des großen Metaphysik-Kommentars von Averroes. Es analysiert Averroes' Ansichten zum Ursprung der Dinge, einschließlich seiner Betrachtungen von Gott, Schöpfung, Substanz, Materie und Form. Das Kapitel untersucht verschiedene Interpretationen der Schöpfung und Averroes' Stellungnahme zu diesen Meinungsverschiedenheiten, sowie die Rolle der Wärme in der Entstehung von Dingen.
V. SCHÖPFUNG IN DER AUSEINANDERSETZUNG ZWISCHEN THEOLOGIE UND PHILOSOPHIE – ZUM BUCH FASL AL-MAQAL: Dieses Kapitel konzentriert sich auf Averroes' Werk "Fasl al-Maqal" und die darin behandelte Beziehung zwischen Theologie und Philosophie im Kontext des Schöpfungsbegriffs. Es analysiert Averroes' Argumentation zur Notwendigkeit der Reflexion durch das religiöse Gesetz und die Auseinandersetzung mit der traditionellen Philosophie. Das Kapitel erörtert Averroes' differenzierte Sicht auf die Natur des Menschen im Hinblick auf den Glauben und beleuchtet seine Ansichten zur Ewigkeit und zum Entstandensein der Welt. Schließlich wird Averroes’ Metapher von der „Milchschwester“ analysiert.
VI. GOTT DER SCHÖPFER UND SEINE HANDLUNGEN IM BUCH AL-KASHF: Dieses Kapitel widmet sich Averroes' Werk "Al-Kashf" und untersucht darin die Rolle Gottes als Schöpfer und seine Handlungen. Es analysiert die Darstellung Gottes, seine Attribute, sowie die göttliche Transzendenz und die Beziehung Gottes zur Welt, zur Sendung der Propheten, zur Prädestination und zum Thema Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit und Leben nach dem Tod.
Schlüsselwörter
Averroes, Thomas von Aquin, Weltbegriff, Schöpfungsbegriff, Emanationslehre, Metaphysik, Aristoteles, al-Ghazzali, Theologie, Philosophie, Vergleichende Studie, Gott, Schöpfung, Ewigkeit, Destructio destructionum, großer Kommentar zur Metaphysik, Fasl al-Maqal, Al-Kashf.
Häufig gestellte Fragen zu „Der Welt- und Schöpfungsbegriff des Averroes“
Was ist das Hauptthema der Arbeit?
Die Dissertation untersucht vergleichend den Welt- und Schöpfungsbegriff von Averroes und Thomas von Aquin. Sie analysiert die philosophischen Konzepte beider Denker und deren Unterschiede, um ein tieferes Verständnis der mittelalterlichen Auseinandersetzung mit diesen fundamentalen Fragen zu ermöglichen.
Welche Aspekte von Averroes' Denken werden behandelt?
Die Arbeit analysiert Averroes' Interpretation der aristotelischen Metaphysik, die Rolle der Emanationslehre in seinem Denken, seine Kritik an al-Ghazzali und den Einfluss des religiösen Gesetzes auf seine philosophischen Positionen. Dabei werden verschiedene Schriften Averroes' herangezogen, darunter der große Kommentar zur Metaphysik, die Destructio destructionum und Fasl al-Maqal.
Welche Rolle spielt die Emanationslehre in Averroes' Werk?
Ein Kapitel konzentriert sich speziell auf Averroes' Auseinandersetzung mit der Emanationslehre von Al-Farabi und Avicenna. Es wird analysiert, wie Averroes diese Lehren als Ansatzpunkte für seine eigene Position nutzt und gleichzeitig kritisiert. Die Analyse bezieht sich auf die Epitome der Metaphysik und die Destructio destructionum.
Wie wird Averroes' Sicht auf die Ordnung der Welt dargestellt?
Averroes' Sicht auf die Ordnung der Welt wird im Kontext seiner Physikkommentare untersucht. Die Rolle der Bewegung und deren Verbindung zu seinem Schöpfungsbegriff werden analysiert, wobei das Verhältnis von Bewegung und Ordnung im Fokus steht.
Wie behandelt die Arbeit die Frage nach der Schöpfung der Welt bei Averroes?
Die Frage nach der Schöpfung wird im Kontext des großen Metaphysik-Kommentars untersucht. Averroes' Ansichten zum Ursprung der Dinge, Gott, Schöpfung, Substanz, Materie und Form werden analysiert. Verschiedene Interpretationen der Schöpfung und Averroes' Stellungnahmen dazu werden ebenso berücksichtigt wie die Rolle der Wärme bei der Entstehung von Dingen.
Welche Rolle spielt das Werk "Fasl al-Maqal" in der Analyse?
Das Kapitel zu "Fasl al-Maqal" analysiert die Beziehung zwischen Theologie und Philosophie im Kontext des Schöpfungsbegriffs bei Averroes. Es untersucht die Notwendigkeit der Reflexion durch das religiöse Gesetz, die Auseinandersetzung mit der traditionellen Philosophie, Averroes' Sicht auf die Natur des Menschen im Hinblick auf den Glauben und seine Ansichten zur Ewigkeit und zum Entstandensein der Welt. Die Metapher der „Milchschwester“ wird ebenfalls analysiert.
Was wird in "Al-Kashf" im Hinblick auf den Schöpfungsbegriff behandelt?
Im Kapitel zu "Al-Kashf" wird die Rolle Gottes als Schöpfer und seine Handlungen analysiert. Die Darstellung Gottes, seine Attribute, die göttliche Transzendenz und die Beziehung Gottes zur Welt, zur Sendung der Propheten, zur Prädestination und zu den Themen Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit und Leben nach dem Tod werden untersucht.
Welche Bedeutung hat die „Destructio destructionum“ für die Arbeit?
Die „Destructio destructionum“ wird im Hinblick auf Averroes' Argumentation zur Ewigkeit der Welt untersucht. Vier Beweise für die Ewigkeit der Welt werden analysiert und im Kontext von al-Ghazzalis Positionen diskutiert.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Averroes, Thomas von Aquin, Weltbegriff, Schöpfungsbegriff, Emanationslehre, Metaphysik, Aristoteles, al-Ghazzali, Theologie, Philosophie, Vergleichende Studie, Gott, Schöpfung, Ewigkeit, Destructio destructionum, großer Kommentar zur Metaphysik, Fasl al-Maqal, Al-Kashf.
Gibt es einen Vergleich zu Thomas von Aquin?
Die Arbeit verfolgt einen vergleichenden Ansatz, wobei Thomas von Aquin implizit als Vergleichspunkt dient, um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Welt- und Schöpfungsbegriffen beider Denker herauszuarbeiten.
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- Markus Stohldreier (Author), 2008, Zum Welt- und Schöpfungsbegriff bei Averroes und Thomas von Aquin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128951