In dieser sozio-historischen Untersuchung arbeitet der Autor den Zusammenhang zwischen den Theorien der Individualisierung (als soziologische Erzählungen) und deren historische
Bedingtheiten (als gesellschaftliche Wurzeln) heraus. In wie fern ist die Individualisierung ein Prozess, der nichts „natürlich“ gegebenes, sozusagen Selbstverständliches für das Individuum heutzutage ist, sondern ein historischer Entwicklungsprozess, der sich aus der europäischen Epochalgeschichte geformt hat? Welche geschichtlichen (z.B. soziologischen, ontogenetischen und psychologischen) Komponenten haben denn eigentlich als kausale
Ursachen den heutigen Zustand und die Genese des modernen, autonomen, westlichen und liberalen Individuums hervorgebracht? Der Autor versucht also, aus dem im gegenwärtigen Zeitalter faktisch existierenden „fait social“ (Durkheim) der individualisierten Individuen unserer Gesellschaft und Kultur, die Ursachen dafür in der Historie zu suchen, denn
„die gesellschaftliche Welt ist akkumulierte Geschichte“ (Bordieu: 1992, S. 49). Diese historisch bedingten Ursachen können partikulare Ereignisse sein, die heraus destilliert und
miteinander verknüpft werden müssen, um diesen komplexen Begriff und die Theorien der Individualisierung gegenwärtig zu erklären, zu verstehen und zu erforschen. Diese Fragestellung ist in all ihren Aspekten jedoch viel zu weit gefasst, als das man diese hier in einer Seminararbeit umfassend darstellen könnte. Literatur zu diesem Thema gibt es in der Tat zu Hauf, sowie historische, partikulare als auch kollektive Bewegungen und Ereignisse, die etliche Individualisierungsprozesse eingeleitet bzw. dazu beigetragen haben. So sind z.B. ganz allgemeine Stichworte die Bildungsexpansion (Die Institutionalisierung von Bildung im Allgemeinen und für die Allgemeinheit), die Aufklärung, die französische Revolution, die Reformation, die Durchsetzung der Demokratie, die Säkularisierung, die 68er Generation etc. und die Folgen dieser historischen Tatbestände. Deshalb pickt sich der Autor selbst einen soziologisch relevanten Aspekt des Megathemas „Individualisierung“ heraus und diesen historisch, um das weitreichende Thema etwas einzugrenzen. Es geht
dabei nicht um so kurze vergangene Ereignisse wie die eben genannten, sondern der Autor schaut etwas weiter in der Geschichte zurück und wählt zur Erklärung die Epoche des Mittelalters als zentralen Referenzpunkt aus, in dem viele Gründe verborgen liegen für heutige gesellschaftliche Zustände.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zum Zusammenhang von Individuum/Individualität und Subjekt/Subjektivität
- Zum Subjektbegriff und Subjektivitätsbegriff
- Versuch einer generellen soziologischen Definition von Individualisierung
- Simmels Unterscheidung
- Norbert Elias
- Ulrich Beck – „Riskante Freiheiten“
- Das frühere Individuum und die Wurzeln der Individualisierung im Mittelalter
- Die Sozialstruktur im Mittelalter
- Das mittelalterliche Individuum und die Religion (Sünde, Beichte, Schuld und Sühne)
- Versuch eines historischen Vergleichs des mittelalterlichen und des neuzeitlichen Individuums
- Resümee
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen der soziologischen Theorie der Individualisierung und ihrer historischen Bedingtheit im Mittelalter. Sie untersucht, inwiefern die Individualisierung ein historischer Entwicklungsprozess ist, der aus der europäischen Epochalgeschichte entstanden ist und nicht etwas „natürlich“ Gegebenes. Die Arbeit analysiert die geschichtlichen Komponenten, die zur Entstehung des modernen, autonomen, westlichen, liberalen Individuums geführt haben.
- Die Entstehung des modernen Individuums als historischer Prozess
- Die Rolle des Mittelalters als prägender Faktor für die Individualisierung
- Der Zusammenhang zwischen Individuum/Individualität und Subjekt/Subjektivität
- Die Bedeutung von Religion und Sozialstruktur im Mittelalter für die Entwicklung des Individuums
- Ein Vergleich des mittelalterlichen und des neuzeitlichen Individuums
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Seminararbeit ein und stellt die Fragestellung sowie die Relevanz der Untersuchung dar. Sie beleuchtet die Bedeutung der historischen Bedingtheit des modernen Individualisierungsprozesses und die Notwendigkeit, die Ursachen für den heutigen Zustand des Individuums in der Geschichte zu suchen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Zusammenhang von Individuum/Individualität und Subjekt/Subjektivität. Es werden verschiedene Definitionen des Individuums und der Individualität vorgestellt und die unterschiedlichen Perspektiven soziologischer Denker auf das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft beleuchtet.
Das dritte Kapitel widmet sich dem Versuch einer generellen soziologischen Definition von Individualisierung. Es werden verschiedene Theorien und Ansätze zur Individualisierung vorgestellt, darunter die Ansätze von Georg Simmel, Norbert Elias und Ulrich Beck.
Das vierte Kapitel untersucht das frühere Individuum und die Wurzeln der Individualisierung im Mittelalter. Es analysiert die Sozialstruktur des Mittelalters und die Rolle der Religion (Sünde, Beichte, Schuld und Sühne) für die Entwicklung des Individuums.
Das fünfte Kapitel versucht einen historischen Vergleich des mittelalterlichen und des neuzeitlichen Individuums. Es beleuchtet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Epochen und analysiert die Veränderungen, die sich im Laufe der Geschichte im Verständnis des Individuums vollzogen haben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Individualisierungsprozess, das Individuum, die Subjektivität, das Mittelalter, die Sozialstruktur, die Religion, die Geschichte, die Soziologie und die gesellschaftliche Entwicklung.
- Arbeit zitieren
- Konrad Kalisch (Autor:in), 2007, Von der Einheit zur Vielheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129062