Die Äußere Rechte

Extremistische Jugendkultur als soziale oder asoziale Bewegung?


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 13


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition und Finanzierung von Start-ups

3 Der Überschuldungsbegriff in der Insolvenzordnung

4 Die positive Fortbestehensprognose

5 Instrumente zur Abwendung einer rechnerischen Überschuldung
5.1 Rangrücktritt
5.2 Patronatserklärung
5.3 Forderungsverzicht (mit Besserungsschein)
5.4 Schuldenbeteiligungstausch (Debt-Equity-Swap)

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der Begriff ‚Start-up‘ taucht mittlerweile regelmäßig in den Wirtschaftsnachrichten auf. Der Anreiz ist groß, den Traum einer eigenen Geschäftsidee zu verwirklichen und im besten Fall an einem ertragreichen Unternehmen zu partizipieren. Doch neben den allgemeinen unternehmerischen Risiken, die das Gründen mit sich bringt, führen neue Produkte und unergründete Märkte in eine ungewisse Unternehmenszukunft, die nur mit hoher Risikobereitschaft und ausreichendem Kapital gestaltet werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, sich nicht am Markt durchsetzen zu können, ist hoch. Im ‚Worstcase-Szenario‘ verlieren die Unternehmensanteile der Eigentümer ihren Wert und Darlehens- und Lieferantenverbindlichkeiten können nicht mehr bedient werden. Eine hieraus drohende Konsequenz ist unteranderem die Überschuldung.

Eine Überschuldung stellt einen Grund zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens i. S. d. § 16 Insolvenzordnung (InsO) dar und ist für Unternehmen in aller Regel der Anfang vom Ende, sofern keine erfolgreichen Sanierungsmaßnahmen getroffen werden können. Insbesondere für Vertreter von Start-ups ist – angesichts des hohen Risikos einer Insolvenz – eine „ständige und intensive Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens“1 unerlässlich, um sich keinen persönlichen Haftungsfolgen auszusetzen. Da sich Start-ups in der Regel im Mantel einer Kapitalgesellschaft finden2, wird im Rahmen dieser Arbeit bei Nennung des Begriffs ‚Start-up‘ die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft unterstellt. Es sei denn, es wird explizit auf Unterschiede zu anderen Rechtsformen hingewiesen. Aus diesem Grund wird im Folgenden auch der Begriff ‚Schuldnerin‘ für die Kapitalgesellschaft verwendet.

In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, weshalb insbesondere Start-ups von einer Überschuldung betroffen sind und wie solch eine von diesen Unternehmen vermieden werden kann. Das Ziel der Arbeit ist es, die Tatbestandsmerkmale einer Überschuldung i. S. d. InsO zu erläutern und unterschiedliche Möglichkeiten der Sanierung aufzuzeigen. Hierzu wird anhand einer Literaturrecherche auf geltende Rechtsprechungen und auf die herrschende Meinung (h. M.) in der Literatur bezuggenommen.

Im Verlauf dieser Arbeit soll zunächst darauf eingegangen werden, als was Start-ups definiert werden, wie sich diese finanzieren und welche Besonderheiten ein solches Unternehmen mit sich bringt, die im Rahmen der Überschuldungsprüfung Berücksichtigung finden sollten. Im darauffolgenden Kapitel wird auf den maßgeblichen Überschuldungsbegriff i. S. d. § 19 InsO eingegangen, in dem seine ‚Zweistufigkeit‘ erläutert wird. Die beiden Stufen werden anschließend in jeweils eigenständigen Kapiteln behandelt. Zudem werden an dieser Stelle die dazu passenden Sanierungsmöglichkeiten mit den für sie am besten geeigneten Gläubigergruppen vorgestellt und die individuellen Vor- und Nachteile der einzelnen Instrumente aufgezeigt. Abschließend werden die zuvor erläuterten Rechtsfolgen und Anwendungsbereiche der Maßnahmen kurz zusammengefasst.

2 Definition und Finanzierung von Start-ups

Als ‚Start-up‘ kann jedes Unternehmen bezeichnet werden, welches sich im Gründungsprozess befindet und auf der Suche nach Kapital bzw. Kapitalgebern ist. Im engeren Sinne hat sich im Volksmund eine Definition etabliert, die Start-ups als junge Wachstumsunternehmen mit hohem Innovations- und Zukunftspotential beschreibt und die meist digitale Produkte vertreiben.3 Diese Unternehmen können dadurch charakterisiert werden, dass sie anfänglich hohe Verluste erwirtschaften und auf Grund eines hohen Kapitalbedarfs wesentlich von der Außenfinanzierung abhängig sind.4 Selbstfinanzierungskraft ist in der Regel noch nicht vorhanden.5 Gründer und Investoren erhoffen sich mittel- oder langfristig Erfolg am Markt, sodass sie die Anlaufverluste und -investitionen kompensieren und an der Wertsteigerung der eigenen Unternehmensanteile partizipieren können.

Dass der Kapitalbedarf von Start-ups und die Erfolgserwartungen von Investoren stetig ansteigen wird deutlich, wenn die Investitionsvolumina der vergangenen Jahre betrachtet werden. Durch Finanzierungsrunden wurden alleine in Deutschland im Jahre 2019 rund 6,23 Milliarden Euro und 2020 rund 5,27 Milliarden Euro in Start-ups investiert. Im ersten Halbjahr 2021 betrug das Investitionsvolumen rund 7,58 Milliarden Euro.6 Mit einem Anteil von rund 1,85 Milliarden Euro machte im Jahre 2020 die Finanzierung über Venture-Capital 35,1 % der Finanzierungskraft von Start-ups aus7 und ist damit für Gründer von elementarer Bedeutung.8 Private Investoren oder Venture-Capital-Unternehmen beteiligen sich hierbei – in der Regel unter Leistung eines Agios – direkt am Nennkapital einer Gesellschaft und partizipieren damit am Erfolg des Start-ups. Mit dieser Art der Investition geht allerdings das Risiko einher, einen Totalverlust zu erleiden, da insbesondere für Start-ups der Erfolg am Markt nicht garantiert werden kann.

Auch ein ‚klassisches‘ Darlehen von Fremdkapitalgebern – wie Banken, Freunden und Familienmitgliedern – ist eine gängige Form der Anschubfinanzierung.9 Da Start-ups jedoch auf Grund mangelnder Sicherheiten von Banken in aller Regel nicht als kreditwürdig anerkannt werden, ist diese Art der Finanzierung für die meisten Unternehmen in ihrer Anfangsphase keine Option.10

3 Der Überschuldungsbegriff in der Insolvenzordnung

Der maßgebliche Überschuldungsbegriff im insolvenzrechtlichen Sinne ist im § 19 Abs. 2 S. 1 InsO geregelt und beschreibt die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens11, in der die (Überschuldungs-) Bilanz eine rechnerische Überschuldung aufweist und es keine positive Prognose für das Fortbestehen am Markt gibt.12 Demnach handelt es sich bei einer ‚Überschuldung‘ um einen „modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff“13, für den die beiden Elemente einer rechnerischen Überschuldung (exekutorisches Element) und einer negativen Fortbestehensprognose (prognostisches Element) kumulativ zu bestehen haben, um zu einem Überschuldungstatbestand zu führen.14 Ist dieser Tatbestand erfüllt, stellt die Überschuldung gem. § 19 Abs. 1 und 3 InsO einen Grund zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Sinne des § 16 InsO dar. Von einer Überschuldung werden Unternehmen erfasst, die in ihrer Haftung den Gläubigern gegenüber beschränkt sind. Dies sind gem. § 19 Abs. 1 InsO juristische Personen und i. S. d. § 19 Abs. 3 InsO kapitalistische Personengesellschaften. Zweck der Norm ist es, das Unternehmen in einen juristischen Zustand zu versetzen, der entsprechende Handlungspflichten für Mitglieder des Geschäftsführungsorgans auslöst, um weitere Schädigungen für die Gläubiger abzuwenden (Gläubigerschutz).15

Eine rechnerische Überschuldung liegt gem. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt“. Für die Überprüfung dieser Tatsache haben die Mitglieder des Vertretungsorgans die Vermögens- und Schuldgegenstände zu ermitteln und mit Hilfe einer sogenannten Überschuldungsbilanz den Überschuldungsstatus einer Gesellschaft festzustellen.16 Aufgrund der Gleichwertigkeit des exekutorischen und prognostischen Elements17 wird der Überschuldungsstatus nur im Falle einer negativen Fortbestehensprognose festgestellt, da die Frage nach der bilanziellen Überschuldung bei einer positiven Prognose obsolet ist.18 Die Bewertung der verwertbaren Gegenstände erfolgt unter Berücksichtigung des Einzelbewertungsgrundsatzes19 zu Veräußerungs- bzw. Liquidationswerten.20 Der Zweck einer Überschuldungsbilanz besteht in der realistischen Bewertung der „Schuldendeckungsfähigkeit des Schuldnervermögens“21, aus der die Gläubiger Befriedigung verlangen können. Infolgedessen werden in der Überschuldungsbilanz stille Reserven, aber auch stille Lasten aufgedeckt.22 Stille Reserven entstehen durch die Unterbewertung von Vermögen oder durch die Überbewertung von Schulden. Dies gilt für stille Lasten vice versa.

Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt erläutert, tritt eine Überschuldung i. S. d. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO trotz einer rechnerischen Überschuldung nicht ein, sofern „die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten […] den Umständen entsprechend überwiegend wahrscheinlich [ist]“. Aus diesem Grund beginnt die Überschuldungsprüfung regelmäßig mit der Fortbestehensprognose.23 Auf die Fortbestehensprognose und Ihre konkreten Anforderungen wird im nachfolgenden Kapitel näher eingegangen.

4 Die positive Fortbestehensprognose

Die Fortbestehensprognose ist das prognostische Element der Überschuldungsprüfung und ist in erster Linie eine Zahlungsfähigkeitsprognose24 mit dem Ziel, die Zahlungsfähigkeit des Schuldners im Prognosezeitraum von zwölf Monaten festzustellen.25 Kann sämtlichen Verbindlichkeiten im Betrachtungszeitraum nachgekommen werden, liegt eine positive Fortbestehensprognose vor. Können die Verbindlichkeiten nicht gedeckt werden, fällt die Prüfung negativ aus und das Fortbestehen ist zu verneinen. Der BGH verlangt für eine positive Fortbestehensprognose einen subjektiven Fortführungswillen des Schuldners sowie die Herleitung der objektiven Fortführungsfähigkeit eines Unternehmens, aus einem aussagekräftigen und plausiblen Unternehmenskonzept.26 Auf dessen Basis wird eine sog. Ertrags- und Finanzplanung vorgenommen. Aus dem Ergebnis der Finanzplanung wird schließlich die Zahlungsfähigkeit abgeleitet.27 Für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit ist maßgeblich, ob die derzeitigen und künftigen Verbindlichkeiten im Prognosezeitraum von zwölf Monaten durch die zu erwartenden Einnahmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gedeckt werden können oder nicht.28 Diese liegt immer dann vor, wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass mehr für den Eintritt einer Wahrscheinlichkeit spricht, als dagegen.29

Ob in der Finanzplanung die Liquiditätszuflüsse aus einer Quelle der Innen- oder Außenfinanzierung erwartet werden, ist für deren Berücksichtigung unerheblich30, solange die Maßnahmen hinreichend konkretisiert und werthaltig sind.31 Auch Gesellschafterdarlehen, Kapitalerhöhungen und zu erwartende Mittelzuflüsse aus Patronatserklärungen können daher Berücksichtigung in der Zahlungsfähigkeitsprognose finden. Ist eine Auszahlung oder die Fälligkeit einer Verbindlichkeit im Prognosezeitraum überwiegend wahrscheinlich, so sind auch diese in die Finanzplanung mit aufzunehmen.

Inwiefern – parallel zur Finanzplanung – eine Prognose zu treffen ist, ob die Ertragsfähigkeit des Unternehmens (Selbstfinanzierungskraft) zukünftig wieder hergestellt werden kann, ist in der Literatur umstritten. Die h. M. geht davon aus, dass für die Fortbestehensprognose lediglich die Zahlungsfähigkeit zu betrachten ist und nicht die Ertragsfähigkeit.32 Für die grundsätzliche Notwendigkeit einer positiven Ertragsfähigkeitsprognose spricht jedoch indiziell, dass das OLG Düsseldorf in seinem (noch zu erläuternden) Beschluss explizit darauf hingewiesen hat, dass solch eine für Start-ups nicht erforderlich ist.33

Für Start-ups stellt die Fortbestehensprognose das entscheidende Mittel zur Abwendung einer Überschuldung i. S. d. § 19 Abs. 2 InsO dar. Dieser sollte daher bei der Überschuldungsprüfung besondere Beachtung geschenkt werden. Denn Start-ups besitzen, wie in Kapitel 2 erläutert wurde, insbesondere in der Anfangsphase kaum bis keine Selbstfinanzierungskraft, sind auf Außenfinanzierung angewiesen und erwirtschaften teils hohe Anlaufverluste. Dies führt dazu, dass sich Start-up-Unternehmen von Natur aus in einem chronischen Zustand der rechnerischen Überschuldung befinden und eine Insolvenzantragspflicht nur durch eine positive Fortbestehensprognose nachhaltig umgangen werden kann. Auf diese Besonderheiten bei Start-ups wird in einem aktuellen Beschluss des OLG Düsseldorf Rücksicht genommen. Dieses beschloss in einem Präzedenzfall, dass die Grundsätze der positiven Fortbestehensprognose34 nicht uneingeschränkt auf Start-ups anwendbar sind, und entschied erstmalig über Szenarien, in denen abweichend von diesen Grundsätzen gewisse Einzahlungen in der Zahlungsfähigkeitsprognose für Start-ups berücksichtigt werden dürfen.

In der Entscheidung des OLG Düsseldorf wurden im Wesentlichen drei Besonderheiten für Start-ups berücksichtigt, die sich auf die Erstellung der Finanzplanung und damit auch auf die Beurteilung ihrer Fortbestehensprognose auswirken können. Diese Aspekte betrafen die Verlässlichkeit des Darlehens, die Notwendigkeit der Erfüllung der Gewährungsvoraussetzungen sowie die zu erwartende Wahrscheinlichkeit der Auszahlung.35 Das Gericht entschied in diesem Einzelfall, dass auch Darlehen als Einzahlungen mit in die Finanzplanung aufgenommen werden durften, bei denen der Schuldner davon ausgehen konnte, dass er sie vom Kapitalgeber erhalten wird. In seiner Entscheidung setzte das OLG nicht zwingend voraus, dass bereits ein einklagbarer Anspruch auf die Darlehen bestand. Es wurde vielmehr darauf abgestellt, dass sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf verlassen werden konnte, dass die Darlehen ausgezahlt werden. Dies ist bspw. der Fall, wenn sie bereits regelmäßig in der Vergangenheit auf Anforderung gewährt worden sind.36 In dem vor dem OLG Düsseldorf verhandelten Fall, sagte der Finanzier dem Unternehmen in der Vergangenheit so lange finanzielle Mittel zu, wie ihm ein realistischer Finanzplan vorgelegt werden konnte. Solange diese Auflage objektiv erfüllt war, konnte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden weitere Darlehen zu erhalten. Daraus folgt, dass vom Geschäftsführer ein noch unverbindliches Darlehen als Liquiditätszufluss in der Finanzplanung des Start-ups berücksichtigt werden durfte – so das OLG Düsseldorf.

Zusammenfassend ist nach der Begründung des OLG bei einem Start-up-Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose bereits gegeben, wenn im Prognosezeitraum die eingegangenen Verbindlichkeiten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bedient werden können.37 Die Mittelherkunft sei dabei unerheblich. Eine mangelnde Selbstfinanzierungskraft und eine kontinuierliche Außenfinanzierung seien nicht schädlich, da sie in der Natur eines Start-ups lägen.38

5 Instrumente zur Abwendung einer rechnerischen Überschuldung

Wie in Kapitel 3 beschrieben, kann das Aufdecken von stillen Reserven in der Überschuldungsbilanz dazu führen, dass eine rechnerische Überschuldung verneint werden kann. Sollte ein Unternehmen jedoch nicht über genügend werthaltige Vermögensgegenstände verfügen, müssen andere Instrumente genutzt werden, um eine rechnerische Überschuldung abzuwenden. Diese Sanierungsmaßnahmen können dem Grunde nach lediglich auf bilanzieller Ebene stattfinden, indem Aktiva gehoben oder Passiva gemindert werden. Auf die in der Praxis zentralen Instrumente zur Abwendung einer rechnerischen Überschuldung39 soll in den folgenden Abschnitten eingegangen werden.

5.1 Rangrücktritt

Der Rangrücktritt ist ein Vertrag40, mit dessen Zustandekommen der Gläubiger gem. § 39 Abs. 2 InsO im Rang hinter sämtliche andere Gläubiger in der Weise zurücktritt, dass er erst nach allen anderen Gläubigern im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO Befriedigung verlangen kann.41 Dies hat zur Folge, dass gem. § 19 Abs. 2 S. 2 InsO die Nachrangverbindlichkeit in der Überschuldungsbilanz des Schuldners nicht zu passivieren ist. Infolgedessen kann eine rechnerische Überschuldung vermieden bzw. beseitigt werden.42 Der Hauptanwendungsfall für einen Rangrücktrittsvertrag findet in der Praxis zwischen einer Gesellschaft (Schuldnerin) und ihren Gesellschaftern statt.43 Eine gleichlautende Vereinbarung kann jedoch mit jeglichen Fremdkapitalgebern geschlossen werden, wodurch die bilanziellen Auswirkungen eines wirksamen Rangrücktritts auch auf die Forderung eines Nichtgesellschafters Anwendung finden.44

Mit dem Inkrafttreten des MoMiG zum 1. November 2008, wurde eine Gesellschafterforderung i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in seiner Rangtiefe hinter sämtlichen anderen Forderungen subordiniert.45 Eine solche Gesellschafterforderung ohne vereinbarten Rangrücktritt ist dennoch im Überschuldungsstatus zu berücksichtigen, da das Schuldnervermögen im Falle einer Insolvenz durch die Verbindlichkeit belastet bleibt.46 Erst mit einem zusätzlich vereinbarten Nachrang darf eine Passivierung unterbleiben. Dies gilt analog für Forderungen von Nichtgesellschaftern. Der Rangrücktritt stellt daher insbesondere für Gesellschafter ein attraktives Instrument zur Abwendung einer rechnerischen Überschuldung dar, weil diese mit ihren Forderungen ohnehin in der Rangtiefe subordiniert sind und durch einen Rangrücktritt im Falle einer Liquidation zumeist nur in der Theorie schlechter gestellt werden. Das liegt insbesondere daran, dass die durchschnittliche Insolvenzquote in Deutschland bei 6,1 % liegt.47 Gläubiger im Range des § 39 Abs. 1 InsO werden erst berichtigt, sofern die Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO vollständig befriedigt werden konnten. Die geringe Insolvenzquote zeigt, dass dies in der Praxis in den wenigsten Fällen vorkommt. Daher stellt es sich für einen Gesellschafter in der Regel als vielversprechender dar, einen Rangrücktritt einzugehen – mit der Chance, eine Überschuldung abzuwenden und das Unternehmen fortzuführen – als weiterhin im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO eine (statistisch unwahrscheinliche) Befriedigung zu erwarten.

Von Gesetzeswegen keine weiteren Anforderungen an eine Rangrücktrittsvereinbarung gestellt, damit diese im insolvenzrechtlichen Sinne ihre Wirkung entfalten kann. In einer Grundsatzentscheidung vom 5. März 201548 äußerte sich der BGH zu den maßgeblichen Mindestvoraussetzungen für eine insolvenzrechtlich wirksame Rangrücktrittsvereinbarung. Eine Unterscheidung zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Rangrücktritt – wie sie vom BGH in 2001 in zwei Grundsatzentscheidungen getroffen wurde49 – hat seitdem keine insolvenzrechtliche Relevanz mehr. In der Entscheidung von 2015 definierte der BGH die drei wesentlichen Merkmale eines insolvenzrechtlich wirksamen Rangrücktrittes: Seine Rechtsnatur, sein zeitlicher Geltungsbereich sowie seine Aufhebung.

Der BGH definiert die Rechtsnatur eines Rangrücktritts als einen Schuldänderungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB)50, mit Wirkung zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB).51 Als ‚Dritte‘ ist hierbei die Gesamtheit aller derzeitigen und zukünftigen Gläubiger gemeint. Diese Gläubigergesamtheit wird durch den Rangrücktritt in der Weise begünstigt, dass das Schuldnervermögen durch die Forderung mit Rangrücktritt nicht belastet ist, da diese erst nach den Nachranggläubigern berichtigt wird. Der Gläubiger tritt gem. § 39 Abs. 2 InsO im Rang zwischen die nachrangigen Insolvenzgläubiger i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO und die Einlagerückgewähransprüche der Restbetragsbeteiligten gem. § 199 S. 2 InsO. Infolgedessen wird die Forderung „dinglich dahingehend umgewandelt […], dass sie insolvenzrechtlich nicht mehr passiviert [wird]“52. Die Verbindlichkeit stellt nun überschuldungsneutrales Fremdkapital dar und „bildet im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern haftendes Kapital“53. Im Zeitraum der Krise besteht aus diesem Grunde ein Zahlungsverbot auf die Schuld.54 Wird dennoch eine Zahlung auf diese „Nichtschuld“55 geleistet, kann die „rechtsgrundlose Leistung“56 (§ 812 Abs. 1 BGB) nach Maßgabe des § 129 Abs. 1 InsO i. V. m. § 134 Abs. 1 InsO innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefochten werden – mit der Folge, dass die Zahlungen gem. § 143 Abs. 1 S. 1 InsO der Insolvenzmasse zurückzugewähren sind.

Des Weiteren verlangte der BGH vom zeitlichen Geltungsbereich eines Rangrücktrittes eine sogenannte „vorinsolvenzrechtliche Durchsetzungssperre“57. Demnach darf der Rangrücktritt nicht nur innerhalb des Insolvenzverfahrens gelten, sondern muss bereits außerhalb – im ‚Zeitraum der Krise‘ (d. h. bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) – Bestand haben.58 Dies wird damit begründet, dass eine Forderung im Insolvenzverfahren nicht anders als in der vorangestellten Überschuldungsprüfung behandelt werden darf. Ansonsten würde die Schuldendeckungsfähigkeit des Schuldners nicht realistisch abgebildet werden und die Aufstellung des Überschuldungsstatus verfehlt seinen Zweck.59 Im Zeitraum der Krise, darf die Forderung zum einen nur aus ungebundenem Vermögen getilgt werden60 und zum anderen nicht zu einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung führen.61

Als letztes Merkmal für einen wirksamen Rangrücktritt, äußerte dich der BGH ebenfalls zu den Voraussetzungen an seine Aufhebung. Da eine Rangrücktritts-vereinbarung einen Vertrag zugunsten Dritter darstellt, kann sie während der Insolvenzreife nur mit der einvernehmlichen Zustimmung aller Gläubiger aufgehoben werden.62 Außerhalb einer Insolvenzreife ist die Aufhebung ohne Zustimmung der Gläubiger zulässig.63

[...]


1 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 20.07.2021, 12 W 7/21.

2 Vgl. Schnedler, J., Startup-Recht, 2018, S. 7–10.

3 Vgl. Hahn, C., Finanzierung von Start-up-Unternehmen, 2018, S. 4 f.

4 Vgl. Lange, C., Start-ups und die insolvenzrechtliche Überschuldung, 2021, S. 264.

5 Vgl. Zwirner, C./Zimny, G., Fortführungsprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung bei Start-ups, 2021, S. 816.

6 Vgl. Ernst & Young GmbH, Startup-Barometer Deutschland, 2021, S. 5.

7 Vgl. Statista GmbH, Volumen der Venture Capital-Investitionen in Deutschland von 2012 bis 2020, 2021.

8 Vgl. Weitnauer, W., Handbuch Venture Capital, 2019, Rn. 1.

9 Vgl. Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship, Deutscher-Startup-Monitor 2021, 2021, S. 36.

10 Vgl. Weitnauer, W., Handbuch Venture Capital, 2019, Rn. 1-4.

11 Vgl. Drukarczyk, J./Schüler, A., in MüKo zu § 19 InsO, 2019Rn. 1.

12 Vgl. Drukarczyk, J./Schüler, A., in MüKo zu § 19 InsO, 2019 Rn. 49.

13 Drukarczyk, J./Schüler, A., in MüKo zu § 19 InsO, 2019 Rn. 48.

14 Vgl. Pape, G./Voigt-Salus, J./Uhlenbruck, W., Insolvenzrecht, 2010, Rn. 34.

15 Vgl. Drukarczyk, J./Schüler, A., in MüKo zu § 19 InsO, 2019 Rn. 1.

16 Vgl. Kußmaul, H./Palm, T., Überschuldungsbilanz, 2021, S. 1.

17 Vgl. Pape, G./Voigt-Salus, J./Uhlenbruck, W., Insolvenzrecht, 2010, Rn. 34.

18 Vgl. Kußmaul, H./Palm, T., Überschuldungsbilanz, 2021, S. 2.

19 Vgl. Winnefeld, R., Bilanz-Handbuch, 2015, Rn. 1018-1019.

20 Vgl. Drukarczyk, J./Schüler, A., in MüKo zu § 19 InsO, 2019 Rn. 115; Kußmaul, H./Palm, T., Überschuldungsbilanz, 2021, S. 4.

21 Vgl. Drukarczyk, J./Schüler, A., in MüKo zu § 19 InsO, 2019 Rn. 114.

22 Vgl. Pape, G./Voigt-Salus, J./Uhlenbruck, W., Insolvenzrecht, 2010, Rn. 37.

23 Vgl. Kußmaul, H./Palm, T., Überschuldungsbilanz, 2021, S. 2.

24 Vgl. Drukarczyk, J./Schüler, A., in MüKo zu § 19 InsO, 2019 Rn. 56.

25 Vgl. Pföhler, M./Seidler, H., Handelsrechtliche Fortführungsannahme – Abkehr, Bestehen einer wesentlichen Unsicherheit und Prognosezeitraum, 2021, S. 303.

26 Vgl. BGH, Beschluss v. 09.10.2006, II ZR 303/05.

27 Vgl. Uhlenbruck, W./Kuhn, G., Kommentar zu § 19 InsO, 2019 Rn. 246.

28 Vgl. Pape, G./Voigt-Salus, J./Uhlenbruck, W., Insolvenzrecht, 2010, Rn. 46.

29 Vgl. Knecht, T. C./Hommel, U./Wohlenberg, H., Handbuch Unternehmensrestrukturierung, 2018, S. 234.

30 Vgl. Drukarczyk, J./Schüler, A., in MüKo zu § 19 InsO, 2019 Rn. 56.

31 Vgl. Knecht, T. C./Hommel, U./Wohlenberg, H., Handbuch Unternehmensrestrukturierung, 2018, S. 235.

32 Vgl. Sikora, K., Wie erstellt man eine tragfähige Fortbestehensprognose?, 2009, S. 234; Amtsgericht Hamburg, Beschluss v. 02.12.2011, 67 c IN 421/11 (Pro Ertragsplanung); Drukarczyk, J./Schüler, A., in MüKo zur InsO § 19, 2019, Rn. 69–73 (Contra Ertragsplanung).

33 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 20.07.2021, 12 W 7/21.

34 Der OLG Beschluss nimmt dabei Bezug auf dieses Urteil: BGH, Urteil v. 23.01.2018, II ZR 246/15.

35 Vgl. Lange, C., Start-ups und die insolvenzrechtliche Überschuldung, 2021, S. 267.

36 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 20.07.2021, 12 W 7/21.

37 Vgl. Zwirner, C./Zimny, G., Fortführungsprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung bei Start-ups, 2021, S. 816.

38 Vgl. Lange, C., Start-ups und die insolvenzrechtliche Überschuldung, 2021, S. 265.

39 Vgl. Haufe Online Redaktion, Unternehmenskrise, 2013.

40 BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 11.

41 Vgl. Rätke, B., Rangrücktritt, 2019, Rn. 90.

42 Vgl. Oser, P., Auflösung von Verbindlichkeiten mit Rangrücktritt in Handels- und Steuerbilanz, 2017, S. 1889.

43 Vgl. BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 14.

44 Vgl. Petersen, K./Zwirner, C., Handbuch Bilanzrecht, 2018, Rn. 33.

45 Von dieser Subordination sind Gesellschafterforderungen ausgenommen, die unter das ‚Sanierungsprivileg‘ nach § 39 Abs. 4 S. 2 InsO und unter das ‚Zwerganteilsprivileg‘ nach § 39 Abs. 5 InsO fallen.

46 Vgl. BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 13.

47 Vgl. Statistisches Bundesamt, Gewerbemeldungen und Insolvenzen, 2020.

48 BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14.

49 BGH, Urteil v. 02.07.2001, II ZR 264/99 und BGH, Urteil v. 08.01.2001, II ZR 88/99.

50 Vgl. Oser, P., Auflösung von Verbindlichkeiten mit Rangrücktritt in Handels- und Steuerbilanz, 2017, S. 1890.

51 Vgl. BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 35.

52 Rätke, B., Rangrücktritt, 2019, Rn. 12.

53 BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 32.

54 Vgl. BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 32.

55 BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 34.

56 BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 27.

57 Rätke, B., Rangrücktritt, 2019, Rn. 19.

58 Rätke, B., Rangrücktritt, 2019, Rn. 19.

59 Vgl. BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 19.

60 Vgl. BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 16.

61 Vgl. Rätke, B., Rangrücktritt, 2019, Rn. 26.

62 Vgl. Oser, P., Auflösung von Verbindlichkeiten mit Rangrücktritt in Handels- und Steuerbilanz, 2017, S. 1890.

63 Vgl. BGH, Urteil v. 05.03.2015, IX ZR 133/14, Rn. 42.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Äußere Rechte
Untertitel
Extremistische Jugendkultur als soziale oder asoziale Bewegung?
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Nationalismus: Erklärungsansätze und aktuelle Erscheinungsformen
Note
13
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V129222
ISBN (eBook)
9783640354757
ISBN (Buch)
9783640355020
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rechte, Extremistische, Jugendkultur, Bewegung
Arbeit zitieren
Reiner Kapinus (Autor:in), 2008, Die Äußere Rechte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129222

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