Radionutzung im Internet - Eine Erhebung zur Akzeptanz des Internetradios bei Studierenden


Masterarbeit, 2009

69 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


1. Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

„Die Zukunft des Rundfunks liegt im Internet“ postulierten Klaus Goldhammer und Axel Zerdick bereits 1998 (Goldhammer, 1998, S. 11) in einer Schriftenreihe der Landesmedienanstalten zur Entwicklung des Rundfunks und ließen keinen Zweifel daran, dass die Symbiose beider Massenmedien ein großes Potenzial in sich birgt. Die zahlreichen Radioangebote, die sich mittlerweile im Internet tummeln, machen dies deutlich. Im Herbst 2008 verzeichnete die GEMA allein in Deutschland bereits über 1500 lizenzierte Internetradios (GEMA, 2008), die nur online zu hören sind, und ihre Zahl steigt kontinuierlich an. Neben dem musikalischen Mainstream werden auf diese Weise unterschiedliche Nischenmärkte bedient, die im Zeitalter der Formatra-dios im Hörfunk kaum mehr Berücksichtigung finden. Das Internet entwickelt sich dabei zunehmend zu einem Konvergenzmedium, das die verschiedenen Medienfor-men bündelt und sie dem Nutzer auf vielfältige Weise anbietet (Halls, 2007, S.192). Im Gegensatz dazu „...verharrt [der Hörfunk] weiterhin in der analogen Welt“ (Pen-ninger, 2007, S. 193), die ihm in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts noch ho-he Umsätze bescherte. Doch diese Welt der Frequenzknappheit und der überschau-baren Marktstrukturen scheint nun durch das Internet bedroht, einem Medium, das wie kein anderes den Radiomarkt für branchenfremde Anbieter öffnet. So sehen sich die Radiobetreiber verstärkt gezwungen, dem neuen Selbstverständnis ihrer Hörer entgegenzukommen und das Internet als Distributionsweg zu begreifen (Schalt, 2008). Dabei ist die Gestaltung des Programmangebotes im Internet von besonderer Bedeutung, ermöglicht es doch völlig neue Formen der Hörerbindung, wie sie in ei-nem uni-direktionalen UKW-Programm nicht gegeben sind.

Gerade auch angesichts des Rückgangs der Radionutzung in weiten Teilen der Be-völkerung stellt sich der Branche seit längerem die Frage, „...ob Zuhörer von Internet-radios noch Moderatoren hören wollen oder nur Musik oder Nachrichten pur.“ (Ma-nitz, 2007, S. 170)

So ist derzeit noch nicht geklärt, wie Radioangebote im Internet zukünftig konzipiert sein könnten, um auch angesichts der Vielzahl konkurrierender Online-Dienste wie Last.FM und MusiCovery wirksame Wege zum Hörer zu finden. Der Untersuchung der jüngeren und computeraffine Generation unter 30 Jahren kommt dabei eine be- sondere Bedeutung zu, zeigt sich bei ihr doch am deutlichsten ein Wandel im Me-diennutzungsverhalten (van Eimeren & Frees, 2008, S. 344f.). Mehr noch als die äl-teren begreifen die jüngeren Zielgruppen das Internet als eine multimediale und in-terkommunikative Informations- und Unterhaltungsplattform, die sich ihren individuel-len Bedürfnissen anpasst.

Aus diesem Grund macht es sich die vorliegende Arbeit zur Aufgabe, die Akzeptanz des Internetradio-Angebotes bei Studierenden anhand einer Erhebung zu untersu-chen. Dabei geht es vorrangig darum, Erkenntnisse über die Nutzung dieser Angebo-te zu erhalten.

Von besonderer Relevanz ist ebenfalls, welche Inhalte und Formen der Programm-gestaltung für Nutzer tatsächlich interessant sind und welche programmbegleitenden Angebote dabei eine Rolle spielen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie sich die Nutzung von Radioangeboten im Internet bei Studierenden in Zukunft gestalten könnte.

1.2 Abgrenzung der Thematik

Obwohl sich mittlerweile Marktgrößen und Nutzungsformen deutlich ausgeprägt ha-ben, ist der Begriff Internetradio noch immer mit terminologischen Unschärfen ver-bunden. Das liegt unter anderem daran, dass der Terminusbestandteil „Internet“ auch für Dienste, Medium und Übertragungstechnik steht und sich die Begrifflichkei-ten des klassischen Rundfunks nur schwer übertragen lassen (Goldhammer, 1998, S. 18). Im Weiteren steht der Terminus Internetradio als Prozess des Sendens, der Übertragung und des Empfangs von radioähnlichen Inhalten gleichbedeutend für die artverwandten Begriffe Webradio, Online-Radio und Webcasting.

Zunächst ist festzustellen, dass es verschiedene Erscheinungsformen des Internet-radios gibt. Sie umfassen sowohl die zeitgleiche und unveränderte Übertragung ter-restrisch verbreiteter Hörfunkprogramme im Internet (Simulcast) als auch ähnlich ge-artete Programminhalte professioneller Internet-Only-Sender, die ausschließlich onli­ne zu hören sind. Ein reiner Musikstream, der weitgehend aus hintereinander folgen-den Musiktiteln besteht, wird ebenfalls als Internetradio definiert, sofern er „...vom Sender für die Empfänger in Form eines Programms zusammengestellt wird“ (GE-MA, 2008). Entscheidend ist dabei also ein vorgegebener Programmverlauf, der un-abhängig von seiner Nutzung linear gestaltet ist. In diesem Sinne spricht man auch von einem Livestream, da das Programm, ähnlich wie bei einem konventionellen UKW-Radiosender[1], an ein festes Schema gebunden ist, in das sich der Hörer ein-bzw. ausklinken kann, ohne unmittelbar an der Programmgestaltung beteiligt zu sein. Damit ist das Internetradio klar von sogenannten Community based Music Providern wie Last.FM (www.last.fm) abzugrenzen, die einen personalisierten Musik-Livestream anbieten, der vom jeweiligen Nutzer initiiert wird. Nach einem vergleich-baren Prinzip funktionieren auch On-Demand-Angebote, bei denen Datenpakete aus dem Internet gezielt abgerufen und entweder als Stream über ein Endgerät – zumeist PC oder Laptop – unmittelbar abgespielt oder als Download zunächst auf der Fest-platte gespeichert werden können. Diese Angebote fallen in der vorliegenden Arbeit ebenfalls nicht unter die Definition des Internetradios, spielen aber als Zusatzdienste im Rahmen des Online-Angebots vieler Radiosender eine wichtige Rolle.

Auch das Phänomen Internetradio selbst ist aus zweierlei Perspektiven zu betrach-ten, weil es sowohl für einen Internetradiosender, der sein Programm im Internet an- bietet, als auch für den Radio-Livestream als auditive Dienstleistung eines Senders steht.

Die Fokussierung dieser Arbeit auf die beiden Distributionswege – Internet und UKW – macht die Herausforderung des analogen Hörfunks durch das digitale Internet deutlich. Sie trägt aber auch der Tatsache Rechnung, dass der terrestrische Verbrei-tungsweg die Übertragung von Radioprogrammen in Deutschland dominiert (Merschmann, 2008).

1.3 Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit ist in zwei Abschnitte unterteilt. Die Kapitel 2 und 3 bilden da-bei den fachlichen Hintergrund der Arbeit. Sie dienen gleichzeitig dazu, einen Über-blick über die relevanten Aspekte hinsichtlich der anschlie1enden Erhebung zu ge-ben. So befasst sich das zweite Kapitel zunächst mit dem Internetradio in seinen verschiedenen Erscheinungsformen und in unterschiedlichen Kontexten. Dabei wird das Internetradio sowohl aus Sicht der etablierten UKW-Radiostationen beschrieben, als auch die Vielzahl an Internet-Only-Sendern berücksichtigt, die sich als alternati­ves Radioangebot im Internet darstellen. Im Weiteren wird auf programmbegleitende Zusatzangebote hingewiesen, die sich mit der Nutzung eines Radio-Livestreams üb-licherweise verbinden. Diese sind insofern wesentlich, als dass sich dadurch neue Möglichkeiten der Nutzung von Radioinhalten ergeben, die im terrestrischen Hörfunk unbekannt sind. Das Kapitel 2.4 befasst sich au1erdem mit den notwendigen techni-schen Voraussetzungen sowohl für den Betrieb als auch für den Empfang eines Ra-dio-Livestreams im Internet. In diesem Zusammenhang wird einerseits deutlich, wel-chen technischen Grenzen dieser Distributionsweg derzeit noch unterliegt und wel-che Potenziale andererseits damit verbunden sind. Auf Möglichkeiten der dafür not-wendigen Finanzierung von Radioangeboten im Internet wird im darauf folgenden Kapitel eingegangen.

Um die zunehmende Bedeutung des Internetradios für den Hörfunk in Deutschland nachvollziehen zu können, geht es im Kapitel 3 zunächst darum, einen Überblick ü-ber die Nutzung der Massenmedien Radio und Internet in den letzten Jahren zu ge- ben. Es wird im Besonderen auf die Entwicklung der Reichweite bzw. Nutzungsdauer beider Medien hingewiesen. Vor diesem Hintergrund werden im Weiteren aktuelle Daten zur Internetradio-Nutzung in Deutschland vorgestellt. Sie dienen dazu, die derzeitige Bedeutung dieses Distributionsweges für den Hörfunk abschätzen zu kön-nen und bilden zugleich eine fachliche Grundlage für die anschlie1ende eigene Er-hebung zur Radio- bzw. Internetradio-Nutzung unter Studierenden. Diese wird in Ka-pitel 4 vorgestellt. Die Ergebnisse der Umfrage werden in Kapitel 5 beschriebenen und anschlie1end in Kapitel 6 interpretiert. Dabei werden die Erkenntnisse aus dem theoretischen Teil der Arbeit und die zuvor aufgestellten Hypothesen zur Internetra-dio-Nutzung bei Studierenden berücksichtigt. Die S]chlussbetrachtung fasst die we-sentlichen Ergebnisse dieser Arbeit zusammen.

2. Das Internetradio im Überblick

Als sich Mitte der 90er Jahre die technischen Rahmenbedingungen des Internets rapide zu verändern begannen und die Übertragung auditiver Inhalte ermöglichten, eröffnete sich dem Hörfunk dadurch ein völlig neuer Rahmen für die Rezeption von radioähnlichen Inhalten. Im Zuge höherer Bandbreiten und der damit einhergehen-den Verbesserung der Klangqualität gewann dieser Verbreitungsweg für das Radio zunehmend an Bedeutung. So stieg der Anteil der UKW-Sender in Deutschland, die ihr Programm auch im Internet zur Verfügung stellen, in den letzten Jahren dras-tisch an. Während 2006 noch 59% der vornehmlich regionalen bzw. lokalen Radio-sender einen Livestream anboten, waren es 2008 bereits 90% (Goldhammer & Mar-tick, 2008, S. 5). Inzwischen sind auch alle landesweiten Radioanbieter im Internet zu hören. Neben dem Online-Angebot der etablierten Radiostationen wächst aber auch die Zahl der originären Internetradios in Deutschland seit Jahren beständig an. Diese zeichnen sich zunächst dadurch aus, dass sie entweder nur online zu emp-fangen sind oder das Internet zumindest als primären Distributionsweg nutzen. An-gesichts der generellen Frequenzknappheit im terrestrischen Umfeld und der hohen technischen wie auch rechtlichen Hürden zum Betreiben eines UKW-Senders bietet das Internet gerade diesen Sendern die Möglichkeit, „...sich selbst in einer multime-dialen Umgebung zu etablieren und neue programmliche Formen zu entwickeln.“ (Barth, 2001, S. 43) So zieht derzeit aus verschiedensten Beweggründen heraus eine Gründerwelle durch das Internet, die eine Vielzahl unterschiedlicher Internetra-dio-Angebote entstehen lässt, für die regionale Grenzen und formatierte Programm-strukturen keine Rolle mehr zu spielen scheinen (Feldmer, 2008).

Wie sich das Angebot an Radio-Livestreams im Internet gestaltet und welche tech-nischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dafür notwendig sind, soll auf den folgenden Seiten im Einzelnen erörtert werden. Angesichts der dynamischen Entwicklung des Internetradios ist dabei nur ein Überblick über wesentliche Aspekte dieses Phänomens möglich.

2.1 Zweitverwertung und Line Extension terrestrischer Sender

Das Internet bietet insbesondere den etablierten UKW-Radiostationen verschiedene Möglichkeiten, ihr Internetradio-Angebot als Ergänzung zum terrestrischen Pro-gramm zu gestalten. Die wohl naheliegendste Variante eines Internetradios ist die Zweitverwertung des UKW-Programms im Sinne eines Simulcast-Streams. Dabei wird das terrestrische Vollprogramm zeitgleich als Livestream auf der Homepage des Radiosenders zur Verfügung gestellt (Riegler, 2008, S. 12). Das Simulcast-Verfahren ist sowohl für die öffentlich-rechtlichen Hörfunkanstalten als auch für die privaten Anbieter von großem Interesse, weil es ihnen die Möglichkeit bietet, ihre Marke über das terrestrische Verbreitungsgebiet hinaus kommunizieren und die Hö-rerbindung stärken zu können.

Um außerdem die Interessen und Bedürfnisse einer zunehmend fragmentierten Hö-rerschaft gezielter abbilden und zugleich der Vielzahl an konkurrierenden Audio-Diensten im Internet begegnen zu können, erweitern die meisten öffentlich-rechtlichen Hörfunkanstalten ihr Online-Angebot um zusätzliche Livestreams. Diese sogenannten Line Extensions sind ausschließlich über das Internet zu hören und unterscheiden sich vor allem in Bezug auf die musikalische Färbung bzw. thema-tisch voneinander. Die Internetradio-Angebote richten sich überwiegend an einzelne Zielgruppen wie Kinder oder Senioren, sie können aber auch spezielle Interessen wie Kultur oder Sport bedienen.

Angesichts des schwindenden Zuspruchs unter den jüngeren Hörern ergänzen die meisten der öffentlich-rechtlichen Radioanstalten ihr Livestream-Angebot mittlerwei-le durch eine Jugendwelle, die gezielt den Bedürfnissen dieser Zielgruppe gerecht werden soll und sowohl terrestrisch ausgestrahlt wird als auch im Internet zu hören ist. So entwickelte beispielsweise der Westdeutsche Rundfunk (WDR) Mitte der 90er Jahre das jugendorientierte Vollprogramm 1 Live (www.einslive.de), das sich nach eigenen Angaben als ein progressives Rock- und Pop-Programm für 14- bis 29-Jährige versteht (ARD, 2008). Dabei wird versucht, die musikalische Programm-gestaltung wie auch die Moderationen bzw. die Wortbeiträge den Bedürfnissen der jüngeren Hörer anzupassen. Das betrifft sowohl „...die jugendliche Ansprache als auch eine härtere Ausprägung der Musikstile“ (Müller, 2007, S. 6f.). Um darüber hinaus verstärkt eigene Akzente zu setzen, werden diese je nach inhaltlicher Kon- zeption beispielsweise durch Magazinsendungen, Interviews, Literaturbesprechun-gen oder Lifestyle-Tipps angereichert (Lückerath, 2008).

Die Zweitverwertung des UKW-Vollprogramms im Internet ist auch bei den meisten privaten Radioanbietern gängige Praxis und integraler Bestandteil der sendereige-nen Homepage. Im Gegensatz zum Internetradio-Angebot der öffentlich-rechtlichen Hörfunkanstalten, die sich gemäß ihrem Programmauftrag in der Verpflichtung se-hen, eine Grundversorgung in Bezug auf Information, Bildung und Unterhaltung auch online zu gewährleisten, steht bei den privaten Radioanbietern die profitable Vermarktung des Programms im Vordergrund (Siegle, 1998, S. 151). Dementspre-chend formatiert zeigt sich das Radioangebot der privaten Anbieter, das den Unter-haltungsaspekt in den Vordergrund stellt (Goldhammer & Wichmann & Schmid & Dufft, 2006, S. 41). Nachrichten und Wortbeiträge spielen dabei eher eine unterge-ordnete Rolle. Darüber hinaus bieten mittlerweile vor allem landesweite Radioan-stalten wie Antenne Bayern und das Hit Radio FFH eine Vielzahl an zusätzlichen Livestreams an, auf denen, abgesehen von kurzen Werbeelementen bzw. Sender-IDs[2], vor allem eine chartorientierte Mischung aus Pop- und Rockmusik zu hören ist. Damit richtet sich das Programmangebot der privaten Sender auch im Internet vor-wiegend an „...die kaufkräftige Kernzielgruppe 25- bis 49-Jähriger.“ (Buschart, 1998, S. 15) Regionale bzw. landesweite Privatradios berücksichtigen zudem oft auch Zielgruppen jenseits des Programmformats AC (Adult Contemporary) und bieten zusätzlich Livestreams mit eher jugendorientierten Stilrichtungen wie Hard Rock und Black Music oder Oldies bzw. Schlagermusik an. Dies dient vor allem dazu, neue Hörerkreise für das terrestrische Programmangebot zu begeistern. Damit tragen die privaten Radiostationen aber auch dem Umstand Rechnung, dass immer mehr Hö-rer ihren Unterhaltungs- und Informationsbedarf inzwischen über spezielle Radioan-gebote im Internet decken.

2.2.2 Das originäre Internetradio

Die Radioszene im Internet weist eine überaus dynamische Struktur auf und bietet beinahe täglich neue Radio-Livestreams. Das Spektrum reicht dabei von sogenann-ten Talkradios wie 1000Mikes (www.1000mikes.com), die vorwiegend aus gespro-chenen Beiträgen von Mitgliedern einer Nutzer-Gemeinschaft bestehen, bis hin zu reinen Musik-Livestreams, die nahezu keinen Wortanteil beinhalten. Nur ein gerin-ger Anteil von rund 30% der Internetradios stellt sein Programm dabei tatsächlich als Live-Sendung zusammen (Knocke, 2008). Es besteht in der Regel aus einer wiederkehrenden Abfolge von Inhalten, ähnlich einer Programmschleife, die „...stunden-, tage- oder wochenweise wiederholt [wird]...“ (Schmich, 2006, S. 17). Die Veränderungen im Programmverlauf ergeben sich dabei vorwiegend durch eine Aktualisierung der Musiktitelabfolge. Dies trifft im Besonderen auf sogenannte Fir-men- bzw. Markenradios großer Konzerne wie World of Music (www.wom.fm) oder Neckermann zu, die ihre Promotionkampagnen auf diese Weise online fortführen und versuchen, Nutzer vor allem über Musik „...stärker an das eigene Angebot bzw. Produkt zu binden.“ (Barth & Münch, 2001, S. 43)

Im Gegensatz zu UKW-Radiosendern, die aufgrund ihrer begrenzten Reichweite vornehmlich lokale bzw. regionale Inhalte berücksichtigen, unterscheiden sich die Programme der Internet-Only-Sender insbesondere in thematischer Hinsicht bzw. in Bezug auf ihre Musikauswahl. Neben einer Vielzahl von nicht- oder halbkommerziel-len Radioangeboten, die teils sogar „...von Einzelpersonen aus Liebhaberei betrie-ben werden“ (Barth & Münch, 2001, S. 44), existieren inzwischen auch kommerziel-le Internetradios. Ein Beispiel ist hier der Special-Interest-Sender 90elf (www.90elf.de), der sich auf professionellem Niveau ausschließlich dem Thema Fußball widmet. Andere Internetradios wie das user generated radio Laut.FM (www.laut.fm) sehen sich eher als Präsentations- und Kommunikationsplattform für radiobegeisterte Amateure, die ihre Musik einer breiten Hörerschaft vorstellen möchten. Entsprechend differenziert zeigt sich das Radioangebot des Senders, dass aus einer Vielzahl an Livestreams besteht, die über den gesamten Tagesver-lauf hinweg jeweils unterschiedliche Musikstile bedienen und dabei gänzlich auf ei-ne Moderation verzichten.

2.3 Programmbegleitende Anwendungsmöglichkeiten

Während der terrestrische Übertragungsweg neben dem Radioprogramm nur in be-grenztem Maße ergänzende Serviceinhalte zulässt[3] und aufgrund eines fehlenden Rückkanals keine Interaktion durch den Hörer erlaubt, stehen im Internet weitaus vielfältigere Möglichkeiten der Angebotsgestaltung zur Verfügung.

So können zum Beispiel stichwortartige Zusatzinformationen immanenter Bestand-teil eines Livestreams sein. Dabei wird das laufende Programm mit sogenannten Streamtags[4] versehen, die neben der Titelkennung und dem Interpreten der gerade gespielten Musik in der Regel auch den Namen der jeweiligen Sendung beinhalten. Diese Informationen werden dann in der Abspielsoftware, dem sogenannten Player, angezeigt und entsprechend dem Programmverlauf aktualisiert. Internetradios nut-zen die Vorteile ihres Mediums aber vor allem dann, wenn sie das Programm auch in visueller Hinsicht dynamisch begleiten (Barth & Münch, 2001, S. 46). So können im Internetradio-Player neben den grundlegenden Informationen zum gespielten Musiktitel zeitgleich beispielsweise Bildergalerien zum jeweiligen Künstler bzw. In-terpreten präsentiert werden. Anbieter von mehreren Livestreams haben darüber hinaus die Möglichkeit, die gerade gespielten Musiktitel ihrer jeweiligen Streams in einer Übersicht anzeigen zu lassen. Der Nutzer kann das Angebot somit gezielt auswählen, ohne unter Umständen negativ überrascht zu werden.

Auch die Webseite eines Senders bietet umfangreiche Möglichkeiten der textlichen bzw. visuellen Programmbegleitung. So können ergänzend redaktionelle Inhalte einzelner Sendungen vertieft bzw. nachgelesen werden. Die Bereitstellung von Sendebeiträgen als Podcast ermöglicht darüber hinaus eine individuelle und zeit-versetzte Nutzung von Radioinhalten. Im Zuge schnellerer Übertragungstechniken bzw. leistungsfähigerer Abspielgeräte in Verbindung mit einem verbesserten Bedie-nungskomfort wird das Angebot zum „Nachhören“ einzelner Sendungen ein zuneh-mend wichtiger Aspekt. Auf diese Weise wird sowohl den individuellen Bedürfnissen als auch den speziellen Nutzungsweisen einzelner Zielgruppen entsprochen.

Neben den unmittelbar programmbegleitenden Elementen dienen weitere Angebote auf der Webseite des Senders insbesondere der Kommunikation bzw. Interaktion mit dem Nutzer. So hat dieser in aller Regel die Möglichkeit, während einer laufen-den Sendung Musikwünsche, Grüße und Titelanfragen per Chat oder E-Mail an den Moderator zu richten oder Sendungen zu bewerten. Diese Möglichkeit des Gedan-ken- und Meinungsaustausches stärkt nicht nur die Hörerbindung aus Sicht des In-ternetradios nachhaltig, sie kann dem Sender auch als Fundus in thematischer Hin-sicht dienen. So trägt dieser indirekt zur Gestaltung der Inhalte des Internetradio-Angebots bei.

2.1 Technische Grundlagen und Rahmenbedingungen

Im Gegensatz zur formativen und inhaltlichen Ausprägung des Internetradios und seiner zunehmenden Einbindung in einen multimedialen und interaktiven Kontext sind die technischen Verfahren zur Übertragung des Radioprogramms seit seinen Anfängen Mitte der 90er Jahre weitgehend unverändert geblieben.

Anders als beim terrestrischen Radio, das auf dem Prinzip der einseitigen Verbrei-tung an ein disperses Publikum beruht, wird das digitale Audiosignal im Internet als Datenstrom über eine „...individuell geschaltete Datenleitung...“ (Riegler, 2008, S. 8f.) paketweise vom Server des Anbieters auf das Endgerät des Nutzers übertra-gen. Insofern basiert diese Streaming-Technologie auf einem Unicast-Verfahren, das für jeden Nutzer eine separate Verbindung für den Datentransfer aufbaut. Grei-fen beispielsweise 50 Personen gleichzeitig auf den Livestream eines Internetradios zu, wird das Signal 50-mal übertragen und benötigt je nach Qualität des Audio-Signals eine entsprechend hohe Bandbreite. Bei einem Datendurchsatz von übli-cherweise 128 KBit/s pro Livestream können so hohe Durchleitungskosten für den Internetradio-Betreiber entstehen. Um diese in einem überschaubaren Rahmen zu halten, wird die Bandbreite für gewöhnlich auf eine maximale Nutzerzahl begrenzt. Dadurch kann es vorkommen, dass Internetradios vorübergehend nicht zu empfan-gen sind. Aufgrund der anhaltend sinkenden Streaming-Kosten bei gleichzeitigem Ausbau der zur Verfügung stehenden Bandbreite ist allerdings davon auszugehen, dass dieses Problem zukünftig nur noch selten auftreten wird (Goldhammer & Mar-tick, 2008, S. 22).

Weitaus entscheidender sind da die technischen Bedingungen auf Seiten des Nut-zers. Unter der Voraussetzung eines multimediafähigen Endgerätes – zumeist PC oder Laptop – und einer ausreichend schnellen Internetverbindung spielt die Wahl der Abspielsoftware eine wichtige Rolle. War der RealPlayer des Softwareherstel-lers RealNetworks vor wenigen Jahren noch marktbeherrschend, gibt es mittlerweile eine Vielzahl von zumeist kostenloser Abspielsoftware, die auf zum Teil unter-schiedlichen Kodierungsverfahren beruhen (Ziegenfeuter, 2008). Der Nutzer muss seinerseits mehrere Player auf seinem Endgerät installieren, um alle Internetradio-Formate hören zu können. Eine Alternative sowohl für Internetradios als auch für Nutzer ist ein flashbasierter Player, der lediglich die Installation eines entsprechen-den Plug-Ins erfordert, das für die Nutzung der meisten multimedialen Inhalte im Internet ohnehin unerlässlich ist. Diverse Programme wie ClipInc oder der Internet-Radio-Ripper erlauben darüber hinaus das Mitschneiden (Rippen) des Livestreams eines Internetradios. Auf diese Weise können Programmstrecken auf der Festplatte des PCs bzw. Laptops gespeichert und so zeitversetzt und individuell genutzt wer-den (Pilzweger, 2006). Das Hören eines Radio-Livestreams ist aber nicht zwingend an einen PC bzw. Laptop gebunden. Für die computerunabhängige Nutzung von Internetradio-Angeboten sind mittlerweile eigenständige Internetradio-Geräte auf dem Markt erhältlich, die ähnlich einem herkömmlichen UKW-Empfänger kabellos über einen WLAN-Anschluss betrieben werden können.

Angesichts der zunehmenden Verbreitung von öffentlich zugänglichen WLAN-Hotspots entwickeln auch immer mehr Handy-Hersteller Internetradio-Applikationen für ihre Produkte. So stellte das Unternehmen Nokia bereits Ende 2007 eine Inter-netradio-Software für einige seiner internettauglichen Handys zur Verfügung (Spie­gel Online, 2007). Moderne Smartphones wie das iPhone von Apple können eben-falls mit einer Software versehen werden, die den Zugang zu einer Vielzahl weltwei-ter Internetradio-Sender ermöglicht. So eröffnen sich mobile Nutzungsmöglichkei-ten, die das Internetradio auch gegenüber dem terrestrischen Hörfunk in einen völlig neuen Kontext stellen.

2.4 Finanzierungs- und Vermarktungsmöglichkeiten

Wie bei vielen anderen Diensten, die im Internet angeboten werden, ist auch der Betrieb eines Internetradios mit laufenden Aufwendungen verbunden. So können beispielsweise bei hohen Nutzerzahlen, trotz sinkender Preise der Provider, erhebli-che Kosten für die Datenübertragung auftreten. Wird lizenzpflichtige Musik gespielt, fallen darüber hinaus GEMA- und GVL-Gebühren an, die pro Sendeminute und Nutzer berechnet werden (GVL, 2008). Die Finanzierung dieser Unkosten ist dabei abhängig von der Zielsetzung, mit der das Internetradio betrieben wird.

Während öffentlich-rechtliche Radiosender ihr Online-Angebot primär als Ergänzung zum terrestrischen Programmangebot betrachten und entsprechend aus Gebühren-geldern finanzieren, verfolgen die private Sendeanstalten vor allem das Ziel, mit einer zusätzlichen Reichweite im Internet die eigene Sendermarke zu verbreiten und darüber hinaus „...die größere Reichweite [zukünftig auch] vermarktbar zu ma-chen.“ (Seibel-Müller, 2008) Eine unmittelbare Finanzierung über ein Abonnement-Modell gestaltet sich jedoch äußerst schwierig, da aufgrund der Vielzahl kostenloser Internetradio-Angebote und anderer Audiodienste im Internet nicht mit einer ausrei-chenden Zahlungsbereitschaft der Nutzer zu rechnen ist (Goldhammer & Zerdick, 1999, S. 209). Vor diesem Hintergrund setzen die meisten kommerziell agierenden Internetradio-Sender zur Finanzierung ihrer Angebote auf mehrere verschiedene Erlösmodelle. Das Online-Sponsoring ist dabei eine der üblichen Einnahmequellen. Es wird besonders von den Internetradios favorisiert, die ihr Radioprogramm nicht durch Werbeeinblendungen beeinträchtigen wollen. Dabei werden in klassischer Weise Marken- bzw. Firmenlogos des Sponsors in die Webseite oder den Player des Senders eingebunden und mit einem Hyperlink zur Webseite des betreffenden Unternehmens versehen (Siegle, 1998, S. 29). Ebenso bietet sich eine Verlinkung der gespielten Musiktitel zum Erwerb auf gängigen Download-Portalen wie Musiclo-ad (www.musicload.de) oder Amazon (www.amazon.de) an. Dabei erhält der Inter-netradio-Sender in der Regel nach dem Pay-per-Sale-Prinzip eine Provision für den, „...durch ihr Programm initiierten Kaufimpuls ihrer Rezipienten.“ (Goldhammer & Zerdick, 1999, S. 214) Gleiches gilt auch für die Kooperation mit den Vermarktern von Konzerttickets oder Fanartikeln. Auch Werbeeinnahmen werden – zumindest mittelfristig – eine wichtige Rolle bei der Refinanzierung von Internetradio- Angeboten spielen. Allerdings gestaltet sich dies derzeit noch schwierig, da Internet-radios bislang nicht in der für die Werbewirtschaft relevanten Reichweitenerhebung, der Media Analyse (MA Radio), berücksichtigt werden. Insbesondere originäre In-ternetradios haben daher oftmals Probleme, ausreichende Werbeeinnahmen zu erzielen (Goldschmid, 2008, S. 10).

[...]


[1] „Konventionell“ meint hier die Verbreitung eines Radioprogramms über die Distributionswege Terrestrik, Kabel und Satellit

[2] ID (Abk. für Indikativ): ein regelmäßig wiederholtes Erkennungssignal im Programmverlauf

[3] An dieser Stelle ist beispielhaft das Radio Data System (RDS) zu nennen.

[4] Unter dem Begriff Streamtag versteht man programmbegleitende Informationen in Form von Stichworten, die mit einem Streaming-Angebot verknüpft sind.

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Radionutzung im Internet - Eine Erhebung zur Akzeptanz des Internetradios bei Studierenden
Hochschule
Universität Paderborn
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
69
Katalognummer
V129254
ISBN (eBook)
9783640352579
ISBN (Buch)
9783640352395
Dateigröße
756 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Internetradio, Radionutzung, Webradio, Onlineradio, Webcasting
Arbeit zitieren
Roland Mahler (Autor:in), 2009, Radionutzung im Internet - Eine Erhebung zur Akzeptanz des Internetradios bei Studierenden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129254

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