Wolfgang Kemp - Rezeptionsästhetik

Kunstwerk und Betrachter: Der rezeptionsästhetische Ansatz


Seminararbeit, 2002

5 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


In dem Text Kunstwerk und Betrachter: Der rezeptionsästhetische Ansatz von Wolfgang Kemp wird, wie der Titel schon verrät die Rezeptionsästhetik in der Kunst thematisiert. Der rezeptionsästhetische Ansatz behandelt das Zusammenspiel von Autor, Kunstwerk und Betrachter. Im Mittelpunkt eines Werks steht also die Betrachterfunktion.

Benachbarte Forschungsansätze

Neben Parallelen zu Fachgebieten wie der Literaturwissenschaft gibt es auch innerhalb der Kunstgeschichte verschiedene Ansätze, die mit der Rezeptionsästhetik konform gehen.
Einer davon lässt sich unter dem Stichwort Rezeptionsgeschichte zusammenfassen, welcher wiederum in vier Gruppen unterteilt ist. Die erste Gruppe lässt sich unter dem Begriff des rezeptionsgeschichtlichen Ansatzes zusammenfassen. Dieser verfolgt sozusagen die ,,Wanderung künstlerischer Formulierungen" (S. 248) durch die Zeiten der Kunstlandschaft. Man ist an der Überlieferung und Wiederaufnahme von Kunst durch Kunst interessiert, stellt Daten sicher und weist Einflüsse nach. Weiter erforscht man die Gründe, die bei einer Auswahl bestimmter Motive maßgebend waren, und untersucht die Differenz zwischen Vor- und Nachbild. Die zweite Gruppe ist die der literarischen Rezeptionsgeschichte. Sie beschäftigt sich mit schriftlichen (und selten auch mit mündlichen) Reaktionen der Betrachter und Benutzer von Kunstwerken. Man erwartet sich von dieser Untersuchung Beiträge zu einer Geschichte des Geschmacks und Einsichten in die Wechselwirkungen zwischen Kunstproduktion und Kunstkritik (im weitesten Sinne). Die eigentliche Geschichte des Geschmacks beschreibt die faktische Rezeption von Kunstwerken durch Kunsthandel, Kunstraub und Sammlertätigkeit und stellt die dritte Gruppe dar. Ihr Interesse gilt den institutionellen Formen der Kunstrezeption. Dieses Teilgebiet ist jedoch noch kaum entwickelt. Die vierte Trennlinie ist zu der Rezeptionspsychologie zu ziehen. Zwar gehen beide Ansätze von einer aktiven Ergänzung des Werks durch den Betrachter aus, von einer Art Dialog der beiden Seiten, die Rezeptionspsychologie spezialisiert sich jedoch auf die Wahrnehmung. Sie löst das Werk aus seinem historischen Kontext, bzw. löst den Rezeptionsvorgang von seinen Rezeptionsbedingungen.

Aufgaben der Rezeptionsästhetik

Die genannten vier Richtungen werden in der Kunstgeschichte die eigentliche Betrachter- bzw. Publikumsforschung genannt. Ihr Interesse gilt vor allem Personen, realen Betrachtern, seien es also Künstler, Sammler, Kritiker oder einfach Kunstinteressierte. Die Rezeptionsästhetik dagegen arbeitet werkorientiert, sie ist auf der Suche nach dem impliziten Betrachter, nach der Betrachterfunktion im Werk. Das Werk ,,spricht" mit den Rezipienten, es ist adressiert und entwirft seine Betrachter. Demzufolge hat die Rezeptionsästhetik mindestens drei Aufgaben. Sie muss die Zeichen und Mittel erkennen, mit denen das Kunstwerk in Kontakt zu uns tritt und sie muss diese im Hinblick auf ihre sozialgeschichtliche und ihre eigentliche ästhetische Aussage lesen. Wichtig dabei zu erwähnen ist die Spezifik der künstlerischen Kommunikation. Autor und Rezipient verkehren nicht direkt miteinander wie es der alltägliche Vorgang mit sich bringt, es findet keine face-to-face Kommunikation statt. ,, Autor und Leser ( und Betrachter […]) kennen sich nicht, sie müssen sich den anderen jeweils nur denken. Beide vollziehen dabei eine Abstraktion von der realen Individualität, wie sie im faktischen Dialog gegenwärtig ist."[1] In der Kunstgeschichte wird dieser Vorgang mit dem Titel der asymmetrischen Kommunikation umschrieben. Fest steht, dass in dieser Kommunikation eine Vielzahl von Projektionen geschichtlicher und gesellschaftlicher Idealbilder von der Funktion und Wirkung von Kunst mitwirken. Die Rezeptionsästhetik will diese Appelle und Signale der Kunst an ihre Betrachter verstehen.

Die Zugangsbedingungen

Bei der Betrachtung von Kunst muss man zwischen äußeren Zugangsbedingungen und inneren Rezeptionsvorgaben unterscheiden. Äußere Zugangsbedingungen bilden beispielsweise die Stadtplanung für das Gebäude oder die Architektur, kurz, der ganze äußere Rahmen, in dem ein Kunstwerk präsentiert wird. Die Aufgabe der Rezeptionsästhetik ist es nun das Werk in seinen ursprünglichen historischen Kontext zurück zu versetzen. Und genau diese Rekonstruktionsleistung sieht die Rezeptionsästhetik als ihr wichtigstes Ergebnis an.
Man kann in diesem Zusammenhang auch von der Wissenschaft des Kontextualismus sprechen, dem Bestreben der Rezeptionsästhetiker einen Sinn für Einheit zu schaffen.
Gregory Bateson behauptet, dass es ohne Kontext keine Bedeutung gibt. Das heißt die Rezeptionsästhetik muss die Rezeptionssituation oder die Rezeptionsrealität der Objekte in vollem Umfang rekonstruieren. Nach ihm muss gelten, dass ,,[…Kommunikation einen Kontext erfordert, dass es ohne Kontext keine Bedeutung gibt und dass Kontexte Bedeutung vermitteln, weil es eine Klassifizierung von Kontexten gibt."[2]
Vor allem die Kunst der Neuzeit stellt sich in einer Raum- und Zeitleere dar, sie ist nicht mehr adressiert, hat keinen festen Bezugspunkt mehr. Jedoch weisen auch diese Kunstwerke Reste von Kontextmarkierungen auf, die den Betrachter erneut situieren. Das Werk reagiert immer auf seinen räumlichen und funktionalen Kontext, durch die Art und Weise seiner Erscheinung, wie es wirkt, und wie seine Wirkung vom Betrachter aufgefasst wird. Die jeweils besondere Aufgabe des rezeptionsästhetischen Interpretierens eröffnet sich erst an der Schnittstelle von Kontext und Text, also erst an der Stelle, wo das Werk mit seinen inneren Möglichkeiten den Dialog mit Umgebung und Betrachter zu führen beginnt, um sich mitzuteilen.

[...]


[1] H. Link: Rezeptionsforschung. Stuttgart/Berlin 1976. S. 12, zit. nach: Wolfgang Kemp: Kunstwerk und Betrachter: Der rezeptionsästhetische Ansatz. In: Hans Belting u.a. (Hrsg.): Kunstgeschichte. Eine Einführung. 7., überarb. u. erw . Aufl. Berlin 2008. S. 250.

[2] Gregory Bateson, zit. nach: Ebd. S. 251.

Ende der Leseprobe aus 5 Seiten

Details

Titel
Wolfgang Kemp - Rezeptionsästhetik
Untertitel
Kunstwerk und Betrachter: Der rezeptionsästhetische Ansatz
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Veranstaltung
Einführung in das Fachstudium Kunst
Note
2.0
Autor
Jahr
2002
Seiten
5
Katalognummer
V129542
ISBN (eBook)
9783640356652
Dateigröße
373 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wolfgang, Kemp, Rezeptionsästhetik, Kunstwerk, Betrachter, Ansatz
Arbeit zitieren
Canan T. (Autor:in), 2002, Wolfgang Kemp - Rezeptionsästhetik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129542

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