Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Relevanz des Themas
1.3 Zielsetzung
1.4 Gang der Argumentation
2 Theoretische Grundlagen der Tourismusform Astro Tourism
2.1 Begriffsdefinition
2.2 Die Thematik der Lichtverschmutzung
2.3 Geschichtliche Entwicklung und die International Dark-Sky Association
2.4 International Dark Sky Places
2.5 Zertifizierungsprozess
2.6 International Darks Sky Places in Österreich
2.6.1 Lichtverschmutzung in Österreich
2.6.2 Der International Dark Sky Park in der Region Attersee-Traunsee
2.7 Conclusio
3 Nachhaltigkeitspotenziale von Astro Tourism Destinationen
3.1 Der Begriff der Nachhaltigkeit
3.2 Die drei Säulen der Nachhaltigkeit im Astro Tourism
3.2.1 Ökologie im Astro Tourism
3.2.2 Soziokultur im Astro Tourism
3.2.3 Ökonomie im Astro Tourism
3.3 Die Sustainable Development Goals im Tourismus
3.4 Destinationsmanagement & -entwicklung
3.5 Conclusio
4 Forschungsmethodik
4.1 Qualitatives Forschungsdesign
4.2 Theoretisches Sampling
4.3 Vorstellung der Expertinnen
4.3.1 Das Sternenpark-Kernteam
4.3.2 Expertinnen innerhalb der Region
4.3.3 Externe Expertinnen
4.4 Datenerhebung
4.5 Auswertungsmethode nach Mayring
5 Forschungsergebnisse & Diskussion
5.1 Positionierung der Region Attersee-Traunsee als Astro Tourism Destination
5.1.1 Der Zertifizierungsprozess als Grundlage für eine Positionierung
5.1.2 Die Zusammenarbeit und Vernetzung in der Region
5.1.3 Chancen und Herausforderungen durch den Sternenpark
5.1.4 Die Tourismusstrategie der Region Attersee-Traunsee
5.2 Chancen für eine nachhaltige regionale Entwicklung durch den Sternenpark
5.2.1 Ökologie
5.2.2 Soziokultur
5.2.3 Ökonomie
5.3 Diskussion
6 Praktische Handlungsempfehlungen
6.1 Handlungsempfehlungen für die Region Attersee-Traunsee
6.2 Handlungsempfehlungen für Zertifizierungen in weiteren Regionen
7 Conclusio
7.1 Beantwortung der Hauptforschungsfrage
7.2 Beantwortung der Subforschungsfragen
7.3 Hypothesen
8 Ausblick und Limitationen
9 Literaturverzeichnis
Anhang
Abstract - Deutsch
Die kontinuierliche Zunahme der Lichtverschmutzung auf globaler Ebene macht einen natürlichen Nachthimmel zunehmend seltener. Lichtverschmutzung wird zusehends als schwerwiegendes Problem erkannt und die Signifikanz des Erhalts eines dunklen Nachthimmels steigt. In den letzten Jahren hat sich die Tourismusform des Astro Tourism als neuer Nischentrend in der Reisebranche etabliert. Auch innerhalb Österreichs zeigen gegenwärtige Entwicklungen die aktuelle Relevanz der Thematik auf. So ist die oberösterreichische Region Attersee-Traunsee seit April 2021 der erste zertifizierte International Dark Sky Park in Österreich. Diese Zertifizierung wird von der International Dark-Sky Association vergeben, welche sich weltweit für den Schutz des Nachthimmels einsetzt. Im Rahmen dieser Zertifizierung verpflichtet sich die Region zu einer verantwortungsvollen Beleuchtungspolitik sowie öffentlicher Aufklärungsarbeit hinsichtlich richtigen Lichts und Lichtverschmutzung. Die Aktualität dieser Thematik veranlasst, diese Materie zu erforschen und zu untersuchen, welche Chancen die Zertifizierung der Region für eine Positionierung als Astro Tourism Destination bietet.
Ein bedeutendes Schlagwort der gegenwärtigen Tourismusdiskussion ist zudem der Begriff der Nachhaltigkeit. Die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung wird zunehmend signifikanter und soll die Tourismusbranche zukünftig transformieren. Die steigende Relevanz von Astro Tourism und touristischer Nachhaltigkeit legt somit nahe, diese beiden Themen zu verknüpfen und zu eruieren, inwiefern die Zertifizierung der Region Attersee-Traunsee zu einer nachhaltigen regionalen Entwicklung beitragen kann.
Die Erforschung der festgelegten Thematiken erfolgte anhand einer qualitativen Forschungsmethode. Es wurden leitfadengestützte, halbstrukturierte Experteninterviews mit StakeholderInnen in der Region und deren Umfeld sowie mit NachhaltigkeitsexpertInnen durchgeführt. Die Auswertung der Interviewergebnisse erfolgte mittels einer strukturierenden Inhaltsanalyse nach Mayring.
Die Forschungsergebnisse zeigen auf, dass die Zertifizierung der Region Attersee-Traunsee sowohl Chancen für eine Positionierung als Astro Tourism Destination als auch für eine nachhaltige regionale Entwicklung bietet. In Bezug auf eine Positionierung fördert die Zertifizierung das natürliche Angebot der Region hinsichtlich eines dunklen Nachthimmels und guter Beobachtungsmöglichkeiten. Weiters braucht es durch die Zertifizerung ein Mindestmaß an astrotouristischem Angebot. Die verantwortungsvolle Beleuchtungspolitik, die öffentliche Aufklärungsarbeit sowie die wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten unterstützen wiederum die nachhaltige Entwicklung der Region entlang aller drei Nachhaltigkeitsdimensionen.
Abstract - English
The continuous increase of light pollution on a global level renders a natural night sky increasingly rare. Light pollution is more and more seen as a serious problem and the significance of preserving a dark night sky is rising. In recent years, the tourism form of Astro Tourism has established itself as a new niche trend in the travel industry. Furthermore, current developments show the growing relevance of the topic within Austria. The Upper Austrian region of Attersee-Traunsee has been certified in April 2021 as the first International Dark Sky Park in Austria. This certification is awarded by the International Dark-Sky Association, which is dedicated to the protection of the night sky worldwide. As part of this certification, the region commits to a responsible lighting policy as well as public education regarding proper light and light pollution. The topicality of this issue prompts its exploration and investigation into what opportunities the certification offers the region for positioning itself as an Astro Tourism destination.
In addition, a significant buzzword in the current tourism discussion is the concept of sustainability. The need for sustainable development is becoming increasingly significant and is expected to transform the tourism industry in the future. The growing relevance of Astro Tourism and tourism sustainability suggests the linkage of the two topics and an examination of the extent to which the certification of the region Attersee-Traunsee can contribute to a sustainable regional development.
The research of the defined topics was carried out by means of a qualitative research method. Guideline-based, semi-structured expert interviews were conducted with stakeholders in and around the region as well as with sustainability experts. The interview results were evaluated using the structuring content analysis by Mayring.
The research results show that the certification of the region Attersee-Traunsee offers chances for a positioning as an Astro Tourism destination as well as for a sustainable regional development. In terms of positioning, the certification promotes the natural offer of the region in terms of a dark night sky and good observation opportunities. Furthermore, the certification requires a minimum of an astro touristic offer. In turn, the responsible lighting policy, the public education work as well as the economic utilization possibilities support the sustainable development of the region along all three sustainability dimensions.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Die Reichweite der IDA. (Our Work, 2021)
Abbildung 2. Lichtverschmutzung in Österreich. (Light Pollution Map, 2021)
Abbildung 3. Lichtmessstationen und Lichtverschmutzung in Oberösterreich. (Binder et al., 2017)
Abbildung 4. Aktuelle Messwerte der Himmelshelligkeit in Oberösterreich. (Aktuelle Messwerte, 2021)
Abbildung 5. Der Sternenpark Attersee-Traunsee. (Offizieller IDA Sternenpark, 2021)
Abbildung 6. Himmelshelligkeit über dem Sternenpark. (Sternenpark — Naturpark AtterseeTraunsee, 2021)
Abbildung 7. Abgrenzung des nachhaltigen Tourismus. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Strasdas, 2001, S. 8)
Abbildung 8. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit. (Purvis, Mao & Robinson, 2019, S. 682).. 33 Abbildung 9. Die 17 SDGs. (Nachhaltige Entwicklung - Agenda 2030, 2021)
Abbildung 10. Die Integration des Tourismus in den SDGs. (Eigene Darstellung in Anlehnung an UN Generalversammlung, 2015, S. 21, 24-45)
Abbildung 11. Die Relevanz des Tourismus für die Erreichung der SDGs in den FNUs von 41 Nationen. (UNWTO S& UNDP, 2017, S. 25)
Abbildung 12. Conceptual Model of Destination Competitiveness. (Ritchie & Crouch, 2003, S. 63)
Abbildung 13. Allgemeines inhaltsanalytisches Verfahren. (Mayring, 2015, S. 62)
Abbildung 14. Das Ablaufmodell der strukturierenden Inhaltsanalyse. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Mayring, 2015, S. 98)
Abbildung 15. Organigramm des Projekts Sternenpark Attersee-Traunsee. (Schnaitl, 2021). 66 Abbildung 16. Die Hauptbereiche notwendiger Zusammenarbeit. (Eigene Darstellung)
Abbildung 17. Kritische Erfolgsfaktoren einer Positionierung. (Eigene Darstellung)
Abbildung 18. Chancen und Herausforderungen. (Eigene Darstellung)
Abbildung 19. Nachhaltigkeitsmaßnahmen in der Region Attersee-Traunsee. (Eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Vergleich der Nächtigungen, Ankünfte und der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer in der Sommer- und Wintersaison 2020 in den Sternenpark-Gemeinden. (STATatlas Tourismus, 2021; Eigene Darstellung)
Tabelle 2. Ankünfte und Nächtigungen in Attersee-Attergau und Traunsee-Almtal (2017-2020). (Tourismusstatistik - Tourismusverbände in Oberösterreich, 2021; Eigene Darstellung)
Tabelle 3. Kategoriensystem. (Eigene Darstellung)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Der Nachthimmel ist ein Phänomen, das die Menschheit seit jeher in seinen Bann zieht (Mitura, Bury, Begeni & Kudzej, 2017, S. 46). Bereits vor Jahrtausenden wandten sich die Menschen den Sternen zu, auf der Suche nach Orientierung und Inspiration. Auch heute ist die Faszination Nachthimmel ungebrochen und bietet auf diese Weise bisher ungeahnte Möglichkeiten für den weltweiten Tourismus. (Soleimani, Bruwer, Gross & Lee, 2019, S. 2301)
1.1 Problemstellung
In den letzten Jahren hat sich Astro Tourism als neuer Nischentrend etabliert (Mitura et al., 2017, S. 45). Auch in Österreich gibt es seit Anfang April 2021 den ersten durch die International Dark-Sky Association (IDA) zertifizierten International Dark Sky Park (IDSP) in der Region Attersee-Traunsee, welcher den Forschungsgegenstand dieser Masterarbeit darstellt (First International Dark Sky, 2021).
Ein natürlicher Nachthimmel wird zunehmend seltener, denn aufgrund steigender Urbanisierung nimmt die weltweite Lichtverschmutzung zu. Diese ist bereits so allgegenwärtig, dass über 80 Prozent der Weltbevölkerung und 99 Prozent der Bevölkerung Europas und der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) unter lichtverschmutztem Himmel leben. (Falchi et al., 2016, S. 4) Die Thematik der Lichtverschmutzung wird verstärkt als ernstes Umweltproblem erkannt. So bewirkt künstliches Licht bei Nacht eine radikale Veränderung der Umweltverhältnisse, wodurch verheerende Auswirkungen auf Ökosysteme, Biodiversität sowie die menschliche Gesundheit entstehen. (Mitchell & Gallaway, 2019, S. 931)
Der Tourismus kann hierbei ein Schlüsselsektor in der Einschränkung der weltweiten Lichtverschmutzung sein und „responsible tourism can and should take on board the night sky as a resource to protect and value in all destinations” (Starlight Declaration, 2007, S. 459). Die Tourismusform Astro Tourism steht in direkter Abhängigkeit zu einer attraktiven und natürlichen Umwelt ohne Lichtverschmutzung. Dies verstärkt die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass nachhaltige Ansätze zur Entwicklung des Tourismus eingehalten werden. (Rodrigues, Rodrigues & Peroff, 2015, S. 299)
Grundsätzlich kategorisiert sich Astro Tourism als eine Form des nachhaltigen Tourismus, dessen Hauptressource und Alleinstellungsmerkmal (USP) der Nachthimmel ist (Najafabadi, 2012, S. 130). Nachhaltigkeit und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung zählen zu den bedeutendsten Schlagworten der heutigen Zeit (Ngai, 2020, S. 1079; Scoones, 2007, S. 589). Auch in der Tourismusbranche, und somit auch im Astro Tourism, zählt die nachhaltige Entwicklung zu einem der relevantesten Grundsätze der heutigen Zeit (Martini & Buffa, 2020, S.1). Es ist jedoch kritisch festzuhalten, dass es keine von vornherein nachhaltige Tourismusform gibt, sondern jegliche Arten des Tourismus bestmöglich nach den Kriterien der Nachhaltigkeit zu gestalten sind (Kagermeier, 2015, S. 175). Eine der Managementprioritäten in Astro Tourism Destinationen sollte demnach klar auf die Nachhaltigkeit gerichtet sein, da diese die Grundlage eines langfristigen Bestands und Erfolgs bildet.
1.2 Relevanz des Themas
Astro Tourism verkörpert eine relativ neue Form des Tourismus, welche aufgrund steigender Lichtverschmutzung und einem höheren Bewusstsein für diese Problematik zunehmend an Popularität gewinnt (Soleimani et al., 2019, S. 2300; Fayos-Solâ, Marin & Jafari, 2014, S. 663). Auch in der Fachliteratur ist Astro Tourism ein vergleichsweise neues Forschungsfeld. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts wurde das Phänomen des Astro Tourism erstmals vermehrt erforscht. Hierbei existiert eine Vielzahl an Begriffen, um dieses zu erklären. Hierzu zählen neben Astro Tourism auch Dark Sky Tourism, Star Tourism oder Aurora Tourism, wobei Astro Tourism der gebräuchlichste Begriff ist (Blundell, Schaffer & Moyle, 2020, S. 549; Spennemann, 2007, S. 163; Weaver, 2011, S. 40). Trotz steigender akademischer Diskussion verbleibt verfügbare Literatur im Bereich des Astro Tourism limitiert (Kanianska, Skvareninovâ & Kaniansky, 2020, S. 383; Soleimani, et al., 2019, S. 2303). Unter anderem die Arbeit von Soleimani et al. (2019, S. 2301) zeigt auf, dass noch Bedarf an zusätzlicher Forschung in dem Gebiet besteht. In nur wenigen Fallstudien wurde der Nachthimmel als touristische Ressource mit dem Fokus auf nachhaltigem Tourismus behandelt (Edensor, 2013, S. 446; Rodrigues et. al. 2015, S. 292). Generell sind Studien, welche sich konkret mit der Entwicklung und Implementation von Astro Tourism in bestimmten Regionen befassen, nur begrenzt vorhanden und beschränken sich bisher vorwiegend auf Regionen in Australien, Südafrika oder Portugal (Blundell et al., 2020, S. 549; Jacobs, Du Preez & Fairer-Wessels, 2020, S. 87; Rodrigues et. al. 2015, S. 292). Es existieren hingegen bislang keine Untersuchungen, welche sich mit Österreich als Astro Tourism Destination bzw. mit der Region Attersee-Traunsee als Heimat des ersten offiziellen IDSP in Österreich befassen. Insbesondere hinsichtlich des Aspekts der Nachhaltigkeit bleibt zu eruieren, inwiefern durch Astro Tourism zu einer nachhaltigen regionalen Entwicklung der Destination Attersee-Traunsee beigetragen werden kann und welche Maßnahmen dort bereits gesetzt werden bzw. gesetzt werden sollten.
Aktuelle Relevanz des Astro Tourism in Österreich ergibt sich zudem durch gegenwärtige Zertifizierungsprozesse weiterer österreichischer Regionen als IDSP gemäß der IDA. Hierzu zählen die Regionen Salzburger Lungau und Losenstein-Hohe Dirn, welche derzeit ebenfalls eine Zertifizierung anstreben. (Dark Sky Projekt Lungau, 2020; Star Park Hohe Dirn, 2020) Des Weiteren wird in einer Untersuchung der Lichtverschmutzung in Österreich die Gründung eines Dark Sky Gebiets um den Nationalpark der Kalkalpen, und somit in der Region Losenstein-Hohe Dirn, empfohlen (Posch, Binder & Puschnig, 2018, S. 158-159).
1.3 Zielsetzung
Die Erkenntnisse aus der Problemstellung und dem aktuellen Stand der Forschung geben Anlass dazu, tiefer in dieses Forschungsgebiet einzutauchen, um das Potential österreichischer Regionen und Naturlandschaften in Hinblick auf Astro Tourism und sich daraus ergebender Chancen für eine nachhaltige regionale Entwicklung zu beleuchten. Konkret wird hierbei auf die Region Attersee-Traunsee in Oberösterreich Bezug genommen. Für die vorliegende Masterarbeit ergibt sich somit folgende Forschungsfrage:
Welche Chancen für eine nachhaltige Entwicklung sowiefür eine Positionierung als Astro Tourism Destination ergeben sich in der Region Attersee-Traunsee durch die Zertifizierung als International Dark Sky Park durch die International Dark-Sky Association?
Des Weiteren sollen im Zuge der Beantwortung der Hauptforschungsfrage auch die folgenden Subforschungsfragen beantwortet werden:
- Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit in der Region für eine erfolgreiche Positionierung und eine nachhaltige Entwicklung?
- Was sind kritische Erfolgsfaktoren für eine Positionierung als Astro Tourism Destination?
- Welche Chancen und Herausforderungen sind mit einer Positionierung verbunden?
- Welche Maßnahmen werden gesetzt, um Nachhaltigkeit in allen drei Säulen zu erzielen?
Die Zielsetzung der Arbeit ergibt sich demnach wie folgt: Der Fokus der Arbeit liegt auf der Implementierung von Astro Tourism in der Region Attersee-Traunsee und der sich dadurch ergebenden Chancen für eine nachhaltige Entwicklung. Konkret erforscht werden sollen die Chancen und Herausforderungen, die in Verbindung mit der Schaffung von Nachhaltigkeit auf den drei Ebenen Ökologie, Ökonomie und Soziokultur sowie einer Positionierung als Astro Tourism Destination stehen. Ein Hauptaugenmerk soll hierbei auch auf den Aspekt der Zusammenarbeit in der Region gelegt werden.
Die Erkenntnisse dieser Arbeit richten sich an potenzielle Astro Tourism Destinationen und deren touristische/politische/lokale AkteurInnen. Die Arbeit wird eine Hilfestellung für die Positionierung als Astro Tourism Destination und deren nachhaltiger regionaler Entwicklung sein bzw. einen ersten Aufschluss darüber geben, ob eine Positionierung möglich ist und was dabei, auch im Sinne der Nachhaltigkeit, zu beachten ist.
1.4 Gang der Argumentation
Die vorliegende Masterarbeit gliedert sich in die zwei Hauptteile der theoretischen und der empirischen Forschung. Der Theorieabschnitt stellt die Grundlage für die empirische Forschung dar und basiert auf einer Analyse der einschlägigen Fachliteratur zu den Themen Astro Tourism und Nachhaltigkeit. Im empirischen Teil erfolgt zunächst eine Erläuterung der Forschungsmethodik und anschließend eine Aufbereitung und Diskussion der Forschungsergebnisse. In Folge sollen nun konkretere Informationen zu den jeweiligen Kapiteln dargelegt werden.
Das erste Kapitel verkörpert die Einleitung dieser Masterarbeit und informiert über die Problemstellung, die Relevanz der Arbeit und die zugrundeliegende Zielsetzung und Forschungsfrage. Im zweiten Kapitel erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Thema Astro Tourism. Der Begriff wird definiert und Aufschluss über die Relevanz dieser Tourismusform gegeben. In diesem Zusammenhang wird auf die Thematik der Lichtverschmutzung und das Konzept der International Dark Sky Places sowie den Zertifizierungsprozess durch die IDA eingegangen. Das dritte Kapitel bildet den Abschluss des Theorieteils und beschäftigt sich mit dem Nachhaltigkeitspotenzial von Astro Tourism Destinationen. Hierbei werden der Begriff der Nachhaltigkeit diskutiert sowie die drei Säulen der Nachhaltigkeit und die Sustainable Development Goals (SDGs) erläutert Des Weiteren wird ein Einblick in Destinationsmanagement und -entwicklung gegeben.
Die Erkenntnisse aus dem Theorieteil bilden die Grundlage für den anschließenden empirischen Teil dieser Arbeit. Zunächst wird hierbei im vierten Kapitel auf die Forschungsmethodik eingegangen. In diesem Zusammenhang werden das Forschungsdesign, das Sampling, die Datenerhebung sowie die Auswertungsmethode dargelegt. Aufbauend auf der Forschungsmethodik werden die Daten empirisch erhoben und ausgewertet. Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse der Forschung dargelegt und diskutiert sowie die Forschungsfrage und die Subforschungsfragen beantwortet. Abschließend folgen eine Conclusio sowie eine Nennung der Limitationen der Arbeit und ein Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten.
2 Theoretische Grundlagen der Tourismusform Astro Tourism
Der Nachthimmel verkörpert seit Jahrhunderten eine Quelle der Faszination und Inspiration für die Menschheit (Mitura et al., 2017, S. 46). In früheren Epochen war er eine bedeutende Ressource für das Leben auf Erden und diente zu verschieden Zeitpunkten der Geschichte der Navigation und Zeitbestimmung, wodurch unter anderem wichtige Aktivitäten wie das Pflanzen und Ernten koordiniert werden konnten (Soleimani et al., 2019, S. 2301). Der Himmel hat zudem tiefe Wurzeln im kulturellen und literarischen Hintergrund des Menschen. So wurden die Sterne in unterschiedlichen Regionen und Kulturen zu Sternenkonstellationen gruppiert, die eine Basis zum Erzählen von Geschichten darstellten und zur Bewahrung von Mythen und Legenden dienten. Auch im Wandel der Jahrhunderte konnte diese natürliche Ressource ihre kulturelle und literarische Verbindung mit den Menschen bewahren und gewinnt heutzutage wieder zunehmend an Signifikanz. (Collison & Poe, 2013, S. 1) Insbesondere im touristischen Kontext erfährt die Ressource eines sternenklaren Nachthimmels steigende Bedeutung. Im Verlauf der letzten Jahre hat sich daher Astro Tourism als neuer Nischentrend in der Tourismusbranche etabliert. (Mitura et al., 2017, S. 45)
Das vorliegende Kapitel bietet einen ersten Überblick über das Phänomen des Astro Tourism. In Folge soll der Begriff Astro Tourism definiert und dessen Entwicklung und Bedeutung als touristischer Trend erläutert werden.
2.1 Begriffsdefinition
Astro Tourism versteht sich als eine relativ neue Form des Tourismus (Belij & Tadic, 2016, S. 59; Soleimani et al., 2019, S. 2300). Das Phänomen Astro Tourism stellt jedoch keinesfalls ein neuartiges Konzept dar, dessen Aufkommen ausschließlich mit der modernen Welt assoziiert werden sollte (Spennemann, 2007, S. 163). In der Fachliteratur ist es eine Tourismusform, welche im letzten Jahrzehnt zunehmende Auseinandersetzung in wissenschaftlichen Studien erfährt. Hierbei existiert eine Vielzahl an Termini, um das Phänomen und das wachsende Interesse für den Nachthimmel im touristischen Kontext zu erklären. Als Beispiel sind neben Astro Tourism auch Dark Sky Tourism, Star Tourism oder Aurora Tourism zu nennen (Blundell et al., 2020, S. 549; Spennemann, 2007, S. 163; Weaver, 2011, S. 40). Astro Tourism ist dabei der in einschlägiger Fachliteratur am häufigsten verwendete Ausdruck für die Bezeichnung dieser Tourismusform. Der überwiegende Gebrauch dieses Begriffs bedeutet jedoch nicht, dass es eine einheitliche und anerkannte Definition gibt. So bleibt das Verständnis für dieses Konzept trotz der zunehmenden Diskussion um Astro Tourism begrenzt und die zugehörige Literatur eklektisch und theoretisch unvollständig. (Soleimani et al., 2019, S. 2300) Fayos-Sola und Marin (2009, S. 5) grenzen als eine der ersten Forscher den Begriff des Astro Tourism ab und definieren diesen als „tourism using the natural resource of unpolluted night skies, and appropriate scientific knowledge for astronomical, cultural or environmental activities”. In ihrer Definition benennen Fayos-Sola und Marin dabei den Bezug des Astro Tourism zu Astronomie, Kultur und Umwelt, wobei sie einen besonderen Fokus auf die natürliche Ressource des Nachthimmels und den Bildungsaspekt dieser Tourismusform legen. Ein ähnlicher Ansatz findet sich in der Definition von Farajirad und Beiki (2015, S. 304), welche erläutern, dass Astro Tourism vorliegt „when an individual interested in the sky (an amateur or professional astronomer or anyone interested in the field) travels to a location other than their residence to study and explore the wonders of the sky”. Farajirad und Beiki beziehen sich hierbei verstärkt auf die Sphäre des Individuums und heben dabei die touristische Kerncharakteristik des Ortswechsels hervor. Definitorische Gemeinsamkeiten sind in der Nennung des Nachthimmels und der Andeutung des Bildungsaspekts zu verankern.
Im Allgemeinen nennt die Literatur vier Hauptkategorien des Astro Tourism gemäß Mitura et al. (2017, S. 46). Die erste Kategorie zieht hierbei Parallelen zu Kultur- und Besichtigungstourismus. Dies beinhaltet den Besuch von Einrichtungen mit astronomischem Bezug. Hierzu zählen beispielsweise Planetarien, Observatorien, Museen und andere (touristische) Einrichtungen, die mit der Entwicklung dieses Wissenschaftsbereichs in Verbindung stehen. Die zweite Art des Astro Tourism umfasst Reisen zu Orten, an denen die Möglichkeit besteht, ephemere astronomische Phänomene zu beobachten. Exemplarisch sind hier die Polarlichter, Sonnen- und Mondfinsternisse oder Kometen und Meteoritenschauer zu nennen. In dieser Kategorie ist insbesondere der von Farajirad und Beiki beschriebene Ortswechsel hervorzuheben, da astronomische Gegebenheiten wie unter anderem Polarlichter und Mondfinsternisse häufig nur in bestimmten Gebieten der Erde sichtbar sind. Die dritte Kategorie des Astro Tourism bezeichnet die Reise in Gebiete mit klarem, dunklem Himmel. Diese Einordnung weist Parallelen zur Definition von Fayos-Sola und Marin auf, da auch darin auf den unverschmutzten Nachthimmel Bezug genommen wird. Die vierte Kategorie nach Mitura et al. (2017, S. 46) kategorisiert cosmic space travel und bezeichnet somit extraterrestrischen Tourismus.
Diese vierte Kategorie von Astro Tourism nach Mitura et al. bezieht sich hierbei vor allem auf die ursprüngliche Bedeutung von Astro Tourism, gemäß welcher diese Tourismusform “leisure activities of travelers paying to fly into space for recreation” bezeichnete (Fayos-Sola & Marin, 2009, S. 5). Diese frühe Auslegung von Astro Tourism deckt sich auch mit einer Studie Caters (2010, S. 839), welcher vorschlägt, die Bezeichnung Space Tourism für den breiten touristischen Sektor zu übernehmen und den Begriff Astro Tourism für jenen Bereich vorzubehalten „which truly escapes the confines of this world“. Er entwickelte darauf drei Typologien des Space Tourism: Astro Tourism umfasst hiernach Mond- und Marsreisen, Orbitalflüge sowie Suborbitalflüge, und bezieht sich somit klar auf Weltraumtourismus außerhalb der Grenzen der Erde. Atmospheric Space Tourism kategorisiert unter anderem Schwerelosigkeitsflüge, während Terrestrial Space Tourism beispielsweise Simulationen oder Führungen in Raumfahrtanlagen beschreibt. Gemäß dieser Typologie sind Reisen zur Sternebeobachtung oder weiterer astronomischer Phänomene dem Terrestrial Space Tourism zuzuordnen. Soleimani et al. (2019, S. 2302) erläutern, dass hierbei jedoch insofern eine Abgrenzung vorzunehmen ist, als diese Unterscheidung innerhalb der aeronautischen Terminologie begründet ist, wodurch die Angemessenheit der Anwendung dieser Typologie und der darin vorgeschlagenen Bezeichnungen zunächst im touristischen Kontext zu untersuchen wären. Gegenwärtigere Definitionen betonen daher insbesondere auch die Differenzierung zwischen terrestrischem und extraterrestrischem Tourismus. Ein Beispiel hierfür ist die folgende Definition von Belij und Tadic (2016, S. 59): „Astrotourism (astronomical tourism) is special interest tourism oriented towards the celestial sphere and extraterrestrial space, but without departing from the Earth's surface.” Die Forscher erläutern somit klar, dass Astro Tourism und Space Tourism keine Synonyme sind.
In ihrer Definition kategorisieren Belij und Tadic Astro Tourism zudem als eine Form des Special Interest Tourism. Diese Kategorisierung wird auch von Soleimani et al. (2019, S. 2309) unterstützt, die Special Interest Tourism konkret in ihre Definition einbinden: „Astro-tourism is a special-interest tourism market, in which travellers are motivated by sky-observation related experiences and their travel/destination choices are based on these experiences.” Soleimani et al. (2019, S. 2301) führen ergänzend aus, dass Astro-TouristInnen „interested in enjoying, exploring, discovering and learning through sky (as a natural resource) observation and astronomical activities” sind, worauf sie ihre Kategorisierung begründen. Astro Tourism lässt sich somit dem Segment des Special Interest Tourism zuordnen, basierend auf dem besonderen Interesse der Touristinnen an himmelsbezogenen Aktivitäten wie Himmelsbeobachtung und Astrofotografie. Insbesondere sind im Zuge dieser Zuordnung zudem der Bildungsaspekt sowie der Himmel als natürliche Ressource zu betonen. Letzterer ist auch die Basis der Einordnung des Astro Tourism als eine Form des Nature-based Tourism (Weaver, 2011, S. 38). Farajirad und Beiki (2015, S. 304) führen dabei aus, dass Astro Tourism, als ein spezifisches Segment des Nature-based Tourism, von Touristinnen gepflegt wird, die ein spezielles Interesse für den Himmel als Teil der Natur haben. Dieser beschriebene Aspekt des speziellen Interesses zeigt bereits eine erste Verbindung zur eben genannten Form des Special Interest Tourism auf. Ein klareres Verständnis für diesen Zusammenhang zwischen Astro Tourism und den beiden Segmenten des Special Interest Tourism sowie des Nature-based Tourism ergibt sich aus der folgenden Erläuterung von Soleimani et al. (2019, S. 2302): „Astro-tourism refers to a nature-based tourism as a sub-segment of a SIT [special interest tourism] market, in which visitors are interested in observing and enjoying celestial phenomena.” Demnach bezeichnet Astro Tourism einen naturbezogenen Tourismus, der wiederum der Unterkategorie des Special Interest Tourism zuzuordnen ist, welcher auf dem Interesse für astronomische Phänomene beruht. Studien haben hierbei gezeigt, dass Nature-based Tourism sich zunehmend spezialisiert und diversifiziert, um den verschiedenen Erwartungen der Special Interest TouristInnen gerecht zu werden (Fredman & Tyrväinen, 2010, S. 182). Im Falle des Astro Tourism definiert sich diese Diversifikation über astronomische Besonderheiten, welche die natürliche Ressource darstellen, die sowohl die Hauptattraktion dieser Tourismusform als auch ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu weiteren naturbezogenen Tourismusangeboten sind (Collison & Poe, 2013, S. 13).
Eine Klassifizierung der Angebote des Astro Tourism kann nach zwei Ansätzen erfolgen. Einerseits kann diese auf Basis des Zeitpunkts astronomischer Aktivitäten geschehen, welche während des Tages, der Nacht und der Dämmerung stattfinden können. Andererseits kann die Klassifizierung auch nach der Art der Beobachtungen, ob mit oder ohne astronomische Ausrüstung, erfolgen. Fachsprachlich wir hierbei zwischen naked eye Beobachtung bzw. Beobachtung ohne Unterstützung und aided eye Beobachtung differenziert. (Weaver, 2011, S. 39)
Basierend auf der Kategorisierung des Astro Tourism als Form des Nature-based Tourism und Teil des Special Interest Marktes, wird diese Tourismusform zudem als einer der effektivsten Wege beschrieben, um den Tourismus und TouristInnen der Natur näherzubringen. Najafabadi (2012, S. 130) und Weaver (2011, S. 39) klassifizieren Astro Tourism daher als eine Form des Ökotourismus. Übergeordnet wir Astro Tourism somit als nachhaltiger Tourismus kategorisiert. Collison und Poe (2013, S. 1) untersuchten Astro Tourism als Segment des nachhaltigen Tourismus, dessen Hauptressource der Nachthimmel darstellt. Najafabadi (2012, S. 130) stellt eine ähnliche Verbindung her und erläutert, dass es eine Tourismusform ist, deren Hauptressource nie neu interpretiert oder entwickelt werden muss. Sie ist stets verfügbar und einzigartig in ihren Merkmalen, wodurch der Himmel als eine der höchsten nachhaltigen Faszinationen gilt. Auf das Konzept der Nachhaltigkeit sowie deren Interdependenz mit Astro Tourism wird im folgenden Kapitel konkreter eingegangen.
Vorangehende Ausführungen zeigen, dass Astro Tourism hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Formen des Tourismus vergleichsweise umfassend behandelt wurde und in diesem Rahmen eine konkrete Einordnung erfahren hat. Dennoch verbleibt die Thematik der theoretischen Unvollständigkeit im Sinne einer Abgrenzung des Astro Tourism, da bisherige Definitionen häufig sehr breit gefasst sind. Es zeigt sich die Tendenz, dass der Ausdruck Astro Tourism als Überbegriff für jegliche touristische Formen herangezogen wird, die mit dem Himmel, den Sternen sowie weiteren astronomischen Phänomenen assoziiert sind. Um diese Theorie des Astro Tourism als Überbegriff zu konkretisieren, soll nun kurz auf zuvor genannte potenzielle Synonyme eingegangen werden. Hierbei sollen Definitionen ähnlicher Begriffe aufzeigen und belegen, dass es sich bei Astro Tourism um eine touristische Überkategorie handelt.
An erster Stelle soll der Begriff Star Tourism behandelt werden. Dieser erfährt nur geringe Verwendung und ist gemäß Spennemann (2007, S. 163) wie folgt zu definieren: „Star tourism [...] is defined as private individuals traveling to specific locations to satisfy their desire to view planets and stars.“ Ähnlich zuvor genannter Definitionen von Astro Tourism nennt auch diese Definition die Faktoren des Individuums und des Ortwechsels. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ergibt sich daraus, dass Star Tourism gemäß dieser Ausführung ausschließlich den Wunsch, Sterne und Planeten zu erleben, inkludiert, während Astro Tourism jegliche astronomische Phänomene umfasst. Dieser ausschließliche Fokus bedeutet, dass Star Tourism einen geringeren Umfang als Astro Tourism hat und somit in das breitere Feld dieser Tourismusform einzuordnen ist.
Der Begriff Celestial Ecotourism geht auf David Weaver zurück, welcher diesen Ausdruck erstmal im Jahr 2008 in der Fachliteratur verwendet hat. Er definiert CelestialEcotourism dabei als „ecotourism where the interest of visitors is focused on the observation and appreciation of naturally occurring celestial phenomena” (Weaver, 2011, S. 39). Weaver legt den Fokus dabei auf den Aspekt des Ökotourismus, welcher in Definitionen des Astro Tourism nicht konkret angeführt wird und erst über den weiteren Kontext eingebracht wird. Ein wesentlicher Faktor ist auch, dass Weaver (2011, S. 39) in seinen Erläuterungen die Zugehörigkeit von Planetarien zu Celestial Ecotourism negiert. Dies liegt somit in direkter Gegensätzlichkeit zu den vier Kategorien des Astro Tourism nach Mitura et al., gemäß welcher Planetarien ein typisches Beispiel für Astro Tourism der ersten Kategorie darstellen. Auch an dieser Stelle lässt sich somit die Überkategorisierung des Astro Tourism erkennen.
Ein weiterer etablierter Begriff ist Dark Sky Tourism. Blundell et al. (2020, S. 549) schreiben hierzu jedoch, dass eine Definition dieses Ausdruckes von Astro Tourism und Celestial Tourism abgeleitet werden kann. Sie zitieren in ihrer Definition Fayos-Solâ et al. sowie Weaver und erläutern Dark Sky Tourism demnach als „tourism based on unpolluted night skies involving observation and appreciation of naturally occurring celestial phenomena”. Gemäß Blundell et al. ist Dark Sky Tourism somit als Synonym für Astro Tourism zu werten. Die Verwendung des Begriffs Astro Tourism in der vorliegenden Arbeit begründet sich, wie bereits erläutert, darauf, dass der Ausdruck am weitesten verbreitet ist.
Vorangehende Erläuterungen zu den genannten Alternativbegriffen zeigen klar auf, dass die Bezeichnung des Astro Tourism als Überkategorie fundiert ist. Die Begriffe weisen in ihrer Art, die Nutzung des Himmels als touristische Ressource zu beschreiben, Parallelen auf. Dennoch sind die Ausdrücke individuell und distinkt zu betrachten. Basierend auf der Tatsache, dass diese Konzepte so eng vernetzt sind, ist es jedoch nicht möglich, Astro Tourism zu erläutern oder zu verstehen, ohne auf die Alternativbegriffe einzugehen und diese darzulegen.
Die Ausführungen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass es an einer einheitlich anerkannten Definition für Astro Tourism mangelt. Unterschiedliche Autoren liefern verschiedene Sichtweisen mit jeweils konträren Fokussen. Im Rahmen dieser Masterarbeit soll Astro Tourism daher wie folgt definiert werden: Astro Tourism ist Tourismus, dessen natürliche Hauptressource ein dunkler Nachthimmel ist und der auf dem Interesse der Beobachtung astronomischer Phänomene beruht. Die Auswahl dieser Definition gründet sich auf der Tatsache, dass diese die Hauptaspekte aller diskutierten Definitionen vereint und auf diese Weise auch die Überkategorisierung des Astro Tourism widerspiegelt.
Ein Überblick über die Entwicklung des Astro Tourism soll nun zu einem breiteren Verständnis der Schlüsselelemente und Erfolgsfaktoren dieser Tourismusform beitragen. In den folgenden Unterkapiteln soll daher die Geschichte und Trendentwicklung des Astro Tourism genauer erläutert werden. Zunächst wird hierbei auf die Thematik der zunehmenden Lichtverschmutzung und deren Auswirkungen eingegangen
2.2 Die Thematik der Lichtverschmutzung
„The desire to find and lose ourselves in the stars is ancient. Like so many other inhabitants of this planet over the eons, we use the stars to navigate far away and to find our way back home.“ (The International Dark-Sky Association, 2020 zitiert nach Rodrigues et al., 2015, S. 294)
Astronomie gilt häufig als die älteste Wissenschaft der Menschheit und als ein Gebiet kontinuierlicher Neugier (Kalkan & Kiroglu, 2007, S. 15). Wie auch das einleitende Zitat zeigt, ist die menschliche Verbindung zum Himmel und den Sternen eine besondere. Weltweit verlieren Städte und Gemeinden jedoch zunehmend die Fähigkeit, die Sterne zu sehen, da anthropozentrisches Licht den Nachthimmel überstrahlt (Falchi, Cinzano, Elvidge, Keith & Haim, 2011, S. 2715; Lima, Pinto de Cunha & Peixinho, 2016, S. 315). Die weltweite Lichtverschmutzung nimmt infolge steigender Urbanisierung und wachsender Bevölkerungszahlen zu (Blundell et al, 2020, S. 550). Studien beschreiben sie als so allgegenwärtig, dass über 80 Prozent der Weltbevölkerung und 99 Prozent der Bevölkerung Europas und der USA unter lichtverschmutztem Himmel leben. (Falchi et al., 2016, S. 4) Die IDA betont, dass die Lichtverschmutzung weltweit doppelt so schnell zunimmt wie das globale Bevölkerungswachstum (Our work, 2021). Hierzu zeigt eine Studie von Kyba et al. (2017, S. 2) auf, dass die weltweite Lichtverschmutzung sowie die Ausdehnung beleuchteter Flächen seit dem Jahr 2012 um 2,2 Prozent pro Jahr gestiegen sind. Innerhalb Europas nimmt die Lichtverschmutzung jährlich sogar um 6 Prozent zu (Dirtl, 2019).
Die IDA definiert Lichtverschmutzung als „any adverse effect or impact attributable to artificial light at night” (Who We Are, 2021). Die externen Effekte künstlichen Lichts sind weitläufig und eine der markantesten Auswirkungen der Lichtverschmutzung ist die Zunahme der Helligkeit des Nachthimmels (Cinzano, Falchi, Elvidge & Baugh, 2000, S. 641). Die Konsequenzen des künstlichen Lichts beschränken sich jedoch nicht ausschließlich auf den Nachthimmel und sind daher nicht, wie häufig angenommen, nur ein Problem für Astronominnen (Falchi et al. 2011, S. 2726). Lichtverschmutzung kann eine Gefahr für die Umwelt als auch den Menschen darstellen. Untersuchungen zeigten: „Light exposure at night triggers daytime biology, disrupting sleep, hormone regulation, and metabolism, and abolishes the darkness essential for regulating our circadian clock” (Stevens, Brainard, Blask, Lockley & Motta, 2013, S. 343-344). Folgen für Mensch und Tier sind somit hauptsächlich auf eine Störung des biologischen Rhythmus zurückzuführen, welche wiederum Auswirkungen auf Schlaf, Hormonregulation und Stoffwechsel hat. In Hinblick auf die Biodiversität lassen sich Beeinträchtigungen der nachtaktiven Fauna sowie eine Desorientierung von Zugvögeln feststellen (Gauthreaux & Belser, 2006, S. 86; Longcore & Rich, 2006, S. 415). Zusätzlich zu den eben genannten direkten Auswirkungen der Lichtverschmutzung ergeben sich auch indirekte Effekte. Da verschwendetes Licht auch verschwendete Energie ist, bedeutet dies einen zusätzlichen Verbrauch natürlicher Ressourcen und eine daraus resultierende Zunahme der Luftverschmutzung, welche als potenziell gesundheitsgefährdend eingestuft ist (Krzyzanowski, 2008, S. 7).
Zusammenfassend beeinträchtigt Lichtverschmutzung somit die menschliche Gesundheit, kann der Tierwelt und den Ökosystemen schaden und verbraucht natürliche Ressourcen. Zusätzlich degradiert diese den Nachthimmel als wichtige kulturelle und ästhetische Ressource.
Des Weiteren bedeutsam für ein umfassendes Verständnis der Lichtverschmutzung ist die Betrachtung dieser Thematik aus physikalischer bzw. astronomischer Sicht und die Erläuterung relevanter Fachbegriffe. Generell wird die Himmelshelligkeit in Magnituden pro Quadratbogensekunde (mag/arcsec2) angegeben. Diese Einheit ist auf die Magnitudenskala des antiken griechischen Astronomen Hipparchos zurückzuführen, welcher die mit bloßem Auge sichtbaren Sterne in einer Skala von 1 bis 6 kategorisierte. Die hellsten Sterne verfügten hierbei über eine Magnitude von 1 und die blassesten, mit bloßem Auge erkennbaren Sterne über eine Magnitude von 6. Aus diesem Grund indizieren höhere Werte in mag/arcsec2 einen dunkleren Himmel. (Hänel et al., 2018, S. 279; Kanianska et al., 2020, S. 6) Mit der Verfügbarkeit genauerer Messtechniken wurde Hipparchos‘ Skala erweitert. Mit modernen Teleskopen können Himmelskörper mit einer Helligkeit von rund 31-32 mag/arcsec2 wahrgenommen werden (Trujillo & Fliri, 2016, S. 2). Das Sky Quality Meter (SQM) ist dabei das etablierteste Messgerät, um die Himmelshelligkeit von der Erde aus zu bestimmen (Sanchez de Miguel et al., 2017, S. 2966). Die dunkelsten Orte der Erde weisen eine Himmelshelligkeit von etwa 22 mag/arcsec2 auf, was einer natürlichen Helligkeit des Himmels entspricht (Dirtl, 2019; Leinert & Mattila, 1998, S. 19). In ländlichen Gebieten beträgt die Himmelshelligkeit in etwa 21,619,0 mag/arcsec2 und in vorstädtischen Gebieten 20,4-16,0 mag/arcsec2. Helle Städte haben häufig eine Himmelshelligkeit von 17-16 mag/arcsec2. (Kyba et al., 2015, S. 4-5)
Eine weitere Einheit, um die Himmelshelligkeit zu bestimmen, ist die Naked Eye Limiting Magnitude (NELM), welche die scheinbare Helligkeit des schwächsten, mit bloßem Auge erkennbaren Objekts beschreibt. Die Grenzgröße des menschlichen Auges liegt hierbei ungefähr bei einem Wert von 7. (Kyba et al., 2013, S. 2) In urbanen Regionen kann die Grenzgröße bei hoher Lichtverschmutzung bei einer Magnitude von 1-2 liegen, was besagt, dass ausschließlich die hellsten Sterne sichtbar sind (Limiting Magnitude, 2021).
Zusammenfassend bieten die vorangehenden Erläuterungen einen relevanten Einblick in die Auswirkungen der Lichtverschmutzung und erklären den astromischen Hintergrund für die Bestimmung der Himmelshelligkeit. Generell ist die global voranschreitende Lichtverschmutzung als wesentliche Ursache der zunehmenden Popularität des Astro Tourism und der Bewahrung des dunklen Nachthimmels zu klassifizieren (Mitchell & Gallaway, 2019, S. 937). Dieser Zusammenhang wird nun ausführlicher behandelt und ein konkreter Fokus auf die Organisation der IDA und deren Rolle im Engagement für die Reduktion der Lichtverschmutzung gelegt.
2.3 Geschichtliche Entwicklung und die International Dark-Sky Association
Anfang der 1980er-Jahre entstand eine globale Bewegung, die sich für den Erhalt eines dunklen Himmels einsetzt und eine Kampagne zur Verringerung der Lichtverschmutzung entwickelte (Rodrigues et al., 2015, S. 296). Ein wesentlicher Akteur dieser globalen Bewegung ist die NonProfit Organisation IDA, welche 1988 gegründet wurde und sich zum Ziel gesetzt hat, den Himmel vor Lichtverschmutzung zu schützen. Selbst definiert sie sich als „the recognized authority on light pollution and [...] the leading organization combating light pollution worldwide” (Who We Are, 2021). Hierin ist auch die Mission des Unternehmens, der Schutz der Nacht vor Lichtverschmutzung, gut erkennbar. Die Vision der Organisation fasst das folgende Zitat gut zusammen: „The night sky, filled with stars, is celebrated and protected around the world as a shared heritage benefiting all living things” (Who We Are, 2021). Der Nachthimmel soll somit als geteiltes Erbe geschützt und zelebriert werden und ist, wie im vorangehenden Kapitel im Detail erläutert, von hoher Bedeutung für alle Lebewesen dieser Erde. Im Rahmen der Verwirklichung dieser Vision agiert die IDA als Beratungs- und Zertifizierungsorganisation, welche Strategien entwickelt und Individuen, politischen Entscheidungsträgern und der Industrie wesentliche Tools und Ressourcen sowie Führung bietet, um der Mission der IDA gerecht zu werden. (Who We Are, 2021) Seit der Gründung im Jahr 1988 ist das Engagement und die Reichweite der IDA stetig gestiegen und hat ein globales Ausmaß angenommen. Abbildung 1 stellt die Reichweite der Organisation graphisch dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Die Reichweite der IDA. (Our Work, 2021)
Wie in der Grafik ersichtlich, erstreckt sich der Einfluss der Organisation über alle Kontinente, wobei die IDA in 51 Ländern weltweit tätig ist. Ihre strategischen Prioritäten im Zeitraum 2020-2030 beinhalten vier konkrete Aspekte, welche unter den Titeln Celebrate The Night, Dark Sky Protection, Lighting Where We Live und Skyshed Restoration zusammengefasst werden. Das derzeitige Hauptaugenmerk der Organisation liegt somit darauf, ein stärkeres Bewusstsein für die Konsequenzen der Lichtverschmutzung zu bilden, diese durch eine verantwortungsvolle Beleuchtungspolitik und ein koordiniertes Vorgehen zu reduzieren sowie den dunklen Himmel durch ein Zertifizierungsprogramm zu schützen. (Our Work, 2021) Auf die Aktivitäten und das konkrete Zertifizierungsprogramm der IDA wird im anschließenden Unterkapitel genauer Bezug genommen.
Auch auf touristischer Ebene ist die gesteigerte Bedeutung des Nachthimmels in den letzten Jahrzehnten spürbar. Eine Untersuchung von Kulesza, Le und Hollenhorst (2013, S. 31) erforschte den Stellenwert des dunklen Nachthimmels für BesucherInnen in 15 amerikanischen Nationalparks. Zwischen den Jahren 1988 und 2011 wurden hierbei 41 Studien vorgenommen. Im Jahr 1988 betrug der Wert an BesucherInnen, die den Nachthimmel als sehr oder extrem wichtig angesehen haben, 14 Prozent. Im Jahr 2011 waren es bereits 75 Prozent, mit einem Höchstwert von 79 Prozent im Jahr 2006 und einem Durchschnittswert von 62 Prozent. Die AutorInnen führen diese Entwicklung auf das steigende Bewusstsein für den Wert dieser natürlichen Ressource, auf Basis der weltweit ansteigenden Lichtverschmutzung, zurück.
Neben der IDA haben sich auch die Politik auf nationaler Ebene sowie weitere globale Organisationen mit der Bedeutung des dunklen Nachthimmels und dessen Relevanz als zu erhaltendes Erbe befasst. So wurde das erste Gebiet zum Schutz des dunklen Himmels 1993 in der Hudson Lake State Recreation Area im Bundesstaat Michigan in den USA ernannt (Mitura et al, 2017, S. 47). Im Jahr 1994 griff auch die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) das Thema der Lichtverschmutzung auf und widmet sich dieser in der Universal Declaration of Human Rights for Future Generations:
Persons belonging to future generations have the right to an uncontaminated and undamaged Earth, including pure skies; they are entitled to its enjoyment as the ground of human history, of culture and of social bonds that make each generation and individual a member of one human family. (UNESCO, 1994, S. 2 Annex)
Demnach haben zukünftige Generationen das uneingeschränkte Recht auf eine intakte und unbeschadete Erde. Die UNESCO betont dabei insbesondere den Himmel als Basis der Geschichte, Kultur und Gesellschaft der Menschheit. Sie beschreibt den Himmel als „our common and universal heritage, [...] an integral part of the environment perceived by humanity” (UNESCO, 2005, S. 172 EX/51 - 2). Gemeinsam mit der United Nations World Tourism Organization (UNWTO) und der International Astronomical Union (IAU) veröffentlichte die UNESCO im Jahr 2007 die Declaration in Defence of the Night Sky and the Right to Starlight, welche Folgendes erläutert:
An unpolluted night sky that allows the enjoyment and contemplation of the firmament should be considered an inalienable right equivalent to all other socio-cultural and environmental rights. Hence the progressive degradation of the night sky must be regarded as a fundamental loss. (Starlight Declaration, 2007, S. 456)
Auch diese Deklaration nennt einen klaren Nachthimmel als Grundrecht und betrachtet jegliche Verschmutzung des Nachthimmels als fundamentalen Verlust. Hierbei hervorzuheben ist die Bedeutung dieses Symposiums hinsichtlich der Neuartigkeit des Themas und der fundierten, kooperativen Herangehensweise durch die Vereinigung und Vertretung der drei Perspektiven der Kultur, der Wissenschaft und des Naturschutzes durch jeweilige ExpertInnen (Starlight Initiative and the, 2007). Aufbauend auf dieser Deklaration hatten die UNESCO und die IAU das Jahr 2009 zum International Year of Astronomy ernannt „to help the citizens of the world rediscover their place in the Universe through the day and night time sky - and thereby engage a personal sense of wonder and discovery” (UNESCO designated as the, 2008). Ziel war es somit, die Weltbevölkerung über die Bedeutung der Astronomie für das tägliche Leben zu informieren und dafür zu sensibilisieren. Diese Ambition entspricht somit zu einem Teil den Zielen der IDA und eine gemeinsame Richtung wird angestrebt. In der Starlight Declaration (2007, S. 457) wird zudem der Tourismus als Schlüsselelement in der Einschränkung der weltweiten Lichtverschmutzung hervorgehoben, wie das folgende Zitat aufzeigt:
Among others, tourism can become a major instrument for a new alliance in defence of the quality of the nocturnal skyscape. Responsible tourism can and should take on board the night sky as a resource to protect and value in all destinations.
Verantwortungsbewusster bzw. auch nachhaltiger Tourismus sollte den Nachthimmel als eine wertvolle und schützenswerte Ressource betrachten. Ein dunkler Himmel sollte demnach als ein Teil des touristischen Gesamtproduktes einer Destination gehandelt und erhalten werden. Einen Ansatz hierzu bildet das International Dark Sky Places-Programm der IDA, welches nun in Folge ausführlicher behandelt wird.
2.4 International Dark Sky Places
Die IDA hat im Jahr 2001 das International Dark Sky Places-Programm ins Leben gerufen, um Gemeinden, Parks und Schutzgebiete auf der ganzen Welt zu ermutigen, dunkle Gebiete durch eine verantwortungsvolle Beleuchtungspolitik und öffentliche Aufklärung zu erhalten und zu schützen. Im Jahr 2015 wurde das Programm von der National Association of Environmental Professionals mit dem National Environmental Excellence Award für herausragende Umweltschutzbeiträge im Bereich der Öffentlichkeitsbeteiligung und Partnerschaften ausgezeichnet (2015 Environmental Excellence Award, 2021).
Weltweit gibt es heute über 170 International Dark Sky Places, durch welche ein Schutz von über 110.000 Quadratkilometern (km2) dunkler Gebiete weltweit gewährleistet wird (Our Work, 2021). Die hohe Anzahl an zertifizierten Regionen und das zunehmende Interesse an Zertifizierungen zeigt hierbei deutlich die steigende Relevanz der Lichtthematik und des Astro Tourism auf. Im Rahmen dieses Programmes unterscheidet die IDA fünf Kategorien an International Dark Sky Places, welche zertifiziert werden können (International Dark Sky Places, 2021). Diese sollen in Folge kurz dargelegt werden.
IDSP sind Gebiete, die dem Naturschutz unterliegen, eine qualitative Außenbeleuchtung implementieren und Dark-Sky-Programme für BesucherInnen anbieten (International Dark Sky Places, 2021). Die Kategorie der Dark Sky Parks als Klassifizierungsmöglichkeit für Naturschutzgebiete ist im Rahmen dieser Arbeit von besonderer Bedeutung. Im Unterkapitel
2.5 erfolgt ein detaillierter Einblick in diese Kategorie und die Zertifizierungskriterien.
International Dark Sky Communities sind Städte und Gemeinden, die offizielle Regelungen zur qualitativen Standardisierung der Außenbeleuchtung verabschieden und die EinwohnerInnen für das Thema Lichtverschmutzung sensibilisieren (International Dark Sky Places, 2021). Von besonderer Bedeutung für eine Zertifizierung ist neben verantwortungsvoller Beleuchtung und der Aufklärung der Bürgerinnen auch das Setzen einer Benchmark für umliegende Gemeinden. (IDA, 2018a)
International Dark Sky Reserves definieren sich über eine dunkle Kernzone, welche von bevölkerter Peripherie umgeben ist, deren Politik sich dem Schutz dieser Zone widmet (International Dark Sky Places, 2021). Ein zentraler Faktor für die Zertifizierung als Reservat ist dessen Schutz für die Wissenschaft, die Bildung, die Kultur bzw. das Kulturerbe, die Natur und/oder die Öffentlichkeit. Für eine Zertifizierung muss das Gebiet zudem mindestens eine Fläche von 700 km2 umfassen. (IDA, 2018b)
International Dark Sky Sanctuaries gelten als die abgelegensten, und häufig dunkelsten, Orte der Welt, deren Erhaltungszustand am fragilsten ist (International Dark Sky Places, 2021). Der Unterschied zu einem IDSP oder Reserve liegt darin, dass Sanctuaries sich typischerweise an sehr abgelegen Orten befinden, an welchen es aufgrund dieser geographischen Isolation nur wenige bis keine äußeren Gefährdungen der natürlichen Himmelsqualität gibt. Die zu betonende Relevanz derartiger Gebiete liegt im Seltenheitswert dieser natürlichen Stätten. Mittels dieser Kategorie soll daher ein stärkeres Bewusstsein für die Seltenheit und Empfindlichkeit dieser Orte geschaffen werden und deren Erhalt langfristig gefördert werden. Sanctuaries müssen über eine Himmelshelligkeit, welche gleich oder dunkler als 21,5 mag/arcsec2 ist, verfügen. (IDA, 2018c)
Urban Night Sky Places sind Parks oder Freiflächen in räumlicher Nähe zu großen städtischen Gebieten, deren Gestaltung aktiv nächtliche Authentizität inmitten von großflächigem künstlichen Licht fördert. (IDA, 2018d) Derzeit existieren weltweit nur zwei Orte dieser Kategorie. (Urban Night Sky Places, 2021) Dies zeigt die Schwierigkeit und den Handlungsbedarf für die Reduktion der Lichtverschmutzung in Großstädten und deren Umgebung auf.
Wie zuvor angeführt, soll nun ein genaueres Augenmerk auf die Kategorie der IDSP gelegt werden. Im Anschluss wird daher ein detaillierter Einblick in diese Auszeichnung und deren Zertifizierungsprozess gegeben.
2.5 Zertifizierungsprozess
Für ein umfassenderes Verständnis des österreichischen Astro Tourism Projekts, welches im Rahmen dieser Forschung untersucht wird, erfolgt nun ein Überblick über den Zertifizierungsprozess und die Kriterien für eine Zertifizierung als IDSP durch die IDA. Wie zuvor erläutert, unterscheidet die IDA fünf Kategorien an International Dark Sky Places. Hierbei verfügt jede Kategorie über individuelle Richtlinien basierend auf dem Landmanagement, der Größe sowie der Himmelsqualität. (How To Become An, 2021) Beruhend auf der österreichischen Zertifizierung als Dark Sky Park werden in Folge die Kriterien dieser Kategorie genauer dargelegt. Hierbei soll zunächst eine umfassendere Definition des Begriffs IDSP genannt werden, um die Ausführungen aus Kapitel 2.4 zu erweitern und zu besserer Einsicht beizutragen. Die IDA (2018e) definiert den Ausdruck wie folgt:
An International Dark Sky Park [...] is a land possessing an exceptional or distinguished quality of starry nights and a nocturnal environment, and that is specifically protected for its scientific, natural, educational, and/or cultural heritage resources, and/or for public enjoyment. The land may be publicly owned, or privately owned, provided that the landowner(s) consent to the right of permanent, ongoing public access to specific areas included in the IDA designation.
Resümierend ist ein Dark Sky Park somit ein geschütztes Gebiet, welches sich durch die Qualität sternenklarer Nächte charakterisiert und sich in öffentlichem oder privatem Besitz befinden kann, wobei eine dauerhafte, öffentliche Zugänglichkeit bestimmter Bereiche gegeben sein muss.
Der Bewerbungsprozess als IDSP gliedert sich in die drei Phasen einer ersten Anfrage, der formalen Bewerbung sowie der Zertifizierung und dauert im Durchschnitt ein bis drei Jahre (International Dark Sky Place, 2021). Im Rahmen der ersten Anfrage seitens interessierter Stätten bei der IDA erfolgt eine Überprüfung der Eignung eines Standortes für die Gründung eines IDSP. Diese wird anhand dreier Kriterien ermittelt, welche zum Teil auch bereits in der dargelegten Definition dieser Kategorie enthalten sind. In Ergänzung zu den in der Definition genannten Richtlinien hinsichtlich des Landmanagements und der Himmelsqualität ist zudem das Eignungskriterium der Größe zu nennen, wobei im Falle von Dark Sky Parks keine Mindest- oder Maximalfläche festgesetzt ist. (IDA, 2018e)
In Phase II müssen neben diesen Eignungskriterien für eine Zertifizierung des Weiteren bestimmte Mindestanforderungen erfüllt werden. In Kurzform beinhalten die Mindestanforderungen unter anderem das Erstellen eines Lichtmanagementplans, die Verpflichtung zum Erhalt nächtlicher Bedingungen durch regelmäßige Messung und Reduzierung der Lichtverschmutzung. Voraussetzungen hierbei umfassen die Sichtbarkeit der Milchstraße mit bloßem Auge, die Absenz künstlicher Lichtquellen mit starker Blendung sowie die Begrenzung und vorgeschriebene Bodennähe von eventuellen Lichtkuppeln. Numerisch dargelegt entspricht dies einer Himmelshelligkeit von 21,2 mag/arcsec2 und einer visuellen Grenzhelligkeit von +6. Konkret gibt es bei einer Zertifizierung als Dark Sky Park eine Einstufung in Gold, Silber und Bronze. Die Goldstufe entspricht dabei einer Mindestgrenzhelligkeit von +6,8 bei klarem Himmel, in der Silberstufe reicht die Grenzhelligkeit von +6,0 bis +6,7 und in der Bronzekategorie von +5,0 bis +5,9 (Todd, 2018). Die Himmelshelligkeit ist kategorisiert in einen Mindestwert von 21,75 mag/arcsec2 in der Goldstufe, 21,00 mag/arcsec2 in der Silberstufe und 20,00 mag/arcsec2 für eine Bronzekategorisierung (Binder, Posch & Wuchterl, 2017). Im Falle einer Himmelshelligkeit unter 20,00 mag/arcsec2 bzw. einer Grenzhelligkeit unter +5 kann eine bereits vergebene Zertifizierung von der IDA widerrufen werden. (IDA, 2018e)
Weitere Mindestanforderungen umfassen die Einbeziehung von mindestens zwei externen Institutionen wie Universitäten oder Umweltschutzgruppen in den Erhalt des Nachthimmels, eine Verpflichtung gegenüber der öffentlichen Bildung hinsichtlich Astronomie, Natur und Lichtverschmutzung sowie die Organisation von mindestens vier Veranstaltungen pro Jahr im Sinne der Vermittlung von Wissen und des Bestrebens, ein Bewusstsein für den Wert eines dunklen Nachthimmels zu schaffen. Des Weiteren muss eine öffentliche Ausschilderung als Dark Sky Park erfolgen. Die Einhaltung der Richtlinien und der Fortschritt hinsichtlich der Erreichung der Ziele für Dark Sky Parks hat in einem jährlichen Bericht an die IDA dargelegt zu werden und dient der periodischen Neuevaluierung des Status als Dark Sky Park. (IDA, 2018e)
Nach Erfüllung der Mindestkriterien kann eine offizielle Bewerbung eingereicht werden. Diese wird in Zertifizierungsphase III zunächst durch das Dark Sky Places Committee sowie in Folge durch das IDA Board of Directors geprüft. (International Dark Sky Place, 2021) Zusammenfassend ist darzulegen, dass der Zertifizierungsprozess für eine Auszeichnung als IDSP durchschnittlich ein bis drei Jahre dauert. Interessierte Regionen haben neben drei grundlegenden Eignungskriterien, hinsichtlich des Landmanagements, der Himmelsqualität und der Größe, auch eine Vielzahl an Mindestanforderungen zu erfüllen.
Bisherige Ausführungen legten dar, dass Astro Tourism eine an Bedeutung gewinnende Tourismusform ist und auch Zertifizierungen als Astro Tourism Destinationen an Signifikanz gewinnen. Auch innerhalb Europas zeigt sich eine steigende Tendenz in der Zertifizierung von Dark Sky Gebieten gemäß der IDA. Nach derzeitigem Stand im Januar 2022 gibt es in Europa 39 Dark Sky Gebiete, die sich in 20 Dark Sky Parks, elf Dark Sky Reserves sowie acht Dark Sky Communities gliedern. Die erste Zertifizierung innerhalb Europas erfolgte im Jahr 2009 und umfasste zwei Dark Sky Parks, den Galloway Forest Park in Schottland, Großbritannien, sowie den Zselic Park of Stars in Ungarn (Galloway International Dark Sky, 2021; Zselic Park of Stars, 2021). Seit 2015 sind 23 Dark Sky Gebiete ausgezeichnet worden, wobei sich über 40% aller europäischen Dark Sky Gebiete in Großbritannien befinden. (Find a Dark Sky, 2021) In Folge soll auf Astro Tourism in Österreich eingegangen werden.
2.6 International Darks Sky Places in Österreich
In Österreich existiert bis dato ein einziger offizieller International Park Sky Place gemäß der IDA. Der Sternenpark Attersee-Traunsee wurde am 8. April 2021 als erste Region Österreichs als IDSP zertifiziert. (First International Dark Sky, 2021) Aktuelle Relevanz dieser Tourismusform ergibt sich zudem durch gegenwärtige Zertifizierungsprozesse weiterer österreichischer Regionen. Hierzu zählen die Regionen Salzburger Lungau und LosensteinHohe Dirn, welche derzeit eine Zertifizierung der IDA anstreben. (Dark Sky Projekt Lungau, 2021; Star Park Hohe Dirn, 2021) In diesem Kapitel soll ein genaues Augenmerk auf die Region Attersee-Traunsee gelegt werden, welche für den empirischen Forschungsprozess ausgewählt wurde. Im Zuge dessen wird zunächst der Grad der Lichtverschmutzung in Österreich sowie insbesondere des Bundeslandes Oberösterreich, in welchem die Region Attersee-Traunsee liegt, beleuchtet.
2.6.1 Lichtverschmutzung in Österreich
An erster Stelle soll nun auf die Lichtverschmutzung und die damit verbundene Himmelshelligkeit in Österreich eingegangen werden, da diese ein entscheidender Faktor für Österreichs Potenzial als Astro Tourism Destination ist.
Wie in Kapitel 2.2 dargelegt, nimmt die weltweite Lichtverschmutzung sowie die Ausdehnung beleuchteter Flächen seit dem Jahr 2012 um 2,2 Prozent jährlich zu (Kyba et al., 2017, S. 2) . In Europa liegt dieser Wert sogar bei 6 Prozent (Dirtl, 2019). Auch in Österreich sind durch die zunehmende Lichtverschmutzung nur noch 10 Prozent der mit bloßem Auge erkennbaren Himmelskörper des durchschnittlichen Sternenhimmels wahrzunehmen (Das Ende der Nacht, 2021). Abbildung 2 zeigt eine Karte der Lichtverschmutzung in Österreich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2. Lichtverschmutzung in Österreich. (Light Pollution Map, 2021)
Die Grafik zeigt den generellen Grad der Himmelshelligkeit in Österreich sowie die Daten einzelner SQM-Messstationen. Es ist erkennbar, dass es nur noch wenige Messorte gibt, an denen eine natürliche Himmelshelligkeit zwischen 22,0-21,8 mag/arcsec2 nachgewiesen wird. Der geringste Grad an Lichtverschmutzung ist im Alpenraum messbar, mit durchschnittlichen Werten zwischen 21,9-21,2 mag/arcsec2. Größere Städte, wie insbesondere Wien sowie Linz und Graz, verfügen über durchschnittliche Messwerte von bis zu unter 17,5 mag/arcsec2 in den Zentren sowie Werte bis in etwa 20,4 mag/arcsec2 im Stadtumfeld. Im Institut für Astrophysik am Stadtrand von Wien werden durchschnittlich Magnituden von 18,5 gemessen. Der Nachthimmel über der Stadt ist daher 25-mal heller als ein naturnaher Himmel von 22 Magnituden (Dirtl, 2019). Als dunkelster Ort Österreichs gilt Johnsbach im Nationalpark Gesäuse (Pölsler, 2020).
Die zunehmende Relevanz der Lichtverschmutzung und deren Folgen für Mensch und Natur zeigt sich auch in der Landesverwaltung. Im Auftrag der Stadt Wien führt der Verein Kuffner Sternwarte Studien zur Entwicklung der Lichtverschmutzung über Wien durch. Derzeit gibt es in Wien und Wien Umgebung sieben Lichtmessstationen, drei weitere sind in Planung. Die Studie Licht über Wien V ist dabei die weltweit erste Langzeitstudie des Lichtgehalt der Nacht über einer Großstadt (Wuchterl & Reithofer, 2017). Aus einem Vergleich der Lichtverschmutzung im Zeitraum von 2009 bis 2019 geht hervor, dass der Lichtgehalt über Wien sich nach einem steilen Anstieg in den Jahren 2009 bis 2014 nun auf einem hohen Niveau stabilisiert hat. Die Energie des Lichts ist 2019, zum zweiten Mal in Folge, um weniger als fünf Prozent angestiegen. Die Schwere der Lichtverschmutzung über Wien zeigt sich in der Lichtkuppel über der Stadt, welche auch aus einer Distanz von 100 Kilometer noch wahrnehmbar ist (Wuchterl & Reithofer, 2018). Etwa ein Drittel der Lichtmenge dieses Kunstlichthalos ist auf direkt zum Himmel gestrahltes Licht zurückzuführen, wie es beispielsweise für die Beleuchtung von Gebäuden und Denkmälern eingesetzt wird (Wuchterl & Reithofer, 2017). Ein weiteres Drittel stammt aus privater sowie kommerzieller Beleuchtung, wobei insbesondere Geschäfts-, Auslage- und Werbebeleuchtungen einen überproportionalen Teil der Lichtverschmutzung verursachen. Das letzte Drittel der Lichtmenge der Lichtkuppel ist auf die öffentliche Beleuchtung der Stadt Wien zurückzuführen. Eine großangelegte Umrüstung gemäß moderner Standards zwischen 2017 und 2020 soll aktiv zu einer Reduktion der Lichtverschmutzung beitragen. (Wuchterl & Reithofer, 2020) Eine Studie aus dem Jahr 2018 liefert bereits erste Indizien einer Verringerung der Nachthimmelhelligkeit als Folge der neuen öffentlichen Beleuchtungen und der damit verbundenen weitgehenden Eliminierung der Lichtabstrahlung über die Horizontale (Wuchterl & Reithofer, 2018).
Neben Wien, als Hauptverursacher der Lichtverschmutzung in Österreich, ist auch das Land Oberösterreich aktiv in der Messung und Reduktion der Nachthimmelshelligkeit tätig. In puncto Lichtverschmutzung gilt Oberösterreich als Vorreiter und ist das erste Bundesland Österreichs, welches ein flächendeckendes Messnetz installiert hat (Dirtl, 2019). Das Lichtmessnetz wurde zwischen den Jahren 2014 und 2015 von der oberösterreichischen Landesregierung eingerichtet und verfügt über 23 Messstationen. (Binder et al., 2017) Die folgendene Abbildung gibt Auskunft über die räumliche Verteilung der Lichtmessstationen und zeigt zudem eine auf Satellitendaten basierende Lichtverschmutzungskarte von Oberösterreich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3. Lichtmessstationen und Lichtverschmutzung in Oberösterreich. (Binder et al., 2017)
Die roten Punkte in Abbildung 3 repräsentieren die Lage der 23 Messstationen innerhalb Oberösterreichs. Die Karte im Hintergrund basiert auf dem New World Atlas of Artificial Night Sky Brightness von Falchi et al. (2016) und legt die künstliche Himmelsaufhellung dar. Die grünen Linien visualisieren den graduellen Anstieg der Himmelshelligkeit, wobei der Abstand zwischen den einzelnen Konturlinien einen gleichbleibenden Wert an Aufhellung repräsentiert. Dies bedeutet, dass der Anstieg an Lichtverschmutzung umso höher ist, je geringer die Distanz zwischen den Linien ist. Die höchste Lichtverschmutzung liegt somit im Großraum Linz vor, wo die Linien aufgrund ihrer Dichte nicht mehr ausmachbar sind. Der äußerste Bereich bzw. die schwarz schattierten Regionen weisen dabei eine natürliche Himmelshelligkeit von 21,75 mag/arcsec2 auf. (Binder et al., 2017) Abbildung 4 gibt einen detaillierteren Einblick in den Grad der Himmelshelligkeit an den einzelnen Messstandorten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4. Aktuelle Messwerte der Himmelshelligkeit in Oberösterreich. (Aktuelle Messwerte. 2021)
Die Grafik zeigt die gemessenen Daten, angegeben als Nachtmittelweit im Februar 2021. Es ist erkennbar, dass die Himmelshelligkeit in einem Großteil der Regionen größer gleich 19 mag/arcsec2 ist. Die Messstationen im Raum Linz weisen Werte zwischen 17,9-16,0 mag/arcsec2 auf. Auch im mehrjährigen Durchschnitt hat der Himmel über der Stadt Linz die stärkste Lichtverschmutzung innerhalb Oberösterreichs. Irn Rahmen einer Studie winde irn Zeitraum 2015-2016 der Durchschnitt der dunkelsten Nachtmittelwerte (exklusive Vollrnondnächte) ermittelt. An erster Stelle der dunkelsten Nachtmittelwerte liegen dabei die Regionen Nationalpark-Zöblboden und Krippenstein mit einem Wert von 21,9 mag/arcsec2 sowie die Regionen Losenstein-Hohe Dirn, Feuerkogel und Nationalpark-Bodinggraben mit einem durchschnittlichen Messwert von 21,8 mag/arcsec2. An letzter Stelle liegen die Werte der Messstationen in den Städten Linz und Wels mit Magnituden zwischen 19,5-19,0. (Posch, Binder & Puschnig, 2018, S. 152)
In ihrer Studie betonen Posch et al. (2018, S. 158-159) zudem die Bedeutung und die Dringlichkeit des Erhalts des Nachthimmels in den genannten Regionen mit durchschnittlichen Nachtmittelwerten von 21,9-21,8 mag/arcsec2. Einen besonderen Stellenwert schreiben sie dabei den drei Regionen Zöblboden, Losenstein-Hohe Dirn sowie Bodinggraben im Gebiet des Nationalparks Kalkalpen zu und raten an. in diesem Areal ein International Dark Sky Reserve gemäß der IDA mit einer Größe von mein als 700 km2 zu etablieren.
Tatsächlich befindet sich ein Teil des von Posch et al. vorgeschlagenen Gebiets nun im Planungsprozess zur Zertifizierung als IDSP. Dieser soll dabei die Städte Reichraming, Losenstein und Ternberg umfassen und seine Kernzone in Hohe Dirn im Nationalpark haben. (Fehringer, 2019) Ein weiterer IDSP in Oberösterreich, welcher bereits zertifiziert wurde und das Forschungsobjekt dieser Masterarbeit darstellt, liegt in der Region Attersee-Traunsee. Die Region und der Park sollen daher nun kurz vorgestellt werden.
2.6.2 Der International Dark Sky Park in der Region Attersee-Traunsee
Grundsätzlich ist die Region Attersee-Traunsee in Oberösterreich aufgrund ihrer Lage insbesondere für Seentourismus sowie Natur- und Wandertourismus bekannt. Durch die Zertifizierung des Sternenparks Attersee-Traunsee am 8. April 2021 als erster IDSP Österreichs positioniert sich die Region nun zudem auch als Astro Tourism Destination. Die genaue Abgrenzung des zertifizierten Sternenparks ist in Abbildung 5 ersichtlich.
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Abbildung 5. Der Sternenpark Attersee-Traunsee. (Offizieller IDA Sternenpark, 2021)
Wie die Karte zeigt, erstreckt sich das Gebiet des Parks über 106 km2 zwischen den Seen Attersee und Traunsee und umfasst die Gemeinden Altmünster, Aurach am Hongar, Schörfling, Steinbach und Weyregg am Attersee (Offizieller IDA Sternenpark, 2021). Eine Analyse der Tourismusstatistik dieser Gemeinden zeigt deutlich, dass Sommertourismus in der Region überwiegt. Tabelle 1 belegt diese Gegebenheit numerisch und vergleicht die Nächtigungen,
Ankünfte sowie die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Winterhalbjahr' 2019/2020 (November bis April) und im Sornmerhalbjahr 2020 (Mai bis Oktober).
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Tabelle 1. Vergleich der Nächtigungen. Ankünfte und der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer in der Sommerund Wintersaison 2020 in den Stemenpark-Gemeinden. (STATatlas Tourismus, 2021: Eigene Darstellung)
Eine Betrachtung des Übemachtungswachstum in den Jahren zwischen 2016 und 2020 zeigt zudem, dass die Region durchschnittlich durch Wachstum gekennzeichnet ist. So ist die Anzahl an Nächtigungen in den Sommerhalbjahren durchschnittlich um 2,7 Prozent gestiegen und jene in den Winterhalbjahren um 6,33 Prozent. Dies verdeutlicht, dass der Wintertourismus in den Gemeinden an Bedeutung gewinnt und ein stärkerer Fokus auf Ganzjahrestourismus gelegt wird. Sowohl bei den Werten in Tabelle 1 als auch bei dieser Betrachtung des Übernachtungswachstum ist jedoch zu beachten, dass die Werte des Jahres 2020 durch die Covid-Pandemie verfälscht sind und das durchschnittliche Wachstum verzerren. Eine Betrachtung der Ankünfte und Nächtigungen der Tomismusverband-Regionen Attersee- Attergau und Traunsee-Ahntal zwischen den Jahren 2017 mid 2020 soll daher die Auswirkung der Pandemie aufzeigen, um so den ungefähren Grad der Verzerrung einzuschätzen, sowie generell einen besseren Einblick in den Tourismus der Gesamtregion bieten.
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Tabelle 2 veranschaulicht, dass die Ankünfte in beiden Regionen aufgrund der Pandemie um ungefähr 30 Prozent zurückgegangen sind. Vergleichsweise verzeichnet die Region Attersee- Attergau mein Ankünfte und Nächtigungen als die Region Traunsee-Almtal. Anzumerken ist jedoch, dass die Werte in Traunsee-Ahntal zwischen 2017 und 2019 prozentuell stärker gewachsen sind. In der Region Attersee-Attergau gibt es um die 350 Tourisrnusbetriebe und in der Region Traunsee-Almtal über 400 (Corporate Text, 2021). Vor der Covid-Pandemie besuchten zudem zwei Millionen TagesgästInnen die Region Traunsee-Almtal. Insgesamt wurde dort durch den Tourismus ein Umsatz von 135 Millionen Euro generiert, wobei 65 Prozent des Umsatzes und der Übernachtungen in der Sommersaison erzielt wurden. Die restlichen 35 Prozent fallen somit in die Wintersaison. (Corporate Data, 2021) Auch ein Vergleich der beiden Regionen hinsichtlich ihrer Nächtigungen in der Sommer- und Wintersaison zeigt, dass die Ausrichtung der Region Traunsee-Almtal auf Ganzjahrestourismus stärker ausgeprägt ist. Die Region Attersee-Attergau hingegen ist stark von Sommertourismus geprägt. Die Statistik verdeutlicht, dass nur etwa 20 Prozent aller Nächtigungen in die Wintermonate fallen. (STATatlas Tourismus, 2021)
Das Gebiet zwischen dem Attersee und dem Attergau, welches als Sternenpark zertifiziert wurde, zählt, wie in Abbildung 4 ersichtlich war, zu jenen Regionen Oberösterreichs mit der dunkelsten Himmelshelligkeit. Auch die IDA verkündete, dass das Hauptzertifizierungskriterium, nämlich eine herausragende Dunkelheit des Nachthimmels, ohne Probleme erfüllt werden konnte (First International Dark Sky, 2021). Die nachfolgende Abbildung bietet eine detailliertere Darstellung der räumlichen Verteilung der Himmelshelligkeit über der Sternwarte Gahberg im Sternenpark und wurde im Rahmen des Zertifizierungsprozesses im Juli 2018 aufgenommen.
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A bbildung 6. Himmelshelligkeit über dem Sternenpark. (Sternenpark — Naturpark Attersee-Traunsee, 2021)
Die Aufnahme zeigt, dass das Gebiet des Sternenparks die vorgeschriebene Himmelshelligkeit von 21,2 mag/arcsec2 bereits 2018 weitestgehend erfüllte. Im Zentrum der Aufnahme liegt die Sternwarte Gahberg, deren Umfeld eine durchschnittliche Himmelshelligkeit von 21,12 mag/arcsec2 aufwies. Hierbei bietet der Farbbalken auf der rechten Seite eine genaue Aufschlüsselung der Himmelshelligkeit. Ebenfalls gut in der Grafik erkennbar sind die Lichtglocken der Städte Salzburg, Vöcklabruck, Linz und Steyr, welche am äußeren Rand der Aufnahme zu sehen sind und weitestgehend in rot eingefärbt sind, was einer Himmelshelligkeit von circa 19,0 mag/arcsec2 oder darunter entspricht. (Sternenpark — Naturpark AtterseeTraunsee, 2021)
Eine weitere Verbesserung der Himmelshelligkeit über dem Sternenpark soll insbesondere mittels des Lichtmanagementplans der IDA erreicht werden. Das Lichtinventar im abgrenzten Bereich des Sternenparks beträgt nach dem Stand der letzten Zählung im November 2020 um die 460 Lichtpunkte, welche der öffentlichen bzw. gewerblichen Außenbeleuchtungen zuzuordnen sind. Der Sternenpark protokolliert, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung der Zertifizierung bereits über 70 Prozent der Lichtpunkte den durch die IDA vorgeschriebenen Kriterien entsprachen und die Mindestanforderungen somit sogar übererfüllt wurden. (Offizieller IDA Sternenpark, 2021)
2.7 Conclusio
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Tourismusform Astro Tourism zunehmend an Bedeutung und Popularität gewinnt. Im Rahmen dieser Arbeit wird Astro Tourism wie folgt definiert: Astro Tourism ist Tourismus, dessen natürliche Hauptressource ein dunkler Nachthimmel ist und der auf dem Interesse der Beobachtung astronomischer Phänomene beruht. Des Weiteren konnte dargelegt werden, dass die Thematik der Lichtverschmutzung und ihrer Auswirkungen auf die Umwelt sowie die menschliche Gesundheit steigende Auseinandersetzung in Gesellschaft und Politik erfährt. Dies kann auf ein höheres Bewusstsein für Lichtverschmutzung zurückgeführt werden sowie auf die Tatsache, dass der dunkle Nachthimmel zunehmend als gefährdet eingestuft wird, wodurch der Bedarf zu handeln stärker wahrgenommen wird.
Der Zusammenhang zwischen der steigenden Popularität des Astro Tourism und dem wachsenden Bewusstsein für die Problematik der Lichtverschmutzung kann abschließend mit folgendem Zitat nach Mitchell und Gallaway (2019, S. 932) veranschaulicht werden: „For many, a dark night sky is, in its own way, as exotic of a sight as a herd of bison or a crystalclear glacial lake.” Klare Ansichten des Nachthimmels sind in der modernen, urbanisierten Gesellschaft immer seltener. Die steigende Lichtverschmutzung ist somit eine wesentliche Ursache für die gesteigerte touristische Popularität des dunklen Nachthimmels.
Hand in Hand mit dem Trend des Astro Tourism geht zudem das wachsende Interesse an Zertifizierungen als International Dark Sky Place durch die IDA. Auch in Österreich gibt es seit April 2021 den ersten IDSP in der Region Attersee-Traunsee, welcher zudem das Forschungsobjekt dieser Masterarbeit darstellt. Hierbei kann von Interesse sein, inwiefern diese Positionierung als Astro Tourism Destination zu touristischer Wertschöpfung und Besuchsinteresse an der Region beiträgt. Des Weiteren ergibt sich die Frage nach den Erfolgsfaktoren für die Umsetzung eines derartigen Projekts sowie insbesondere die Rolle des Faktors Kooperation für die Zertifizierung und Reduzierung der Lichtverschmutzung.
Grundsätzlich ist zu betonen, dass die Thematik der Lichtverschmutzung, die zunehmend als ernstes Umweltproblem erkannt wird, ein Schlüsselelement des Astro Tourism darstellt. Hierin liegt auch ein wesentlicher Aspekt, welcher dem Astro Tourism, der definitorisch als nachhaltige Tourismusform kategorisiert ist, und der aktuellen Nachhaltigkeitsdiskussion gemein ist. An dieser Stelle ergibt sich die Frage, inwiefern Astro Tourism tatsächlich das Potenzial hat, zu nachhaltiger Entwicklung beizutragen, und inwiefern auch die Mindestanforderungen an einen International Dark Sky Place ein gewisses Mindestmaß an Nachhaltigkeit schaffen. Um eine Beantwortung dieser Frage im Rahmen der empirischen Forschung zu ermöglichen, soll im anschließenden Kapitel ein detaillierterer Einblick in die Grundlagen der Nachhaltigkeit und das Nachhaltigkeitspotenzial des Astro Tourism gegeben werden.
3 Nachhaltigkeitspotenziale von Astro Tourism Destinationen
Das vorangehende Kapitel hat deutlich gemacht, dass Astro Tourism eine naturnahe Tourismusform ist, mit der beispielsweise die Thematik der Lichtverschmutzung aufgegriffen wird und Verbesserungen erzielt werden können. Dieser Umweltaspekt ist unter anderem ein Kategorisierungsgrund des Astro Tourism als nachhaltige Tourismusform.
Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung ist ein Begriff steigender Signifikanz, dessen Bedeutung auch in der Tourismusbranche nicht unbeachtet geblieben ist (Ngai, 2020, S. 1079; Scoones, 2007, S. 589). Der Tourismus zählt zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen weltweit und war in den letzten Jahrzehnten von einer Vielzahl globaler Trends geprägt, die diesen wandelten und veränderten. Einen der bedeutendsten Trends der heutigen Zeit stellt hierbei die Nachhaltigkeitsthematik dar, die den Tourismus zukünftig transformieren soll. (Martini & Buffa, 2020, S. 1) Denn dieser steht aufgrund seiner negativen Auswirkungen immer wieder in der Kritik und wird oft als ein Phänomen beschrieben, das die Umwelt, sowie insbesondere die Natur, zerstört (Zyzak, 2015, S. 105). Dies wirft die Frage auf, inwiefern die Vorteile des Tourismus die Nachteile rechtfertigen und ob dieser langfristig vertretbar ist. Es bedarf daher einer Möglichkeit, die negativen Effekte der Reisebranche zu reduzieren und auszugleichen. An dieser Stelle soll das Konzept der Nachhaltigkeit ansetzen und mittels Innovation und langfristigem, vorausschauendem Denken einen Weg aufzeigen, den Tourismus in eine erfolgreiche Zukunft mit Bestand zu führen (Robaina & Madaleno, 2019, S. 19). Insbesondere im Rahmen der Tourismusform des Astro Tourism, welche vielerorts noch im Aufbau ist und gemäß der Fachliteratur die Voraussetzungen für Nachhaltigkeit mit sich bringt, ist es daher bedeutsam, ein Nachhaltigkeitskonzept von Beginn an zu implementieren. Das vorliegende Kapitel bietet demnach einen ersten Einblick in die Thematik der Nachhaltigkeit im Tourismus.
3.1 Der Begriff der Nachhaltigkeit
Erste Konzepte für alternativen Tourismus und nachhaltige Entwicklung wurden bereits im letzten Jahrhundert angedacht. Schon im Jahr 1980 wurde auf einem Kongress der UNWTO das Thema der negativen Folgen des Tourismus aufgegriffen und gefolgert, dass Massentourismus mehr Schaden als Nutzen bringt. (Zyzak, 2015, S. 107-108) Im Verlauf der 80er-Jahre gewann die Diskussion um Nachhaltigkeit weiter an Bedeutung (Mohanty, Rajamanicam & Sharma, 2019, S. 217). Der Grundstein für nachhaltige Entwicklung wurde im Jahr 1987 mit dem Brundtland Report Our Common Future gelegt, welcher diesem Terminus weltweite Signifikanz verschaffte und nach wie vor als Leitmotiv der Nachhaltigkeitsdiskussion gilt (Kagermeier, 2015, S. 174). Gemäß der World Commission on Environment and Development (1987, S. 24) erfüllt nachhaltige Entwicklung „the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“. Dieser Durchbruch in puncto Nachhaltigkeit half der Tourismusindustrie dabei, bestehende Kritik aufzugreifen und die externen Effekte der Branche zu thematisieren. Dies führte in weiterer Folge zur Erschaffung des Begriffs nachhaltiger Tourismus (Mohanty et al., 2019, S. 217).
Eine Studie der Fachliteratur zeigt als häufig zitierte und weitverbreitete Definition die klassische Definiton des United Nations Environment Programme und der UNWTO (2005, S. 12). Nachhaltiger Tourismus ist demnach Tourismus „that takes full account of its current and future economic, social and environmental impacts, addressing the needs of visitors, the industry, the environment and host communities“. Tourismus gilt somit als nachhaltig, wenn er auf wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Ebene Nutzen schafft. Die genannten Ebenen entsprechen hierbei der Triple Bottom Line des Profits, der Menschen und des Planeten gemäß Elkington (2004, S. 2). Diese verkörpern die drei Säulen der Nachhaltigkeit, Ökonomie, Ökologie und Soziokultur, welche die Grundlage nachhaltigen Handelns darstellen und als Gemeinsamkeit im Großteil verbreiteter Definitionen vertreten sind. So auch in der folgenden Definition Swarbrookes (1999, S. 13): “Sustainable Tourism means tourism which is economically viable but does not destroy the resources in which the future of tourism will depend, notably the physical environment and the social fabric of the host community.” Ähnlich wie die zuvor genannte Definition Swarbrookes weist auch diese Definition, neben den drei Säulen, auf die Bedeutung der host community im Tourismus hin. Diese findet sich des Weiteren in einer Erläuterung Weavers wieder. In einem seiner Werke erläutert er nachhaltigen Tourismus wie folgt: „The main difference between the old and the new form of tourism is moving the focus from the wellbeing of the tourist to the wellbeing of the host community” (Weaver, 1998, S. 31). Während Weaver von einer Fokusverschiebung vom Wohl der Touristinnen zum Wohl der Gastgemeinschaft spricht, weist Swarbrooke auf eine Balance zwischen den Bedürfnissen der Touristinnen, der Tourismusindustrie und der Gastgemeinschaft hin. Ein gemeinsamer Fokus wird somit auf die soziokulturelle Säule und die Bedeutung für und Auswirkungen auf die Gesellschaft gelegt. Konträr hierzu ist die folgende Definition der Countryside Commission (1955, S. 2), welche die Ökonomie in den Vordergrund rückt und einen Tourismus benennt „which can sustain local economies without damaging the environment on which it depends.“ Auf die Gesamtheit der Säulen der Nachhaltigkeit geht die folgende Definition Ebers ein. Nachhaltiger Tourismus ist, gemäß Eber (1992, S. 3):
Tourism and infrastructure that: both now and in the future act within the natural capacities of regeneration and future productivity of natural resources; Recognizes the contribution that people and communities, customs and lifestyles give for a tourist experience; It acknowledges that people must have an equal share in the economic benefits of the local community and people in tourism areas.
Trotz dieser Vielzahl unterschiedlicher Definitionen hat sich die Wissenschaft auf die drei Säulen Ökonomie, Soziokultur und Ökologie als Kern nachhaltiger Entwicklung festgelegt. Zudem hat der fortschreitende akademische Diskurs das Verständnis aufgebracht, dass nachhaltiger Tourismus keine spezifische Tourismusform darstellt, sondern Zielsetzungen, die es zu erreichen gilt. So argumentierten Touristiker wie Butler (1999, S. 12-13) und Wall (1997, S. 487) bereits Ende des letzten Jahrhunderts, dass auch Massentourismus nachhaltig, Ökotourismus dagegen nicht nachhaltig sein kann. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl an Tourismusformen, die unter die Kategorie nachhaltiger Tourismus fallen können und gemeinsame Werte aufweisen. (Lu & Nepal, 2009, S. 12-13) Als Beispiel kann hier direkt die eben genannte Tourismusform des Ökotourismus wieder aufgegriffen werden, welche auch bereits in Verbindung mit Astro Tourism erwähnt wurde. Die Literatur weist Astro Tourism sowohl dem nachhaltigen Tourismus als auch dem Ökotourismus zu. Das Zusammenspiel dieser beiden Konzepte soll daher nachfolgend kurz erläutert werden. Die beiden Begriffe werden häufig als Synonyme verstanden und verwendet, sind hingegen definitorisch voneinander abzugrenzen, wie auch die zuvor erwähnten Ausführungen Butlers und Walls zeigen, und es ist zu betonen, dass diese keine Synonyme sind (Meler & Ham, 2012 , S. 133). Die heutzutage am weitesten verbreitete und akzeptierte Definition von Ökotourismus ist jene der International Ecotourism Society. Diese definiert Ökotourismus als „responsible travel to natural areas which conserves the environment and improves the welfare of the local people, involves interpretation and education” (What is Ecotourism, 2021).
Eine genaue Abgrenzung des nachhaltigen Tourismus vom Ökotourismus ergibt sich gemäß folgender Definition Strasdas (2001, S. 7):
Ökotourismus ist eine Form verantwortungsbewussten Reisens in naturnahe Gebiete, bei dem das Erleben von Natur im Mittelpunkt steht. Ökotourismus minimiert negative ökologische und sozio-kulturelle Auswirkungen, trägt zur Finanzierung von Schutzgebieten oder Naturschutzmaßnahmen bei und schafft Einkommensmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung. Indirekt soll Ökotourismus die Naturschutzakzeptanz relevanter gesellschaftlicher Akteure [sic!] erhöhen.
Eine klare Unterscheidung zwischen nachhaltigem Tourismus und Ökotourismus ergibt sich somit daraus, dass der Anspruch der Nachhaltigkeit auf alle Tourismusformen zutrifft, während Ökotourismus ausschließlich naturbezogene Tourismusformen bezeichnet. Insofern kann Ökotourismus als weniger umfassend klassifiziert werden. Abbildung 7 stellt diesen Zusammenhang unter einer generellen Abgrenzung eines nachhaltigen Tourismus grafisch dar.
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Abbildung 7. Abgrenzung des nachhaltigen Tourismus. (Eigene Darstellung in Anlehnung an Strasdas, 2001, S. 8)
Aus der Abbildung erkennbar ist das Zusammenspiel zwischen nachhaltigem Tourismus und anderen Tourismusformen. In Bezug auf Ökotourismus kann festgehalten werden, dass dieser als Schnittmenge zwischen Naturtourismus und nachhaltigem Tourismus zu verstehen ist. Die Grafik verdeutlicht zudem die vorherige Aussage, dass der Anspruch der Nachhaltigkeit auf alle Tourismusformen anzuwenden ist und Nachhaltigkeit somit in allen Tourismusformen angewandt und wiedergefunden werden kann. Dies impliziert, dass es keine von vornherein nachhaltige Tourismusform gibt, sondern unterschiedliche Formen des Tourismus bestmöglich nach den Kriterien der Nachhaltigkeit zu gestalten sind.
In Bezug auf Astro Tourism bedeutet dies, dass dieser sowohl dem Ökotourismus zuzuordnen ist als auch generell als nachhaltiger Tourismus klassifiziert werden kann. Bedeutsam ist hierbei, die Kriterien der Nachhaltigkeit in die Tourismusplanung zu integrieren und alle drei Ebenen der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Aktuelle Bedeutung im Nachhaltigkeitsdiskurs finden zudem die SDGs der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN). In den folgenden Unterkapiteln soll daher eine theoretische Grundlage der drei Säulen der Nachhaltigkeit im Astro Tourism sowie der SDGs und deren Relevanz in der Tourismusbranche geschaffen werden. Das anschließende Kapitel bietet nun zunächst einen theoretischen Einblick in die drei Säulen der Nachhaltigkeit im Tourismus.
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