Policy-Prozess: Atomkonsens - Inwiefern haben sich welche Akteure mit welchen Instrumenten durchgesetzt?


Hausarbeit, 2009

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Kernenergie in Deutschland – historische Kontroverse bis 1998

3. Die Idee des Konsens

4. Der Atomkonsens

5. Akteure
5.1 Die Bundesregierung (Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und Bündnis 90/Die Grünen)
5.2 Energieversorgungsunternehmen
5.3 Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)
5.4 Anti-AKW-Bewegung am Beispiel des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

6. Fazit – Welche Akteure hatten die besseren Instrumente zur Durchsetzung ihrer Interessen?

7. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Diese Hausarbeit entstand in der Folge des Besuchs des Seminars „Einführung in die Energiepolitik-Analyse“. Hier wurden einzelne Energieträger vorgestellt, unter Zuhilfenahme der Policy-Analyse-Instrumente wurden die relevanten Akteure der Energiepolitik sowie deren Instrumente zur Erreichung ihrer Ziele beleuchtet.

Seit rund drei Jahrzehnten wird die Atomenergiedebatte in der „Arena eines gesellschaftlichen Konflikts“1 ausgetragen. Seit dem Regierungswechsel in Berlin im November 2005 wird in Medien und Politik viel über den Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomenergie geredet und spekuliert. Bundeskanzlerin Angela Merkel stand zunächst zum Koalitionsvertrag, indem sich die CDU/CSU und die SPD zu der unter Rot-Grün zustande gekommenen Novellierung des Atomgesetzes von 2002 bekennen.2 Angesichts der deutschen Klimaschutzziele warnt Merkel nun aber vor einem Ausstieg aus der Atomenergie.3

Angeregt über diese Debatte, die natürlich nicht nur von Bundeskanzlerin Merkel, sondern ebenso von den EVUs (Energieversorgungsunternehmen), diversen Parteien, Verbänden und Bürgerinitiativen geführt wird, möchte ich mich auf das Zustandekommen des eigentlichen Atomkonsenses konzentrieren.

Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder hat ein besonderes politisches Instrument, den Konsens, gewählt, um den Ausstieg aus der Atomenergie zu erreichen. Die These, dass aufgrund des gewählten Instruments des Konsenses nur bestimmte Akteure, Energieversorgungsunternehmen und Bundesregierung, am eigentlichen Entscheidungsfindungsprozess beteiligt waren, soll in dieser Arbeit untersucht werden.

Zunächst wird unter Punkt 2 ein historischer Abriss der Geschichte und Kontroversen der Kernenergie in Deutschland bis 1998 geliefert. Die Idee des Konsenses, die Einordnung in die Vielzahl von politischen Instrumenten dieses weichen Steuerungswerkzeugs findet im darauf folgenden Kapitel statt. Im vierten Abschnitt wird der im Jahr 2000 unterzeichnete Atomkonsens vorgestellt und es werden die wichtigsten Regelungen aufgezeigt. Im fünften Kapitel werden die Akteure, die direkt oder indirekt an diesem Policy-Prozess beteiligt waren, aufgeführt. Die Akteure Bundesregierung und EVUs waren direkt an den Konsensgesprächen beteiligt, werden deshalb den Fokus dieser Arbeit darstellen. Ob und inwiefern sich die anderen beiden Akteure, CDU und BUND, als relevant in dem Prozess herausstellen, sollen die Abschnitte 5.3 und 5.4 zeigen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wurde ausgewählt, weil er als einer der größten und einflussreichsten Akteure der Anti-AKW-Bewegung gesehen werden kann. Nach Selbstdarstellung hat der BUND in den 80er Jahren stetig an Größe und Einfluss gewonnen, da der Widerstand gegen Atomkraftwerke einen zentralen Aspekt der BUND-Arbeit darstellte und bis heute darstellt.4 Im letzten Abschnitt, dem Fazit, soll schließlich die These des Autors dieser Arbeit bestätigt oder widerlegt werden.

2. Kernenergie in Deutschland – historische Kontroverse bis 1998

Durch die Entdeckung der Kernspaltung 1938 durch Otto Hahn und Fritz Straßmann5 wurde Kernenergie zunächst vor allem für militärische Zwecke genutzt.6 Bei den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki vom 6. und 9. August 1945 starben bis heute 360.000 Menschen an den Folgen der Verstrahlung.7

Nachdem US-Präsident Eisenhower 1953 vor der UN-Vollversammlung das „atomic power for peace“ Programnm verkündete,8 wurde in den USA vermehrt an der zivilen Verwendung der Kernenergie geforscht. 1954 entstand in Obninsk in der Nähe von Moskau das erste Kernkraftwerk. 1955 folgte ein zur kommerziellen Stromerzeugung eingesetztes Kernkraftwerk in Calder Hall (Nord-West England).

Felix Christian Matthes teilte die Entwicklung der bundesdeutschen Atomenergie-Geschichte, in vier Phasen ein.9 Die „spekulative Phase“ beschreibt die Anfangsphase der Nutzung der Atomenergie in Deutschland von 1955 bis 1967. Die Regierung wollte zu dieser Zeit die Entwicklung vorantreiben und förderte die Forschung, die EVU hatten noch Bedenken gegenüber diesem Sektor, der mit unkalkulierbarem Investitionsrisiko verbunden war.

Vor 1955 war es der besetzten Bundesrepublik Deutschland von den Siegermächten verboten beim Reaktorbau oder der Uranverarbeitung tätig zu werden.10 Nach Erlangen der Souveränität hat die damalige Bundesregierung Bundeskanzler Konrad Adenauer ein Bundesministerium für Atomfragen ins Leben gerufen und Franz-Josef Strauß zum ersten Atomminister ernannt.

Auf europäischer Ebene wurde 1957 der Euratom-Vertrag (Europäische Atomgemeinschaft) unterzeichnet um die Forschungsprogramme der Staaten im Hinblick auf die friedliche Nutzung der Kernenergie zu koordinieren. Die sechs Gründerstaaten (Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande) vereinbarten Ziele, um eine gemeinsame Unabhängigkeit der Energieversorgung zu erreichen.11

Auf internationaler Ebene wurde im selben Jahr die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) gegründet, um der Vollversammlung der Vereinten Nationen jährlich Bericht zu erstatten, sie meldet Vertragsverletzungen dem UN-Sicherheitsrat. Darüber hinaus soll die IAEO die friedliche Nutzung der Kernenergie fördern.

In der Bundesrepublik wurde 1957 in Garching bei München der erste deutsche Forschungsreaktor in Betrieb genommen. 1961 ging das erste deutsche Kernkraftwerk in Kahl am Main mit einer Leistung von 15 MW ans Netz.12 In dieser ersten Phase gab es einen hohen Konsensgrad in der deutschen Parteienlandschaft, und anders als man es heute wohl vermuten würde, waren Sozialdemokraten bis in die 70erJahre meist noch Kernkraftbefürworter.

Die zweite Phase nennt Matthes die „Durchbruchphase“13, und grenzt sie zeitlich von 1967-1975 ein. Der Strombedarf wurde seitens der Industrie künstlich in die Höhe getrieben, um einen Kraftwerkszubau nötig zu machen.14 Mit immer neuen elektrischen Geräten für Heizen und Kochen in Privathaushalten sollte ein möglichst hoher und stetig steigender Energiebedarf geschaffen werden. Unter der sozialliberalen Koalition fand ein massiver Ausbau der Kernkraftwerke in der Bundesrepublik statt. „Der Ölkrise im Jahr 1973 wollten Willy Brandt und Helmut Schmidt mit dem Neubau von 40 Reaktoren begegnen.“15 Das AKW Biblis A wurde 1969 bestellt und stellte in seiner Größe (1.146 MW netto) eine bis her nicht erreichte Dimension dar.16

Es folgte laut Matthes eine „Stagnationsphase“ von 1975 bis 1986, ausgelöst von der stetig wachsenden Anti-Atomkraft-Bewegung (Anti-AKW-Bewegung), sowie einer wachsenden Sicherheitsdebatte.17

1976 beginnt der Bau des AKW Brokdorf. An einer ersten Demonstration nehmen bereits 5.000 Menschen teil. Die Brokdorf-II Demonstration im selben Jahr (1976) sprengt alle Erwartungen. 30.000 internationale Demonstranten nehmen teil. Bei beiden Demonstrationen wird die Baustelle besetzt, trotz massiver Schutzmaßnahmen seitens der Polizei, wie etwa Stacheldraht, Wassergräben und Straßenkontrollen.18 Die von sehr heterogenen Gruppen zusammengesetzte Anti-AKW-Bewegung formierte sich und stellte sich langfristig auf.19

Nicht nur auf Grund der Sicherheitsdebatte, sondern gerade wegen des wachsenden Widerstands in der Bevölkerung waren Parteien gezwungen, ihre Passivität20 zum Thema Atomenergie aufzugeben. Ein 1977 vom Bundesvorstand der SPD gefasster Beschluss, die Genehmigungspraxis restriktiver zu gestalten, führte zu einer Verlängerung der Zeitspanne von Planung bis zum Bau eines AKWs und verteuerte Kraftwerksprojekte.21

1979 beginnen Arbeiten in einem Salzstock bei Gorleben in Niedersachsen, der als ein mögliches Endlager für Atommüll vorgesehen war. 1980 besetzen 5000 Demonstranten die Bohrstelle und die „Republik Freies Wendland“ wird gegründet.22 Die niedersächsische Landesregierung äußerte sich zwar skeptisch über die Endlagerpläne, dass sie „politisch nicht durchsetzbar“ seien. In Gorleben entsteht ein oberirdisches Zwischenlager, hier wird bis heute Atommüll in Castor-Behältern23 eingelagert.24

1986 wird laut Matthes die „Niedergangsphase“ eingeläutet. Am 26.04.1986 ereignete sich im sowjetischen Atomkraftwerk Tschernobyl ein Super-GAU (Größter Anzunehmender Unfall in der zivilen Nutzung der Kernenergie). In der Bevölkerung kam es in der Folge zu einer konstanten Ablehnung der Kernkraftnutzung.

[...]


1 Vgl. Kitschelt, Herbert: Kernenergiepolitik: Arena eines gesellschaftlichen Konflikts, Frankfurt a. M. 1980.

2 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,393527,00.html vom 04.01.06 abgerufen am 04.03.2009

3 http://www.verivox.de/nachrichten/bundeskanzlerin-merkel-warnt-vor-ausstieg-aus-atomkraft-23846.aspx vom 18.06.2008, abgerufen am 04.03.2009

4 Vgl. BUND abgerufen am 20.04.09 unter: http://www.bund.net/bundnet/ueber_uns/geschichte/

5 Vgl. Rebhan, Eckhard: Energiehandbuch: Gewinnung, Wandlung und Nutzen von Energie, Springer 2002, S. 4f.

6 Vgl. Corbach, Matthias: Atomenergie, in: Reiche, Daniel (Hrsg.): Grundlagen der Energiepolitik, Peter Lang – Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, 2005, S.100

7 Bundeszentrale für politische Bildung: Gedenkfeier in Japan (6.8.2007) abgerufen am 01.04.09 unter: http://www.bpb.de/themen/XW4MQX,0,0,Gedenkfeier_in_Japan_.html

8 Vgl. Corbach S. 101

9 Vgl. Matthes, Felix Christian: Stromwirtschaft und deutsche Einheit, Eine Fallstudie zur Transformation der Elektrizitätswirtschaft in Ostdeutschland, BoD – Books on Demand, 2000, S. 141ff.

10 Vgl. Corbach S. 101

11 Vgl. EUROPA – Das Portal der Europäischen Union: Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) abgerufen am 03.04.09 unter: http://europa.eu/scadplus/treaties/euratom_de.htm

12 Vgl. Grüne Jungend: Ein Risiko kehrt zurück, abgerufen am 01.04.09 unter: http://www.gruene-jugend.de/flyer/110526.html

13 Vgl Corbach, Matthias: Atomenergie, in: Reiche, Daniel (Hrsg.): Grundlagen der Energiepolitik, Peter Lang – Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, 2005, S.102

14 Ebd. S. 102

15 WELT Online: Atomkraft war früher ein Teil linker Utopien, vom 11.07.08 abgerufen am 02.04.09 unter: http://www.welt.de/politik/article2203802/Atomkraft_war_frueher_ein_Teil_linker_Utopien.html

16 Vgl. Corbach, S. 102

17 Ebd. S.103

18 Vgl. NDR: AKW-Brokdorf Chronik abgerufen am: 04.04.09 unter:
http://www.ndr.de/kultur/geschichte/brokdorfchronik2.html

19 Corbach, Matthias: Atomenergie, in: Reiche, Daniel (Hrsg.): Grundlagen der Energiepolitik, Peter Lang – Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, 2005, S.103

20 Ebd. S. 103

21 Ebd. S. 103

22 Vgl. Zint, Günter/Fetscher, Caroline: Republik Freies Wendland. Eine Dokumentation. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1980, S. 2

23 Cask for storage and transport of radioactive waste / Behälter zur Lagerung und zum Transport von radioaktivem Abfall

24 Vgl. Zeit Online: Kleine Geschichte des Anti-AKW-Protests (10.07.2008) abgerufen am 05.04.09 unter: http://www.zeit.de/2008/29/Kasten_Kernkraft

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Policy-Prozess: Atomkonsens - Inwiefern haben sich welche Akteure mit welchen Instrumenten durchgesetzt?
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Veranstaltung
Einführung in die Energiepolitik-Analyse
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V130100
ISBN (eBook)
9783640391400
ISBN (Buch)
9783640391578
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Policy-Prozess, Atomkonsens
Arbeit zitieren
Dominique Beaucaire (Autor:in), 2009, Policy-Prozess: Atomkonsens - Inwiefern haben sich welche Akteure mit welchen Instrumenten durchgesetzt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130100

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