Paraphrasieren - Perifraza


Seminararbeit, 2003

36 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1, Vorwort

2. Was ist Interpretieren?
2.1 Innersprachliches Übersetzen und weitreichendes Schlüsseziehen
2.2 Der enge und der weite Interpretationsbegriff

3. Wozu dienen Paraphrasen?
3.1 Gründe, warum ein Verständnis besonders schwer sein kann
3.2 Wann äußern Hörer und Sprecher Paraphrasen?

4. Unbestimmtheit, Vagheit, Mehrdeutigkeit & Kontextabhängigkeit
4.1 Verschiedene Arten der Unbestimmtheit

5. Paraphrase und Wissenschaft

6. Arten von Paraphrasen

7. Syntaktische Paraphrasen
7.1 Gleiche äußere Form – gleiche Paraphrasenklasse?
7.2 Lexikalische Kontroversen

8. Pragmatische Paraphrasen
8.1 Direkter und indirekter Sprechakt

9. Redewiedergaben

10. Was sind Paraphrasen – erweiterter Ansatz

11. Was ist eine Definition?
11.1 Nominaldefinition
11.2 Realdefinition

12. Systematische Textinterpretation

13. Die Untersuchung einzelner Ausdrucksklassen
13.1 Resultative Verben
13.2 Kausative Verben
13.3 Zustandsbezeichnende Adjektive
13.4 AcI-Sätze (Accusativus-cum-Infinitivo)
13.5 Schlussfolgerungen
13.6 Probleme bei der Bedeutungsanalyse

14. Nochmals auf den Punkt gebracht

15. Literaturverzeichnis

1. Vorwort

Im Rahmen dieser Proseminararbeit möchte ich einen Einblick in die Thematik des Paraphrasierens oder auf Russisch Перифраза geben. Ich stütze mich dabei auf die Ausführungen von Dieter Wunderlich im Arbeitsbuch Semantik[1], versuche aber, die dort angeführten deutschen Beispiele durch russische Entsprechungen zu ergänzen. Wenn man sich das erste Mal mit dieser Terminologie beschäftigt, wird man sich zunächst einmal die Frage stellen, was genau man unter Paraphrasen versteht. Und eben diese Frage

„Was heißt das?“ oder „Что это значит?“

stellt bereits den Ausgangspunkt für alle Paraphrasen dar, denn sie führt automatisch zu einer Neuformulierung einer Äußerung mit anderen Wörtern, einem näheren Erklären, einem Geben von Beispielen usf., kurz gesagt eben zum Paraphrasieren oder Umschreiben. So werde auch in im Laufe meiner Proseminararbeit notwendigerweise Paraphrasen verwenden, d.h. ich werde versuchen, mit Hilfe von Beispielen und Umschreibungen dieses wichtige Kapitel der Semantik verständlich zu machen. Ich möchte gleich hier am Beginn betonen, dass Paraphrasen etwas sind, das jeder von uns täglich verwendet, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Sie sind somit für eine erfolgreiche Kommunikation unerlässlich, denn sie sichern, indem sie die Frage „Was heißt das?“ zu beantworten versuchen, die Verständlichkeit der Äußerung und somit die Aufrechterhaltung des Dialoges.

2. Was ist Interpretieren?

Zunächst einmal müssen wir uns fragen, was man unter Interpretieren, oder auf Russisch интерпретация versteht.

Das Interpretieren von Äußerungen, Sätzen und Wörtern ist eine wesentliche Aufgabe der Semantik. Dies möchte ich mit einem Beispiel erläutern[2]:

Stellen wir uns vor, wir gehen durch eine Stadt und lesen auf einem Schild im Schaufenster eines Geschäftes, z.B. einer ремонтная мастерская:

„Umbrellas Re-covered“ oder auf Russisch „Мы чиним зонтики“ (= Wir reparieren Schirme).

So ein Schild sieht man nicht oft, und daher wird man sich fragen:

„Was heißt das?“ oder „Что это значит?“

Darauf wird man die Antwort erhalten: „Schirme werden repariert.“ oder „Там чинят зонтики.“

Vielleicht wird man weiterfragen: „Und was heißt das?“ oder „А что это значит?“

„Naja, man wird halt kaputte Schirme wieder neu beziehen.“ oder „Ну, там обивают повреждённые зонтики.“

Und fragt man daraufhin wieder: „Und was heißt das jetzt?“ oder „А что это значит?“, dann wird es bereits sehr schwierig werden, eine Antwort zu finden. Denn es ist ja wirklich kompliziert zu erklären, was es heißt, alte kaputte Schirme neu zu beziehen. Man könnte hierzu noch weiter ausholen und z.B. sagen:

„Du hast nen zerrissenen Schirm, vom Sturm oder so, und den gibst du hier ab, der macht ihn eben wieder heil, kostet wahrscheinlich ne Stange.“

Irgendwann wird man am Ende anlangen und nicht weiter erklären können. Man kann sich bei all diesen Erklärungen aus der Sprache nicht entfernen. Man könnte wohl einen Schirm zerreißen, ihn in das Geschäft tragen und ihn reparieren lassen, aber würde dieser Aufwand wirklich gerechtfertigt sein um herauszufinden, was das Schild heißt? Und würde er Licht in die Sache bringen, d.h. würden wir dadurch wirklich wissen, was mit unserem Schirm geschieht, bis er uns ausgebessert zurückgegeben wird?

Man erkennt aus diesem Beispiel: Interpretieren heißt, mit anderen Worten dasselbe oder ähnliches sagen, vielleicht etwas genauer, verständlicher, eindeutiger.

2.1 Innersprachliches Übersetzen und weitreichendes Schlüsseziehen

Einerseits handelt es sich hierbei um eine Art innersprachliches Übersetzen einer ursprünglichen Formulierung. Fragen wir also, was das Schild „Umbrellas Re-covered“/„Мы чиним зонтики“ heißt und wir erhalten als Antwort „Schirme werden repariert.“ oder „Там чинят зонтики.“, dann handelt es sich um eine innersprachliche Übersetzung. Fragen wir nun weiter und wir erhalten als Antwort „Du hast nen zerrissenen Schirm, den gibst du ab, der macht ihn wieder heil.“, dann erkennen wir bereits ein möglichst umfassendes Schlüsseziehen aus der ursprünglichen Formulierung.

Dabei muss man beachten: Es gibt stets so viele Interpretationsaspekte einer Formulierung wie es unterschiedliche Schlussfolgerungen aus ihr gibt, d.h. jede Schlussfolgerung kennzeichnet einen Interpretationsaspekt. Sehen wir uns hierzu folgenden deutschen Satz an:

„Er geht in die Schule.“

Dieser Satz lässt unterschiedliche Schlussfolgerungen zu. Einerseits können wir denken, dass er jetzt in diesem Moment zur Schule unterwegs ist. Das wäre der eine Interpretationsaspekt.

Die zweite Schlussfolgerung, die wir aber ziehen können, wäre, dass er ganz einfach noch Schüler ist. Das Russische hingegen besitzt diese Mehrdeutigkeit nicht. Es verwendet für den ersten Fall, dass er im angesprochenen Moment in die Schule geht, die Formulierung „Он идёт в школу.“, für die 2. Möglichkeit aber (d.h. für die Möglichkeit, dass er noch Schüler ist), den Satz: „Он ходит в школу.“

2.2 Der enge und der weite Interpretationsbegriff

- Der enge Interpretationsbegriff – „dasselbe mit anderen Worten sagen“:

Der enge Interpretationsbegriff geht oftmals von der sehr strengen Auffassung aus, dass eine Interpretation nur dann genau zu nennen ist, wenn sich aus ihr genau die selben Schlussfolgerungen ziehen lassen wie aus der ursprünglichen Formulierung, d.h. „dasselbe in anderen Worten sagen“. Nun ist das aber praktisch niemals gegeben. Man kann fast immer aus der einen Formulierung Schlussfolgerungen ziehen, die man aus der anderen nicht ziehen kann oder umgekehrt. Der enge Interpretationsbegriff wird auch als Umschreiben oder Paraphrasieren bezeichnet.

- Der weite Interpretationsbegriff:

Der weite Interpretationsbegriff soll Einblick in die Hintergründe, die Motivationen, die sozialen und historischen Zusammenhänge usw. des Textes geben.

- Der dritte Interpretationsbegriff:

3. Wozu dienen Paraphrasen?

Der dritte Interpretationsbegriff, der neben den ersten beiden existiert, versteht unter Interpretieren den mentalen Prozess des Textverstehens. In meiner Proseminararbeit werde ich mich nur auf den 1. Interpretationsbegriff, d.h. das Paraphrasieren konzentrieren.

Jeder von euch wird schon einmal selbst erlebt haben, dass Sprecher sich nicht verstehen, und das, obwohl sie eigentlich die gleiche Sprache sprechen und ein Verstehen daher kein Problem sein dürfte. Trotzdem kann es manchmal durchaus vorkommen, dass das Gesagte allein noch nicht ausreicht, dass Ergänzungen und Neuformulierungen notwendig sind.

3.1 Gründe, warum ein Verständnis besonders schwer sein kann

- Die sprachlichen Formulierungen sind selten völlig klar, sondern vielfach unbestimmt, vage, mehrdeutig und kontextabhängig.[3]

Die Aussage „Das ist viel zu viel.“ oder „Это слышком много.“ kann erst im Kontext geklärt werden. Was ist hier zuviel? Der Preis für einen Fernseher, die Kopien eines Handouts, das Salz in der Suppe? Unbestimmt ist gleichzeitig auch das erste „viel“. Welche Menge verbirgt sich hinter diesem ersten „viel“? (z.B. 20 Stück eines Handouts, 500 Euro in Bezug auf den Preis eines Fernsehers). Was vertritt dieses zweite „viel“ in der Wendung „zu viel“, d.h. wie sind die Bedürfnisse, Interessen, Kapazitäten? (z.B. wir brauchen 35 Stk. eines Handouts, wir können höchstens 300 Euro für einen neuen Fernseher bezahlen).

- Formuliert man ein Redethema, treten oft noch mehr oder weniger assoziative Nebenthemen und Nebenabsichten auf, es entstehen z.B. Konnotationen aufgrund der Wortwahl und Intonation.

Wenn wir folgende 3 Äußerungen betrachten, wird uns die Bedeutung der Wortwahl bewusst.

„Jemand hat den Diktator getötet.“ oder „Кто-то убило / умертвило диктатора.“

„Jemand hat den Diktator ermordet.“ oder „Кто-то убило диктатора.“

„Jemand hat den Diktator hingerichtet.“ oder „Кто-то казнило диктатора.“

Die erste Äußerung „Jemand hat den Diktator getötet.“ ist an sich neutral und gibt somit keine näheren Hinweise darauf, ob diese Tötung im gesetzlichen Rahmen oder außerhalb desselben stattgefunden hat.

Die zweite Äußerung „Jemand hat den Diktator ermordet.“ weist diese Neutralität jedoch bereits nicht mehr auf. In der deutschen Sprache wird nämlich das Verb „ermorden“ nur dann verwendet, wenn dies außerhalb des gesetzlichen Rahmens geschieht.

Die dritte Äußerung „Jemand hat den Diktator hingerichtet.“ drückt genau das Gegenteil aus. Es hat ein gesetzlich abgesichertes Todesurteil gegeben, das nun vollstreckt worden ist.

Daraus können wir erkennen, wie wichtig die Wortwahl ist, da Wörter nur in den seltensten Fällen neutral sind, sondern immer mit bestimmten Konnotationen behaftet.

- Manchmal reicht eine einzige Formulierung nicht aus, um einen komplexen Sachverhalt zu klären. Dessen verschiedene Aspekte müssen in einer Reihe von ähnlichen Formulierungen aufgehellt werden.

Um dies zu erklären möchte ich ein Stichwort aus einem Lexikon vorlesen:

„Linguistik: Im weiteren Sinne die moderne Sprachwissenschaft; im engeren Sinne wiss. Disziplin, die die Struktur menschl. Sprache untersucht. Die L. beschäftigt sich mit der Theorie der Grammatik, des Spracherwerbs, dem Gebrauch der Sprache und der vergleichenden Beschreibung aller Sprachen (...)“[4]

[...]


[1] vgl.: Wunderlich, Dieter: Arbeitsbuch Semantik. Frankfurt am Main: Hain 19912, S 71-105

[2] vgl.: Wunderlich, S 71

[3] vgl. Wunderlich, S 72f.

[4] „Linguistik“. In: Harenberg, Bodo (Hrsg.): Harenberg Kompaktlexikon. Dortmund: Harenberg Lexikon Verlag 19942, Band 3, S 1806

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Paraphrasieren - Perifraza
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Slavistik)
Veranstaltung
Linguistisches Proseminar - Slavistik
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
36
Katalognummer
V13017
ISBN (eBook)
9783638187732
Dateigröße
823 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Paraphrasieren, Perifraza, Linguistisches, Proseminar, Slavistik
Arbeit zitieren
Roswitha Geyss (Autor:in), 2003, Paraphrasieren - Perifraza, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13017

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Paraphrasieren - Perifraza



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden