Die Nachhaltigkeit von Food Supply Chains durch den Einsatz der Blockchain-Technologie

Eine Literaturübersicht


Bachelorarbeit, 2022

43 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen
2.1 Nachhaltige Food Supply Chain
2.1.1 Definition der Nachhaltigkeit
2.1.2 Genereller Aufbau einer Food Supply Chain
2.1.3 Herausforderungen in Food Supply Chains
2.2 Eigenschaften der Blockchain Technologie
2.2.1 Transparenz
2.2.2 Effizienz
2.2.3 Dezentralität
2.2.4 Datensicherheit

3 Literaturübersicht zur Blockchain in nachhaltigen Food Supply Chains
3.1 Erstellung und Ergebnis der Literaturübersicht
3.2 Ökonomische Nachhaltigkeit
3.2.1 Lückenloser Datenaustausch
3.2.2 Supply-Chain-Transparenz
3.2.3 Rückverfolgbarkeit
3.2.4 Kosten und Geschwindigkeit
3.2.5 Disintermediation und Opportunismus
3.3 Soziale Nachhaltigkeit
3.3.1 Herkunft
3.3.2 Vertrauen
3.3.3 Datenschutz und Sicherheit
3.3.4 Antikorruption
3.4 Ökologische Nachhaltigkeit
3.4.1 Überprüfung und Verifikation
3.4.2 Ressourcenoptimierte Nutzung
3.4.3 Recycle-Exchange-Tokenisierung

4 Zusammenfassung und Fazit

5 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Trippel-Bottom-Line

Abbildung 2: Akteure in einer Food Supply Chain

Abbildung 3: Vorgehen bei der Literarturbetrachtung

Abbildung 4: Framework für die Literaturübersicht

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Herausforderungen in Food Supply Chains

Tabelle 2: Eigenschaften je nach Blockchain

Tabelle 3: Auflistung der Ein- und Ausschlusskriterien für die Eingrenzung der Literatur

Tabelle 4: Literaturübersicht zur Nachhaltigkeit durch Blockchain in Food Supply Chains

1 Einleitung

Die Globalisierung ist für die Weltwirtschaft eines der wichtigsten Megatrends, welches zur Kooperation von Unternehmen und Staaten weltweit beiträgt. Die internationale Zusammenar­beit führt zu einem komplexen Netz von Lieferanten, die über nationale Grenzen weit hinaus­ragen. Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass es bezogen auf ökonomische, soziale und ökologische Aspekte, diverse Nachhaltigkeitsprobleme gibt. Dazu zählen unter anderem opportunistisches Verhalten, Korruption, Menschenrechtsverletzungen und der zunehmende Druck auf planetarische Grenzen durch den Abbau von Ressourcen und Ausstoßen von Emis­sionen (Dani 2015). Zudem ist von einer verschlechternden Entwicklung auszugehen, wenn dem nicht entgegengesteuert wird, da die globale Population weiter zunimmt. Ein anschauliches Beispiel stellt die Lebensmittelbranche dar, denn die meisten Produkte, die täglich konsumiert werden, wurden zuvor ganz oder teilweise importiert, wie Weizen oder Speiseöle oder auch Getränke wie Tee und Kaffee. Bei dem stetigen Anstieg der Bevölkerung wird der Verbrauch von Lebensmitteln weiter ansteigen (Dani 2015). Zudem stellen Unterbrechungen der Liefer­kette aufgrund von diversen unvorhersehbaren Ereignissen, wie Pandemien und Kriege zusätz­liche Herausforderungen für die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung dar (Barman et al. 2021). Dies zeigt zudem auf, wie fragil und komplex Food Supply Chains sind, weswegen es als notwendig erachtet wird, sich mit dem Thema zu befassen. Während in Entwicklungsländern bereits heute mitunter Hunger herrscht, werden in hoch entwickelten Län­dern unverbrauchte Lebensmittel zu Abfällen (Dani 2015). Insgesamt gehen weltweit ein Drit­tel der Lebensmittel verloren oder werden zu Abfällen, dies entspricht 1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr (FAO 2017). Hinzukommt, dass Ressourcen zur Herstellung, wie Wasser und Energie für Lebensmittel verbraucht werden, die nicht konsumiert wurden. Die Steigerung der Nach­haltigkeit in der Food Supply Chain ist daher mit diversen Herausforderungen verbunden. Zur Bewältigung sollen Transparenz und Rückverfolgbarkeit beitragen. Die Transparenz kann un­gewollte Aktivitäten in der Lieferkette aufdecken und die Rückverfolgbarkeit zur Steigerung von Lebensmittelsicherheit ermöglichen und gleichzeitig Verluste reduzieren (Zhou und Xu 2022). Dem gegenüber stehen vielversprechende technologische Innovationen, wie die Block­chain Technologie, die für die Herausforderungen eine potenzielle Lösung sein könnten (Saberi et al. 2019). Diverse führende Unternehmen weltweit beschäftigen sich bereits mit diesem Problem und haben Pilotprojekte zur Lösung durch den Einsatz von Blockchain-basierten Lö­sungen gestartet (Friedman und Ormiston 2022; Kamath 2018). Zudem wird sich in der Forschung umfassend mit der Bewältigung der Herausforderungen in der Food Supply Chain durch den Einsatz der Blockchain auseinandergesetzt (Stranieri et al. 2021). Daher wird fol­gende Forschungsfrage in dieser Ausarbeitung behandelt: Inwiefern kann durch die Block- chain-Technologie die Nachhaltigkeit in der Food Supply Chain gefördert werden? Weiterhin sollen Handlungsempfehlungen für Unternehmen vergeben und ein Ausblick für mögliche For­schungsbereiche gegeben werden. Zu Beginn dieser Ausarbeitung wird zuerst die Nachhaltig­keit definiert. Zudem werden der Aufbau und die Herausforderungen einer nachhaltigen Food Supply Chain beschrieben. Anschließend werden die wesentlichen Eigenschaften der Block- chain-Technologie vorgestellt. Nachdem ein grundlegendes Verständnis geschaffen wurde, wird der Forschungsstand zur Nachhaltigkeit in der Food Supply Chain durch den Einsatz der Blockchain untersucht. Dafür wird die Methode der systematischen Literaturübersicht verwen­det. Zur Betrachtung der Nachhaltigkeit wird ein Framework eingesetzt, welcher die Treiber­dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Abschließend wird ein Fazit gezogen und Handlungsempfehlungen ausgesprochen.

2 Grundlagen

In diesem Kapitel wird Nachhaltigkeit definiert, die Food Supply Chain beschrieben und vor­gestellt, welche Herausforderungen es gibt, wenn man diese nachhaltig gestalten möchte. Zu­dem werden die wesentlichen Eigenschaften der Blockchain-Technologie vorgestellt.

2.1 Nachhaltige Food Supply Chain

Die Gegenwart ist von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderun­gen geprägt. Unser Handeln heute kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Lebensqualität zukünftiger Generationen haben. Die Ressourcen unserer Erde sind be­grenzt, während gleichzeitig unser absoluter Verbrauch allein durch die Zunahme der Weltbe­völkerung steigt. Während diese noch im Jahr 2019 bei rund 7,7 Milliarden lag, wird sie bis 2050 voraussichtlich auf 9,7 Milliarden und bis zum Jahr 2100 auf 10,9 Milliarden anwachsen (United Nations et al. 2019). Das Grundbedürfnis jedes Menschen dieser Welt, zu jeder Zeit Zugriff auf nahrhafte und bezahlbare Lebensmittel zu haben, die dem jeweiligen Lebensstil und den Lebensmittelpräferenzen entsprechen, wird besonders herausfordernd. Dieses Ziel ist je­doch noch nicht erreicht, denn in vielen Entwicklungsländern sind gesellschaftliche und politi­sche Probleme wie Armut und Korruption allgegenwärtig und haben einen starken Einfluss auf ortsansässige Lebensmittelherstellende (Dani 2015). Darüber hinaus werden Lebensmittel auf­grund der Globalisierung aus diversen Teilen der Welt beschafft, wodurch viele Menschen ungeahnt - je nach Ausgestaltung der globalen Food Supply Chain - entweder zu diesen Miss­ständen beitragen oder sich selbst durch minderwertige Nahrung gefährden (Dani 2015). Wei­terhin wird die Natur je nach Produkt oder Dienstleistung stark belastet. Daher ist es besonders relevant, die globale Food Supply Chain fairer und umweltschonender zu gestalten (Rejeb und Rejeb 2020). Nicht selten fällt bei der Lösungsfindung in diesem Zusammenhang der Begriff der Nachhaltigkeit oder der nachhaltigen Entwicklung. In der Literatur und im öffentlichen Diskurs gibt es diesbezüglich jedoch keine einheitliche oder eindeutige Definition (Purvis et al. 2019). Dadurch erscheint es schwierig, die einflussreichen Dimensionen der Nachhaltigkeit zu bestimmen und sich auf ein allgemeingültiges Verständnis festzulegen. In der wissenschaftli­chen Literatur gibt es verschiedene Ansätze, mit denen methodisch die Nachhaltigkeit unter­sucht werden kann (Purvis et al. 2019). In diesem Kapitel wird daher der Begriff Nachhaltigkeit zuerst definiert und die für die darauffolgenden Kapitel relevante Methode, mit der diese un­tersucht werden soll, vorgestellt. Anschließend werden die Merkmale einer nachhaltigen Food Supply Chain und ihre wesentlichen Herausforderungen dargestellt.

2.1.1 Definition der Nachhaltigkeit

Der Begriff Nachhaltigkeit entstammt aus der Forstwirtschaft aus dem achtzehnten Jahrhundert (Carlowitz 2012). Aufgrund der stetig steigenden Nachfrage nach Holz für Haus-, Schiff- und Bergbau wurde der Bestand an Bäumen stärker reduziert als er nachwachsen konnte. Dieses Problem hatte der Oberhauptmann des Erzgebirges Hannß Carl von Carlowitz erkannt und in seiner Abhandlung „Sylvicultura oeconomica“ festgehalten. Darin forderte er, dass der Wald nur so stark abgeholzt werden darf, wie er durch Aufforsten wieder regeneriert werden kann (Carlowitz 2012). Die Definition der Nachhaltigkeit nach Carlowitz bedeutet zusammenfas­send, dass von den Erträgen einer Grundsubstanz gelebt werden darf, während gleichzeitig der Verbrauch derselben nicht erfolgen darf. Die heute wohl bekannteste Definition des Begriffs Nachhaltigkeit geht auf den im Jahr 1987 veröffentlichten Brundtland Report der Weltkommis­sion für Umwelt und Entwicklung zurück. Darin wird nachhaltige Entwicklung folgender­maßen definiert: „Humanity has the ability to make development sustainable to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ (Brundtland 1987) Diese Definition erweitert die von Carlowitz, indem sie die Verantwortung der aktuellen Generationen für zukünftige benennt. Der Brundtland Report sollte Handlungsempfehlungen für eine stabile globale Entwicklung geben, da man sich bereits in den achtziger Jahren mit einer stetig wachsenden Weltbevölkerung, dem damit steigenden Bedarf an Ressourcen und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt, aber auch auf Wirtschaft und Gesellschaft konfrontiert sah. Die Inhalte des Berichts führten zu einem weltweiten Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit, aus dem zahlreiche Definitionen entstanden sind (Purvis et al. 2019). Der Begriff Nachhaltigkeit erhält erst im Kontext eine Bedeutung. So kann gleichermaßen von einer nachhaltigen Entwicklung oder auch von einer nachhaltigen Zer­störung gesprochen werden. Für diese Ausarbeitung ist die nachhaltige Entwicklung relevant. Diese kann als ein dynamischer Prozess verstanden werden, der zu keinem finalen Stadium gelangt, sondern vielmehr durch iterative Optimierungen kontinuierlich fortgeführt werden muss (Grunwald und Kopfmüller 2022). Ein Hauptbestandteil der Definition zur nachhaltigen Entwicklung aus dem Brundtland Report ist das Verantwortungsbewusstsein für eine gerechte Verteilung sämtlicher Möglichkeiten innerhalb der heutigen Generationen und mindestens das Aufrechterhalten der gleichen Möglichkeiten für die Zukunft (Brundtland 1987). Daraus folgt, dass schon heute versucht werden muss, die Gleichstellung zwischen Geschlechtern, Herkünf- ten, Sprachen, Ethnien und Konfessionen voranzubringen. Bei einem eindimensionalen Nach­haltigkeitskonzept wird die ökologische Dimension vor die soziale und diese vor die ökonomi­sche gestellt. Das Grundverständnis dieses Konzepts ist, dass der Mensch kein Systemfaktor von planetarischer Bedeutung ist. Daher ist sind ihm bestimmte zivilisatorische Eingriffe nicht erlaubt, beispielsweise die Veränderung großräumiger natürlicher Strukturen, der Abbau von Rohstoffen oder die kritische Belastung von schutzbedürftigen Gütern wie der Atmosphäre. Die Erhaltung der Natur ist die Grundlage für das Leben und Wirtschaften und ist daher als eine unabdingbare Voraussetzung für die menschliche Entwicklung anzusehen. Dies gilt sowohl für die Bedürfnisse heutiger als auch zukünftiger Generationen (Grunwald und Kopfmüller 2022). Anders als beim eindimensionalen Konzept wird bei dem mehrdimensionalen Konzept keine der Dimensionen vorrangig behandelt, sondern sie finden alle gleichermaßen Berücksichtigung. Zum einen wird argumentiert, dass sowohl die Forderung nach Gerechtigkeit als auch das Ver­antwortungsbewusstsein die Einbeziehung sämtlicher Dimensionen erfordert. Zum anderen wird argumentiert, dass ethisch betrachtet zukünftige Generationen den Anspruch haben, nicht nur ökologische Güter als Hinterlassenschaft zu erhalten, sondern auch Grundgüter wie Bil­dung, Wissen und ausreichende Ernährung zu vererben. Abbildung 1 ist eine grafische Darstel­lung des Triple-Bottom-Line Konzepts. Hierin wird nach drei Dimensionen unterschieden: der ökologischen, ökonomischen und sozialen. Die Schnittmenge bildet die Nachhaltigkeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Trippel-Bottom-Line

Quelle: In Anlehnung an Purvis et al. (2019)

Die ökonomische Dimension beschreibt den zentralen Einfluss der Wirtschaftsweise auf we­sentliche Aspekte der nachhaltigen Entwicklung. Damit eng verbunden können auch soziale Fragen sein, da es dabei auch um die Entwicklung und die Sicherstellung der globalen Grund­versorgung aller Menschen geht. Hauptziel ist es, ökonomisch die nachhaltige Entwicklung zu fördern (Purvis et al. 2019). Die soziale Dimension bezieht sich auf die nachhaltige Entwick­lung des einzelnen Individuums und die der gesellschaftlichen Normen und Rechte. Zu nennen sind hierbei sogenannte soziale Grundgüter wie beispielsweise das Recht auf ein selbstbe­stimmtes Leben, Gesundheit, Wohnen, Kleidung, Grundversorgung von Lebensmitteln und Bildung. Hierbei soll die nachhaltige Entwicklung durch eine gerechte Verteilung der Grund­güter und deren Weitergabe an zukünftige Generationen erfolgen (Purvis et al. 2019). Die iso­lierte Betrachtung und Optimierung der Dimensionen ist eines der grundlegenden Kritikpunkte, denn es wird dadurch vernachlässigt, dass sich wiedersprechende Ziele zwischen zwei oder drei Dimensionen einen Vorrang einer einzigen erfordern oder Kompromisse eingegangen werden müssen, die die Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung aller Dimensionen gleichermaßen reduziert (Grunwald und Kopfmüller 2022). Aus dem Diskurs und den Kritiken an der Extrem­position des mehrdimensionalen Nachhaltigkeitskonzepts entstand das integrative Nachhaltig­keitskonzept, das unterschiedliche Verflechtungen zwischen den Dimensionen zulässt. Bei die­sem werden vielmehr Nachhaltigkeitsprobleme und Handlungsstrategien integrativ untersucht. Dadurch werden die Dimensionen nicht mehr isoliert betrachtet, sondern eher ganzheitlich, wodurch dieses Konzept einen übergreifenden Charakter hat, der als Untersuchungsansatz heute noch in der Forschung Gültigkeit findet. Demnach können Nachhaltigkeitsprobleme sowie Handlungsstrategien mehrere Dimensionen gleichzeitig betreffen (Grunwald und Kopfmüller 2022). Häufig werden Ressourcen, die die Menschheit für die Entwicklung ver­braucht, in natürliches und künstliches Kapital unterschieden. Zu ersterem zählen beispiels­weise Boden, Luft, Rohstoffe, Gewässer oder Biodiversität. Mit künstlichem bzw. menschen­gemachtem Kapital sind zum Beispiel soziale Strukturen, Wissen, Maschinen oder Gebäude gemeint. In diesem Zusammenhang ist es in Bezug auf die Zukunftsverantwortung erforderlich, dass Ressourcen mindestens ungeschmälert, wenn nicht sogar erweitert von den aktuellen Ge­nerationen an die nächsten weitergegeben werden. Hierbei kann von schwacher Nachhaltigkeit gesprochen werden, wenn sich aus der Summe der Kapitalarten als Ergebnis entweder Erhal­tung oder Weiterentwicklung ergibt (Grunwald und Kopfmüller 2022). Daraus folgt, dass na­türliches durch künstliches Kapital substituierbar wäre. Von einer starken Nachhaltigkeit spricht man hingegen, wenn der Verbrauch von natürlichem Kapital als nicht substituierbar durch die Erschaffung von künstlichem Kapital gilt. Die Konsequenz ist, dass nicht die Ge­samtmenge, sondern die Kapitalarten getrennt bewertet werden müssen und es nur in einem begrenzten Maße erlaubt ist, innerhalb einzelner Komponenten einen Austausch durchzufüh­ren. Dies kann beispielsweise das Aufforsten eines Gebietes geschehen, nachdem ein anderes in derselben Menge abgeholzt wurde. Beide Positionen sind extrem, weswegen in dem integra­tiven Konzept der nachhaltigen Entwicklung eine mittlere Position zugrunde gelegt wird (Grun­wald und Kopfmüller 2022). Dabei ist eine begrenzte Substitution des natürlichen Kapitals für die Erschaffung von künstlichem Kapital zulässig, vorausgesetzt die Natur und ihre Funktionen bleiben grundlegend erhalten. Dabei werden beispielsweise Trinkwasser, Atemluft fruchtbare Böden als essenzielle Umweltgüter angenommen, da der Mensch ohne diese nicht überlebens­fähig wäre. Sie sind demnach zwingend zu erhalten und eine Substituierung durch künstliches Kapital unmöglich. Bei anderen Gütern muss abgewogen werden, welche Einbußen für kom­mende Generation entstehen könnten (Grunwald und Kopfmüller 2022).

2.1.2 Genereller Aufbau einer Food Supply Chain

Der Begriff Food Supply Chain kommt aus dem englischen Sprachraum und bedeutet, in die deutsche Sprache übersetzt, Lebensmittellieferkette. Sie umfasst Prozesse, Tätigkeiten und die Beteiligung von Entitäten, die an der Verarbeitung der Lebensmittel vom Roherzeugnis bis zum Endprodukt beteiligt sind. In dieser Arbeit gilt die Annahme, dass die Food Supply Chain die höchste Abstraktionsstufe der Lebensmittelindustrie ist, die auch sämtliche abzweigende Sub­lieferketten umfasst. Dazu zählen beispielsweise die Agri-Food Supply Chain oder die Meat and Poultry Supply Chain, die speziell die Lieferketten von Agrar- bzw. Fleischprodukten umfassen (Dani 2015). Auch wenn sich die Ausgestaltungen und Herausforderungen im Detail unterscheiden können, wird die Food Supply Chain in dieser Untersuchung als Ganzes betrach­tet und nicht tiefer auf die speziellen Herausforderungen der Sublieferketten eingegangen. Da­bei kann bei dem Begriff Chain, zu Deutsch ,-kette‘, der Eindruck entstehen, dass vom Anfang bis zum Ende eine gradlinige Kette gemeint ist, die Realität ist jedoch häufig komplexer. Ab­bildung 2 zeigt eine idealisierte vereinfachte Form der Akteure einer Food Supply Chain und deren Beziehungen zueinander (Dani 2015).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Akteure in einer Food Supply Chain Quelle: In Anlehnung an Dani (2015)

Die Akteure aus Abbildung 2 sind Produzierende, Handelnde, Verarbeitende, Gastwirtende, Einzelhandelnde, Distribuierende, Großhandelnde und schlussendlich die Konsumierende. Die Food Supply Chain beginnt mit den Produzierenden. Dazu zählen Betriebe der Landwirtschaft, die von Lieferbetrieben mit Werkzeugen, Samen, Düngemitteln, Pestiziden, Maschinen und anderen für die Erzeugung relevanten Mitteln beliefert werden (Dani 2015). Die Roherzeug­nisse der Produzierenden werden anschließend entweder indirekt über einen Handelnden oder direkt an den Verarbeitenden geliefert. Letztere sind Unternehmen, die das Roherzeugnis zu Produkten weiterverarbeiten. Handelnde nehmen in diesem Zusammenhang die Rolle von In­termediären ein. Deren Dienstleistung trägt häufig nicht direkt zur Wertschöpfung des Produk­tes bei und bildet eine Zwischenstation für Roherzeugnisse (Srivastava und Dashora 2022). In einigen Fällen beliefern Produzierende zudem Gastwirtende oder Konsumierende direkt oder über den Verarbeitenden, wobei der häufigste Weg über den Einzelhandelnden erfolgt. Distri- buierende wiederum beschaffen sowohl vom Produzierenden als auch vom Verarbeitenden Er­zeugnisse, die in größeren oder kleineren Mengen über verschiedene Transportwege verteilt werden. Der Einzelhandel präsentiert Produkte lokal für den Konsumierenden, bei dem die Food Supply Chain ihr Ende findet (Dani 2015).

2.1.3 Herausforderungen in Food Supply Chains

Food Supply Chains sind fragil und komplex (Xu et al. 2021). Aus diesem Grund kann ihre Nachhaltigkeit durch disruptive Veränderungen wie die Covid-19-Pandemie oder den anhal­tenden Krieg in der Ukraine negativ beeinflusst werden oder erheblich gestört werden (Wang et al. 2021). Um die Nachhaltigkeit in der Food Supply Chain sicherzustellen, ist es erforder­lich, in jedem der Prozessschritte, also Produktion, Verarbeitung, Distribution, Einzelhandel und beim Konsumierenden der Food Supply Chain, ein hohes Maß an Nachhaltigkeit zu erzie­len (Barman et al. 2021).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Herausforderungen in Food Supply Chains Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Friedman und Ormiston (2022)

Tabelle 1 bietet einen Überblick der größten Herausforderungen einer Food Supply Chain. Die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln kann die Nachhaltigkeit laut einigen Fachartikeln stei­gern (Zhou und Xu 2022). Zudem kann sie Probleme, die auf Informationsasymmetrien zurück­zuführen sind, minimieren. Der Bullwhip-Effekt ist ein Beispiel dafür und wird definiert „als die Zunahme der Varianz der Bestellmenge je Teilnehmer im Verhältnis zur Varianz der End­konsumentennachfrage.“ (Keller 2004, S.19). Gerade in der Produktion ist ein hohes Maß an Nachhaltigkeit erforderlich, damit die Food Supply Chain von Beginn an frei von Fehlern ist (Dey et al. 2021). Durch die Rückverfolgbarkeit können die Lebensmittelsicherheit und -quali­tät gesteigert werden (Corallo et al. 2020). Diese werden bedroht durch Kontamination, wie durch über Lebensmittel übertragbare Krankheiten oder falsche Lagerung entlang der Food Supply Chain (Dani 2015). Diese Gefahren bedrohen die Gesundheit der Konsumierenden. Häufig dauert es mehrere Tage bis Wochen, bis bekannt ist, welche Lebensmittel betroffen sind und woher die Quelle der Gefahr stammt (Westerlund et al. 2021). Eines der bekanntesten Bei­spiele in Deutschland war die Verbreitung von Escherichia coli, bei der fälschlicherweise an­genommen wurde, dass die Kontamination von Gurken ausging. Dies hatte zur Folge, dass die landwirtschaftliche Betriebe, bei denen man den Ursprung vermutete, ihre gesamte Ernte ver­nichten mussten, was für sie einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust bedeutete. Als einige Tage danach bekannt wurde, dass nicht Gurken verantwortlich waren, sondern Sojaboh­nensprossen, war es bereits für viele landwirtschaftliche Betriebe zu spät. Zudem hatte es meist dieselben landwirtschaftliche Betriebe getroffen, die zuvor ihre Gurkenernte vernichten muss­ten. Gleichzeitig wurde die Bevölkerung verunsichert, wodurch die Nachfrage nach Gurken erheblich zurückgegangen war. Zudem waren Konsumierenden bis zur Entdeckung der tatsäch­lichen Quelle der Gefahr schutzlos ausgesetzt (Lambernd 2021). Dieses Beispiel soll zeigen, welche Tragweite die Herausforderungen der Food Supply Chain haben können. Die Heraus­forderung der Lebensmittelsicherheit beschneidet daher unterschiedliche Nachhaltigkeitsas­pekte. Aus der ökonomische Perspektive trägt die Landwirtschaft das wirtschaftliche Risiko, aus sozialer Perspektive wird die Gesundheit von Konsumierenden gefährdet und gleichzeitig aus ökologischer Perspektive entstehen Lebensmittelverluste, für die Ressourcen wie Wasser, Energie verbraucht wurden. Eine weitere Herausforderung ist die fehlende Transparenz über Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen entlang der Food Supply Chain (Teh et al. 2019). Die Komplexität durch die geografische Verteilung kann Möglichkeiten für moderne Sklaverei bieten, bei der die Menschenrechte der Arbeitenden untergraben werden (Maloni und Brown 2006). Zudem gibt es so Raum für unsichere Arbeitsbedingungen, Betrug bezüglich falscher Etikettierung von Lebensmitteln und Korruption (Silvestre et al. 2018). Hierdurch kann sowohl irreversibler ökonomischer als auch sozialer Schaden verursacht werden, was daher bei der Steigerung der Nachhaltigkeit in der Food Supply Chain Berücksichtigung finden sollte (Friedman und Ormiston 2022).

Das Fehlen der Nachhaltigkeit in einer Food Supply Chain kann aufgrund von zwei grundle­genden Problemen zu einer ökologischen Herausforderung werden, zum einen durch Lebens­mittelverschwendung und zum anderen durch die Begrenztheit der planetaren Ressourcen (Campbell et al. 2017). Schätzungen zufolge werden ungefähr ein Drittel sämtlicher produzier­ter Lebensmittel entlang der Food Supply Chain transportiert. Verluste im Sinne von Lebens­mittelverschwendung entstehen insbesondere bei Aktivitäten wie Ernte, Lieferung, Lagerung und im Einzelhandel, wobei die höchsten Einbußen durch landwirtschaftliche Rückstände und bei der Produktion tierischer Lebensmittel zu verzeichnen sind (Alexander et al. 2017). In wohl­habenderen Ländern ist die Rate der Lebensmittelverschwendung und die Entstehung von Ver­packungsabfällen zusätzlich beim Konsumierenden hoch (Schmidt und Matthies 2018). Zudem ist die Lebensmittelverschwendung Schätzungen zufolge für 8% der globalen menschenge­machten Treibhausgasemissionen verantwortlich, wodurch dieses Problem den Klimawandel vorantreibt (FAO 2017).

Weiterhin wird durch das stetige globale Bevölkerungswachstum die Nachfrage nach Lebens­mitteln gesteigert, wodurch sich der Druck auf die biophysikalischen Grenzen unserer Erde voraussichtlich erhöhen wird. Insbesondere die Landwirtschaft wird ein Treiber für das Überschreiten der planetaren Grenzen sein (Campbell et al. 2017). Diesbezüglich wird die Be­drohung der ökologischen Integrität und der biochemischen Abläufe als besonders gefährlich bezeichnet (Rockström et al. 2009). Die landwirtschaftliche Lebensmittelherstellung bedeckt bereits heute circa 40% der Erdlandschaft und ist für schätzungsweise 30% der globalen Treib­hausgase verantwortlich (Clark et al. 2019; Allen 2015). Die Lebensmittelherstellung ist daher einer der wichtigsten Faktoren bei der Produktion von Treibhausgasen und somit für den Kli­mawandel verantwortlich. Lange Transportwege von Lebensmitteln können zusätzlich zum Problem beitragen (Maloni und Brown 2006).

2.2 Eigenschaften der Blockchain Technologie

Die Blockchain-Technologie wurde im Jahr 2008 von einer Person oder Organisation unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto entwickelt und veröffentlicht. Nakamoto entwickelte das Konzept für ein elektronisches Geldzahlungssystem, das digitale Signaturen mit Zeitstempeln als Transaktionen abspeicherte. Es kommuniziert Peer-to-Peer, also von Rechner zu Rechner. Das digitale Transaktionssystem nannte er Bitcoin (Nakamoto 2008). Die Grundlage der Tech­nologie ist ein dezentrales und distribuiertes Servernetzwerk namens Blockchain. Durch die Anwendung eines verteilten Systems und eines Konsensalgorithmus entfällt die Notwendigkeit von Intermediären wie Finanzinstituten, die die Transaktionen validieren. Bitcoin ist einer der bekanntesten Anwendungsfälle der Blockchain, jedoch kann sie neben der Finanzbranche auch überall da sinnvoll verwendet werden, wo das Misstrauen hoch ist und eine Transaktion durch einen Dritten bestätigt werden muss (Friedman und Ormiston 2022, 2). Entlang der Food Supply Chain befinden sich Agierende in wechselseitigen Beziehungen und tauschen sensible Informationen aus, bei denen Vertrauen eine wichtige Rolle spielt. Daher bieten sich hier Po­tenziale für den Einsatz der Blockchain. Die Ausprägungen der Blockchain-Eigenschaften sind von der Implementierungsvariante abhängig, von der die drei wichtigsten Ausprägungen in Ta­belle 2 dargestellt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Eigenschaften je nach Blockchain

Quelle: In Anlehnung an (Zheng et al. 2017)

Die erste Implementierungsvariante ist die öffentlich zugängliche Blockchain, bei der jede Per­son uneingeschränkt partizipieren kann. Diese wird dadurch charakterisiert, dass keine einzelne Organisation das System kontrollieren kann, da es auf der Basis eines Peer-to-Peer-Protokolls ausgeführt wird (Chikhi et al. 2022). Den Konsens über neue Transaktionen regelt ein automa­tisierter Algorithmus. Der sogenannte Konsensalgorithmus ist ein zentraler Bestandteil jeder Blockchain. Sogenannte Miner, zu Deutsch Schürfer, lösen komplexe mathematische Prob­leme, wodurch Sie Transaktionen validieren. Alle Miner haben ein identisches Grundbuch, in dem sämtliche Transaktionen in Blöcken eingetragen sind. Jede letzte Transaktion in einem Block wird für die Erstellung eines neuen verwendet, wodurch jeder Block mit dem vorherigen verbunden ist, daher der Name Blockchain (Kamilaris et al. 2018). Miner nehmen in diesem Zusammenhang die Rolle der Validierenden ein (Crosby et al. 2016).

Die zweite Implementierungsvariante ist die private Blockchain. Hierbei handelt es sich um eine zugangsbeschränkte Variante, an der nur vorher bestimmte Nutzende teilnehmen können. Verwaltet wird die Blockchain von einer zentralen Organisation. Diese entscheidet, ob Trans­aktionen validiert werden, weswegen Miner nicht benötigt werden und die Effizienz hoch ist. Dabei kann die Blockchain vollständig auf einen bestimmten Zustand zurückgesetzt werden und Daten sind grundsätzlich veränderlich (Chikhi et al. 2022).

Die dritte Implementierungsvariante ist die Konsortium-Blockchain. Hierbei werden die Eigen­schaften beider zuvor genannten Varianten zusammengeführt. Auch hier gibt es eine Zugangs­beschränkung, jedoch wird diese von einem Konsortium verwaltet, das, ähnlich wie bei der öffentlichen Blockchain, Miner hat. Diese müssen über einen Konsensalgorithmus die Trans­aktionen validieren (Chikhi et al. 2022). Der Unterschied zur öffentlichen Blockchain ist vor allem die Effizienz. Durch die Zulassungsbeschränkung und der Dezentralität wird eine Verän­derlichkeit der Daten erschwert und außerdem eine hohe Transparenz und Effizienz erreicht (Friedman und Ormiston 2022). Auf diese Eigenschaften wird nachfolgend näher eingegangen.

2.2.1 Transparenz

Die Kombination des sicheren Zugangs durch autorisierte Entitäten und die Möglichkeit, Daten öffentlich einsehbar zu machen, führt zur Transparenz (Mukkamala et al. 2018). Während nur autorisierte Teilnehmende Zugriff auf die Blockchain erhalten, sind die Daten für alle Netz­werkteilnehmende einsehbar. Der Konsensalgorithmus stellt sicher, dass die Vergangenheits­daten korrekt und zuverlässig sind (Kim und Shin 2019). Durch digitale Signaturen, auch Pri­vate Key bezeichnet, können Blockchains relativ einfach die Identität von Teilnehmenden nachweisen, wodurch die Autorisierung der Transaktionsteilnehmenden nur erfolgt, wenn die Identitäten echt und nicht gefälscht sind (Galen et al. 2018).

[...]

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Die Nachhaltigkeit von Food Supply Chains durch den Einsatz der Blockchain-Technologie
Untertitel
Eine Literaturübersicht
Hochschule
Universität Hamburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2022
Seiten
43
Katalognummer
V1303624
ISBN (Buch)
9783346769763
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Blockchain, Food Supply Chain, Sustainability, Nachhaltigkeit, Lebensmittellieferkette, Wertschöpfungskette, Blockchain-Technology, Blockchain Technology, Blockchain Technologie, Blockchain-Technologie, Supply Chain, Supply Chain Management, Food-Waste, Food-Security, Rückverfolgbarkeit, Traceability, Food-Traceability, Distributed Ledger Technology, Nachhaltigkeitsziele, Sustainability Goals
Arbeit zitieren
Vera Sigida (Autor:in), 2022, Die Nachhaltigkeit von Food Supply Chains durch den Einsatz der Blockchain-Technologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1303624

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