Wer entscheidet über Sprache? Gremien für den Umgang mit der deutschen Sprache


Ausarbeitung, 2021

8 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe

Inhalt der Vorlesungseinheit

Von der Respektrente über die Corona-Pandemie bis hin zum Wellenbrecher - Jahr für Jahr wird in Deutschland das „Wort des Jahres“ als sprachlicher Jahresrückblick gekürt (vgl. https://gfds.de/aktionen/wort-des-jahres/). Doch was steckt dahinter? Wieso gerade diese Wörter? Und wer wählt sie? Genau mit solchen und grundsätzli­cheren Fragen über die Verantwortlichkeit der deutschen Sprache beschäftigt sich die siebte Vorlesungseinheit Wer entscheidet über Sprache? Um einen Überblick über die Thematik zu bekommen, werden nachfolgend die zentralen Inhalte der Vorlesung wie­dergegeben. Dafür wird zunächst der gegenwärtige deutsche Sprachraum dargestellt. Anschließend die für die deutsche Sprache zuständigen Akteure und Gremien inner­halb Deutschlands beleuchtet. Und zuletzt diejenigen Einrichtungen betrachtet, welche für die auswärtige Sprachpolitik des Deutschen verantwortlich sind. Damit soll Auf­schluss darüber gegeben werden, welche institutionellen Grundstrukturen hinter dem Umgang mit der deutschen Sprache stecken.

Wie auf der Karte in Abbildung 1 zu sehen, wird Deutsch nicht nur in Deutschland gesprochen. Zwar macht das Land geographisch und mit 83 Mio. Deutschsprechenden die größte Einheit des deutschen Sprachraums aus, jedoch erstreckt sich dieser über zahlreich weitere mitteleuropäische Länder und Regionen hinaus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Deutsches Sprachgebiet

Da sich die Sprachgrenzen nicht genau mit den Staatsgrenzen decken, gibt es in den Grenzgebieten Übergangsbereiche auf dialektaler Ebene. Dementsprechend hat sich das aktuelle deutsche Sprachgebiet (dunklere Farben) wie folgt ausgedehnt: der nord­deutsche Dialekt reicht bis in den östlichen Teil der Niederlande, der mitteldeutsche Dialekt bis nach Belgien, Luxemburg sowie Lothringen und der oberdeutsche Dialekt bis in das Elsass, die Schweiz, Österreich und Südtirol. Daneben gibt es bis heute Sprachinseln im ehemaligen deutschen Sprachgebiet (hellere Farben). Zu diesen ge­hören deutschsprachige Minderheiten in Polen, Pommern, Schlesien sowie im Sude­tenland und ehemaligen Ostpreußen. Insgesamt werden die in der Agenda aufgeliste­ten Dialekte des Deutschen oftmals durch das Hochdeutsche überdacht.

Marten (2016: 35ff.) unterscheidet Regierungen, Bildungseinrichtungen, Quasiregie­rungsorganisationen, Unternehmen und nicht-staatliche politische Organisationen als Akteure der Sprachpolitik. Diese werden im Folgenden auf die Situation in Deutsch­land übertragen. Die Regierung setzt sich aus dem Bundesstaat selbst und den stark ausgeprägten substaatlichen Organisationen der Länder und Gemeinden zusammen. Da die Länder Kulturhoheit besitzen, haben diese in sprachlicher Hinsicht die größte Entscheidungskraft. Somit müssen Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Hoch­schulen und die Erwachsenenbildung den Beschlüssen der Länder folgen, in denen die Unterrichtssprachen festgelegt werden. Die Quasiregierungsorganisationen betreffen öffentliche Institutionen. Dazu zählen unter anderem staatliche Verbände, Kulturein­richtungen wie Theater und Museen sowie die davon unabhängige Justiz, welche die Sprache und deren Verwendung in Deutschland regelt. Das Unternehmen schließt als sprachpolitscher Akteur Verlage, Marketing und Werbung sowie interne Unterneh­mensstandards und -verfahren mit ein. Demnach ist der DUDEN-Verlag keine staatli­che Instanz, wie oft fälschlicher Weise angenommen. Denn er normiert keine Recht­schreibregeln, sondern setzt lediglich die Entscheidungen vom Rat der deutschen Rechtschreibung um. Die nicht-staatlichen politischen Organisationen umfassen einer­seits politische Parteien, die sich durch eine bestimmte Haltung zu sprachlichen The­men oder durch sprachpolitische Statements in den Diskurs miteinbringen. Anderer­seits sind NGOs sowie Aktivistenorganisationen wie Vereine und Verbände diesem Akteur zugehörig.

Die Gesellschaft für deutsche Sprache, kurz GfdS, ist ein solcher nicht-staat­licher Verein. Jene stellt durch ihre zahlreichen Regional- und Auslandsteilvereine eine Art Repräsentanz für das Deutsche in der Welt dar. Als Vereinsziel definiert die GfdS die „Pflege und Erforschung der deutschen Sprache“ (https://gfds.de/ueber-die- gfds/). Dafür geht sie neben Aktionen wie dem „Wort des Jahres“ und Preise rund um die deutsche Sprache auch dem Angebot eines Vornamen-Services nach. Zudem hat der Verein halbstaatliche Aufgaben als Redaktionsstab im Deutschen Bundestag und ist mitverantwortlich für die Vertreter im Rat für deutsche Rechtschreibung.

Des Weiteren gibt es den Verein Deutsche Sprache (VDS) als gemeinnützigen Verein bzw. NGO. Dieser steht Phänomenen wie Anglizismen oder dem Gendern kri­tisch gegenüber. Vielmehr macht er sich für die deutsche Sprache mit Initiativen wie „Deutsch ins Grundgesetz“ oder der Einführung des „Tags der deutschen Sprache“ stark. Jedoch gerät der Verein durch diese Haltung in die Kritik und es wird ihm ein sprachnationalistisches Verhalten vorgeworfen. Dementsprechend bedient sich insbe­sondere die AfD an den Positionen des VDS.

Als Teil der Quasiregierungsorganisationen agieren Gremien als Einrichtungen, die sprachliche Kontroversen austragen. Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist für Fragen bezüglich der Orthografie verantwortlich. Als zwischenstaatliches Gremium soll dieser die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum bewah­ren und sie auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks weiterentwickeln (vgl. https://www.rechtschreibrat.com/ueber-den-rat/). Insgesamt besteht der Rat aus 40 Mitgliedern aus sieben Ländern und Regionen. In zwei jährlichen Sitzungen treffen sich die Mitglieder*innen und tauschen sich in vier Arbeitsgruppen zu den Themen Zeichensetzung, Schule, Korpus und geschlechtergerechte Schreibung aus. Die dazu verfassten Berichte werden anschließend an das Kultusministerium und die Kultusmi­nisterkonferenz weitergeleitet.

Die Kultusministerkonferenz, kurz KMK, gilt als wichtiges Gremium für die Koordination zwischen den Ländern. Regelmäßig kommen die zuständigen Minis­terinnen sowie Senatorinnen der Länder zusammen, um „für das notwendige Maß an Gemeinsamkeit in Bildung, Wissenschaft und Kultur“ (https://www.kmk.org/kmk/aufgaben.html) in ganz Deutschland zu sorgen. Aufgrund einer fehlenden einheitlichen deutschen Kulturpolitik werden auch sprachliche Kon­flikte in der KMK ausgetragen. So kommt es bspw. bei der Normierung der deutschen Sprache vor allem auf die Schulen an, welche Ländersache sind.

Als ein weiteres Gremium in Deutschland ist der Deutsche Sprachrat zu nen­nen. Dieser ist ein Zusammenschluss aus dem Goethe-Institut, dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS), der GfdS und dem Deutschen Akademischen Austausch­dienst. Im Gegensatz zum Deutschen Kultur- oder Musikrat ist dieserjedoch nicht sehr bedeutend. Mit „Aktionen und Stellungnahmen zu Entwicklungen der deutschen Sprache“ (E-Folie 9 des Foliensatzes zur Vorlesung 7) verfügt er über nur wenige Kompetenzen.

Die auswärtige Sprachpolitik des Deutschen wird von zahlreichen Einrichtungen be­stritten. Dazu zählen neben deutschen Auslandsschulen und -Universitäten auch das IDS sowie staatliche Stiftungen wie die Alexander von Humboldt Stiftung.

Die wohl wichtigste und größte Einrichtung ist das Goethe-Institut (Gl). Von seinen insgesamt 171 Instituten befinden sich 12 in Deutschland und 159 in weiteren 98 Ländern auf der ganzen Welt. Das Institut hat sich zur Aufgabe gemacht, die Kennt­nisse über die deutsche Sprache im Ausland zu fördern und die internationale kultu­relle Zusammenarbeit zu pflegen (vgl. https://www.goethe.de/de/index.html). Dafür bringt es sich in Kulturveranstaltungen sowie Festivalbeiträgen zur klassischen Musik und Literatur ein. Außerdem besteht ein großes Angebot an Bibliotheken, Foren und Publikationen, um das aktuelle Deutschlandbild zu vermitteln. Die mit dem Gl in an­deren Ländern Europas vergleichbaren Einrichtungen für deren auswärtige Sprachpo­litik sind das „Institut frangais“ in Frankreich, das spanische Institut „Institute Cervan­tes“ oder das „Istituti Italiani di Cultura“ für das Italienische (vgl. E-Folie 16 des Fo­liensatzes zur Vorlesung 7).

Der Deutsche Akademische Austauschdienst, kurz DAAD, ist die global größte Austauschorganisation zwischen Studierenden und Wissenschaftlern. Er erhält mit 522 Mio. Euro den höchsten Etat von den sprachlichen Auslandseinrichtungen in Deutschland. Es wird das Ziel verfolgt, die Germanistik und die deutsche Sprache im Ausland zu stärken (vgl. https://www.daad.de/de/der-daad/was-wir-tun/). Zu dem Wirkungsbereich des DAADs gehört bspw. die Vergabe von Stipendien und ein Bera­tungsangebot für Akademiker. Er setzt obendrein das Erasmus+ Programm im Hoch­schulbereich um.

Als Teil der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands bietet die Deutsche Welle (DW) ein internationales Radio- und Fernsehangebot an. Die Inhalte werden in 32 unterschiedlichen Zielsprachen gesendet. Dabei grenzt sich der Sender in vielen Ländern von den zentralgesteuerten Medien als eine verlässliche und objek­tive Informationsquelle ab. Zudem bietet die DW Deutschkurse, Lemvideos sowie eine Community an, um Deutsch zu lernen.

Einordnung und Reflexion

Die Vorlesungseinheit lässt sich gut in den größeren Zusammenhang der gesamten Vorlesung einordnen. Denn egal ob es um Anglizismen, die Rechtschreibung oder das Gendern geht - bei der Austragung von Debatten rund um die deutsche Sprache sind immer sprachpolitische Akteure oder Gremien beteiligt. Damit eine bestimmte Posi­tion durchgesetzt werden kann, müssen diejenigen Einrichtungen konsultiert werden, die eine gewisse Entscheidungskraft besitzen. Davon gibt es in Deutschland nicht viele, da es seitjeher nur wenig staatlichen Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Sprache gibt.

Es sind auf der einen Seite wenige Gremien vorhanden, die tatsächlich etwas bewirken können. Dazu gehört der Rat für deutsche Rechtschreibung, der das einzige von staatlicher Seite befugte Entscheidungsgremium für die Normierung des Deut­schen ist. Wie aus der vierten Vorlesungseinheit Orthografie hervorgeht, wurde der Rechtschreibrat im Rahmen der größten sprachlichen Kontroverse des 20. Jh., der Or- thografiereform, eingerichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es kein Gremium für die Normierung der deutschen Rechtschreibung gegeben. Vielmehr hatte der Recht­schreibduden diese Kompetenz für rund 40 Jahre vom KMK zugesagt bekommen. Je­doch sollte die hoheitliche Angelegenheit um die Kultursprache Deutsch nicht länger durch einen privaten Verlag repräsentiert werden. Deshalb wurde zunächst die inter­nationale Kommission für die Verfolgung der Entwicklung der Rechtschreibung am IDS eingerichtet und der Beirat für deutsche Rechtschreibung konstituiert. Der anhal­tende Zustand aus Debatten und Widerständen um die Rechtschreibreform konnte schließlich mit dem Einsatz des Rechtschreibrats 2004 beendet werden. Dieser arbeitet seither in Phasen an der deutschen Rechtschreibung. In der erst jüngsten Phase von 2017 bis 2023 steht er aufgrund des Gendems vor einer ganz neuen rechtschreib- sowie zeichensetzungsrelevanten Herausforderung.

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Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Wer entscheidet über Sprache? Gremien für den Umgang mit der deutschen Sprache
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Vorlesung: Historische und aktuelle Kontroversen um die deutsche Sprache
Note
2,0
Jahr
2021
Seiten
8
Katalognummer
V1304155
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Linguistik, Sprachwissenschaft, Deutsche Sprache, Deutscher Sprachraum, Sprachpolitik, Akteure, Gremien, Institutionen, Germanistik, Deutsch, Sprache
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Wer entscheidet über Sprache? Gremien für den Umgang mit der deutschen Sprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1304155

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