Leseprobe
Inhalt
1. Hinführung
2. Ein möglicher Transweg
2.1. Medizinische Möglichkeiten
2.2. Das TSG und die Vornamens-/Personenstandsänderung
3. Die Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Hinführung
Outet sich das eigene Kind gegenüber Familienangehörigen, etwa bei den Eltern, Geschwistern und Großeltern, als trans*, so ist dies eventuell für jene erst mal ein Schock. Im weiteren Prozess nimmt insbesondere der engste Familienkreis eine wichtige Rolle für das Kind oder die*den Jugendliche auf deren*dessen weiteren Weg ein. Bestenfalls wird das Kind in seiner Transition unterstützt und begleitet, auch wenn es anfangs Fragen und Unklarheiten von Seiten der Familie geben kann. Gespräche mit Therapeut*innen oder Psycholog*innen etwa können eine Möglichkeit sein, das eigene Kind besser zu verstehen und Informationen zu erhalten, wie es in Zukunft weitergehen könnte. Trans*Kinder und Jugendliche in der Kinder- und Jugendhilfe müssen unter Umständen besonders geschützt oder im Hilfekontext begleitet werden, da die LGBTQ*Community zu einer Minderheit gehört. Laut einer Studie des „mdr“, bei der es um die Suizidrate von Jugendliche ging, erfuhren von den 334 identifizierten LGBTQ*-Jugendlichen etwa 20,7 Prozent Mobbing, was somit jede* fünfte Jugendliche dieser Community wäre (vgl. MDR WISSEN 2020). Bei den Heranwachsenden, die sich nicht als Teil der LGBTQ*-Community sehen, waren es 4,4 Prozent, was somit „nur“ jede*r Zwanzigste war (vgl. ebd.). Dies veranschaulicht, dass LGBTQ*-Jugendliche anfälliger für Mobbing sind und deshalb geschützt werden sollten.
Trans*Menschen haben meistens einen schwierigen und langen Weg vor sich, sowohl aus medizinischer, als auch juristischer Sicht, wie im Folgenden aufgezeigt wird. Hier kann die Kinder- und Jugendhilfe einen Beitrag leisten, wie sie trans*Jugendliche auf ihrem Weg begleiten und unterstützen kann.
2. Ein möglicher Transweg
Hat das innere Coming-Out stattgefunden, sprich das „Zu sich selbst stehen“ und die Erkenntnis der eigenen Identität, so kann nun bei entsprechendem Wunsch die äußerliche Angleichung erfolgen. Dies kann etwa mit dem äußeren Coming-Out beginnen, bei dem nun dann auch Familie, Freunde, die Schule und weitere Instanzen aus dem persönlichen Umfeld gesagt bekommen, wie man sich fühlt, wie man angesprochen werden möchte und welchen Namen man ab sofort trägt. Damit auch das körperliche zum inneren Empfinden kongruent wird, beginnen viele trans*Menschen eine Hormontherapie mit später folgenden geschlechtsangleichenden Operationen. Im Folgenden sollen nun sowohl medizinische als auch juristische Möglichkeiten für trans*Personen aufgezeigt werden.
2.1. Medizinische Möglichkeiten
Kinder haben die Möglichkeit, vor Einsetzen der Pubertät sogenannte Pubertätsblocker zu nehmen, die die Unterdrückung sämtlicher hormoneller Funktionen zur Folge haben (vgl. RAUCHFLEISCH 2021, S. 125). Ab dem 16. Lebensjahr kann dann der Beginn der gegengeschlechtlichen Hormonbehandlung stattfinden, sofern die Indikation etwa eines Therapeuten oder einer Psychologin bei der*dem zuständigen Endokrinolog*in vorliegt, die die Transsexualität der*des Jugendlichen bestätigt (vgl. ebd., S. 126f.). Nach einer gewissen Zeit entscheiden sich viele Jugendliche dazu, chirurgische Maßnahmen zu ergreifen, um sich äußerlich dem gelebten Geschlecht anzupassen (vgl. ebd., S. 128). Trans*Jungs ist in den meisten Fällen insbesondere die Mastektomie, sprich die Angleichung an die männliche Brust, von großer Wichtigkeit (vgl. ebd., S. 129). Viele binden ihre Brust ab, sodass man keine „weiblichen Brüste“ erkennen kann, was jedoch häufig zur Folge hat, dass sie sich nicht mehr ins Schwimmbad trauen, sich nur beschränkt im Schulsport oder im Verein bewegen (können) etc. (vgl. ebd.). Dies wäre für sie nach der Mastektomie unbeschwerter möglich. Weitere mögliche Operationen, beispielsweise die Hysterektomie, also die Entfernung der Gebärmutter oder der Aufbau eines Penoids, erfolgen je nach persönlichen Vorstellungen schrittweise im Laufe der Zeit (vgl. ebd.). Damit die Kosten für die angestrebten Operationen von der Krankenkasse übernommen werden, bedarf es häufig unter anderem einer gutachterlichen Stellung, die dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zukommen muss, damit die Kosten bewilligt werden am Ende (vgl. ebd.). Hier zeigt sich, dass es eine große Fremdbestimmung gibt, welcher die Trans*Menschen unterworfen sind (vgl. ebd.).
2.2. Das TSG und die Vornamens-/Personenstandsänderung Trans*Menschen haben die Möglichkeit, über das TSG (Transsexuellengesetz) ihren Vornamen und ihren Personenstand ändern zu lassen. Hierfür müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Zum einen muss davon ausgegangen werden können, dass sich die Person „auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenem Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 TSG). Weiterhin muss laut § 1 Abs. 1 Nr. 2 TSG „mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen [sein], dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird“. Die dritte Bedingung ist, dass die antragsstellende Person etwa laut § 1 Abs. 1 Nr. 1a TSG Deutsche*r im Sinne des Grundgesetzes ist. Über die Entscheidung verfügt laut § 2 Abs. 1 TSG das zuständige Amtsgericht. Die drei genannten Aspekte müssen von zwei unabhängig voneinander tätigen Gutachter*innen geprüft und bestätigt werden, dies sieht § 4 Abs. 3 TSG vor.
Auch hier ist erkennbar, dass der Prozess von Fremdbestimmung geprägt ist. Gutachter*innen müssen die die Transsexualität „offiziell“ bestätigen, damit die Vornamens- und Personenstandsänderung auch wie gewünscht abgeschlossen werden kann. Dies muss geschehen, auch wenn die antragsstellende Person sich seiner selbst sicher ist.
3. Die Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe
Trans*Kinder und Jugendliche haben, wie oben beschrieben, nochmals andere Herausforderungen und Hürden in ihrem Leben, bei denen sie eventuell Unterstützung benötigen. Dies kann insbesondere durch die Eltern geschehen, da aber in Einrichtungen der Kinder- und Jugendlichen oftmals die Peergroups für die jungen Menschen sind, müssen hier die Betreuenden agieren. In diesem Kapitel sollen nun Wege der passiven und aktiven Unterstützung der Professionellen in der Kinder- und Jugendlichen für Trans*Kinder und Jugendliche aufgezeigt werden.
Da es in der Gesellschaft häufig heteronormatives Denken gibt, ist ein Bewusstsein über die Vielfalt von Identitäten und Sexualitäten wichtig. So lässt etwa das Äußere einer Person nicht zwangsläufig auf eine sexuelle Orientierung oder auf eine Geschlechtsidentität rückschließen (vgl. QUEERFORMAT 2021, S. 25). Über diese Aspekte kann man sich dann sicher sein, wenn die entsprechende Person es persönlich geäußert hat (vgl. ebd.). Unabhängig davon, ob diese Äußerungen überraschend sind oder zu erwarten waren, sind sie ernst zu nehmen und das Kind oder der*die Jugendliche in seiner*ihrer Entwicklung zu unterstützen (vgl. DER PARITÄTISCHE GESAMTVERBAND 2021, S. 31). Hilfreich vor Coming-Outs oder auch im Allgemeinen sind geschlechtsneutrale Formulierungen in Gesprächen (vgl. ebd.).
Offenheit, Interesse und Ansprechbarkeit im Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen ist wichtig zu zeigen, Irritationen und persönliche Unsicherheiten gehören zum Lernprozess dazu und eröffnen bestenfalls neue Perspektiven (vgl. QUEERFORMAT 2021, S. 26). Die jungen Menschen brauchen Fachkräfte, die bestärken und unterstützend auf ein Coming-Out reagieren und oftmals die Sicherheit, dass vertraulich mit den Informationen umgegangen wird (vgl. ebd.). Das Coming-Out einem selbst gegenüber ist ein Zeichen von Vertrauen und sollte somit als Vertrauensvorschuss gesehen werden und es sollte respektiert werden, wenn bzw. ob sich jemand outen möchte oder nicht, da es hierfür immer individuelle Gründe gibt (vgl. ebd., S. 27).
Zur eigenen Identifikation sind bei sämtlichen Aktivitäten oder Angeboten die Sichtbarkeit von vielfältigen Lebensweisen wichtig (vgl. QUEERFORMAT 2021, S. 28). Abgebildete Lebenswirklichkeiten mit starken Personen, die als Vorbilder fungieren können, sind hierbei für inter* und trans*Kinder und Jugendliche für Bedeutung (vgl. ebd.). Die Berücksichtigung und Repräsentation von vielfältigen Lebensweisen und Identitäten etwa in Büchern, Filmen und sonstigen Materialien ist hierbei wichtig (vgl. ebd.). Nicht nur Sexualitäten und Identitäten sollten vielfältig abgebildet sein, auch etwa alleinerziehende Eltern, Wohngruppen, verschiedene Hautfarben, Menschen mit Beeinträchtigungen, Adoptivkinder, Familien mit Migrationshintergrund etc. (vgl. ebd.). Zu beachten ist jedoch, dass nicht alle Geschichten mit beispielsweise Protagonist*innen of Color oder queeren Inhalten zur (Be-)Stärkung führen (vgl. DER PARITÄTISCHE GESAMTVERBAND 2021, S. 33). Ist der Inhalt eines Buches oder eines Films sehr stereotypisch und stark problemfokussiert aufgebaut, so kann dies eher deprimierend und somit kontraproduktiv wirken auf die Konsument*innen (vgl. ebd.).
Fachkräfte in Einrichtungen sollten sich aktiv gegen Diskriminierung einsetzen und Vorbild dafür sein, dass jegliche Form von Diskriminierung nicht akzeptabel ist (vgl. QUEERFORMAT 2021, S. 29). Nicht nur die Sprache kann ein unangenehmes Klima für Menschen fördern, die sich ausgeschlossen fühlen, auch vermeintliche Witze können verletzend wirken (vgl. ebd.). Diskriminierung sollte immer ein Thema für die gesamte Gruppe sein, mit der man arbeitet, da diskriminierendes Verhalten nicht erst bei körperlicher oder auch verbaler Gewalt beginnt (vgl. DER PARITÄTISCHE GESAMTVERBAND 2021, S. 34). Für den Umgang mit diskriminierendem Verhalten müssen klare Regeln entwickelt und konsequent angewandt werden, unabhängig von der Form der Diskriminierung (vgl. QUEERFORMAT 2021, S. 30). Themen wie etwa Diversity, Kinderrechte und Antidiskriminierung können im Leitbild oder in anderen pädagogischen Konzepten verankert werden (vgl. ebd., S. 32). Auch in den Gruppenregeln lassen sich Leitlinien festlegen, z.B. der Umgang mit dem Gebrauch von Schimpfwörtern (vgl. ebd.).
4. Fazit
Trans*Kinder und Jugendliche haben oft einen steinigen Weg vor sich, wenn sie sämtliche medizinische und juristische Schritte gehen. Bestenfalls werden sie von ihren Eltern und ihrem Umfeld unterstützt dabei, damit ihnen das gelingt, was sie sich wünschen. Auch die Kinder- und Jugendhilfe kann hierbei unterstützend wirken. Hierzu ist es wichtig, dass die Fachkräfte selbst frei von diskriminierendem Gedankengut sind, sondern vielmehr ein offenes Ohr für die Kinder und Jugendliche haben. Interesse und Akzeptanz wirken fördernd auch in der Beziehung zueinander und können eine gute Grundlage für die Zusammenarbeit sein. Die Leitlinien und das Konzept einer Einrichtung sind bestenfalls so formuliert und angepasst, dass Geschlechtervielfalt und Antidiskriminierung darin aufgenommen sind. Weitere Möglichkeiten wären beispielsweise auch Fachtage, Fortbildungen oder Vorträge, sodass auch unerfahrene oder mit der Thematik unsichere Fachkräfte sich Wissen aneignen können und dies dann mit in die Praxis bringen. Auch Projekttage oder anderweitige Aktionen wären denkbar, etwa zum Thema LGBTQ* oder Diversität im Allgemeinen. „Im Kleinen“ wäre das Auslegen von Flyern und sonstigen Infomaterialien innerhalb der Einrichtung eine Möglichkeit. Die Kinder und Jugendlichen können diese sich nehmen und durchlesen und das auch allein, wenn es ihnen unangenehm sein sollte. Aber auch für Eltern oder andere Familienmitglieder stellen ausgelegte Broschüren eine Informationsquelle dar.
Auf ihrem trans*Weg können Kinder- und Jugendliche etwa in Wohngruppen durch die Begleitung zu Endokrinolog*innen, Gerichtsterminen oder zu Ärzten. Dies kann auch geschehen, wenn die Kinder und Jugendlichen zwar noch daheim wohnen, aber die Transidentität dort nicht akzeptiert wird. Jedoch ist hierbei zu beachten, dass unter 18 Jahren meist Unterschriften der Eltern auf sämtlichen Dokumenten benötigt wird, was oft eine große Schwierigkeit darstellt, wenn diese ihr Kind nicht auf dessen Weg begleiten. Dann ist es umso wichtiger, dass die Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung einen „safe space“ haben, in dem sie akzeptiert werden und keinerlei Form von Diskriminierung erfahren. Die Kinder- und Jugendhilfe kann Aktionen für oder mit Eltern gestalten, ihnen Informationsmaterial zur Verfügung stellen etc. im Sinne der Aufklärung, da auch Eltern oft erstmal überfordert sein können. Offenheit und Toleranz sind wichtige Grundsteine für den Weg, den die trans*Kinder und Jugendlichen gehen, auch wenn sie ihn ohne Unterstützung ihrer Familie beschreiten müssen.
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