Über die Lieder Neidharts

Zu Winterlied 16


Seminararbeit, 2004

13 Seiten, Note: 3


Leseprobe

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

2 TEXTZEUGEN DES WINTERLIEDS

3 ÜBERSETZUNG DES WINTERLIEDS

4 TEXTANALYSE DES WINTERLIEDS
4.1 NATUREINGANG
4.2 MINNEDIENST
4.3 DÖRPER
4.4 FRIDRÛNS SPIEGEL

5 RESÜMEE

BIBLIOGRAPHIE

1 EINLEITUNG

Über das Leben von Neidhart ist nur wenig wie z.B. dass er am Hofe von Herzog Friedrich II. in Wien Hofsänger war, bekannt. Jedoch musste Herr Nît-hart schon zu seiner Zeit ein berühmter Liederdichter gewesen sein, denn Wolfram von Eschenbach erwähnte ihn bereits in seinem um 1215 entstand-enen Willehalm. Seine literarische Schaffensperiode fällt in die Jahren von 1210 bis 1245. Der Name des Sängers, Nîthart, bzw. im neuhochdeutschen Neidhart, ist in vielen Handschriften seiner Lieder und bei vielen anderen Autoren zu finden.1 Als zweiten Name ist in den Handschriften häufig von Riuwental, bzw. neuhochdeutsch Reuental die Rede. Er ist ein zentraler Ortsname in Neidharts Werk. Dieser fungiert in einigen Liedern aber auch als Beiname einer der Figuren von der im Lied gesprochen wird. In der Deutung des Wortes Riuwental gibt es zwei gegensätzliche Ansätze. Dies ist zum einen der biographische Ansatz, in dem man in Riuwental einen Burgsitz im bairischen, der Heimat Neidharts, sieht, zum anderen gibt es einen metaphorischen Ansatz zur Deutung des Wortes. Hier wird Riuwental zum eine fiktiven Schauplatz im Sinne von „Jammertal“.2

Rund 140 Lieder Neidharts sind erhalten. Diese werden in zwei Liedtypen anhand ihres Natureingangs in Sommer- und Winterlieder unterteilt. In den Sommerliedern versuchen zumeist die Bauernmädchen und -frauen den Ritter zum Tanz im Freien zu gewinnen. Oft sind es Streitgespräche zwischen Mutter und Tochter, wem die Gunst des Ritters gehören soll. In jedem Fall wirbt die Frau um den hoch über ihr stehenden Mann. In den Winterliedern steht der Tanz in der Bauernstube im Mittelpunkt. In so genannten Trutzstrophen beschimpfen die dörper den ritter. In den späten Winterliedern, wie zum Beispiel im Winterlied 16, mischt sich Trauer über das Ende der höfischen Welt.3

2 TEXTZEUGEN DES WINTERLIEDS 16

Teile des Winterlieds 16 sind in fünf verschiedenen Textzeugen belegt. Zum einen findet man es in den Handschriften R (Riedegger-Handschrift), A (Kleine Heidelberger Liederhandschrift), Ma4, ein Pergamentdoppelblatt, das aus dem rheinisch-westfälischen Raum stammt und S5, ein Rest von drei Pergament-blättern, die aus dem bairischen Raum stammen. Zum anderen ist das Winterlied 16 in der Papierhandschrift c (Riedsche-Handschrift) vorhanden. Bei den Handschriften mit den Großbuchstaben handelt es sich bei allen um Pergamenthandschriften. Pergament war im Mittelalter ein kostbarer Beschreib-stoff und deshalb sehr teuer. Daher kann man davon ausgehen, dass ein Schreiber beim Beschreiben der Pergamentblätter äußerst sorgfältig vorgegangen ist und sie im Vergleich zu den billigeren Papier-Handschriften weniger Fehler enthalten.6

Die wichtigste Pergamenthandschrift ist die sogenannte Riedegger-Handschrift R. Sie entstand Ende des 13. Jahrhunderts und ist somit die älteste überlieferte Handschrift mit dem Liedercorpus Neidharts. Sie ist eine Sammelhandschrift, denn sie enthält neben den Liedern Neidharts auch Werke von Hartmann von Aue und Stricker. Die Neidhartsammlung umfasst 22 Sommer- und 34 Winterlieder. Das Winterlied 16 ist in der Riedegger Handschrift das 26. Lied.7 Die umfangreichste Neidhartsammlung ist die Papier-Handschrift c, die so-genannte Riedsche-Handschrift. Laut Wasserzeichen entstand das Hand-schriftenkonvolut auf Papier in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, also rund 300 Jahre nach Neidhart. Die Riedsche-Handschrift umfasst 131 Lieder und hat somit den Charakter einer Gesamtausgabe der Lieder Neidharts. Die Gliederung der Lieder wurde anhand ihrer Natureingänge in Sommer- (1-78) und Winterlieder (79-131) vorgenommen. Somit ist sie die einzigste Handschrift, die den Liedercorpus nach thematischen Gesichtspunkten ordnet.8 Das Winterlied 16 unterscheidet sich in der Strophenabfolge im Vergleich zur Riedegger-Handschrift in der fünften Strophen (R 5), die in der Riedschen- Handschrift als dritte (c 3) abgebildet ist. In der Kleinen Heidelberger Lieder-handschrift A fehlt R 5 bzw. c 3 ganz.9

3 Übersetzung des Winterlieds 16

Strophe I

Ach, lieber Sommer, wie haben sich Deine hellen, langen Tagen in ihrem Glanz verändert.10 Sie11 werden düster und verlieren12 ihre freundliche13 Witterung. Sogar die Vögel sind mit ihren Liedern verstummt.

Meine allergrößte Sorge ist jedoch, dass ich für meine langen Minnedienste noch keine würdige Belohnung14 erhalten habe.

Leider war ich nicht im Stande ihr so zu sprechen und zu singen, dass es der schönen Dame eine Belohnung wert zu sein schien15.

Gib mir Lohn16, Königin17, ich bin es, der eine Belohnung verlangt. Liebste aller Frauen, ich hoffe auf eine würdige Belohnung.

Die Strophen des Winterlieds 16 sind Stollenstrophen. Die Zeilen 1-3 bilden den ersten Stollen, die Zeilen 4-6 den zweiten. Die beiden Stollen sind zum Aufgesang zusammengefasst. Den Abgesang bilden die Zeilen 7-10. Das Reimschema der einzelnen Strophen ist abc! abc! deed.

Hat aber jemand Sorgen, die meinen Sorgen entsprechen, dann soll18 er mir seinen Ratschlag mitteilen! Wirklich, noch niemand hatte nützlichen Rat nötiger als ich. Ich hätte mich gerne mit einigen von meinen Freunden besprochen, was sie mir bei derartigen Sorgen für Ratschläge19 geben würden:

Ohne Grund hasst sie mich, obwohl ich sie nie vergaß20.

Es ist ein Wunder, dass ich noch eine Zeitlang21 glücklich bleibe, obwohl die Edle sich mir gegenüber unbarmherzig zeigt.

Wenn mich doch nicht meine Loyalität und meine Zuverlässigkeit zwingen würden, würde ich nie wieder einer Frau ein neues Lied darbieten22.

Ich habe schon lange kein größeres Leid mehr erfahren als das, was ich von einem dörper23 erleiden musste. Dieser wird so24 genannt, weil ihn niemand beim Namen nennen soll.

Dieser ist, wohin er auch kommt, sowohl trotzig als auch hochmütig25. Er trägt ein Schwert so lang wie eine Hanfschwinge26 überall mit sich herum, sein Schwertgriff ist innen hohl.

Dort27 sind Löcher hineingemacht, kunstvolle Stäbchen, oben auf dem Knauf befindet sich ein Spiegel, der genau dem entspricht, der Fridrûn gehörte28. Dann bat er die Edle, dass sie sich darinnen29 ansehen solle.

Sie wollte jedoch nicht in seinen Spiegel schauen. Dies30 schlug sie ihm mit

Verachtung aus. Sie sagte in abgewandter, hochmütiger Haltung31:

„Das32 wird nie geschehen. Ich erkenne bei Euch kein feines höfisches

Benehmen. Bevor ich dies euch zuliebe jemals machen würde, würde ich wirklich lieber alles verlieren, was ich besitze.“

Sie sagte: „Mein Lieber33, zuhause besitze ich drei schöne Spiegel, von denen mir jeder lieber ist als dieser hier.“

Er antwortete darauf sofort: „ Herrin, schaut her!“

Auf diese Weise ärgerte der Dummkopf sie durch sein närrisches Verhalten34.

So35 endet die Geschichte! Lasst euch von meinem Leid mehr erzählen!

Die ungebildeten36 dörper fügen mir sehr viel Leid zu! Was ich auch immer versuche, ich kann sie nicht bei der Edlen verhasst machen!

Wüssten sie, wie einfach ich darauf verzichten könnte, wenn sie, Gîselbreht und

Amelrîch, sich um eine andere bemühten.

Sie haben bisher den ganzen Sommer überall, wo auch immer man Spaß hatte, mit ihr zusammen37 getanzt.

Von da an erlebe ich keinen schönen Tag mehr bis ich meine Sorgen, so wie ich es mir wünsche, beende.

[...]


1 Vgl.: BUMKE, JOACHIM: Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter, München 1990, S. 302. Künftig als: BUMKE: Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. Außerdem: BLECK, REINHARD: Neidhart. Leben und Lieder , Göppingen 2002, S. 6 (= GAG 700). Künftig als: BLECK: Neidhart. Bleck übersetzt Nîthart als der im Kampfeszorn Starke.

2 Vgl.: SCHWEIKLE, GÜNTHER: Neidhart, Stuttgart 1990, S. 52-53. Künftig als: SCHWEIKLE: Neidhart.

3 Vgl.: BUMKE: Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter, S. 305-306

4 In der Handschrift Ma findet man nur die erste Strophe, die sowohl in R, A und c an erster Stelle steht.

5 In S sind nur die Verse 3-7 von R 2 als erste Strophe überliefert.

6 Vgl.: SCHWEIKLE: Neidhart, S. 1-10. Bzw. BOUEKE, DIETRICH: Materialien zur Neidhart-Überlieferung, München 1967(=Münchner Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 16), S. 9­29.

7 Vgl.: SCHWEIKLE: Neidhart, S. 6.

8 Vgl.: ebd., S. 8.

9 Vgl.: Die Lieder Neidharts, hrsg. von EDMUND WIEI3NER, weiterg. von HANNS FISCHER, 5., verbesserte Auflage hrsg. PAUL SAPPLER. Mit Melodienanhang von HELMUT LOMNITZER, Tübingen 1999 (= Althochdeutsche Textbibliothek; Nr. 44), Winterlied 16, S. 102-103. Künftig als: Die Lieder Neidharts, hrsg. v. Sappler.

10 Ich habe bei meiner Übersetzung die Übersetzung von Siegfried Beyschlag zur Unterstützung genommen, vgl.: B EYSCHLAG , S IEGFRIED: Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergament-Handschriften und die Melodien. Text und Übertragung. Einführung und Worterklärungen. Konkordanz. Edition der Melodien von Horst Brunner, Darmstadt 1975, L 38, S. 197-201. Künftig als: B EYSCHLAG: Die Lieder Neidharts. Beyschlag orientierte sich in seiner Übersetzung stark an der Form und der Metrik des mhd. Originals. Ich finde es jedoch besser, diese Anlehnung aufzuheben, da sich dies in der nhd. Übersetzung altertümlich anhört. Dies gilt für meine gesamte Übersetzung.

11 Mit sie (I, 3) sind die hellen, langen Tage gemeint. Vgl. WIEI3NER, EDMUND (Hrsg.): Vollständiges Wörterbuch zu Neidharts Liedern, Leipzig 1954, S. 278. Künftig als: WIEI3NER: Vollständiges Wörterbuch zu Neidharts Liedern.

12 Hier habe ich im Gegensatz zur Übersetzung von Beyschlag nicht die Aktivform (truobent I, 3), sondern Passivform verwendet. Vgl.: WIEI3NER: Vollständiges Wörterbuch zu Neidharts Liedern.

13 Das Wort süeze (I, 3) habe ich nicht wie in WIEI3NER: Vollständiges Wörterbuch zu Neidharts Liedern als süß übersetzt, sondern wie bei HENNIG, BEATE! HEPFER, CHRISTA: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch, 4. verbesserte Auflage, Tübingen 2001 als mild, da mild als Ausdruck für eine bestimmte Witterung meiner Meinung nach geläufiger ist. Künftig als: HENNIG: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch.

14 Beyschlag übersetzt den Ausdruck lieben lôn (I, 6) wörtlich als lieben Lohn. Ich finde, dass würdige Belohnung aussagekräftiger ist.

15 Beyschlag, sowie WIEI3NER übersetzen das Wort diuhte (I, 8) als dünkte. Bei diesem Ausdruck handelt es sich um eine veraltete Form, die in dieser Weise im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr verwendet wird.

16 Ich finde die Phrase Lass mich Lohn erlangen, wie bei Beyschlag übersetzt, als direkte Aufforderung Gib mit Lohn aussagekräftiger.

17 Der Begriff küneginne (I, 9), sowie liebist aller wîbe (I,10) oder die wolgetânen (I, 8) sind höfische Wörter und Wendungen, die der Kennzeichnung der weiblichen Figur dienen. Vgl.: SCHWEIKLE: Neidhart, S. 106.

18 Da möhte (II, 2) als Form von dem Verb mugen ist, übersetze ich diese nicht, wie Beyschlag mit möchte, sondern mit soll.

19 Beyschlag übersetzt mhd. raete (II, 3) als nhd. Räte. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob es eine Pluralform von Rat im nhd. überhaupt gibt und ob diese Räte ist. Deswegen verwende ich hier lieber Ratschläge.

20 Hier ist gemeint: Jene Frau, für die ich immer da war.

21 Bei HENNIG: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch findet man als Übersetzung für ein wîl (II, 7) , wie in meiner Übersetzung angegeben, eine Zeitlang. Aus welchem Grund Beyschlag in seiner Übersetzung ab und an verwendet, ist mir nicht erklärlich.

22 Gemeint ist bei ein Lied darbieten (geslüege...liet, II, 10) der Minnedienst, der sich durch den Minnesang ausdrückt.

23 Im Original steht nicht der Ausdruck dörper, sondern getelinge. Jedoch ist geteling ein Schimpfwort für dörper. Vgl.: SCHWEIKLE: Neidhart, S. 126.

Da der dörper eine spezielle Kunstfigur bei Neidhart ist, habe ich den Ausdruck nicht wie Beyschlag übersetzt. Ausführliche Darstellung der Dörperproblematik siehe 4.3.

24 Dieser dörper wird nur geteling (III, 2) genannt, da ihn niemand bei seinem richtigen Namen nennen soll.

25 Dies sind typische Eigenschaften der dörper, die den Eigenschaften des Sängers entgegengesetzt sind. Ich habe für hêre die Übersetzung hochmütig gewählt, da sich hochfahrend, wie bei Beyschlag, altertümlich anhört.

26 Das Schwert wird mit einer Hanfschwinge verglichen, die in die bäuerliche Welt gehört, nicht in die höfische. Somit wirkt das Schwert, sowie derjenige, der es trägt lächerlich.

27 Gemeint ist: in den Schwertgriff.

28 Hier handelt es sich um das Spiegelraub-Motiv, vgl. 4.4. Daraus könnte man schließen, dass es sich bei dem Ungenannten um Engelmâr handeln könnte, denn dieser war es, der Fridrûn den Spiegel gestohlen hat.

29 Gemeint ist: im Spiegel.

30 Gemeint ist: die Bitte bzw. Aufforderung in den Spiegel zu schauen.

31 Als Übersetzung bei WIEßNER: Vollständiges Wörterbuch zu Neidharts Liedern ist für den Begriff verwendeclîchen eine abgewandte Haltung mit hochmütiger Gebärde zu finden. Dies habe ich in meiner Übersetzung zusammengefasst.

32 Vgl.: Anmerkung 20.

33 Mein Lieber klingt herablassender bzw. abwehrender als Lieber und drückt meiner Meinung nach die Zuwehrsetzung der Frau gegenüber dem Ungenannten aus.

34 Hoppenie als Narrenposse bei HENNIG: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch und bei WIEßNER: Vollständiges Wörterbuch zu Neidharts Liedern als närrisches Getue.

35 Den umständlichen und langen Ausdruck im mhd.: Hie mit disen dingen... alsô ...! (V, 1) habe ich im nhd. nur als so übersetzt, was soviel wie auf diese Weise heißen soll.

36 Tumben (V, 3) sehe ich nicht wie Beyschlag als dumm, sondern eher als ungebildet also das Gegenteil von wîs, bzw. als unhöfisch im Gegensatz zu höfisch.

37 Gemeint ist: Sie haben sich während dem Tanzen an den Händen gehalten.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Über die Lieder Neidharts
Untertitel
Zu Winterlied 16
Hochschule
Universität Stuttgart  (Germanistische Mediävistik)
Veranstaltung
Proseminar
Note
3
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V130644
ISBN (eBook)
9783640367627
ISBN (Buch)
9783640367931
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lieder, Neidharts, Winterlied
Arbeit zitieren
Tanja Rilka (Autor:in), 2004, Über die Lieder Neidharts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130644

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