Diese Arbeit untersucht das Wechselspiel von Politik und Literatur unter
der Fragestellung, in welchem Maß der Neorealismus das zentrale
Ereignis seiner Zeit rezipiert: den Widerstand gegen den Faschismus,
sowie gegen die deutsche Besatzung. Im Rahmen dieser Fragestellung
müssen im ersten Kapitel die relevanten historischen Ereignisse erläutert
werden. Besonderes Gewicht liegt dabei auf der Entwicklung von
organisiertem Widerstand gegen die deutsche Besatzung in Italien. Im
zweiten Kapitel soll dann auf die aus der Resistenza hervorgegangene
Bewegung des Neorealismus eingegangen werden. Für die Frage nach der
Darstellung von deutscher Besatzung und Widerstand bieten sich drei
Romane italienischer Autorinnen besonders an. Im dritten Kapitel wird der
1949 erschienene Roman L’Agnese va a morire der aus Bologna
stammenden Autorin Renata Viganò interpretiert. Dieser schildert den
Kampf einer einfachen Frau in einer Partisanengruppe. Tutti i nostri ieri,
ein Roman von Natalia Ginzburg, bietet dem Leser ein Panorama der
gesamten Epoche anhand einer ineinander verwobenen
Familiengeschichte. Das historisch- politische Gewicht des Romans fand
in der Kritik bisher wenig Beachtung. Das vierte Kapitel wird
insbesondere die Darstellung des Widerstands beleuchten. Elsa Morantes
1974 erschienener Roman La Storia drückt bereits das historische Thema
des Romans im Titel aus. Gemeinsames Element und Vergleichspunkt der
drei Romane ist der Mord am deutschen Soldaten, der Schlussfolgerungen
über eine mögliche und unterschiedliche Bewertung der Schuldfrage in
den Texten erlaubt. Eine Gegenüberstellung der drei Romane erfolgt im
abschließenden sechsten Kapitel.
Alle Romane wurden von italienischen Schrifstellerinnen abgefasst und
die Texte reflektieren eine „weibliche“ Perspektive auf Krieg und
Widerstand. Deswegen ist es notwendig, auch gelegentlich Genderfragen
zu thematisieren, denn bei der Analyse wird deutlich werden, dass die
Resistenza auch in Bezug auf die Stellung der Frauen innerhalb der italienischen Gesellschaft einen Wendepunkt markierte.Wie Sharon Wood
ausführt, waren 43000 Frauen aktive Kämpferinnen bei den
Partisanenverbänden, und unzählige mehr unterstützten die Resistenza. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Der italienische Faschismus: die historischen Hintergründe des Neorealismus
- 1.1. Der Zweite Weltkrieg in Italien
- 1.1.1. Überblick über die Entwicklung des Faschismus von 1922-1943
- 1.1.2. Der vorläufige Fall des Faschismus im Juli 1943
- 1.2. Die Geschichte der Resistenza
- 1.1. Der Zweite Weltkrieg in Italien
- 2. Der Neorealismus: eine literarische Strömung der Nachkriegszeit
- 2.1. Die Problematik des Neorealismus als literarischer Epochenbegriff, Begriffsgeschichte und Datierung
- 2.2. Konzepte und Merkmale des literarischen Neorealismus
- 2.2.1. Der Neorealismus und das Zentralereignis des 2. Weltkriegs
- 2.2.2. Neorealismus als gesellschaftliche Reformbewegung
- 2.2.2.1. Sozialkritik im Neorealismus
- 2.2.4. Textuelle Merkmale des Neorealismus
- 3. Renata Viganò: L'Agnese va a morire
- 3.1. Die politischen Wirren des Sommers 1943 und Palitas Tod - Wurzeln für Agneses Engagement für die Partisanen
- 3.2. Palitas Tod auf der Deportation
- 3.3. Die Tätigkeit Agneses bei den Partisanen
- 3.4. Darstellung der Gegner im Krieg: Deutsche, Faschisten und Partisanen und Allierte im Text
- 3.4.1. Die Partisanen und die Allierten
- 3.4.2. Die deutschen Besatzer
- 3.4.3. Die italienischen Faschisten
- 3.4.3.1. Das Kollektiv: Die Faschisten im Dorf
- 3.4.3.2. Repräsentantin der Kollaboratuere im Text: die Minghina
- 3.5. Agneses Mord am deutschen Besatzer
- 4. Natalia Ginzburgs Tutti i nostri ieri
- 4.1. Der Romantitel und intertextuelle Bezüge zu Shakespeares Macbeth
- 4.1.1. Epigraph/ Titel
- 4.1.2. Das Motiv des Flecks als Bewusstsein des Todes, Erinnerung an den Tod
- 4.2. Die Histoire- und Discoursebene in Tutti i nostri ieri
- 4.2.1. Die Erzählsituation im Roman: Anna als Zentrum
- 4.2.2. Figurenrede im Roman
- 4.2.3. Die Figurenkonstellation im Roman
- 4.3. Die Darstellung des Widerstands gegen den Faschismus bei Ginzburg
- 4.3.1. Der Widerstand des Vaters: das libro di memorie
- 4.3.2. Der Widerstand in der Kleingruppe: Emmanuele, Ippolito und Danilo
- 4.3.3. Die politischen Widerstandsgruppen
- 4.3.4. Danilo: politischer Aktivist, Partisan, Politiker
- 4.3.5. Passiver Widerstand: Ippolitos Selbstmord
- 4.3.6. Darstellung der Resistenza
- 4.4. Die Gegner: Darstellung der Anhänger Mussolinis und des Faschismus
- 4.4.1. Die Sbaracagna: Anhänger des Faschismus
- 4.4.2. Bewertung des Faschismus und der Monarchie als poltisches System
- 4.5. Sozialkritik im Roman
- 4.5.1. Emmanuele und sein Verhältnis zu den Arbeitern
- 4.5.2. Cenzo Rena: Sozialreformer, Retter verfolgter Juden und Antifaschist
- 4.5.2.1. Die Darstellung Süditaliens am Beispiel von Borgo San Costanzo
- 4.5.2.2. Die Nord-Süd-Problematik und ihre Behandlung im Text
- 4.6. Die Darstellung der Verfolger und der Verfolgten: Juden und Deutsche im Roman
- 4.6.1. Franz als „Antiheld“ im Roman
- 4.6.2. Die „tre vecchiette“ und der Türke
- 4.6.3. Die Darstellung der deutschen Besatzer im Roman und Mord am deutschen Soldaten
- 4.1. Der Romantitel und intertextuelle Bezüge zu Shakespeares Macbeth
- 5. Elsa Morante La Storia
- 5.1. La Storia- semantische Ambivalenz und die Chronik vor jedem Kapitel
- 5.2. Ida als Protagonistin des Romans und ihre „geheime“ jüdische Herkunft
- 5.3. Idas Vergewaltigung durch einen deutschen Soldaten
- 5.4. Davide Segre - ein weiterer Repräsentant des Judentums im Text
- 5.5. Die Darstellung des Faschismus im Text
- 5.6. Darstellung der Partisanen
- 5.7. Der Mord am deutschen Soldaten
- 5.8. Das Ende der Partisanen
- 6. Résumé
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung des Widerstands gegen den italienischen Faschismus und die deutsche Besatzung im italienischen Neorealismus. Im Fokus stehen die Romane von Renata Viganò, Natalia Ginzburg und Elsa Morante. Die Analyse beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven der Autorinnen und ihre Darstellung von Widerstand, Kollaboration und den Folgen des Krieges.
- Der italienische Faschismus und seine historischen Hintergründe
- Der italienische Widerstand (Resistenza) und seine Darstellung in der Literatur
- Der Neorealismus als literarische Bewegung und seine Merkmale
- Die Rolle der Frauen im Widerstand
- Die Darstellung der deutschen Besatzer und die Frage der Schuld
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Diese Einleitung beschreibt die Forschungsfrage der Arbeit: Wie wird der Widerstand gegen den Faschismus und die deutsche Besatzung im italienischen Neorealismus dargestellt? Die Arbeit konzentriert sich auf drei Romane von italienischen Autorinnen und deren unterschiedliche Perspektiven auf Krieg, Widerstand und Kollaboration. Die Einleitung skizziert den Aufbau der Arbeit und betont die Bedeutung der „weiblichen“ Perspektive auf diese Themen.
1. Der italienische Faschismus: die historischen Hintergründe des Neorealismus: Dieses Kapitel liefert den notwendigen historischen Kontext für das Verständnis des Neorealismus. Es beschreibt die Entwicklung des italienischen Faschismus von 1922 bis 1943, den Fall Mussolinis und die Entstehung der Resistenza. Besonderes Augenmerk liegt auf der Organisation und den Formen des Widerstands gegen die deutsche Besatzung.
2. Der Neorealismus: eine literarische Strömung der Nachkriegszeit: Dieses Kapitel definiert den Neorealismus als literarische Bewegung und beleuchtet seine Entstehungsgeschichte, seine Merkmale und seine gesellschaftliche Relevanz. Es analysiert den Neorealismus als Reaktion auf den Zweiten Weltkrieg und die Erfahrungen der Resistenza, sowie seine sozialkritischen Aspekte und seine spezifischen textuellen Merkmale.
3. Renata Viganò: L'Agnese va a morire: Viganòs Roman erzählt die Geschichte von Agnese, einer jungen Frau, die sich den Partisanen anschließt. Das Kapitel analysiert Agneses Entwicklung, ihre Motivationen, und die Darstellung der verschiedenen Kriegsparteien (Partisanen, Deutsche, Faschisten). Es wird auch die Bedeutung von Agneses Mord an einem deutschen Soldaten im Kontext des Romans untersucht.
4. Natalia Ginzburgs Tutti i nostri ieri: Ginzburgs Roman schildert die Geschichte einer Familie während des Faschismus und des Zweiten Weltkriegs. Dieses Kapitel analysiert die Darstellung des Widerstands innerhalb der Familie und der Gesellschaft. Es untersucht die verschiedenen Formen des Widerstands, die Sozialkritik und die Darstellung von Verfolgten und Verfolgern (Juden und Deutsche). Die komplexe Erzählstruktur und die intertextuellen Bezüge zu Shakespeares Macbeth werden ebenfalls beleuchtet.
5. Elsa Morante La Storia: Morantes Roman bietet eine umfassende Darstellung des Zweiten Weltkriegs aus der Perspektive von Ida. Dieses Kapitel untersucht Idas Entwicklung, die Darstellung des Faschismus, des Widerstands und die Rolle von Juden im Roman. Der Fokus liegt auf den verschiedenen Aspekten des Krieges und der Gewalt und deren Auswirkungen auf die Protagonistin und die Gesellschaft.
Schlüsselwörter
Neorealismus, italienischer Faschismus, Resistenza, Widerstand, deutscher Besatzung, Renata Viganò, Natalia Ginzburg, Elsa Morante, L'Agnese va a morire, Tutti i nostri ieri, La Storia, Sozialkritik, Krieg, Frauen im Widerstand, Kollaboration, Schuldfrage.
Häufig gestellte Fragen zu: Italienischer Neorealismus und der Widerstand gegen den Faschismus
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Darstellung des Widerstands gegen den italienischen Faschismus und die deutsche Besatzung im italienischen Neorealismus anhand der Romane von Renata Viganò (L'Agnese va a morire), Natalia Ginzburg (Tutti i nostri ieri) und Elsa Morante (La Storia). Der Fokus liegt auf den unterschiedlichen Perspektiven der Autorinnen und ihrer Darstellung von Widerstand, Kollaboration und den Folgen des Krieges.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: den italienischen Faschismus und seine historischen Hintergründe, den italienischen Widerstand (Resistenza) und seine literarische Darstellung, den Neorealismus als literarische Bewegung und seine Merkmale, die Rolle der Frauen im Widerstand, die Darstellung der deutschen Besatzer und die Frage der Schuld. Die Analyse umfasst detaillierte Kapitel zu jedem der drei Romane, die die Handlung, Figuren, Erzählstruktur und die jeweiligen Darstellungen des Widerstands untersuchen.
Welche Romane werden analysiert?
Die Arbeit analysiert drei bedeutende Romane des italienischen Neorealismus: L'Agnese va a morire von Renata Viganò, Tutti i nostri ieri von Natalia Ginzburg und La Storia von Elsa Morante. Jedes Buch wird in einem separaten Kapitel eingehend untersucht.
Wie wird der Widerstand im Neorealismus dargestellt?
Die Arbeit untersucht die verschiedenen Formen des Widerstands, die in den drei Romanen gezeigt werden – von aktivem bewaffneten Kampf bis hin zu passivem Widerstand und der inneren Abkehr vom Faschismus. Dabei werden die unterschiedlichen Motivationen der Widerstandskämpfer und die Herausforderungen, denen sie gegenüberstehen, beleuchtet.
Welche Rolle spielen Frauen im Widerstand?
Die Arbeit hebt die wichtige Rolle von Frauen im Widerstand hervor, indem sie die weiblichen Protagonistinnen der Romane und ihre individuellen Erfahrungen mit dem Faschismus und dem Krieg analysiert. Die Perspektiven der Autorinnen als Frauen werden ebenfalls in die Betrachtung einbezogen.
Wie werden die deutschen Besatzer und die Kollaborateure dargestellt?
Die Darstellung der deutschen Besatzer und der italienischen Kollaborateure wird kritisch untersucht. Die Arbeit beleuchtet die unterschiedlichen Formen der Gewalt, die von den Besatzern ausgeübt wurden, sowie die Motive und Handlungen derjenigen, die mit dem Regime kollaborierten.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit?
Die Arbeit zeigt die vielfältigen Perspektiven auf den Widerstand gegen den Faschismus und die deutsche Besatzung im italienischen Neorealismus auf. Sie verdeutlicht die unterschiedlichen Formen des Widerstands und die komplexen moralischen und politischen Dilemmata, denen sich die Protagonisten und die Autorinnen selbst gegenüber sahen. Die Analyse trägt zum Verständnis der Bedeutung des Neorealismus als literarische und gesellschaftliche Reaktion auf Krieg und Diktatur bei.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Schlüsselbegriffe dieser Arbeit sind: Neorealismus, italienischer Faschismus, Resistenza, Widerstand, deutsche Besatzung, Renata Viganò, Natalia Ginzburg, Elsa Morante, L'Agnese va a morire, Tutti i nostri ieri, La Storia, Sozialkritik, Krieg, Frauen im Widerstand, Kollaboration, Schuldfrage.
- Quote paper
- Michael Ulrich (Author), 2006, Widerstand gegen den Nationalsozialismus als Thema des italienischen Neorealismus , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130858