Die Bedeutung der Gemälde Watteaus wurde tatsächlich schon unter Zeitgenossen als unklar und vielschichtig wahrgenommen und über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg hat die Kunstkritik gelernt, diese Ambiguität als wesentliches Merkmal seiner künstlerischen Produktion anzuerkennen. Die neuere Forschung hat jedoch kulturelle Zusammenhänge am Abend des ancien regimes offengelegt, die die Ambiguität in Watteaus Œuvre in ihrer subversiven Intention und Aussagekraft erklären helfen. Im Anschluss an die Arbeiten von Thomas Crow, Julie-Anne Plax, Sarah Cohen und anderen greift die vorliegende Facharbeit diese Spuren für die Analyse von Watteaus Gemälde Pierrot (Gilles) auf. Nach einer ersten Bildbeschreibung bzw. -analyse sollen zunächst die angesprochenen Zusammenhänge näher erläutert werden. Hierbei wird insbesondere auf die Rolle der italienischen Commedia dell´Arte in der französischen Kulturpolitik eingegangen, das Spannungsverhältnis zwischen französischer und italienischer Musik erläutert sowie die Praxis der Maskerade in der Alltagskultur der Zeit vorgestellt. Unter vergleichender Zuhilfenahme des Werkes Les Comédiens italiens ordnet die vorliegende Arbeit daraufhin in einem zweiten Schritt das Gemälde Gilles den in weiteren Kapiteln dargelegten Zusammenhängen zu und versucht so eine Interpretation im Rahmen der zeitgenössischen politischen Spannungsverhältnisse, wobei die dargelegten kulturellen Zusammenhänge eine mehr oder weniger offene Unzufriedenheit mit dem Absolutismus veranschaulichen, die sich ins besondere in der Praxis der Maskerade und in der Rezeption der italienischen Komödie und Musik ausdrückt. In einem dritten Schritt vergleicht die Studie Gilles mit "Le Contrat de mariage", insbesondere in Hinblick auf die Praxis der Maskerade. Die These, die die vorliegende Arbeit insgesamt letztendlich verfolgt, versteht Watteaus Gilles als ein Symbol der Condition humaine unter den Bedingungen des Absolutismus, wobei das Gemälde durch subtile Verschiebungen in der Bedeutung von Maskerade schlechthin Letztere als existenzielle und nicht identitäre Praxis der tatsächlichen sozialen Praxis von Maskenbällen gegenüberstellt und damit als gesellschaftliche Utopie erhält.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Bildanalyse
- Gilles und die Utopie der Maskerade
- Die Rezeption der italienischen Komödie und Musik
- Die Commedia dell´Arte in Paris am Abend des Ancien Regime
- Die Politiken der italienischen und der französischen Musik
- Die Maskerade als soziale und egalitäre Praxis
- Watteaus italienische Artisten in französischer Eleganz
- Die Rezeption der italienischen Komödie und Musik
- Das Spiel der Identitäten in den fetes galantes
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Facharbeit analysiert das Gemälde „Pierrot (Gilles)“ von Jean-Antoine Watteau und untersucht die darin dargestellten Bezüge zur zeitgenössischen Kultur des ancien régime. Die Analyse befasst sich mit der Rolle der italienischen Commedia dell’Arte, den Spannungen zwischen französischer und italienischer Musik und der Praxis der Maskerade in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts.
- Die Rezeption der italienischen Commedia dell’Arte in Frankreich
- Die Rolle der Maskerade als gesellschaftliche und egalitäre Praxis
- Die Verbindung zwischen Watteaus Werken und den fetes galantes
- Die Darstellung der Condition humaine unter den Bedingungen des Absolutismus
- Die subtile Aussagekraft des Gemäldes „Gilles“ als Symbol der existenziellen Utopie
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung bietet einen kurzen Überblick über das Leben und Werk von Jean-Antoine Watteau und hebt die Bedeutung seiner Gemälde für die Kunstgeschichte hervor.
- Die Bildanalyse des Gemäldes „Pierrot (Gilles)“ legt den Fokus auf die Gestaltungselemente und die visuelle Sprache des Werkes.
- Das dritte Kapitel widmet sich der kulturellen und politischen Rezeption der italienischen Commedia dell’Arte in Frankreich. Es analysiert die Rolle der italienischen Komödie und Musik in der französischen Gesellschaft und beleuchtet die Praxis der Maskerade im Kontext des ancien régime.
- Das vierte Kapitel untersucht die Verbindung zwischen Watteaus Gemälden und den fetes galantes, den eleganten Festen, die die höfische Gesellschaft des 18. Jahrhunderts prägten.
Schlüsselwörter
Jean-Antoine Watteau, Gilles, Commedia dell’Arte, Maskerade, fetes galantes, Absolutismus, Condition humaine, Utopie, italienische Musik, französische Musik, Kunstgeschichte, Bildanalyse.
- Arbeit zitieren
- Anonym (Autor:in), 2014, Jean-Antoine Watteaus "Gilles" und die Utopie der Maskerade. Eine Bildanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1308739