Nationalstaatsbestrebungen in der künstlerischen Bildungselite Polens zur Zeit des geteilten Polens


Essay, 2008

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung:

II. Grundlagen
a. Politische Lage Polens
b. Situation in den Teilungsgebieten
1. Russland
2. Österreich
3. Preußen

III. Künstler in der Zeit 1850-1900
a. Jan Matejko
b. Stanisław Wyspiański
c. Maria Konopnicka
d. Die Zeit der Młoda Polska

IV. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Nationalstaatsbestrebungen in der künstlerischen Bildungselite Polens zur Zeit des geteilten Polens

Nationalbewegung – Nation ohne Staat

I. Einleitung:

Im 18. Jahrhundert erreichten die Großmächte Europas, Russland, Preußen und Österreich, dass das einzige, den französischen Reformen wohlgesinnte[1], Land Mitteleuropas in drei kurz aufeinanderfolgenden Teilungen von der politischen Bühne verschwand.

Dabei hatte sich Polen, nach der ersten Teilung Polen-Litauens[2] 1772, in welcher Russland unter dem Vorwand, die nicht-katholische Bevölkerung[3] zu unterstützen, Polen in seiner Souveränität beschnitt, Preußen sich als Erbe der pommerschen Herzöge eine Landverbindung nach Ostpreußen nahm und Österreich in Anlehnung an ein ungarisches Pfand[4] an Polen sich Galizien einverleibte[5], noch 1788, während des Zweifrontenkrieges Russlands gegen Schweden und das Osmanische Reich Hoffnungen gemacht, neue politische Reformen unter König Stanisław August einzuführen.

So kam es am 3.Mai 1791 zur Verabschiedung des „Regierungsgesetzes“ (Ustawa Rządowa), der ersten geschriebenen Verfassung Europas.

Die Verfassung wurde von den Nachbarländern Polens, nicht zuletzt wegen der zeitnahen Vorgänge in Frankreich, als eine Bedrohung für deren absolutistische Herrschaftsform gesehen und nach den Interventionen Russlands, die im Russisch-Polnischen Krieg von 1792 gipfelten, von Preußen unter Friedrich Wilhelm II. und dem Russischen Reich unter Katharina II. im Rahmen der Zweiten Teilung Polens 1793 außer Kraft gesetzt[6]. In den Annexionspatenten rechtfertigte man sich dann damit, die Teilung sei eine „Polizeiaktion gegen das »Gift des französischen Demokratismus«“gewesen[7].

Die darauf folgenden polnischen Aufstände und Militäraktionen führten zur dritten und letzten Teilung Polens 1795. Polen wurde als „staatsrechtliche Einheit aufgelöst und 1797 von den Teilungsmächten für völkerrechtlich erloschen erklärt“[8].

Und trotzdem blieb ein bestehendes Nationalgefühl, dass ein Überleben der polnischen „Nation ohne Staat durch mehr als ein Jahrhundert der Teilung und Unfreiheit gewährleistete“[9].

Ich möchte im Folgenden beispielhaft darauf eingehen, inwiefern die künstlerische Bildungsbürgerelite an dem Fortbestehen dieses nationalen Einheitsgefühls beteiligt war und inwiefern sich die politischen Meinungen in den verschiedenen Teilungszonen ausprägten und darstellen ließen.

Dazu werde ich zuerst kurz auf die politische Lage Polens im Zeitrahmen 1850-1900 eingehen und danach die drei Teilungsgebiete Russland, Österreich und Preußen und die Lage der Polen sowie das künstlerische Leben in diesen Gebieten betrachten.

Damit liegt dann eine Grundlage vor, auf derer ich drei polnische Künstler näher betrachten werde:

Jan Matejko, welcher mit seinen Historienbildern ein Nationalgefühl heraufbeschwor und auch im übrigen Europa bekannt wurde;

Stanisław Wyspiański, der besonders durch seine Dramen das Bild der Zeit prägte,

sowie Maria Konopnicka, deren Gedicht „Rota“ für die Freiheitsbestrebungen eine besondere Stellung einnimmt.

Zusätzlich werde ich versuchen, kurz die Młoda Polska zu beschreiben, der nicht nur Wyspiański angehörte, sondern u.a. auch die bekannten Schriftsteller Stanisław Przybyszewski (1868-1927, „Confiteor“) oder Leopold Staff (1878-1957;Lyrik wie „Lobpreis des Lebens“; Dramen wie „Skarb), und deren Bestreben aufzuzeigen, die Kraft des Volkes zu finden und für ein gemeinsames Polen zu erwecken. Dies soll im Kontext der Meinungsbildung vor dem ersten Weltkrieg eingeordnet werden.

Ich möchte am Ende eine Zusammenstellung erreichen, die zeigt, dass sich in den 123 Jahren, der Zeit der Teilung Polens (okres zaborów), ein Freiheitsbestreben über die Teilungsgrenzen hinaus erstreckte und nicht nur auf der politischen Ebene eines Dmowski oder Piłsudski über einen polnischen Staat gestritten und gekämpft wurde.

II. Grundlagen

a. Politische Lage Polens

Mit der Aufteilung der polnischen Adelsrepublik Ende des 18. Jahrhunderts durch die absolutistischen Mächte Russland, Österreich und Preußen kam es im Laufe des 19. Jahrhunderts regelmäßig zu Aufständen.

Dazu gehört der Novemberaufstand 1830, der sogenannte Kadettenaufstand[10]. Er begann am 29. November, als eine Gruppe junger Offiziersanwärter die Residenz des Großfürsten Konstantin besetzten. Im Folgenden erklärte General Józef Chłopicki[11] ein unabhängiges Königreich Polen und der Sejm setzte am 25.01.1831 Nikolaj I.[12] und die Dynastie Romanov ab. Der Aufstand scheiterte an der fehlenden Akzeptanz im Ausland. So lehnte Österreich die ihm angebotene Königskrone ab und Preußen konzentrierte seine Truppen an der Grenze um möglicherweise zu intervenieren. Hinzu kam, dass auch in Polen der Rückhalt für die Aufständischen fehlte[13]. Zentren der Aufstände waren im Allgemeinen größere Städte, vor allem die Universitätsstädte Warschau und Wilna. Im Herbst schlugen russische Truppen, welche nach der Absetzung Nikolajs I. offensiv vorgingen, die polnischen Truppen bei Warschau und begannen umgehend mit zahlreichen Restriktionen. Auf Grund dieses ersten größeren Aufstandes zogen auch die beiden anderen Teilungsmächte mit neuen schärferen Anordnungen nach. Trotzdem unterstützte man 1849 auf polnischer Seite den Aufstand in Ungarn, 1870 beteiligte man sich an der Pariser Kommune, und später an den Kämpfen während des russisch-türkischen Kriegs 1877. Trotz der militärischen Unterstützung außerhalb des eigenen Landes, wie in Ungarn, kommt es weiterhin zu Aufständen im polnischen Unabhängigkeitskampf. Die wichtigsten Stationen sind hierbei der Kościuszko-Aufstand 1794[14], das Bündnis mit Napoleon, der Novemberaufstand 1830/1831[15], der Völkerfrühling[16] und der Januaraufstand 1863[17].

Dieser Kampfwille, der sich in der ausländischen Beobachtung und diplomatischen Treffen auch als „polnische Frage“ widerspiegelt, zieht sich durch das gesamte 19. Jahrhundert und blieb nie unbeobachtet. Allerdings ist zu bemerken, dass sich die Aufstände in den einzelnen Teilungsgebieten nur gegen die bestehende Teilungsmacht richteten und noch nicht gegen alle im Gesamten.

So entstehen in den Gebieten unterschiedlich starke Feindbilder der Teilungsmächte Preußen, Russland und Österreich. Auf Grund des Seminars[18], auf welchem diese Arbeit aufbaut, werde ich mich nur auf Mitte 19. Jahrhundert und den Anfang des 1. Weltkrieges konzentrieren, zumal die Nationalbestrebung im Aufkommen eines europäischen, möglicherweise sogar Welt-, Krieges, besonders stark aufflammen. Schließlich möchte das polnische Volk bei einem möglichen Krieg auf der für sie richtigen Seite stehen und als eigene Nation aus diesem hervorgehen.

Im Folgenden werde ich versuchen die Ursachen dieses erneuten Aufflammens des polnischen Identitätsbestrebens zu benennen und die zentralen Fragen der polnisch-russischen, der polnisch-österreichischen und polnisch-preußischen Beziehungen getrennt betrachten um die, für das polnische Identitätsbewusstsein, wichtigen Ereignisse besser herausstellen zu können.

b. Situation in den Teilungsgebieten

1. Russland

Mit dem russischen Teilungsgebiet, welches das ehemalige Kongresspolen umfasste, sahen die Polen die eigentliche Ursache für die Zerstückelung ihres Staates. In Russland sahen sie ihren eigentlichen Gegner. Dies zeigte sich daran, dass sich die militärischen und politischen Aktionen der Polen, so die Konföderation von Bar[19] und der Kościuszko-Aufstand, gegen Russland richteten. Im russischen Gebiet war Warschau das Widerstandszentrum. Das wichtigste Ereignis im russischen Teilungsgebiet, dessen Schatten sich auf die gesamte gesellschaftspolitische Entwicklung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts legte, war der Januaraufstand (Powstanie styczniowe) 1863.

[...]


[1] (Heyde 2006, 47)

[2] Bestand ab 1569 aus dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen

[3] Die polnischen Nicht-Katholiken, Dissidenten genannt, die seit dem Stummen Sejm von 1717 ins Abseits gerieten, ihre volle bürgerliche Gleichberechtigung forderten, zwangen einmarschierte russische Truppen den Sejm, dieser Forderung nachzugeben. Dagegen erhob sich 1768 die Konföderation von Bar, die sowohl die Souveränität Polens als auch die Beschränkung der vollen Bürgerrechte auf die Katholiken bewahren wollte. Sie wurde jedoch in einem Bürgerkrieg mit Hilfe russischer Truppen niedergeschlagen.

[4] Polen-Litauen verfügte bis 1772 über die Zipser Städte, die ab 1421 vom Königreich Ungarn an das Königreich Polen verpfändet waren.

[5] (Hoensch, Geschichte Polens 1998, 164)

[6] (Winks 2005, 96 ff.)

[7] (Heyde 2006, 52)

[8] (Heyde 2006, 53)

[9] (Sobieski 1920)

[10] (Heyde 2006, 61)

[11] (* 14. März 1771 in Kapustyń ; † 30. September 1854 in Krakau); polnischer General.

[12] (* 6. Juli 1796 in Zarskoje Selo bei Petersburg, † 2. März 1855 in Sankt Petersburg), aus dem Haus Romanow-Holstein-Gottorp war als Nikolaj I. Zar des Russischen Reiches und zwischen 1825 und 1830 letzter gekrönter König von Polen (Kongresspolen)

[13] (Hoensch, Sozialverfassung und politische Reform: Polen im vorrevolutionären Zeitalter 1973, 298 ff.)

[14] militärische Erhebung polnischer Patrioten unter der Führung von General Tadeusz Kościuszko im Jahr 1794

[15] erster größerer Aufstand der Polen nach dem Wiener Kongress, der die Unabhängigkeit Polens zum Ziel hatte

[16] Schlagwort für den Kampf um nationale Unabhängigkeit und Einheit. Insbesondere 1848 kam es in mehreren Ländern zu Umsturzversuchen, Revolutionen von 1848

[17] eine v. a. gegen die russische Teilungsmacht gerichtete Erhebung in Polen in den Jahren 1863/1864

[18] Polen und das Deutsche Reich im 1. Weltkrieg

[19] Gruppierung polnischer Adliger, die am 29. Februar 1768 auf der Festung von Bar in Podolien gegründet worden war, um die innere und äußere Unabhängigkeit Polens gegenüber Russland und seinem Gesandten in Warschau, Fürst Nikolai Repnin, zu verteidigen.

Urheber der Konföderation waren unter anderem Adam Krasiński, Bischof von Kamjanez-Podilskyj, Kazimierz Pułaski und Michał Krasiński.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Nationalstaatsbestrebungen in der künstlerischen Bildungselite Polens zur Zeit des geteilten Polens
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Polen und das Deutsche Reich im Ersten Weltkrieg
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V130879
ISBN (eBook)
9783640369041
ISBN (Buch)
9783640369409
Dateigröße
550 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationalstaatsbestrebungen, Bildungselite, Polens, Zeit, Polens
Arbeit zitieren
Katja Hartmann (Autor:in), 2008, Nationalstaatsbestrebungen in der künstlerischen Bildungselite Polens zur Zeit des geteilten Polens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130879

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