Gesundheitsförderung für von Kinderarmut betroffene Grundschüler. Welchen Beitrag kann die Schulsozialarbeit leisten?


Studienarbeit, 2022

30 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bestimmung der Zielgruppe

3. Ursachen von Kinderarmut und deren gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder im Grundschulalter
3.1 Armutsgefährdende Faktoren für Kinder
3.2 Gesundheitliche Auswirkungen von Kinderarmut
3.2.1 Fehl- und Mangelernährung als Gesundheitsrisiko für Kinder
3.2.2 Bewegungsmangel als Gesundheitsrisiko für Kinder
3.2.3 Adipositas als Gesundheitsrisiko für Kinder
3.2.4 Auswirkungen auf die Zahngesundheit bei Kindern
3.2.5 Psychische Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern

4. Möglichkeiten der Gesundheitsförderung durch Schulsozialarbeit an Grundschulen
4.1 Auftrag und Ziele der Schulsozialarbeit
4.2 Gesundheitsförderung und Prävention in der Grundschule
4.3 Gesundheitsfördernde Interventionsmöglichkeiten der Schulsozialarbeit
4.3.1 Elternbildung als gesundheitsfördernde Maßnahme für Grundschüler_innen
4.3.2 Maßnahmen der Gesundheitsförderung für Grundschüler_innen
4.3.2.1 Förderung der psychischen Gesundheit
4.3.2.2 Förderung der physischen Gesundheit

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nach Analysen des Paritätischen Gesamtverbandes, die sich auf den 6. Armuts- und Reichtumsbericht aus dem Jahr 2021 sowie auf den Mikrozensus des Statistischen Bun­desamtes stützen, sind in Deutschland 13,8 Millionen (16,6 Prozent) Menschen von Ar­mut betroffen. Einer besonderen Gefährdung unterliegen Familien mit drei oder mehr Kindern, sowie Einelternhaushalte. Die Quote der von Armut betroffenen Kinder liegt bei 20,8 Prozent (Schneider et al. 2022, S. 3).

Armut bedeutet nicht nur ein Fehlen finanzieller Mittel, sondern zeigt sich in daraus re­sultierenden Chancenungleichheiten, in denen die Handlungs-, Entwicklungs- und Teil­habemöglichkeiten der Betroffenen eingeschränkt sind (vgl. Kohler-Gehring 2019, S. 35). Nachgewiesen ist, dass bei Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Sta­tus das Gesundheitsverhalten und das Gesundheitsbewusstsein weniger ausgeprägt sind und sich häufiger gesundheitsschädliches Verhalten zeigt. Nicht nur Suchtproblemati­ken sind zu nennen, sondern ebenso ein mangelndes Bewusstsein für eine gesundheits­förderliche Ernährung und die Notwendigkeit von Bewegung (vgl. Kohler-Gehring 2019 S. 78). Besonders hohe Prävalenzen zeigen sich bei Menschen mit einem niedri­gen Bildungsstand sowie in Abhängigkeit vom Wohnort bzw. dem sozialen Umfeld (vgl. Prade etal. 2022, S. 814).

Für Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien zeigt sich Chancenungleich­heit u. a. in ungleichen Möglichkeiten, gesund aufzuwachsen. Hinzu kommt, dass Kin­der, die in ihren Eltern Vorbilder sehen, gesundheitsschädigende Verhaltensweisen von ihnen übernehmen. Wenn Kinder in Unterversorgungslagen aufwachsen und sie wenige oder keine Resilienzfaktoren als Ressourcen besitzen (vgl. Moor et al. 2022, S. 749), hat dies Auswirkungen auf ihr biopsychosoziales Wohlbefinden. Krankheitsursachen sind häufig auf eine Fehl- oder Mangelernährung zurückzuführen, aus der weitere Erkran­kungen, wie Adipositas oder Karies resultieren. Aber auch psychische Belastungen oder mangelnde soziale Teilhabemöglichkeiten können in der finanzieller Situation der Fa­milie begründet sein (vgl. Weimann 2018, S. 60 f.).

Betrachtet man die Tatsache, dass 15,4 Prozent der Kinder in Deutschland übergewich­tig bzw. adipös sind und daraus Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Herzerkrankun­gen und Diabetes mellitus bereits im Kindesalter entstehen können, bedarf es einer früh­zeitigen Intervention, damit sich die in der Kindheit erworbenen Erkrankungen nicht bis in das Erwachsenenalter verfestigen (Prade et al. 2022, S. 814).

Die Grundschule, als sekundärer Sozialisationsort neben der Familie, erscheint in die­sem Zusammenhang ein geeignetes Setting, um frühzeitig präventiv und intervenierend tätig zu werden. Welche Möglichkeiten der Gesundheitsförderung und -prevention Schulsozialarbeiter_innen im Rahmen ihres methodischen Handelns an Grundschulen haben, soll in der vorliegenden Arbeit herausgearbeitet werden.

Zunächst sollen die Ursachen von Kinderarmut analysiert werden und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Gesundheit von Grundschüler_innen beschrieben werden. Um sich den Möglichkeiten einer Gesundheitsförderung durch Schulsozialar­beit zu nähern, sollen zunächst der Auftrag und die Ziele von Schulsozialarbeit verdeut­licht werden, um daraus die Möglichkeiten der Gesundheitsförderung an Grundschulen durch Schulsozialarbeiter_innen ableiten zu können, damit im Fazit die Frage beantwor­tet werden kann: Welchen Beitrag kann Schulsozialarbeit zur Gesundheitsförderung für von Kinderarmut betroffene Schüler_innen im Grundschulalter leisten?

2. Bestimmung der Zielgruppe

Als Zielgruppe sind Kinder im Grundschulalter aus sozioökonomisch benachteiligten Familien zu bestimmen. Kinder werden in Abhängigkeit vom Geburtsmonat mit sechs bzw. sieben Jahren eingeschult und besuchen die Grundschule in der Regel bis zum zehnten oder elften Lebensjahr (vgl. Deutscher Bildungsserver 2022, Abs. 2, Abs. 4).

Die Zielgruppe der Grundschüler_innen soll in dieser Arbeit lediglich hinsichtlich des sozioökonomischen Status und den daraus resultierenden Erkrankungen näher bestimmt werden. Für die Umsetzung von Projekten der Schulsozialarbeit zur Gesundheitsförde­rung ist es jedoch notwendig, eine weiterführende zielgruppenspezifischere Bestim­mung vorzunehmen. Nur, wenn Gesundheitsrisiken soziallagen- und zielgruppenbezo­gen evaluiert werden, ist es möglich, die Adressat_innen zu erreichen, auf ihre Bedürf­nisse einzugehen, ihre Ressourcen zu nutzen und sie partizipieren zu lassen, um indivi­duelle Lebenslagen zu verbessern und Gesundheitskompetenzen nachhaltig zu entwi­ckeln. Eine Differenzierung kann nach dem Geschlecht, nach der Herkunft und nach dem gesundheitlichen Förderbedarf erfolgen, jedoch ohne die Adressat_innen mit einer Zielgruppenbeschreibung zu stigmatisieren oder zu diskriminieren (vgl. Kooperations­verbund Gesundheitliche Chancengleichheit 2021, S. 13 f.).

3. Ursachen von Kinderarmut und deren gesundheitliche Auswirkungen auf Kin­der im Grundschulalter

Im folgenden Kapitel sollen die Ursachen für Kinderarmut dargestellt werden. Zudem soll überprüft werden, ob zwischen dem Aufwachsen in Familien mit einem niedrigen sozioökonomischen Status und dem Gesundheitszustand von Kindern ein Zusammen­hang besteht.

3.1 Armutsgefährdende Faktoren für Kinder

Als Armutsfaktor für Kinder ist zunächst die Dimension der finanziellen Situation des Haushaltes zu betrachten. Die Grenze der Existenzsicherung wird mit 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Netto-Äquivalenzeinkommen der Gesamtbevölkerung be­ziffert. Liegen die Mittel darunter, ist von Armut zu sprechen (vgl. Kohler-Gehring 2019, S. 10 f.). Dieses Unterschreiten des soziokulturellen Existenzminimums wird als relative Armut bezeichnet. Zwar ist in Abgrenzung zur absoluten Armut eine physische Existenzsicherung gegeben (vgl. Weimann 2018, S. 31 f.), allerdings resultiert nach Kohler-Gehring (2019) aus dem Mangel an finanziellen Mitteln die Gefahr der sozialen Exklusion, da für die gesellschaftliche Teilhabe finanzielle Mittel notwendig sind (ebd., S. 12).

Die eindimensionale Betrachtungsweise der im Haushalt zur Verfügung stehenden fi­nanziellen Mittel wirdjedoch Kindern nicht gerecht, da sich Armut auf Kinder mehrdi­mensional auswirkt. Das Kindeswohl ist nicht ausschließlich von materiellen Gütern ab­hängig, sondern ist in den Zugangsmöglichkeiten zu öffentlichen Dienstleistungen, in einem Raum zum sicheren und gesunden Aufwachsen sowie in sinnstiftender Freizeit­beschäftigung zu verorten. Armutserfahrung können dauerhafte Folgen für die psychi­sche und physische Entwicklung eines Kindes innehaben (vgl. Minujin et al. 2006, S. 483, übersetzt mit deepl.com).

Eine mehrdimensionale Betrachtungsweise nimmt das kindgerechte Armutskonzept der AWO-ISS Studie vor. Demnach sollen neben der finanziellen Lage des Haushaltes auch die materiellen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Dimensionen des Kindes be­trachtet werden, um daraus Wohlergehen, Benachteiligung oder multiple Deprivation ableiten zu können (vgl. Butterwegge 2010, S. 39). Mit Hilfe des Konzeptes ist es Ak­teuren wie der Schulsozialarbeit möglich, komplexe Unterversorgungslagen besser zu analysieren und bedarfsgerechter zu handeln.

Armutslagen von Kindern sind im sozioökonomischen Status ihrer Eltern begründet. Nach Weimann (2018) unterliegen Einelternfamilien einem erhöhten Armutsrisiko, da zumeist die Mütter Betreuungsaufgaben zu übernehmen haben und daher häufig nur in Teilzeitbeschäftigungen tätig sein können oder im Sozialleistungsbezug leben. Die öko­nomischen Verhältnisse von Alleinerziehenden sind immer schlechter gestellt, als die von Familien mit zwei Erwerbseinkommen (vgl. ebd., S. 47 f.). Aber auch in Paarhaus­halten mit Kindern kann sich Armut manifestieren, wenn Eltern von Einkommensarmut oder Arbeitslosigkeit betroffen sind. Ebenso unterliegen Familien mit mehr als zwei Kindern bei einem niedrigen Einkommen einem erhöhten Armutsrisiko (vgl. ebd., S. 49 f.). Betroffen sind zudem Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund, da besondere Problemlagen, wie z. B. Sprachbarrieren zu verzeichnen sind (vgl. ebd., S. 53 ff.).

Ein niedriges Familieneinkommen hat Auswirkungen auf die mehrdimensionalen Le­benslagen von Kindern. Eine finanzielle Überforderung der Eltern kann auch eine Über­forderung in der Sorge um die Kinder, einhergehend mit einer Vernachlässigung nach sich ziehen, die besonders in benachteiligten Familien zu beobachten ist (vgl. Weimann 2018, S. 49f).

Eine finanzielle Unterversorgung oder eine Vernachlässigung können, wie im Weiteren darzustellen ist, negative Folgen auf die gesundheitliche Entwicklung von Kindern be­deuten.

3.2 Gesundheitliche Auswirkungen von Kinderarmut

Für Kinder, die in sozioökonomisch benachteiligen Familien aufwachsen, sind die Le­bensbedingungen und die Teilhabechancen stark eingeschränkt. Daraus können psycho­soziale Belastungen und Auswirkungen auf die Gesundheit und das Gesundheitsverhal­ten resultieren (vgl. Lampert & Kuntz 2019, S. 1263), deren Ursachen schon vor dem Eintritt in die Grundschule zu verorten sind.

Weimann (2018) verdeutlicht, dass in sozioökonomisch schlechter gestellten Familien bereits das ungeborene Kind Gesundheitsschädigungen ausgesetzt werden kann, wenn armutsbedingt Unterversorgungslagen der Mutter vorliegen (vgl. ebd., S. 66 f.), oder während der Schwangerschaft geraucht wird (Kohler-Gehring 2019, S. 148). Auch ein­hergehend mit einer psychosozialen Vernachlässigung sowie einer Fehl- oder Mangeler­nährung von Kleinkindern, können Wachstumsstörungen, Unterernährung oder Überge­wicht und Entwicklungsverzögerungen resultieren (vgl. Butterwegge 2010, S. 203).

Zwar sollen durch die Vorsorgeuntersuchungen Ul bis U9 Fehlentwicklungen frühzei­tig erkannt und ihnen therapeutisch entgegengewirkt werden (vgl. Butterwegge 2010, S. 203), jedoch ist bei der Inanspruchnahme, vor allem ab der U7, bei Kindern mit einem niedrigen Sozialstatus eine rückläufige Tendenz festzustellen. Daher werden Entwick­lungsstörungen oder -Verzögerungen erst in der Schuleingangsuntersuchung diagnosti­ziert (vgl. Weimann 2018, S. 67 f.). Nach Butterwegge (2010) ist es belegbar, „dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien und Stadtteilen mit überdurchschnittlicher Sozialhilfedichte einen erhöhten Förderbedarf aufweisen.“ (ebd., S. 203)

Dies belegt auch eine in benachteiligten Wohngebieten in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt Studie. Kinder wiesen bereits im Vorschulalter Defizite in den Sprach- und Kognitionsfähigkeiten auf oder konnten aufgrund gesundheitlicher Einschränkun­gen bei sportlichen Aktivitäten mit Gleichaltrigen nicht mithalten. Psychische Belastun­gen durch Ausgrenzungserfahrungen aufgrund von defizitären Sprachkenntnissen wur­den bei Kindern mit Migrationshintergrund nachgewiesen. Entwicklungsdefizite und gesundheitliche Beeinträchtigungen werden häufig nicht frühzeitig erkannt, da Kinder aus benachteiligten Familien seltener oder unregelmäßig die Vorschule besuchen. Die Bedeutsamkeit des Vorschulbesuches ist hervorzuheben, damit Kinder alle Entwick­lungsaufgaben im Übergang vom Familienleben zum Kindergarten und bis zum Eintritt in die Grundschule absolvieren können. Soziale Ungleichheiten könnten so verringert werden und zur Chancengleichheit beitragen (vgl. Biermann et al. 2020, S. 7 ff., über­setzt mit deepl.com).

Die bereits in der frühen Kindheit erworbenen Gesundheitsschädigungen haben Auswir­kungen bis zum Eintritt in die Grundschule. Beeinträchtigungen resultieren aus einem ungesunden Ernährungsverhalten, einhergehend mit Bewegungsmangel und daraus re­sultierender Adipositas. Ebenso sind eine mangelnde Zahngesundheit und psychische Auffälligkeiten von Kindern aus benachteiligten Familien zu verzeichnen.

3.2.1 Fehl- und Mangelernährung als Gesundheitsrisiko für Kinder

Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien sind einem erhöhten Risiko einer Fehl- oder Mangelernährung ausgesetzt. Zurückzuführen ist diese Unterversorgung dar­auf, dass „die verfügbaren Ressourcen kaum ausreichen, um die Versorgung einer Fa­milie optimal zu decken.“ (Weimann 2018, S. 70 )

Regarding the mixed childhood diet, associations with social status seem to be broadly similar to those reported in adults: low social class populations consume less from the ‘healthy’ side of the food palette, in particular fruit and vegetables, and more from the ‘unhealthy’ side, in particular confectionary and soft drinks. (Kersting et al. 2016, S. 30)

Die Studien der KiGGS Welle 21 bestätigten den Zusammenhang zwischen einem nied­rigem sozialökonomischen Status und dem Ernährungsverhalten (vgl. Kuntz et al. 2018, S. 47). Belegt wurde, umso niedriger der sozialökonomische Status eines Kindes ist, umso häufiger werden zuckerhaltige Getränke konsumiert und umso weniger werden frisches Obstund Gemüse gegessen (vgl. Kuntz et al. 2018, S. 50).

Nicht nur fehlende finanzielle Mittel sind ausschlaggebend für eine Fehlernährung, son­dern ebenso ein mangelndes Wissen über eine gesundheitsbewusste Ernährung, ein feh­lendes Gesundheitsbewusstsein oder die Unkenntnis, gesunde Lebensrnittel preiswert zu kaufen und diese zu verarbeiten (vgl. Weimann 2018, S. 71). Zudem wird in einkom­mensschwachen Familien häufiger preiswerteres Fast Food, als gesündere unverarbeite­te Lebensrnittel konsumiert (vgl. Kuntz et al. 2018, S. 50). Die Aufnahme von kalorien­reicher, jedoch nährstoffarmer Nahrung ist häufiger bei sozioökonomisch schlechter ge­stellten Bevölkerungsgruppen nachzuweisen (vgl. Kohler-Gehring 2019, S. 148).

3.2.2 Bewegungsmangel als Gesundheitsrisiko für Kinder

Von Armut betroffene Kinder leben mit ihren Familien häufig in benachteiligten Wohn­gebieten. Diese sind nicht selten von einer unterdurchschnittlich entwickelten Infra­struktur an Spielplätzen, Grünflächen und Sportangeboten in Vereinen geprägt. Hieraus lassen sich die eingeschränkten Möglichkeiten einer bewegungsaktiven Freizeitgestal­tung im Freien (vgl. Kuntz et al. 2018, S. 55) sowie eine niedrigere sportliche Aktivität (vgl. Kuntz et al. 2018, S. 51) ableiten. Benachteiligten Kindern ist es aus Kostengrün­den seltener möglich, in Sportvereinen aktiv zu sein. Zudem spielen sportliche Aktivitä­ten im Erziehungsverhalten häufig nur eine untergeordnete Rolle, wenn Eltern die ge­sundheitsfördernde Relevanz nicht kennen (vgl. Kohler-Gehring 2019, S. 148).

3.2.3 Adipositas als Gesundheitsrisiko für Kinder

Aufgrund von Fehlernährung und mangelnder sportlicher Aktivität kann bei Kindern mit einem niedrigen sozioökonomischen Status häufiger Übergewicht festgestellt wer­den (vgl. Kuntz et al. 2018, S. 51). Belegt wurde dies sowohl durch die KiGGS-Studien als auch durch die Schuleingangsuntersuchungen. Es konnten Folgeerkrankungen, wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Insulinresistenzen festgestellt werden, die die kindliche Entwicklung negativ beeinflussen und Auswirkungen bis in das Er­wachsenenalter nach sich ziehen. Eine Stigmatisierung der Betroffenen aufgrund von Adipositas kann zudem das psychosoziale Wohlbefinden, z. B. hinsichtlich des Selbst­wertgefühls mindern (vgl. Robert Koch-Institut 2020, S.l).

3.2.4 Auswirkungen auf die Zahngesundheit bei Kindern

Stasch et al. (2022) weisen mit einer Studie aus Österreich nach, dass in Abhängigkeit vom Sozialstatus der Eltern auch die Zahngesundheit von Kindern betroffen ist. Unter­sucht wurde der Kariesbefall von Milchzähnen bei Kindern mit einem Durchschnittsal­ter von 8 Jahren (ebd., Abs. 7). Es wurde nachgewiesen, dass eine erhöhte Kariespräva­lenz in sozioökonomischen Unterschieden zu begründen ist (ebd., Abs. 10). Zurückzu­führen ist dies auf einen erhöhten Zuckerkonsum und einer geringeren Inanspruchnah­me von zahnärztlichen Kontrollen in sozioökonomisch schlechter gestellten Haushalten (ebd. Abs. 13). Die Studie geht weiterhin davon aus, dass in der Folge auch bleibende Zähne kariös sein werden (ebd., Abs. 7).

3.2.5 Psychische Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern

Armut kann nicht nur physische Gesundheitsfolgen nach sie ziehen, sondern es kann ebenso ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen sozioökonomischen Status zu ei­ner krankhaften psychischen Entwicklung von Kindern hergestellt werden (vgl. Wei­mann 2018, S. 77).

In finanziell unterversorgten Familien wachsen Kindern häufig mit wenig emotionaler Wärme sowie wenig positiv wirkenden Eindrücken auf, die für die kindliche Entwick­lung von elementarer Bedeutung sind. Folgen daraus sind psychosoziale Belastungen des Kindes. Psychische Auffälligkeiten spiegeln die Verhaltensmuster der Eltern wider. Wenn Eltern aufgrund von Mangelerfahrungen zu „Unsicherheit, Aggression, Unzufrie­denheit, Gleichgültigkeit oder Resignation“ (Weimann 2018, S. 77) neigen, so können Kinder diese Verhaltensweisen übernehmen. Den finanziellen Druck den die Eltern er­fahren, geben sie als psychischen Druck an ihre Kinder weiter. Häufig fehlen in diesem Zusammenhang auffangende soziale Netzwerke, die Kindern die Möglichkeit bieten, auf Bezugspersonen zu treffen, die ihre Entwicklung positiv beeinflussen. Psychisch be­lastend wirkt auf Kinder, wenn sie erleben, dass der familiäre finanzielle Mangel sie aus den Teilhabemöglichkeiten an der Gesellschaft ausschließt. Deutlich wird dies, wenn sie andere Kinder z. B. nicht zu Geburtstagen in die eigene Häuslichkeit einladen können oder sie nicht an Schulausflügen oder Freizeitaktivitäten teilnehmen können. Daraus re­sultieren wiederum fehlendende Freundschaften und emotionale Zuwendung durch Gleichaltrige (vgl. Weimann 2018, S. 81). Kinder erleben sich daher benachteiligt und ausgegrenzt im Vergleich zu sozioökonomisch besser gestellten Gruppenmitgliedem. Zudem erleben Kinder eine erhöhte psychische Anspannung bei belastenden Situatio­nen, wenn die familiäre Kommunikation aufgrund von Unterversorgungslagen gestört ist und innerhalb der Familie keine Möglichkeit besteht, Problematiken zu besprechen (vgl. Weimann 2018, S. 77 f.).

Armutsfolgen bedeuten für Kinder erhöhten Stress, der, auch im Zusammenhang mit wenig Zuwendung durch die Eltern, als entwicklungsgefährdend zu beurteilen ist. Psy­chische Belastungen zeigen sich im Schulverhalten, wenn Kinder gereizt, unsicher, ag­gressiv, unzufrieden oder gleichgültig auf die im Schulalltag auf sie zukommenden Her­ausforderungen reagieren. Rückschlüsse können u. a. auch auf das Ernährungsverhalten der Kinder gezogen werden. Wenn Kinder ohne Frühstück oder mangelemährt in die Schule gehen, leidet darunter auch die Konzentrationsfähigkeit (vgl. Weimann 2018, S. 79 f.).

Kinder stehen der emotionalen und sozialen Vernachlässigung, einhergehend mit dem Gefühl, über Situationen keine Kontrollen mehr zu haben, hilflos gegenüber. Dies kann in der Folge zu chronischen Depressionen führen (vgl. Weimann 2018, S. 81).

Belastende Situationen in der Familie und daraus resultierende Problemlagen in der Schule führen bei Kindern zu deviantem Verhalten, dass sich in Aggressivität, Rück­zugsverhalten, im Gefühl von Einsamkeit oder im Unvermögen, Beziehungen zu Be­zugspersonen aufzubauen, äußert. Damit einhergehend ist eine verminderte schulische Leistungsfähigkeit bis hin zur Schulverweigerung zu verzeichnen (vgl. Weimann 2018 S. 82).

4. Möglichkeiten der Gesundheitsförderung durch Schulsozialarbeit an Grund­schulen

Im Folgenden sollen der Auftrag und die Ziele der Schulsozialarbeit dargelegt werden. Zudem soll auf den gesundheitsfördernden Auftrag von Schulen eingegangen werden, um schließlich die gesundheitsfördernden Interventionsmöglichkeiten der Schulsozialar­beit darzustellen.

4.1 Auftrag und Ziele der Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeit hat in der Lebenswelt Schule den Auftrag, Schüler_innen in ihrer indi­viduellen sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung zu fördern, Eltern und Lehrkräfte bei der Erziehung hinsichtlich des Kindeswohls zu beraten und zu unterstüt­zen und soll zu einer schülerfreundlichen Lernatmosphäre beitragen. Durch präventive und intervenierende Maßnahmen soll für benachteiligte Schüler_innen eine Chancen­gleichheit hergestellt werden. Dabei fungiert Schulsozialarbeit als Schnittstelle zwi­schen der Kinder- und Jugendhilfe und der Schule und arbeitet kooperativ mit den Lehr­kräften zusammen (vgl. Zipperle & Rahn 2020, S. 261 f.).

[...]


1 Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland des Robert Koch-Instituts.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Gesundheitsförderung für von Kinderarmut betroffene Grundschüler. Welchen Beitrag kann die Schulsozialarbeit leisten?
Hochschule
SRH Hochschule Heidelberg
Veranstaltung
Wissenschaftliches Arbeiten II - Soziologie
Note
1,5
Autor
Jahr
2022
Seiten
30
Katalognummer
V1309043
ISBN (Buch)
9783346783509
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Armut, Kinder, Kinderarmut, Schulsozialarbeit, Grundschule, Grundschüler, Grundschülerinnen, Gesundheit, Gesundheitsrisiko, Gesundheitsförderung, Kind, Soziale Arbeit, Sozialarbeiter, Schule
Arbeit zitieren
Gunnar Schulze (Autor:in), 2022, Gesundheitsförderung für von Kinderarmut betroffene Grundschüler. Welchen Beitrag kann die Schulsozialarbeit leisten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1309043

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