Leseprobe
Inhalt und Gliederung
Einleitung
Historischer Kontext
Rolle und Organisation der Parteien
Generelle Defizite des Parteiensystems
Forschungsdebatte
Fazit und persönliche Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis (Darstellungen, Lexika und Internetseiten)
Anmerkungen (Endnoten)
Einleitung
In dieser Arbeit sollen die politischen Parteien im deutschen Kaiserreich nach der Reichsgründung 1871beschrieben und untersucht werden, schwerpunktmäßig während Bismarcks Kanzlerschaft. Um mich diesem komplexen Thema nähern zu können, werde ich versuchen zu analysieren, ob die Parteien im Kaiserreich nur im Vorhof der Macht existierten, oder ob sie sich zu tatsächlichen und einflussreichen politischen Mitgestaltern entwickeln konnten.
Historischer Kontext
Um die ambivalente und umstrittene Frage nach der Rolle der Parteien im Kaiserreich beantworten zu können, ist es wichtig die Vorgeschichte der politischen Bewegungen vor der Reichsgründung 1871 zu betrachten. Diese beginnt im Vormärz mit politischen Gesinnungsgruppen in Landtagen und Ständeversammlungen, sowie mit den sozialistischen Auslandsorganisationen der Handwerker und Arbeiter[1]. Bis 1848 waren den Deutschen legale politische Zusammenschlüsse und organisierte Aktivitäten verboten, erst im Vormärz kam es dann zu den oben genannten, ersten politischen Bewegungen. Heutzutage sind effektive politische Systeme ohne Parteien, die im besten Fall die verschieden, im Land existenten politischen Meinungen repräsentieren, nicht denkbar.
Rolle und Organisation der Parteien
Die politischen Parteien der Kaiserzeit fanden in der Reichsverfassung keine Erwähnung, sondern beruhten auf dem Vereinsrecht.[2] Bereits diese Tatsache weist auf die niedrige Bedeutung hin, die man den Parteien bei der Ausarbeitung der Verfassung beimaß. Doch diese Missachtung der Parteien mag auch damit zu relativieren sein, dass es noch keinen festen Parteienbegriff gab, man sprach stattdessen von Lagern und Richtungen, von politischen Freunden und Gegnern[3]. Ausdrücklicher gegen den Parlamentarismus richtete sich hingegen das Verbot „jeder Besoldung oder Entschädigung“[4] für die Abgeordneten, auch wenn es letztendlich nur die Bindung dieser an die Parteien stärkte.
Von den 70er Jahren bis zum Kriegsausbruch konzentrierte sich die organisierte politische Tätigkeit in Deutschland auf fünf politische Parteien[5]. Die Hauptrichtungen, die die deutsche Parteiengeschichte bestimmten, waren: Liberalismus, Konservatismus, politischer Katholizismus und Sozialismus[6]. Der Großteil der Parteien war als Honorationspartei organisiert[7][i]. Von den fünf wichtigen politischen Parteien, die ich im weiteren Verlauf vorstellen werde, waren in der Tat zunächst drei Parteien solchermaßen organisiert, nämlich die Deutsche konservative Partei, die Nationalliberale Partei sowie die Fortschrittspartei. Anders verhält es sich mit der katholischen Zentrumspartei und der sozialistischen, bzw. Sozialdemokratischen Partei. Das Zentrum als politische Partei entstand 1870 und wurde bereits bei den ersten Reichstagswahlen mit 63 Mandaten die zweitstärkste Partei[8]. Es hatte seinen Platz in der Mitte zwischen den Konservativen auf der rechten und den liberalen und Gruppierungen auf der linken Seite. Als politischer Vertreter des Katholizismus forderte es die verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstständigkeit der Kirche, die Konfessions-schule sowie das „Gleichgewicht“ von „Grundbesitz- Kapital - Arbeit“[9]. In Fragen, die nicht die Kirche betrafen zeigte sich das Zentrum flexibler als andere Parteien und bot sich deshalb als Partner an. Diese Flexibilität hing mit den Wähler des Zentrums zusammen, die aus unterschiedlichen sozialen Milieus stammten und durch den katholischen Glauben verbunden waren. Doch obwohl das Zentrum mehrere soziale Schichten umfasste und unterschiedliche Interessen miteinander ausgleichen musste, bewies es eine erstaunliche politische Stabilität[10]. Der wichtigste Vertreter des Zentrums war der frühere hannoversche Justizminister und Kronanwalt Ludwig Windthorst, der Bismarck:„an Unerschrockenheit und rednerischer Begabung durchaus gewachsen war“[11].
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[1] http://www.bpb.de/publikationen/VC1GB6,0,0,Politische_Parteien_im_Deutschen_Reich_18711918.html%202009-03-08 (Heft 163).
[2] Historische Ausstellung des deutschen Bundestages: http://www.bundestag.de/geschichte/infoblatt/parteien_kaiserreich.pdf .
[3] Rürup, Reinhard: „Deutsche Geschichte 8: Deutschland im 19. Jahrhundert 1815-1871“, Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen, S. 155.
[4] Reiser, Marion: „Zwischen Ehrenamt und Berufspolitik: Professionalisierung der Kommunalpolitik in deutschen Grossstädten“ VS Verlag, 2006, S.54.
[5] Craig, Gordon A.: „Geschichte Europas 1815-1980 vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart“, Beck, 1995 München, S.276.
[6] Rürup, Reinhard: „Deutsche Geschichte 8: Deutschland im 19. Jahrhundert 1815-1871“, S. 155.
[7] Caron, Jean-C., Vernus, Michel: „L’Europe au XIX siècle: Des nations aux nationalismes 1815-1914“, Armand Colin, 1996 Paris, S. 300.
[8] Müller, Heinrich M.: „Schlaglichter der deutschen Geschichte“, Sonderausgabe f. d. BpB, 2009 Bonn, S. 189.
[9] Wehler, Hans-Ulrich: „Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 3 Band von der Deutschen Doppelrevolution bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1849-1914“, C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), 1995 München, S.347.
[10] http://www.bpb.de/publikationen/VC1GB6,0,0,Politische_Parteien_im_Deutschen_Reich_18711918.html%202009-03-08 (Heft 163).
[11] Müller, Heinrich M.: „Schlaglichter der deutschen Geschichte“, Sonderausgabe f. d. BpB, 2009 Bonn, S. 190.
[i] Honorationspartei: alle entscheidenden parteipolitischen Funktionen werden durch kleine Gruppen von Persönlichkeiten wahrgenommen wurden, die als Repräsentanten ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Gruppe eine herausgehobene Position besaßen . (Hans-Ulrich Wehler)
- Arbeit zitieren
- Vincent Glittenberg (Autor), 2009, Die politischen Parteien des Kaiserreichs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130911
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