Untersucht man die Sekundärliteratur zu Erich Mühsam hinsichtlich des Theaterstücks "Die Freivermählten" (1909), stellt man fest, dass diese - wenn überhaupt - nur in Einzelaspekten auf die in dem Stück verhandelten Inhalte eingeht. Da die Themen des Werkes - Liebe, Ehe, Familie, Eifersucht - heute noch als aktuell gelten müssen, ist durchaus interessant, inwieweit die zahlreichen im Stück enthaltenen Widersprüche auf theoretischen Mängeln Mühsams basieren oder als didaktische Mittel zum Zweck zu verstehen sind. Diese Frage zu beantworten, bedeutet, sich ein Bild von Mühsams gesellschaftlichen Vorstellungen zu machen.
Erich Mühsam muss als vergessener Dichter bezeichnet werden. Seine Werke sind nach einer kleinen Renaissance in der DDR der 60er Jahre und während der Studentenbewegung in der BRD der 70er Jahre fast vollständig vom Markt und von den Bühnen verschwunden. Als kommunistischer Anarchist, als prinzipieller Gegner jeglicher Staatlichkeit ist er offensichtlich politisch für den bürgerlichen Kulturbetrieb nicht sonderlich verwertbar. Er, der sich stets dafür ausgesprochen hat, Dichter und andere Künstler sollten sich gesellschaftlich engagieren, wobei die künstlerische Form hinter den Inhalt zurückzutreten habe, hatte als Schriftsteller - anders als beispielsweise Bertolt Brecht - nie einen Erfolg, der ihm dauerhafte Popularität beschieden hätte.
Zwar wird Mühsams "Revoluzzer", das Spottlied auf die deutsche Sozialdemokratie, immer noch gesungen, sein dramatisches Werk jedoch wird seit dem Ende der Weimarer Republik fast gänzlich ignoriert. Das gilt vor allem für seine ersten Theaterstücke "Die Hochstapler", "Glaube, Liebe, Hoffnung" und "Die Freivermählten", die sämtlich bis heute nicht aufgeführt wurden. Dabei ist gerade letzteres durchaus auch heute noch von Interesse, weil seine Kritik an bürgerlichen Moralvorstellungen nur partiell ihrer Aktualität beraubt wurde.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Biographische Anmerkungen zu Erich Mühsam
- Jugend und Kindheit
- Der Bohemien Erich Mühsam
- Erste Kontakte mit (individual-)anarchistischen Ideen
- Erste politische Aktivitäten
- Der erste Weltkrieg
- Die Novemberrevolution
- Räterepublik und Konterrevolution
- Die Weimarer Republik
- Gefangenschaft und Tod
- Die Freivermählten
- "Ganz bestimmte revolutionäre Ansichten"
- Die Kritik an der Ehe als Kritik an der Monogamie
- Die Frauenfrage als Mutterfrage oder: Die Mutterrechtsfrage als Gebärmutterfrage
- Die staatsidealistischen Argumente des Erich Mühsam
- "Ganz bestimmte revolutionäre Ansichten"
- Exkurs: Das Gutachten
- Mühsams „Gesamtbild künftiger Gesellschaftsordnung“ und der Weg dorthin
- Mühsams Menschenbild
- Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat
- Anarchistische Grundforderungen
- Das Wesen des Menschen und seine Gründe
- Der anarchistische Widerspruch
- Wozu die Ehe verpflichtet
- Der Konflikt mit Landauer
- Die Freivermählten in der Sekundärliteratur
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit befasst sich mit dem fast vergessenen Theaterstück „Die Freivermählten“ von Erich Mühsam und analysiert seine Kritik an bürgerlichen Moralvorstellungen vor dem Hintergrund der anarchistischen Ideologie des Autors. Die Arbeit untersucht, wie Mühsams Vorstellungen und Kritik in diesem Stück zu bewerten sind, unter Berücksichtigung seiner weiteren Schriften und seiner politischen Ideen.
- Die Kritik an der bürgerlichen Ehe als Monogamie
- Die Frauenfrage und ihre Verbindung zu gesellschaftlichen Machtstrukturen
- Die politische Philosophie des Anarchismus und ihre Anwendung auf die Gesellschaftskritik
- Die Rolle des Staates in der Gesellschaft und seine Kritik durch Mühsam
- Die Bedeutung der individuellen Freiheit und die Suche nach alternativen Lebensformen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in Erich Mühsam und seine Bedeutung als „vergessener Dichter“. Sie beleuchtet den Hintergrund seines frühen Werkes „Die Freivermählten“ und stellt die Relevanz des Stücks für eine zeitgenössische Betrachtung der bürgerlichen Moralvorstellungen heraus.
Das zweite Kapitel bietet einen umfassenden Einblick in die Biografie von Erich Mühsam. Es zeichnet seinen Lebensweg von der Jugend bis zum Tod nach und beleuchtet die wichtigsten Stationen seiner politischen und künstlerischen Entwicklung.
Kapitel 3 analysiert das Theaterstück „Die Freivermählten“ und untersucht die darin enthaltene Kritik an der Ehe als Monogamie und die Frauenfrage. Es analysiert Mühsams staatsidealistische Argumente und setzt diese in Beziehung zu seinen weiteren Schriften.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit dem Gutachten zum Stück, das in Kapitel 3 erwähnt wird. Dieses Gutachten bietet eine interessante Perspektive auf die Kritik an Mühsams Werk, die in der Arbeit weiter vertieft wird.
Kapitel 5 beleuchtet Mühsams „Gesamtbild künftiger Gesellschaftsordnung“ und beschreibt seinen Weg zur anarchistischen Philosophie. Es untersucht seine Ideen über die Befreiung der Gesellschaft vom Staat und die Rolle des Individuums in einer anarchistischen Ordnung.
Kapitel 6 thematisiert den Konflikt zwischen Mühsam und Gustav Landauer, einem wichtigen Mentor und Einflussfaktor in Mühsams Entwicklung. Es analysiert die verschiedenen Ansichten und die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Anarchisten.
Kapitel 7 untersucht die Darstellung von „Die Freivermählten“ in der Sekundärliteratur. Es beleuchtet verschiedene Perspektiven auf das Werk und die Interpretationen von Mühsams Kritik in den Freivermählten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen wie Erich Mühsam, Anarchismus, Gesellschaftskritik, bürgerliche Moralvorstellungen, Ehekritik, Frauenfrage, Individualismus, Freiheit, staatliche Strukturen, revolutionäre Ideale, "Die Freivermählten", Literatur und Theater. Die Arbeit analysiert die politischen Ideen des Autors und deren Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen.
- Arbeit zitieren
- Rolf Stein (Autor:in), 2002, Scheinbare und tatsächliche Widersprüche in Erich Mühsams "Die Freivermählten". Zur Moralkritik vor dem ersten Weltkrieg am Beispiel eines fast vergessenen Theaterstücks, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1309869