Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Verlauf und Auslöser psychischer Erkrankungen
2.1 Begriffsklärungen und Verlauf psychischer Erkrankungen
2.2 Die Stresstheorie
3 Ausmaße einer psychischen Störung am und für den Arbeitsplatz
3.1 Die Bedeutung psychischer Störung als Arbeitnehmer
3.2 Die Bedeutung psychisch Erkrankter Arbeitnehmer für das Unternehmen
4 Chancen und Schutz am Arbeitsplatz
4.1 Arbeit als Therapie
4.2 Prävention und Maßnahmen
5 Darstellung der Ergebnisse
5.1 Überprüfung der These und Forschungsfrage
5.2 Interpretation der Ergebnisse vor dem theoretischen Diskurs
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Die öffentliche Aufmerksamkeit hinsichtlich psychischer Erkrankungen, hat in den letzten Jahren konstant an Zuwachs gewonnen.1 Die Menge an Studien, Artikeln und Meldungen zum Thema der psychischen Gesundheit nimmt beinahe täglich zu. Doch verwunderlich ist die Zunahme der Bedeutsamkeit psychischer Leiden nicht. Der Betriebskrankenkassen (BKK) Gesundheitsreport 2019 zeigt auf, dass mittlerweile fast jeder dritte Mensch im Laufe seines Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung leidet. Beträchtliche Folgen hat dies nicht nur für Betroffene und Angehörige, sondern auch für Unternehmen, sowie Volkswirtschaft. Neun von zehn Arbeitsunfähigkeitstagen im Unternehmen sind auf eine psychische Störung zurückzuführen. Waren vor zwanzig Jahren psychische Erkrankungen noch bedeutungslos, so zählen sie heute als Volkskrankheit zu der zweithäufigsten Diagnosegruppe bei Arbeitsunfähigkeit. 2018 stellte die BKK fest, dass 5,5% aller Arbeitsunfähigkeitsfälle und 15,7% aller Arbeitsunfähigkeitstage in psychischen Erkrankungen begründet liegen. Die durchschnittliche Krankheitsdauer von 37 Tagen je Arbeitsunfähigkeitsfall wegen einer psychischen Störung ist mehr als dreimal so hoch, als bei vielen somatischen Erkrankungen mit durchschnittlich 13,2 Tagen (vgl. Knieps & Pfaff 2019: S.120 ff.).
Weiterhin sind psychische Erkrankungen die häufigsten Ursachen für krankheitsbedingte Frühberentungen in Deutschland. Im Vergleich zu anderen Diagnosegruppen treten Berentungsfälle wegen psychischer Störungen deutlich früher ein, wobei das Durchschnittsalter derweil bei 50,5 Jahren liegt (vgl. Hesse et al. 2019: S.1). In diesem Sinne der gesellschaftlichen Notwendigkeit, richtet sich diese Hausarbeit darauf, sich mit der Thematik psychischer Störungen auseinanderzusetzen. Mit dem Ziel sowohl das Auftreten als auch die Genesungschancen psychischer Erkrankungen und ihrem Zusammenhang zur Arbeit näher zu beleuchten. Weiterhin soll diese Ausarbeitung einen Überblick über bereits vorhandene präventive Maßnahmen verschaffen und im weiteren Verlauf Defizite bzw. eventuell ungenutztes Potenzial an Interventionen aufdecken. Das führt zu der Frage: , Wirkt sich die Erwerbsarbeit negativ auf eine manifestierte psychische Erkrankung aus?‘ und der These: ,Der Arbeitsalltag wirkt sich negativ auf eine manifestierte psychische Erkrankung aus‘. Um die Frage zu beantworten wird in den nachfolgenden Kapiteln werden sowohl die Forschungsfrage als auch die These mit Theorie hinterlegt. Im zweiten Kapitel, in dem Begrifflichkeiten Themenbezogen vorab geklärt und der Psychosomatische Verlauf psychischer Störungen aufgezeigt werden. Weiterhin wird das Model der Stresstheorie, sowie Stressoren und deren Folgen am Arbeitsplatz erläutert. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Bedeutung einer psychischen Erkrankung als Arbeitnehmer in der heutigen Gesellschaft und geht dann auf die Auswirkungen psychisch erkrankter Mitarbeiter und der psychischen Gesundheit innerhalb eines Unternehmens ein. Im vierten Kapitel liegt der Fokus auf den positiven Effekten von Arbeit auf die Psyche und greift in diesem Zusammenhang verschiedenste Theorien, Modelle und Forschungsstudien auf. Nachfolgend wird dem Leser ein Überblick über die wichtigsten Maßnahmen, welche in einem Unternehmen zum Gesundheitsschutz seiner Angestellten möglich sind und einige aktuelle Präventionsprogramme mit dem Kontext psychischer Erkrankungen in der Gesellschaft und insbesondere in der Arbeitswelt verschafft. Das fünfte Kapitel lässt die vorangegangene Theorie Revue passieren in einer Auswertung der wichtigsten Ergebnisse in Bezug auf die These und Forschungsfrage dieser Hausarbeit. Diese Ergebnisse werden dann anschließend interpretiert und daraus folgende Ableitungen im Kontext des theoretischen Diskurses aufgezeigt. Mit dem sechsten und zugleich letzten Kapitel folgt eine Zusammenfassung, sowie Reflexion hinsichtlich der Ziele, These und Forschungsfrage, welche dieser schriftlichen Ausarbeitung zugrunde liegen. Zum Abschluss dieser Hausarbeit wird dem Leser ein kurzer Ausblick, auf offen gebliebene bzw. zukünftige Forschungsfragen gegeben.
2 Verlauf und Auslöser psychischer Erkrankungen
In folgendem Kapitel werden zunächst Begriffe in Bezug auf die Thematik der psychischen Erkrankungen geklärt und es wird auf den Verlauf bei einer psychischen Störung eingegangen. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden die Stresstheorie und die verschiedenen Formen, in welchen sich Stress äußern kann erläutert, sowie die Stressoren am Arbeitsplatz und deren Auswirkungen auf den Betroffenen aufgezeigt.
2.1 Begriffsklärungen und Verlauf psychischer Erkrankungen
Der Bund der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) hält in seinem Praxisleitfaden des Projekts ,Arbeitsprogramm Psyche‘ fest, dass innerhalb der Arbeitswissenschaften am Arbeitsplatz zwei Begriffe voneinander zu unterscheiden sind: zum einen die psychische Belastung und zum anderen die psychische Beanspruchung. In der Arbeitswissenschaft beschreibt eine psychische Belastung alle von außen auf den Menschen einwirkenden Einflüsse und inwiefern ihn diese psychisch beeinflussen. Demnach wird der Begriff ,Belastung‘ als neutral und wertfrei verstanden. Inwiefern diese Einflüsse eine positive oder negative Wirkung haben ist abhängig von der individuellen Reaktion und den vorhandenen Bewältigungsressourcen des Betroffenen. Unter dem Begriff der psychischen Beanspruchung werden die positiven und negativen Auswirkungen psychischer Belastungen auf ein Individuum verstanden. Auf die psychische Belastung folgt demnach in jedem Fall eine psychische Beanspruchung. Der Übergang von einer psychischen Belastung zu einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung gestaltet sich dabei meist fließend (vgl. GDA 2017: S. 6 ff.).
Der Weltgesundheitsorganisation nach ist Gesundheit ein Zustand des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und beinhaltet somit nicht nur das Ausbleiben von Krankheiten und Gebrechen. Analog zur Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation zeichnen sich psychische Störungen in einer Störung des Erlebens und Verhaltens aus, sowie in einer Einschränkung des psychosozialen Funktionsniveaus (vgl. Angerer et al. 2014: S.29). Die Feststellung einer psychischen Störung findet über die eingehende und umfassende Diagnose eines Experten statt. Die konkrete Zuordnung einer psychischen Störung erfolgt dabei über Diagnoseklassifikationen, wie das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (BSM-5) und das International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10). Diese Klassifikationssysteme ordnen psychische Störungen nach verschiedenen Kriterien wie Intensität, Häufigkeit, Leidensdruck, sowie Art und Anzahl der Beschwerden. Das ICD10 ist zudem die Grundlage der Krankenkassenabrechnung im deutschen Gesundheitswesen. Psychische Erkrankungen machen sich individuell bemerkbar. Sowohl in ihrem Verlauf, ihrer Ausprägung, ihrer Behandlung und auch in ihren Prognosen unterscheiden sie sich voneinander. Genetische Faktoren, körperliche Erkrankungen bzw. Vorerkrankungen, soziale Erfahrungen, aber auch kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse können Auswirkungen auf die Entstehung, den Verlauf und die Behandlung haben und psychische Störungen begünstigen. Dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell nach wird davon ausgegangen, dass sich aus einer bereits vorliegenden Verletzlichkeit heraus eine psychische Störung entwickeln kann. Diese Verletzlichkeit kann zum Beispiel eine biologische Eigenschaft oder eine persönliche Lernerfahrung sein. Wirkt zudem zusätzlich starker Stress auf den Betroffenen ein, kann das der Auslöser einer Störung sein. Dabei gilt, je einschneidender und langanhaltender das subjektiv Erlebte wahrgenommen wird, desto ausgeprägter sind die Symptome psychischer Störungen (vgl. Mätschke et al. Dachverband 2015: S. 11 ff.).
Im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes ist die Unterteilung der Begriffe , arbeitsbedingte Erkrankung4 und ,berufsbedingte Erkrankungen4, für die nähere Klassifikation psychischer und physiologischer Erkrankungen, von Bedeutung. Nach der Definition des Arbeitsschutzgesetzes sind arbeitsbedingte Erkrankungen Gesundheitsstörungen, welche entweder ganz oder teilweise durch die vorherrschenden Arbeitsbedingungen verursacht wurden oder den Verlauf beginnender bzw. bereits bestehenden Gesundheitsstörungen ungünstig beeinflussen. Berufsbedingt ist eine Erkrankung, wenn sie durch besondere Einflüsse ausgelöst wurde, denen bestimmte Personengruppen durch ihren Beruf in einem erheblich höheren Grad als andere Berufsgruppen unterliegen. Erkrankungen können unter der Erfüllung weiterer sozialrechtlicher Voraussetzungen als Berufskrankheiten anerkannt werden und finden sich in der Berufskrankheiten-Verordnung wieder, wie zum Beispiel die berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit. Berufskrankheiten sind demnach eine Teilmenge der arbeitsbedingten Erkrankungen. Daraus folgt, dass jede Berufskrankheit eine arbeitsbedingte Erkrankung, aber nicht jede arbeitsbedingte Erkrankung eine Berufskrankheit ist (vgl. Schubert 2005: S.47).
2.2 Die Stresstheorie
Die Stresstheorie befasst sich mit dem Wechselspiel zwischen den Anforderungen einer Situation und dem Individuum, welches auf diese reagiert. Der Begriff ,Stress‘ wurde erstmals 1914 von Cannon eingeführt und im Weiteren von dem Mediziner Hans Selye veröffentlicht. Nach Selye ist Stress eine unspezifische Anpassungsreaktion des Körpers, auf eine von außen einwirkende Anforderung. In diesem Zusammenhang unterscheidet er drei Stadien physiologischer Reaktionen des Körpers auf Stress. Im ersten Stadium zeigt sich zunächst eine individuelle Alarmreaktion des Körpers. Im zweiten Stadium beginnt der Körper seine Widerstandsfähigkeiten zu mobilisieren und im dritten Stadium tritt körperliche Erschöpfung ein. Wenn keine körperlichen Reaktionen folgen, trägt dies langfristig zur Entstehung von Krankheiten bei (vgl. Ducki 2000: S.32 ff.). Der Körper reagiert in Stressphasen vermehrt mit der hormonellen Ausschüttung von Noradrenalin und Adrenalin in den Nebennieren, welche in den Blutkreislauf ausgeschüttet werden. Weiterhin wird das Stresshormon Cortisol zunehmend freigesetzt, wodurch der Puls, Blutdruck und die Herzpumpenleistung rapide ansteigen. Auch Fette und Zucker werden in großen Mengen freigegeben, um den hohen Energiebedarf des Körpers decken zu können. Während dieses Vorgangs steht der komplette Organismus unter enormer Anspannung und Belastung. Eine langanhaltende Belastungssituation wirkt sich somit negativ auf den gesamten Körper aus und stellt ein erhöhtes Gesundheitsrisiko da. Dabei sind die Auswirkungen abhängig von der individuellen Stressdosis. Selye klassifizierte dabei zwei Arten von Stress. Zum einen den gesunden Eustress und zum anderen den ungesunden Disstress. Der positive Eustress kann den Körper zwar kurzfristig Belasten, jedoch langfristig gesehen ist er förderlich für die Gesundheit. Positiver Stress manifestiert sich zum Beispiel nach dem Bewältigen herausfordernder Aufgaben in Form eines sich einstellenden Erfolgserlebnisses und ist somit als ein positiv, stimulierender Antriebsmotor zu sehen. Der negative Disstress wiederum zeigt sich durch langanhaltende Stressbelastungen in einer Dysbalance zwischen den Erwartungen an die eigene Person und den körpereigenen Bedürfnissen. Weiterhin verhindert der Dauerstress notwendige Erholungsphasen, wodurch der Körper keine Möglichkeit auf Regeneration hat. Die Ursache und Auswirkung von Disstress liegen in Stress auslösenden Faktoren begründet, den sogenannten Stressoren (vgl. Health-rise.de 2019: o.O). Stressoren lassen sich in physische Stressoren (z.B. Lärm oder schwere körperliche Arbeit), in aufgabenbezogene Stressoren (z.B. Zeitdruck, Überforderung und Unterforderung), in arbeitsbezogene Stressoren (z.B. Schichtdienst oder Überstunden), in Rollenstressoren (z.B. Rollenunklarheit oder Rollenkonflikte), in soziale Stressoren (z.B.
Konflikte oder Mobbing), in veränderungsbezogene Stressoren (z.B. Fusionen oder Einführung neuer Technologien) und in traumatische Stressoren (z.B. Unfälle oder Vergewaltigung) unterteilen. Nach dem transaktionalen Ansatz nach Lazarus hängt es von der subjektiven Bewertung der eigenen Ressourcen des Individuums in Wechselwirkung mit der an ihn gestellten Anforderung ab, ob ein Ereignis als Stressor bewertet wird oder nicht. Nach diesem Ansatz erfolgen in belastenden Stresssituationen zwei Formen der Bewertung. Zuerst findet die primäre Einschätzung statt, ob ein Ereignis bedrohlich und somit relevant ist. Wird die Situation als bedrohlich-relevant erachtet, erfolgt die sekundäre Einschätzung, bei der geprüft wird, ob die Situation mit den verfügbaren Ressourcen bewältigt werden kann. Werden die Ressourcen als nicht ausreichend in Anbetracht der jeweiligen Situation bewertet, kann es zu einer Stressreaktion kommen. In Folge der auftretenden Stressreaktion werden dann vom Körper mögliche Copingstrategien zur Bewältigung eingeleitet und im nächsten Schritt auf ihren Erfolg beurteilt, mit der Absicht einer möglichen Anpassung an die Situation (vgl. Litzcke, Schuh & Pletke 2013: S.2 ff.). Das heißt es geht in der transaktionellen Stresstheorie nicht um den Stressbereich per se, sondern um die subjektive Bewertung dessen. Auswirkungen von Stress auf den Menschen zeigen sich auf kognitivemotionaler Ebene, physiologischer Ebene und auf der behavioralen Ebene, auch Verhaltensebene genannt. Langzeitfolgen chronischer Stresszustände ziehen folglich oft somatische Beschwerden oder auch psychische Auffälligkeiten nach sich, darunter unter anderem Schlafstörungen, Erschöpfungszustände, psychische Störungen, soziale Isolation, Immunschwäche oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Während heute die Bedeutung von Stress hinsichtlich bestimmter somatischer Erkrankungen als anerkannt gilt, ist Stress bei einer Reihe von psychischen Störungen komplex zu bewerten und unter anderem als Begleiterscheinung oder Einflussgröße zu sehen (vgl. Margraf & Schneider 2018: S.559 ff.).
3 Ausmaße einer psychischen Störung am und für den Arbeitsplatz
Innerhalb dieses Kapitels wird aufgezeigt, unter welchem Beeinträchtigungen und Bedingungen am Arbeitsplatz ein psychisch erkrankter Arbeitnehmer arbeitet und welche Folgen daraus resultieren können. Weiterhin werden psychische Störungen in den Kontext der heutigen Gesellschaft gesetzt und die daraus folgenden Auswirkungen auf die Zielgruppe der psychisch kranken Arbeitnehmer beschrieben. Im zweiten Schritt erfolgt dann die Betrachtung aus der Sicht der Unternehmen. Dabei werden die Konsequenzen des Bedeutungswachstums psychischer Erkrankungen und erste entgegenwirkende Ausblicke für Unternehmen deutlich.
3.1 Die Bedeutung psychischer Störung als Arbeitnehmer
Die hohen Anforderungen unter welchen Berufstätige heutzutage stehen, verlangen nach einem hohen Maß an Flexibilität. Das Arbeitspensa in kürzester Zeit zu bewältigen, die Anforderung dauerhaft auf Abruf anwesend und bereit zu sein, sowie die zunehmende Auflösung von zeitlichen, räumlichen und sachlichen Strukturen der Erwerbsarbeit durch die Digitalisierung stellen hohe Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz dar. Um den Ansprüchen der stetig fordernden Arbeitswelt gerecht zu werden, wird die Arbeit bedingungslos in den Vordergrund gestellt. Dieses Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben nennt sich ,Entgrenzung‘. Das beständige Einwirken verschiedenster Belastungsfaktoren auf einen Menschen findet sich in psychisch und somatisch diagnostizierten Krankheitsbildern wieder, welche nicht nur die Gesundheit, sondern auch Arbeit und Privatleben facettenreich beeinträchtigen (vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2019: o.O.). Diese Beeinträchtigungen zeigen sich unter anderem in der dauerhaften Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit, kommunikativen Fähigkeiten, sowie dem Selbstmanagement während einer Erkrankung. Epidemiologische Studien bei Krankenhausärzten stellten fest, dass psychisch erkrankte Assistenzärzte 6,2-mal häufiger Medikamentenverschreibungsfehler machen im Vergleich zu gesunden Kollegen. Gehäufte Arbeitsfehler und die damit verbundene Bestätigung des eigenen Leistungsabfalles führen wiederum zur Verschlimmerung einer bereits bestehenden psychischen Störung. Bei näherer Betrachtung der Thematik, lässt sich eine Kausalkette erkennen, zwischen den negativen Einflussfaktoren durch Arbeitsstress, welche zu einer psychischen Erkrankung führen können und der schlechteren Kompensation von Belastungen am Arbeitsplatz durch eine bestehende psychische Erkrankung. Peter Angerer, Direktor des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin an der Universität Düsseldorf merkt dazu an, dass selbst nach einem gelungenem Therapieabschluss mit einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit zu rechnen sein muss (vgl. Bühring 2012: o.O.). Dabei begeben sich schätzungsweise jährlich elf Prozent der Gesamtbevölkerung in die Hände ambulanter Behandlungen und zwei Prozent bedürfen längerfristige Hilfemaßnahmen, Rehabilitationen oder auch beantragte Begleitung und Unterstützung, aufgrund des Schweregrades der bestehenden Erkrankung. Je nach Art der Diagnose, Schweregrad und Verlauf der Erkrankungen reichen Beeinträchtigungen also von einer verminderten Arbeitsproduktivität, über zwangsweise niedrigeres Einkommen durch eine nötige Reduzierung der Arbeitszeit, zu vermehrter Arbeitsunfähigkeit und in Folge dieser häufigen Fehlzeiten dann entweder zu einem Verlust des Arbeitsplatzes, oder zur frühzeitigen Berentung. Eine Inklusion am Arbeitsplatz nach längeren Krankheitsausfällen, zum Beispiel durch einen stationären Klinikaufenthalt, findet selten statt und begünstigt Krankheitsverläufe, Kündigung, Jobverlust und letztendlich auch Frühberentung (vgl. Der Paritätische Gesamtverband 2016: S.1 ff.). Beträgt die Arbeitskraft eines Menschen weniger als drei Stunden pro Tag, ist es für ihn möglich Erwerbsminderungsrente zu beantragen. 2018 gab es in Deutschland aus diesem Grund heraus 1,8 Millionen Arbeitnehmer, welche die Zahlung der Erwerbsminderungsrente in Anspruch nahmen. Davon ließen sich 71.319 Fälle auf psychische Störungen zurückzuführen. Laut dem Arbeitsministerium seien psychosomatische Erkrankungen nach wie vor die erfolgversprechendste Bewilligungsdiagnose für die Beantragung von Erwerbsminderungsrente (vgl. aerzteblatt.de 2019: o.O.). Innerhalb der Zielgruppe ließ sich in den letzten Jahren ein offeneres Verhältnis gegenüber der Inanspruchnahme von Hilfemaßnahmen bei Betroffenheit beobachten. Denn der Anstieg von Diagnose- und Behandlungszahlen psychischer Erkrankungen lässt den Schluss zu, dass wir einer Enttabuisierung psychischer Störungen insoweit entgegensehen, dass sich zumindest Betroffene in den letzten Jahren vermehrt trauen ihre Beschwerden frei zu äußern und auch entsprechende Hilfen anzunehmen. Zudem sind, infolge der heutigen gesellschaftlichen Bedeutsamkeit und volkswirtschaftlichen Relevanz, diagnostische Fähigkeiten und Fachkenntnisse speziell der Hausärzte im Bereich psychosomatischer Erkrankungen gestiegen (vgl. Mätschke et al. Dachverband 2015: S. 13). Doch je näher wir der Erkenntnis der Notwendigkeit einer Enttabuisierung kommen, umso mehr stagniert der Fortschritt der Entstigmatisierung psychischer Krankheiten. Denn nach wie vor herrscht ein generelles Unverständnis und Misstrauen gegenüber Betroffenen. Innerhalb des Arbeitsumfeldes scheint bislang nur die Diagnose eines Burn-outs als geläufig und tolerierbar. Über diese Diagnose hinaus erzeugen anderweitige Befunde weiterhin diffuse Angst und Ablehnung seitens der Arbeitgeber und Kollegen gegenüber Betroffenen. Während sichtbare somatische Beschwerden weitestgehend akzeptiert und verstanden werden, werden bei psychosomatischen Erkrankungen, die von außen in ihrem Leidensgrad nicht einsichtbar sind, auftretende Krankheitsschübe am Arbeitsplatz von Kollegen oft verkannt. Zudem fallen Leidtragende nicht selten negativ durch ihre ausgeprägte soziale und emotionale Inkompetenz in sozialen Gefügen auf, da sie oft Schwierigkeiten dabei haben sich in Gruppen und Hierarchien einzugliedern und anzupassen. Nicht zuletzt kann die Verbindung von Vorurteilen der Kollegen und krankheitsbedingtem Verhalten Betroffener oft zu betriebsinternem Mobbing und Konflikten führen, was jedoch wiederum negative Folgen für den Krankheitsverlauf haben kann. Dieser Teufelskreis, sowie festgefahrene Vorurteile über psychische Erkrankungen, wie zum Beispiel ihre Unheilbarkeit, sowie die potenzielle Gefahr und Unberechenbarkeit, die von Betroffenen ausgehen soll, zeichnen dabei den stigmatisierten Stereotyp der Leidenden aus. Dieses unter anderem von den Medien verzerrte Bild eines psychisch Kranken lässt wenig Raum für Toleranz, sowie eine Auseinandersetzung mit der Realität und verhindert so die soziale Akzeptanz und eine vollständige Teilhabe Erkrankter. Letztlich fehlt Außenstehenden schlicht der emotionale Zugang und das Wissen um psychische Beeinträchtigungen, denn wie eine konstruktive Zusammenarbeit mit Betroffen im Unternehmen aussieht, ist Führungskräften und Mitarbeitern oft nicht bekannt. Liegen am Arbeitsplatz solche Umstände vor, ist die Wahrscheinlichkeit demnach hoch, dass die eigene Krankheit aus Angst verschwiegen oder auch verleugnet wird, was je nach Individuum den gesundheitlichen Zustand weiterhin negativ beeinflussen kann (vgl. Dachverband Gemeindepsychiatrie e.V. 2014: S.11 ff.). Gegenwärtige Ignoranz, Stigmata und auch die oben bereits erwähnte Zunahme der Frühberentungen lassen darauf schließen, dass weniger inkludiert, dafür aber vermehrt exkludiert wird, womit auch am besten das Resultat psychischer Erkrankungen im Kontext des heutigen Arbeitsgeschehens beschrieben werden kann (vgl. Der Paritätische Gesamtverband 2016: S.7 ff.).
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1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung personenspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für jedes Geschlecht.