Die Expansion des Ordenswesens im 19. Jahrhundert

Am Beispiel der Barmherzigen Schwestern zu Münster


Hausarbeit, 2009

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

0. Einleitung

1. Vor der Gründung der Genossenschaft
1.1 Verhältnisse im Hochstift Münster vor der Säkularisation
1.2 Säkularisation

2. Die Barmherzigen Schwestern zu Münster
2.1 Anfänge der Genossenschaft
2.2 Erste Krisenzeiten
2.3 Einzug in das Clemenshospital
2.4 Expansion
2.5 Erneute Krisenzeiten

3. Gründe für die steigende Anzahl der Schwestern
3.1 Zahlen und Fakten
3.2 Industrialisierung und Gesellschaft

4. Schlussbilanz

5. Literaturverzeichnis

0. Einleitung

Die vorliegende Seminararbeit beschäftigt sich mit der Expansion des Ordenswesens im 19. Jahrhundert am Beispiel der Barmherzigen Schwestern zu Münster. Die Geschichte eben dieses Ordens eignet sich für die Darstellung besonders gut, da er, gegründet im Jahr 1808, im Verlauf des 19. Jahrhunderts einen enormen Aufschwung verzeichnen kann und die überaus detaillierte Dokumentation der Ordensentwicklung seitens des Ordens selbst eine an Fakten orientierte Darstellung zulässt.

Die zentrale Fragestellung richtet sich auf die Gründe dieser Entwicklung. Warum konnte der Orden, trotz Säkularisation, Industrialisierung, Krieg und Kulturkampf aufblühen und zum Ende des Jahrhunderts 993 Mitglieder zählen? Was bewegte die Frauen dem Orden beizutreten? Inwiefern spielen gesellschaftliche Umstände eine Rolle?

Das krisengeschüttelte, sich langsam industrialisierende, von Armut, Epidemien und Kriegen geprägte, lange 19. Jahrhundert verzeichnet eine Reihe von Ereignissen, deren Auswirkungen für die Fragestellung von Relevanz sein mögen.

Im Folgenden soll zum einen die Geschichte der Barmherzigen Schwestern dargestellt werden, zum anderen soll der gesellschaftliche Hintergrund beleuchtet werden um mögliche Faktoren für den Anstieg der Beitritte aufzudecken. Die für die Arbeit zur Verfügung stehende Literatur liefert umfangreiche Informationen zu beiden Themenbereichen. Während die Historik und die Entwicklung des Ordens der Barmherzigen Schwestern aus Quellen entnommen werden kann, sind persönliche Motivationen der Frauen, die sich einem Orden anschlossen, im Nachhinein jedoch schwer rekonstruierbar. In Anlehnung an die historischen Fakten können die Beweggründe der Schwestern lediglich erschlossen, vermutet, spekuliert werden.

Zu Beginn wird die Zeit vor der Gründung der Genossenschaft dargestellt, es folgt die Entwicklung des Ordens der Barmherzigen Schwestern und schließlich der Versuch, eine Erklärung für den Anstieg, vor dem Hintergrund der Industrialisierung und der sich verändernden Gesellschaftsstruktur, zu finden.

1. Vor der Gründung der Genossenschaft

Zunächst sollen die Geschehnisse, die der Gründung der Genossenschaft vorausgingen und in direkter Weise die Orden im 19. Jahrhundert betrafen, dargelegt werden um die Umstände dieser Zeit zu verdeutlichen.

1.1 Verhältnisse im Hochstift Münster vor der Säkularisation

Während in den früh industrialisierten Ländern Europas das normale ländliche Leben längst zerstört war, wurden im Deutschland, wie noch im Mittelalter, die Alten und Kranken in der heimischen Geborgenheit des Hauses von der Mutter, der Großmutter oder einer Tante gepflegt.[1] Insbesondere die Töchter der Familie „wuchsen so in pflegerische Aufgaben hinein“[2]. Das „große Haus“ stellte den schützenden Raum dar, in dem sich das Familienleben abspielte und in dem Bildung, Krankenpflege und Produktion vereint wurden.

In der Stadt Münster gab es zahlreiche Klöster, deren Mitglieder sich aus gläubigem Selbstverständnis heraus den familienlosen Armen und Kranken und auch Durchreisenden widmeten.[3] Mit der Säkularisation und der Regierungsübernahme Preußens gingen diese bis dahin selbstverständlichen Anlaufstellen verloren.

1.2 Säkularisation

Die Folge der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Wechsel der Herrschafts- und Besitzverhältnisse zwischen Kirche und Staat.[4]

Napoleons Reichsdeputationshauptschluss von 1803 beabsichtigte die territoriale Veränderung und somit die Auflösung geistlicher Reichsstände, die sogenannte „äußere Säkularisation“[5]. Für den Verlust der linksrheinischen Gebiete durch die Verschiebung der Ostgrenze Frankreichs wurden die weltlichen Herren mit den geistlichen Staaten entschädigt.[6] Die großen geistlichen Länder Westfalens wurden aufgrund besonderer Verträge mit Frankreich schon 1802 von Preußen in Besitz genommen und die Ständeordnung und Herrschaft der Kirche aufgehoben.[7] Das Hochstift Münster würde zwischen verschieden Landesherren aufgeteilt. So erhielt Preußen den Teil, der entlang der Ems verlief, die restlichen Ämter, wie u.a. Cloppenburg, Meppen oder Vechta gingen in den Besitz verschiedener Herzogen und Fürsten über.[8] Die geistliche Herrschaft des Staates war durch die weltliche Herrschaft abgelöst worden. Das katholische Münster stand zudem fortan unter einer überwiegend protestantischen Führung.

Für die katholische Kirche brachte die Säkularisation weitreichende Folgen mit sich. So spricht man neben der äußeren Säkularisation auch von einer Inneren, die in direkter Weise Stifter und Klöster betraf, deren Schicksale in die Hände der Erbfürsten fiel[9]. Grundsätzlich wollte der König alle Klöster aufheben, „wobei auf die liberale Behandlung der Mönche und Nonnen zu achten sei“[10]. Für die Aufhebung geschlossener Frauenklöster brauchte der Landesherr die Zustimmung des Ortsbischofs. Da viele Klöster in größerer Entfernung zu Siedlungen lagen, erfuhr die Stadtbevölkerung recht spät von den Aufhebungen. Auch wurden die Aktionen nicht schlagartig, sondern nach und nach durchgeführt.[11]

Eine Organisationskommission erhob von nun an Daten, die über die Größe, das Vermögen und die Anzahl der Mitglieder Auskunft gaben. Die Entscheidungen über das Schicksal der Orden wurden in den Monaten des Jahres 1803 von Fall zu Fall erörtert.[12] In Westfalen wurde vergleichsweise zögerlich säkularisiert. Als Grund dafür wird oft der konfessionelle Unterschied genannt, wohl sollte vermieden werden, dass eine „Aversion gegen den Katholizismus“[13] unterstellt wurde. Im preußischen Anteil des Münsterlandes wurden drei Abteien säkularisiert, die Stadt Münster verzeichnet zwei Frauenklöster, die aufgehoben wurden.[14]

Aufgrund der wachsenden Bevölkerungszahl und der immensen Zunahme an alten und kranken Menschen, bedingt durch die frühe Industrialisierung und die Agrarreform, nach der viele Bauern ihren Besitz verloren hatten, wurden jedoch krankenpflegerische Einrichtungen immer notwendiger.[15]

2. Die Barmherzigen Schwestern zu Münster

„Die Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern von der allerseligsten Jungfrau und schmerzhaften Mutter Maria“, oder der Orden der „Clemensschwestern“, wie sie im Volksmund seit der Übernahme des Clemenshospitals 1820 heißen, ist ein katholischer Frauenorden, der sich seit der Gründung 1808 der Krankenpflege widmet.

2.1 Anfänge der Genossenschaft

Wenige Jahre nach der Misere der Säkularisation und deren Auswirkungen erkannte der Generalvikar der Diözese Münster, Klemens August Freiherr zu Droste Vischering[16] das große Leid und schmiedete voller Tatendrang einen Plan. Unterstützt von seinen Freunden Graf Friedrich Leopold zu Stolberg und Bernhard Overberg beschloss er, nach dem Vorbild der Stiftung des heiligen Vinzenz von Paul[17], eine Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern zu gründen.[18] Nachdem er die Satzungen des heiligen Vinzenz von Paul auf die deutschen Verhältnisse übertragen hatte, machte er sich daran, geeignete Frauen für seine Genossenschaft zu finden, die fortan Kranke in ihren Wohnungen pflegten.[19] Es gelang ihm, fünf junge Frauen mit krankenpflegerischer Erfahrung für sein Vorhaben zu gewinnen, mit denen er am 01. November 1808 die neue Genossenschaft gründete.[20] Mit der finanziellen Unterstützung einiger Freunde konnte er den neuen Schwestern eine Wohnung einrichten und alle zum Leben notwendigen Dinge erwerben.[21] Die neue Gemeinschaft, zu deren Oberin Maria Alberti ernannt wurde und deren Direktorat, nach dem Vorbild der Vinzentinerinnen, Clemens Droste selbst übernahm, widmete sich in der folgenden Zeit armer Kranker in den Privatwohnungen.[22]

In Anlehnung an die französische Genossenschaft wollte Clemens Droste keinen Orden gründen.[23] Folglich sah er deshalb weder eine Klausur, noch ein Ordenskleid vor.[24] Dennoch trugen die Schwestern einheitliche Kleidung.

2.2 Erste Krisenzeiten

1809 infizierte sich eine der Schwestern tödlich mit den „Frieseln“.[25]

Mit der Ruhr- und Typhus Epidemie, die 1812 Münster befiel[26], stand die kleine Gemeinschaft, nun vier Schwestern und die Oberin umfassend, vor einer großen Herausforderung. Obwohl die Sterblichkeitsrate ungeheuer hoch war, in den Jahren 1812/13 starben etwa 1400 Menschen in Münster[27], pflegten die Schwestern die Infizierten aufopferungsvoll und selbstlos.[28] Die Konsequenz war, dass sich alle Mitglieder der Genossenschaft infizierten.[29] Alle, bis auf Maria Alberti, erholten sich von der Epidemie.[30] Die erste Oberin der Barmherzigen Schwestern starb am Anfang des Jahres 1812.[31]

Der Tod der Vorsteherin war ein harter Schlag für die noch ungefestigte Genossenschaft.[32] Auch führten der wiederholte Wohnungswechsel und der Mangel an Nachwuchs zu Sorgen innerhalb der Gemeinschaft.[33] Das Ansehen der Schwestern innerhalb der Gesellschaft war kritisch. Viele konnten nicht verstehen, dass sich die Schwestern ohne Lohn, aus Nächstenliebe und Liebe zu Gott der Krankenpflege verpflichteten.[34] Durch den Austritt zweier Schwestern bestand die Gemeinschaft bis 1818 nur aus zwei Mitgliedern.[35] In diesem Jahr fand Wilhemine von Höfflinger zu den Schwestern.[36] Sie wurde die neue Oberin und läutete eine neue Ära ein.

[...]


[1] Vgl. Hermanns, Karin: Aus den Bildern der Vergangenheit die Bilder der Zukunft formen: Dargestellt am Beispiel der Barmherzigen Schwestern, Clemensschwestern zu Münster, Nürnberg 2004, S. 16

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Müller, Hans: Säkularisation und Öffentlichkeit (am Beispiel Westfalen), Vreden 2003, S.2

[5] Müller: Säkularisation, S. 35

[6] Vgl. Hermanns: Bilder der Vergangenheit, S.7

[7] Vgl. Hermanns: Bilder der Vergangenheit, S. 7

[8] Vgl. Müller: Säkularisation, S. 39

[9] Vgl. Müller: Säkularisation, S. 48

[10] Vgl. Müller: Säkularisation, S. 49

[11] Vgl. Hermanns: Bilder der Vergangenheit, S. 10

[12] Ebd.

[13] Müller: Säkularisation, S. 59

[14] Müller: Säkularisation, S. 51

[15] Vgl. Hermanns: Bilder der Vergangenheit, S. 17

[16] Geboren am 21. Januar 1773, zum Priester geweiht am 14. Mai 1798, Generalvikar seit 1807, vgl. Wilking, Bernhard: Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern von der allerseligsten Jungfrau und schmerzhaften Mutter Maria, Münster 1927, S. 9.

[17] Von Vinzenz von Paul gegründete Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern, die sich in Paris der Krankenpflege widmeten. Vgl: Wilking: Genossenschaft, S. 10

[18] Vgl. Wilking: Genossenschaft, S. 10

[19] Vgl. Wilking: Genossenschaft, S. 11

[20] Vgl. Wilking: Genossenschaften, S. 11

[21] Ebd.

[22] Vgl. Gatz: Krankenpflege S. 309

[23] Ebd.

[24] Ebd.

[25] Balbach, Maria: Die Barmherzigen Schwestern zu Münster zur Zeit des Nationalsozialismus, Münster 2007, S. 16.

[26] Vgl. Gatz: Krankenpflege, S. 310

[27] Vgl. Hermanns: Bilder der Vergangenheit, S. 34

[28] Vgl. Gatz: Krankenpflege, S. 310

[29] Ebd.

[30] Ebd.

[31] Ebd.

[32] Vgl. Wilking: Genossenschaft, S. 14

[33] Ebd.

[34] Ebd.

[35] Vgl. Wilking: Genossenschaft, S. 15

[36] Vgl. Wilking: Genossenschaft, S. 16

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Expansion des Ordenswesens im 19. Jahrhundert
Untertitel
Am Beispiel der Barmherzigen Schwestern zu Münster
Hochschule
Universität Münster
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V131256
ISBN (eBook)
9783640414499
ISBN (Buch)
9783640410750
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Expansion, Ordenswesens, Jahrhundert, Beispiel, Barmherzigen, Schwestern, Münster
Arbeit zitieren
Jennifer Broek (Autor:in), 2009, Die Expansion des Ordenswesens im 19. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131256

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