Die Religionskritik bei Marx. Eine religionssoziologische Abhandlung und Kollation mit dem Qur‘ân


Hausarbeit, 2020

14 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Fragestellung und Untersuchung

2. Einleitung

3. Marx‘ Religionssoziologie
3.1. Der Religionsbegriff
3.1.1. Die soziologische Definition
3.2. Die Religionskritik bei Marx
3.2.1 Marx‘ Religionskritik und der Qur'ân

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Fragestellung:

Dieses wohl bekannteste Zitat von Karl Marx warf bei mir die Frage auf, was Marx unter Religion verstand, welche Funktion er der Religion zuschrieb und warum er Religion als Opium ansah.

In dieser Hausarbeit soll untersucht werden, warum die Religion nach Marx ein Produkt bestimmter sozialer Bedingungen ist, dass die gesamte Gesellschaft als soziale Theorie reguliert und gestaltet, ihre Qualität als Überbautheorie mit dem Verschwinden sozialer Verhältnisse jedoch verlieren wird.

2. EINLEITUNG

Ursprünglich stammt Karl Marx aus einer einflussreichen, jüdischen Familie. Jedoch konvertierte der Vater (und damit auch die Kinder) noch in Karls Kindheit zum Protestantismus. Der Vater bot ihm eine ausführliche Bildung, zum Beispiel lernte Karl Marx bereits als Kind die bedeutenden Philosophen kennen. Karl Marx' Mutter sorgte dafür, dass ihr Sohn Karl tiefe Kenntnis der Bibel hatte.1

Bei aller Kritik an der Religion, auch an abfälligen Äußerungen über die Kirche und die „Pfaffen“ fehlt es nicht, trat Marx aber zeitlebens nicht aus der Kirche aus, was er durchaus hätte tun können.2 Auch dem Atheismus steht er kritisch gegenüber. „Der Atheismus . hat keinen Sinn mehr, denn der Atheismus ist eine Negation Gottes und setzt durch diese Negation das Dasein des Menschen; aber der Sozialismus als Sozialismus bedarf einer solchen Vermittlung nicht mehr; er beginnt von dem theoretisch und praktischen sinnlichen Bewusstsein des Menschen und der Natur als des Wesens.“ 3

Trotz seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Atheismus, ist man sich bei Marx nicht „sattelfest“ sicher, ob er die Religion per se, oder eben doch die gesellschaftlichen Zustände, wegen verkehrtem Religionsverständnis kritisiert. Aus einigen seiner Thesen kann man herauslesen, dass Marx auf die Veränderungen des Einzelnen, der Umwelt, der Gesellschaft abzielt. In diesem Sinne entfernt sich Marx von seinem geistigen Lehrer Hegel und dem Idealismus.

Nach diesen Erkenntnissen über Marx, sollte man sich überlegen, warum Marx‘ Ansichten weltweit als atheistisch angesehen werden, wo er doch selber den Atheismus als Negation Gottes ablehnt. Auch seine folgende These „[D]ie Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik“4 lässt uns staunen und bewirkt die Frage, ob Marx‘ Thesen Religionsfeindlich waren, oder er „nur“ die bürgerliche Religion kritisierte. Karl Marx betrachtete die Religion seiner Gesellschaft als „ noch nicht erworbenes oder wieder verlorenes Selbstbewusstsein und Selbstgefühl des Menschen“ (Marx 1844c, S. 378).

Marx schließt in seinen Überlegungen zur Religion, die nur einen ergänzenden Teil seines Theoriengebildes ausmachen, an eine zentrale Aussage des deutschen Philosophen Ludwig Feuerbach an: „Die Religion (.) ist das Verhalten des Menschen zu sich selbst“ 5

3. MARX‘ RELIGIONSSOZIOLOGIE

3.1. Der Religionsbegriff

Religion...Es ist eines der wichtigsten Begriffe der Menschheit, über die permanent gesprochen und diskutiert wird. Viele Meinungen werden über, sowie mit diesem Begriff geäußert. Aber wissen wir wirklich was dieser Begriff bedeutet, dass so einen wichtigen Platz in unserem Leben einnimmt? Wir meinen zu wissen was es ist, bis uns jemand danach fragt. Dass man es hier mit einer wichtigen Frage zu tun hat, die man nicht präzise beantworten kann, lässt uns die Frage stellen, ob es überhaupt möglich ist, Religion aufklärend und bestimmend zu definieren. Es gibt etliche Wissenschaftszweige, die sich mit Religion beschäftigen. Theologische, Philosophische und Psychologische Definitionsversuche sind wohl die geläufigsten. Jede dieser Wissenschaften definieren diesen Begriff anders. Es scheint, als sei man sich in der Wissenschaft bis heute nicht einig, was die eindeutige Definition von Religion ist.

Im Oxford Lexikon der Weltreligionen wird das Problem erwähnt, dass die Etymologie von religio, nicht sicher ist, da Cicero beispielsweise das Wort Religion von relegere abgeleitet, dass „Dinge zusammenbringen“ bedeutet, und andere leiten sie von religare ab, dass „Dinge zusammenbinden“ bedeutet. Daraus lässt sich herableiten, dass Religion die Menschen in gemeinsamen Praktiken und Glaubensvorstellungen zusammenbringt und einander bindet.6

3.1.1. Die soziologische Definition

Nicht minder besteht dasselbe Problem bei der Soziologie bzw. Religionssoziologie, den Begriff der Religion zu definieren. Ein Unterschied gegenüber der Theologie und der Philosophie liegt darin, dass die Religionssoziologie nicht das Ziel hat, Religion auf ihre Wahrhaftigkeit zu prüfen, sondern eine Definition zu finden, die in der Lage ist, Religion im sozialen Kontext abzubilden, dass sie nach wissenschaftlichen Regeln und mit deren Methoden untersucht werden kann.7 So werden in der Religionssoziologie u.a. religiöse Verhaltensweisen untersucht, welche der Mensch im Laufe seines Lebens sammelt, wie z.B. institutionalisierte Verhaltensformen, die religiös geprägt sind, und regelhaft strukturierte Handlungen aufweisen, und wie diese aus dem sozialen Umfeld an das Individuum herangetragen werden.8 Die Religionssoziologie pflegt einen besonderen Umgang zur Religion und beruft sich auf die Stellung eines objektiven und werteneutralen Beobachters. Denn nicht die Kritik an der Religion, sondern die Analyse ihrer Funktionsbedingungen sowie ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen stehen im Fokus der Forschung.9

Dabei verwendet man in der Soziologie zwei Arten von Definitionen. Diese werden in substantiale und funktionale Definitionen der Religion unterteilt. Karl Marx beispielsweise, beschrieb die Religion als schmerzartikulierendes und schmerztherapeutisches Instrumentarium der geschundenen, unterdrückten, in unmenschlicher Welt lebenden menschlichen Kreatur,10 und bezeichnete es als Opium des Volkes. (Vgl. Marx 1844c, S. 378) Für Karl Marx ist Religion ein Rauschmittel an das sich der Mensch klammert, wenn er die Welt nicht mehr ertragen kann. Emile Durkheim (Durkheim 1981: 75) hingegen definiert Religion als „ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, die sich auf heilige [sic!], d. h. abgesonderte und verbotene Dinge [...] beziehen, die in einer und derselben moralischen Gemeinschaft [...] alle vereinen, die ihr angehören.“ 11

Für Durkheim ist Religion also etwas, dass die Menschen unter einem moralischen Regelwerk vereint, und mit bestimmten Praktiken für Solidarität und soziale Ordnung sorgt. Diese zwei Beispiele sind funktionale Definitionen, dass die gesellschaftliche Bedeutung von Religion in den Vordergrund stellt.12 Zu der Funktion der Religion in der Gesellschaft sei hier der funktionale Ansatz von Thomas Luckmann (Luckmann 1985: 475) erwähnt, der die „elementare Religiosität“ im Prozess der Menschwerdung begründet und als universell versteht:

„Die fundamentale Bedeutung der Religion in allen Gesellschaften besteht im Verhältnis einer gesellschaftlichen Ordnung zu den Einzelorganismen der Gattung, die erst zu Personen werden, indem sie in der jeweiligen, historisch einzigartigen gesellschaftlichen Ordnung aufwachsen.“ 13

Diese Definition von Thomas Luckmann verdeutlicht den funktionalen Zugang der Religionssoziologie, und lenkt unseren Blick auf die sozialen Zu- bzw. Umstände der Gesellschaft, in der der Mensch sozialisiert wird. Denn, der Mensch ist ein soziales Wesen, dessen Persönlichkeit nicht nur durch genetische, sondern auch durch gesellschaftliche Voraussetzungen bestimmt wird.14

Von Rousseau über Durkheim bis zu Jürgen Habermas zieht sich die Analyse der "sakralen Wurzeln der moralischen Autorität gesellschaftlicher Normen." 15 Die auf die "Heiligkeit des Gesellschaftsvertrages und der Gesetze" (Rousseau) verpflichtete Gesellschaft erscheint hier als Glaubensgemeinschaft mit gemeinsamem normativen Grundeinverständnis, das in religiösen Symbolen und ritueller Praxis seinen Ausdruck findet.

3.2. Die Religionskritik bei Marx

Die philosophischen Wurzeln von Marx' Religionsverständnis sind Feuerbach und Hegel zu verdanken, ohne diese Marx' Religionsinterpretation nicht möglich gewesen wäre.16

Zweifellos setzt Marx an der Religionskritik an, die er vorfindet. Sie ist ihm vorausgesetzt als zeitgenössische Diskurslage, in die er eingreifen muss, um zu seinem Thema zu kommen. Mehr noch. Er muss der Energie, die in der „irreligiösen“ Kritik steckt, auf die Sprünge helfen, dass sie sich des geschichtlich anstehenden Themas annimmt. Sein Ziel ist es, „die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der Politik“ zu verwandeln (Marx 1844c, S.379). Und an die Adresse der Religionskritiker: „Euer Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist“ (Marx 1844c, S.378).

Über Marx‘ Ansichten kann man streiten. Aber Ingrid Miethe hat recht, wenn sie sagt: „Es gibt im Denken von Karl Marx Elemente struktureller Elemente, die man nicht kleinreden darf.“ 17 Man muss sich mit seinen Thesen wie beispielsweise, „Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht Religion, die Religion macht nicht den Menschen“ (Marx 1844c, S. 378) tiefgründig auseinandersetzen, um die wahre Essenz dieser Aussage zu ermitteln.

Ist das Kritik an der Religion, sie als geistiges Aroma dieser Welt zu bezeichnen? Ist nicht Aroma der Schlüssel zur guten Küche, vom Keller ganz zu schweigen? Und ist es kränkend, ja eigentlich kritisch, sie den „Geist geistloser Zustände“ zu nennen? Ist nicht „geistlos“ das eigentliche Wort der Kritik? Und gilt die Kritik also nicht primär den Zuständen, die geistlos sind?18

Religion ist für Marx nicht nur ein Glaube, sondern auch der Überbau eines bestimmten Staates und einer bestimmten Gesellschaftsordnung. Wenn es also um die soziale Ordnung und ihren Überbau geht, bedeutet dies, dass Religion eine allgemeine Überbautheorie mit politischen, rechtlichen und kulturellen Dimensionen ist. Marx glaubt, dass religiöses Denken eine Form des sozialen Lebens ist. Marx argumentiert, dass Religion mit bestimmten sozialen Kräften zusammenfällt. Die vom sozialen Leben bestimmte Religion wurzelt sowohl im Bewusstsein als auch in den Emotionen der Gesellschaft und des Menschen.

„Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“ 19

Das sozialökonomische Sein bestimmt das Bewusstsein, den ideologischen Überbau, der Klassencharakter hat. Bei seiner Erforschung der politischen Ökonomie entdeckt Marx, dass diese „die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft“ bestimmt.20 Für Marx ist Religion in vorkapitalistischen Gesellschaften das Produkt eines bestimmten sozialen und staatlichen Lebens. Es ist die Gesellschaft und der Staat, die Religion schaffen.

[...]


1 Vgl. Neffe 2017, S. 45

2 Vgl. Kadenbach 1970, S. 215

3 Vgl. Marx 1844b, S. 546

4 Vgl. Marx 1844c, S. 378

5 Gert PICKEL, Religionssoziologie. Eine Einführung in zentrale Themenbereiche (2011) S. 66.

6 Vgl. Das kleine Oxford-Lexikon der Weltreligionen. edd. John BOWKER (2010).

7 Vgl. PICKEL, Religionssoziologie (wie Anm. 5) S. 16.

8 Vgl. PICKEL, Religionssoziologie (wie Anm. 5) S. 38.

9 Vgl. PICKEL, Religionssoziologie (wie Anm. 5) S. 60.

10 Vgl. Udo KERN / Doris NEUBERGER, Karl Marx (2019) S. 16.

11 Detlef POLLACK / Volkhard KRECH / Olaf MÜLLER, Handbuch Religionssoziologie (2018) S. 17.

12 Vgl. PICKEL, Religionssoziologie (wie Anm. 5) S. 20.

13 Gert PICKEL / Kornelia SAMMET, Einführung in die Methoden der sozialwissenschaftlichen Religionsforschung (2014) S. 17.

14 Vgl. Anneliese LISSNER / Rita SÜSSMUTH / Karin WALTER, Hg., Frauenlexikon. Traditionen, Fakten, Perspektiven (Reihe Frauenforum1989)., S. 1036

15 Vgl. Habermas 1981, S. 75.

16 KERN / NEUBERGER, Karl Marx (wie Anm. 10) S. 1.

17 Vgl. Miethe, 2018, S. 30

18 Wolfgang Fritz HAUG, Karl Marx' Metakritik der Religion, hier S. 65.

19 Vgl. Marx 1859, S. 8 f.

20 KERN / NEUBERGER, Karl Marx (wie Anm. 10) S. 12.

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Details

Titel
Die Religionskritik bei Marx. Eine religionssoziologische Abhandlung und Kollation mit dem Qur‘ân
Veranstaltung
Soziologie
Note
1,5
Autor
Jahr
2020
Seiten
14
Katalognummer
V1314668
ISBN (Buch)
9783346792846
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Marx, Religionskritik, Religion, Religionssoziologie, Quran, Koran, Opium, Volk, Gesellschaft, Überbau, Kritik, Ökonomie, Industialisierung, Ausbeutung, institutionelle Religion, Staat, Macht, Kapitalismus, Atheismus, Sozialismus, Kommunismus, Soziologie, Psychologie, Philosophie, Christentum, Bibel, Kirche, Theologie, Gemeinschaft, Emanzipation, Mündigkeit, Freiheit, Befreiung, Klassenkampf, Politik, Konflikte, Widersprüche, Verstand, Vernunft, Unabhängigkeit, Ethik, Moral, Normen, Sitte, Normativ, Lebensverhältnisse, Arbeitsverhältnisse, Sozialökonomie
Arbeit zitieren
Deniz Canli (Autor:in), 2020, Die Religionskritik bei Marx. Eine religionssoziologische Abhandlung und Kollation mit dem Qur‘ân, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1314668

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