Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Metapher aus historischer Sicht
2.1. Klassische Definition der Metapher nach Aristoteles
2.2. Unterschiede zum Metaphernverständnis in der Kognitiven Linguistik
3. Metapherntheorie von Lakoff und Johnson
3.1. Grundannahmen
3.2. Metaphernarten
3.2.1. Orientierungsmetaphern
3.2.2. Ontologische Metaphern
3.2.3. Strukturmetaphern
3.3. Sonderfälle
3.3.1. Personifikation
3.3.2. Metonymie
4. Kritik
4.1. Kritik an den traditionellen Theorien
4.2. Kritik an der Theorie nach Lakoff und Johnson
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Wer auch immer kommuniziert, verwendet Metaphern, meistens unbemerkt, stillschweigend und ohne ihnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Wir bringen einem anderen etwas nahe, stehen auf Standpunkten, ziehen uns zurück, sind wahnsinnig vor Glück, fühlen uns von den Bemerkungen anderer zutiefst getroffen oder dringen tief in andere ein. [...] Wer auch immer denkt, strukturiert den Kosmos seines Bedeutungsuniversums durch Metaphern; er denkt über etwas nach, schiebt andere Gedanken beiseite, gibt seinen Ideen eine Form oder hängt sie an einem Punkte auf” (Lakoff/Johnson 2004: S. 7).
Für viele Menschen ist die Metapher vor allem ein Mittel der poetischen Imagination und fällt somit in einen Bereich der Rhetorik, welcher der außergewöhnlichen und nicht der gewöhnlichen Sprache zuzuordnen ist. Weiterhin wird die Metapher auf die gesprochenen Worte reduziert und vom Denken oder Handeln abgegrenzt. Konträr dazu beschreiben Lakoff und Johnson die Metapher als maßgebend für unser Alltagsleben ist, da sie nicht nur die Sprache, sondern auch unser Denken und Handeln bestimmt (vgl. Lakoff/Johnson 2004: S. 11).
In Aristoteles’ Poetik stellt dieser eine Definition auf, die hingegen als klassische Definition gilt. Für ihn ist die Metapher „die Übertragung eines Wortes, das (eigentlich) der Name für etwas anderes ist, entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung oder von einer Art auf eine (andere) Art gemäß einer Analogie.” (Aristoteles 2018: 29). Damit wäre die Metapher im klassischen Sinne einem Vergleich ähnlich, bei dem das „wie” ausgelassen wird (vgl. Kruse et al. 2011: S. 63).
Es stellt sich beim Vergleich dieser Definitionsansätze die Frage, ob Metaphern ein rhetorisches Mittel darstellen, welches als Ergebnis eines bewussten Prozesses beschrieben werden kann, oder den Kern eines Konzeptsystems darstellen, welches hauptsächlich metaphorisch angelegt ist und die Metapher als meist unbewusste Form der Kognition erkennt, somit die Sprache, das Denken und das Handeln unweigerlich miteinander verknüpft.
In der vorliegenden Arbeit wird daher die Frage behandelt, wie sich die Konzeption der Metapher seit der Etablierung der Kognitiven Linguistik verändert hat und welche Rolle die Alltagsmetapher im Vergleich zur Metapher als reinem, rhetorischen Mittel spielt. Ein Schwerpunkt wird darauf gesetzt, die Ursprünge der Metapherntheorie nach Lakoff und Johnson zu erläutern und die Relation zwischen Metaphern, menschlichem Handeln und, von der Sprache abgegrenzten, Denkprozessen darzulegen.
Zu Beginn der Arbeit werden die Grundzüge der Metapherntheorie aufgezeigt und es wird darauf eingegangen, auf welche Weise sich dieser Ansatz von vorherigen Definitionen und Bewertungen von Metaphern unterscheidet. Daraufhin wird der Ansatz von Lakoff und Johnson anhand der Bezeichnung „Metapher als Alltagsphänomen” erläutert. Anschließend werden die Klassifikationen der Alltagsmetapher dargelegt und anhand von Beispielen verdeutlicht. Abschließend werden Kritikpunkte gegenüber der Metapherntheorie sowie anderen Ansätzen genannt und die Frage beantwortet, welche Wirkung und Relevanz der Metapherntheorie zugeschrieben werden können. Letztlich folgt das Fazit dieser Arbeit.
2. Die Metapher aus historischer Sicht
2.1. Klassische Definition der Metapher nach Aristoteles
Der Diskurs darüber, was wir unter einer Metapher zu verstehen haben und welche Bedeutung sie für die verschiedenen Bereiche unserer Sprache hat, existiert seit nahezu zwei Jahrtausenden. Einer der Hauptverantwortlichen für die Entfachung dieses Diskurses war der griechische Philosoph Aristoteles, in dessen Poetik wir die klassische Definition des Metaphernbegriffes finden. Wie in der Einleitung genannt, beschreibt Aristoteles die Metapher, vereinfacht gesagt, als Wortübertragung (vgl. Aristoteles 2018: S. 67) oder auch als einen Vergleich, bei dem das „wie” wegfällt (vgl. Kruse et al. 2011: S. 63).
2.2. Unterschiede zum Metaphernverständnis in der Kognitiven Linguistik
Die Metapher, wie sie Lakoff und Johnson verstehen, deckt jedoch einen noch weitgehenderen Bereich ab, als es diese klassische Definition zulassen würde. Für sie beschreibt die Metapher „alle sprachlichen Phänomene, in denen Bedeutung übertragen wird” (Kruse et al. 2011: S. 64). Für sie sind nicht die Stilfigur und ihre grammatikalische Funktion das Ausschlaggebende, sondern deren Funktion für die Konstruktion von Realität. Vor allem j edoch, ist für Lakoff und Johnson die Metapher nicht bloß eine Ausnahmeerscheinung oder auf den Bereich der Poesie beschränkt. Sie ist der Normalfall - ein „durch und durch alltagssprachliches Phänomen” (vgl. Jäkel 1997: 21; 43 nach Kruse et al. 2011: S. 65).
Für sie werden Metaphern verwendet, um Eigenschaften eines Gegenstandes auf einen anderen zu projizieren. Sie transportieren die Bedeutung eines bekannten Zusammenhangs zu einem unbekannten, oder von einem abstrakten Konzept zu einem konkreteren Konzept. Durch dieses Prinzip werden abstrakte Phänomene wie Zeit, Leben oder Theorie zu Trägern von Eigenschaften. Die Eigenschaften stammen dabei von Objekten oder Vorgängen, die uns bereits bekannt sind. Eine der Hauptaufgaben der Metapher ist also die Vereinfachung oder Veranschaulichung von abstrakten Konzepten. Sie macht diese Konzepte zu etwas Greifbarem (vgl. Kruse et al. 2011: S. 65).
Weiterhin wird von Lakoff und Johnson der Einfluss von Metaphern auf unseren Alltag gerade deshalb als maßgebend beschrieben, weil er sich über Denkprozesse hinaus auch auf unsere Handlung bezieht. So folgen Argumentationen etwa bestimmten Mustern und werden meist von bestimmten Handlungen begleitet, die wir ausführen oder unterlassen. Die Metapher Argumentieren ist Krieg beeinflusst also systematisch die Form der Argumentation. Wir verwenden daher Begriffe wie „eine Position angreifen; unhaltbar; Strategie; neue Attacke reiten; gewinnen; an Boden gewinnen [...]” (Lakoff/Johnson 2004: S. 15).
3. Metapherntheorie von Lakoff und Johnson
3.1. Grundannahmen
Ungeachtet davon, ob wir Menschen denken, kommunizieren oder handeln: Nach Lakoff und Johnson verwenden wir in all diesen Bereichen auf vorbewusste Art und Weise Metaphern. Sie strukturieren unsere Erfahrung und sind unweigerlich mit dieser Erfahrung verbunden. Metaphern sind ein Ausdruck konzeptübergreifenden Denkens und implizieren somit konzeptübergreifendes Handeln. Konkret bedeutet das, sie übertragen bekannte Erfahrung, Wissensbestände und Einstellungen eines bildspendenden Bereichs auf unsere Handlungsziele (vgl. Kruse et al. 2011: S. 68).
Unser alltägliches Konzeptsystem, welches sowohl unser Denken, als auch unser Handeln maßgebend bestimmt, ist demnach im Kern und fundamental metaphorisch (vgl. Kruse et al. 2011: S. 75).
3.2. Metaphernarten
Unter den Metaphern existieren einige grundsätzliche Unterschiede darin, wofür sie verwendet werden, auf welche Konzepte sie sich beziehen und in welchen sprachlichen und kognitiven Kontexten sie auftreten. Lakoff und Johnson klassifizieren die Metapher daher in Arten, die im Folgenden erläutert werden.
3.2.1. Orientierungsmetaphern
Orientierungsmetaphern sind solche, bei denen ein Konzept nicht durch ein anderes strukturiert wird, sondern bei dem es selbst ein ganzes System von Konzepten organisiert. Sie werden deshalb Orientierungsmetaphern genannt, weil sie meist mit der Orientierung im Raum Zusammenhängen, sie werden also ausgedrückt durch Relationen wie „oben-unten, innenaußen, vorne-hinten, dran-weg, tief-flach, zentral-peripher". Die Raumorientierungen, für die diese Metaphern ein Hilfsmittel darstellen, ergeben sich durch die Beschaffenheit des menschlichen Körpers sowie seiner Beziehung zur physischen Umgebung, die ihn umgibt. Orientierungsmetaphern übertragen eine räumliche Beziehung auf ein Konzept, wie etwa bei Glücklichsein ist Oben. Durch dieses Konzept können Ausdrücke entstehen wie „Ich fühle mich heute obenauf’ (vgl. Lakoff/Johnson 2004: S. 22).
Metaphorische Orientierungen dieser Art haben ein Fundament in unserer physischen und kulturellen Erfahrung. Obgleich die Vorstellungen von räumlichen Beschreibungen grundsätzlich gleich sind, können sich Orientierungsmetaphern von Kultur zu Kultur unterscheiden. So liegt in einigen Kulturen die Zukunft vor den Menschen, während sie in anderen Kulturen so ausgedrückt wird, als läge sie hinter ihnen (vgl. Lakoff/Johnson 2004: S. 22).
Zur Veranschaulichung werden nun Metaphern der räumlichen Orientierung angeführt, die von William Nagy (1974) untersucht worden sind und von Lakoff und Johnson (2004) zusammengefasst wurden.
Glücklich sein ist Oben; Traurig sein ist unten.
Beispiele:
„Ich fühle mich heute oben auf.
Das beflügelte meinen Geist.
Meine Stimmung stieg.
[...] Ich fühle mich niedergedrückt.
Er ist zur Zeit wirklich unten.
Meine Stimmung sank.” (Lakoff/Johnson 2004: S. 23)
Physische Grundlage: Bei einem heiteren Gemütszustand zeigen die Menschen meist eine aufrechte, bei Trauer oder Depression meist eine gebeugte Körperhaltung (vgl. Lakoff/Johnson 2004: S. 23).
Kontrolle oder Macht ausüben ist oben; Kontrolle oder Macht ausgesetzt sein ist unten.
Beispiele:
„Ich habe die Kontrolle über sie.
Ich stehe über der Situation.
Er ist in einer Position der Überlegenheit.
Er ist auf der Höhe seiner Macht.
[.] Seine Macht stieg.
Er ist mir kräftemäßig überlegen.
Ich habe ihn unter Kontrolle.
Er stürzte von seiner Machtposition.
[...] Er ist mir unterlegen!” (Lakoff/Johson 2004: S. 23,24)
Physische Grundlage: Die Körpergröße eines Menschen entspricht üblicherweise seiner physischen Stärke. Außerdem ist der Sieger eines Kampfes typischerweise oben (vgl. Lakoff/Johnson 2004: S. 24).
Mehr ist oben; Weniger ist unten.
Beispiele:
„Die Zahl der Bücher, die jedes Jahr gedruckt werden, steigt stetig.
[...] Mein Einkommen ist letztes Jahr gestiegen.
Die künstlerischen Aktivitäten dieses Bundeslandes sind letztes Jahr gesunken.
Die Zahl der Fehler, die ihm unterlaufen sind, ist unglaublich niedrig.
Sein Einkommen ist letztes Jahr gefallen.
Er ist unter 18.
Wenn es Ihnen zu heiß wird, schalten Sie die Heizung runter.
Physische Grundlage: Wenn man eine Substanz in ein Gefäß gießt oder Objekte aufeinanderstapelt, dann erhöht sich der Mengenstand.” (Lakoff/Johnson 2004: S. 24)
Gut ist Oben; Schlecht ist unten.
Beispiele:
„Die Entwicklung zeigt nach oben.
Letztes Jahr haben wir eine Spitze erreicht, aber seither geht es bergab.
Die Lage hat einen Rekord tief punkt erreicht.
Er verrichtet qualitativ hochwertige Arbeit. (Lakoff/Johnson 2004: S. 25)
Physische Grundlage: Zustände des persönlichen Wohlergehens, etwa Glücklich sein, Gesundheit, Leben und Kontrolle, sind durch jeweilige Metaphern oben (vgl. Lakoff/Johnson 2004: S. 25).
Tugend ist oben; Laster ist unten.
Beispiele:
„Er hat eine hohe Gesinnung.
Sie setzt hohe Standards.
Sie hat einen aufrechten Charakter.
Sie ist eine aufrechte Staatsbürgerin.
Das war ein nieder trächtiger Trick.
Untergrabe das Vorhaben nicht.
Ich würde mich dem nicht unter werfen.
Das wäre unter meiner Würde.
Er fiel in den Abgrund der Verderbtheit.” (Lakoff/Johnson 2004: S. 25)
Physische und soziale Grundlage: Es entsteht eine Kombination der Metaphern Gut ist oben und Die Gesellschaft ist eine Person. Tugendhaftes Handeln entspricht damit aus gesellschaftlicher bzw. Persönlicher Sicht sozialem Wohlergehen (vgl. Lakoff/Johnson 2004: S. 25).
Aus der Betrachtung dieser Beispiele können wir folgende Schlussfolgerungen über die empirische Grundlage, die Kohärenz und Systematik metaphorischer Konzepte ziehen:
- Die meisten basalen Konzepte werden nach mindestens einer Metapher der räumlichen Orientierung organisiert.
- Jede Raummetapher weist eine eigene innere Systematik auf, die in vielen Fällen ein kohärentes System darstellt.
- Zwischen den verschiedenen Raummetaphern existiert eine äußere Gesamtsystematik. So gilt in der Metapher Gut ist oben, dass die Richtungsangabe oben auf das Wohlergehen einer Person hinweist. Diese Metapher ist kohärent mit Fällen wie Glücklich sein ist oben, Gesundheit ist oben, Leben ist oben, Kontrolle ist oben.
- Raummetaphern haben ihre Wurzeln in der physischen sowie der kulturellen Erfahrung.
- Eine Metapher kann vielerlei physische und gesellschaftliche Ursprünge haben.
- Auch Konzepte, die außerhalb der Alltagssprache liegen, basieren oft auf Metaphern, die eine physische oder kulturelle Grundlage haben. So findet man Beispiele unter intellektuellen Konzepten, die etwa in naturwissenschaftlicher Forschung auftreten. Das Wort hoch in dem Begriff „Hochenergieteilchen” basiert auf der Metapher Mehr ist oben. (vgl. Lakoff/Johnson 2004: S. 26,27)
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