pater patriae - Die Selbstdarstellung des Augustus im 35. Kapitel seines Tatenberichts


Hausarbeit, 2002

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALT

I. Einleitung

II. Zum Begriff pater patriae

III. Res gestae

IV. Schlussfolgerungen

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Selbstdarstellung des Augustus im 35. Kapitel seines Tatenberichts, den Res gestae divi Augusti, auseinander. Thema des Schlusskapitels ist die Verleihung des Titels[1] pater patriae, Vater des Vaterlandes, des letzten Ehrennamens, der Augustus zuerkannt wurde. Hier stellt sich aufgrund der in diesem Punkt übereinstimmenden Chronologie der Ereignisse und des Textes[2] die Frage, inwieweit der Ehrung übergeordnete Bedeutung in der Neugestaltung des römischen Staates durch Augustus zukommt. Es ist zunächst notwendig, ideengeschichtlich auf verschiedene Facetten des Begriffs einzugehen, um dann anhand der Darstellung in Res gestae 35 untersuchen zu können, ob und inwieweit die Annahme und die Monopoli-sierung dieses Ehrennamens die Ausrichtung der römischen Gesellschaft „in konzen-trischen Kreisen“[3] um die Person des Princeps beschreibt bzw. in welchem Verhältnis der Name zum Programm der neuen Ordnung, dem Prinzipat, steht.

II. Zum Begriff pater patriae

Was bedeutet der Begriff pater patriae, von dem Mommsen[4] meinte, er sei „kein wesentlicher Bestandteil der Kaiserstellung“ und „nichts als eine Ehrenbezeichnung“? In Rom war es üblich, dass jüngere Leute einen Älteren ehrenhalber ‚Vater’ nannten[5]. Der Sprachgebrauch ging aber in die politische Sphäre, in die der Begriff pater patriae gehört, über. So wurden etwa die Senatoren patres genannt, um die väterliche Fürsorge des Senats zu betonen. Auch Feldherren wurden von ihren Soldaten als pater geehrt, und zwar wegen ihrer fürsorglichen Milde gegenüber der Truppe[6].

Stets ist dabei der Bezug zum pater familias, dessen Stellung in Rom durch außerordentliche Machtbefugnisse gekennzeichnet war, zu sehen. Dies liegt durch die Verwendung des Genitiv und den Gebrauch des stärkeren pater anstatt – wie bisher meist üblich – parens[7] bei der Ehrung für Augustus bereits sprachlich auf der Hand: Wie der pater familias die patria potestas über die anderen Familienmitglieder sowie über die Einwohnergemeinschaft der domus[8] ausübte, so erstreckte sich die potestas des Princeps jetzt über die ganze patria[9]. Diese potestas über die patria ist allerdings nicht als ab-strakter „Rechtsinhalt“[10], sondern eher als sittlich und sakral begründeter, konkreter „Machtinhalt“[11] zu verstehen, obwohl moderne Historiker meinen, die neue Stellung auch rechtlich ausmachen zu können[12].

Bedeutsam ist weiterhin die Verbindung zur römischen Institution des patro-nicium[13], in dem sich der wirtschaftlich und sozial Schwächere freiwillig dem Stärkeren anschloss und ihn politisch unterstützte, wobei der patronus zahlreiche Pflichten fürsorg-licher Natur zu erfüllen hatte. Der Begriff patronus ist „nichts anderes als eine Weiter-bildung von pater[14] und wurde von den Klienten für ihren Schutzherrn gebraucht. Bekräftigt wurde diese formlose Bindung in der späten Republik durch den Gefolg-schaftseid[15], da es in unruhigen Zeiten wichtig wurde, die Klienten und besonders die Truppen stärker als bisher an den Patron zu binden. Augustus legte großen Wert darauf, die militärische Gefolgschaft durch Geldgeschenke, Auszeichnungen, Altersversorgung[16] und testamentarisch verfügte Legate[17] in seinem Sinne zu monopolisieren. Er begründete so eine Art Gesamtpatronat, wobei er mögliche konkurrierende Bindungen zu verhindern suchte und wusste[18]. Dies gilt ebenso wie für den militärischen[19] auch für den zivilen Bereich[20], denn der Princeps erhob den Anspruch, als alleiniger Garant des öffentlichen Wohls zu gelten.

Mit der vollständigen Ehrung pater (bzw. parens) patriae wurden in Rom aller-dings Persönlichkeiten und militärische Führer in einem ganz anderen Kontext bedacht, als in dem oben genannten der mildtätigen Fürsorge: Lässt sich diese unmittelbar ein-leuchtend aus der Gestalt des pater familias herleiten, so scheint das bei einer (gewaltsam) „befreienden Tat im Krieg oder [...] der Unterdrückung einer Revolution“[21] zunächst nicht gegeben. Dies war nämlich der Anlass für die Ehrung des Camillus wegen der Bekämpfung der Keltengefahr[22], des Fabius Cunctator wegen der Abwehr Hannibals, des Marius als Retter vor den Kimbern, des Sulla wegen seines Sieges über die Gegen-partei der Popularen und des Cicero für die Unterdrückung der Verschwörung des Catilina. Alföldi behandelt diese Fälle[23]. Dabei betont er die Funktion des Retters und dessen Ehrung mit der Krone aus Eichenlaub[24], verneint aber zugleich die Verbindung zum pater familias[25], die insofern doch besteht, als eine – natürlich auch gewaltsame – Rettung von Angehörigen aus Gefahr wegen des väterlichen Schutzauftrages zu den Pflichten des Hausvaters gehörte, als Fortführung des biologisch-kreativen Akts im Sinne einer physischen und ideellen Neubegründung gedacht werden kann und so den servator zum conditor werden lässt.

[...]


[1] Dass es sich bei dem Titel eigentlich um ein cognomen handelt, bezeugt Suet. Aug. 58, 1: Patris patriae cognomen universi repentino maximoque consensu detulerunt ei prima plebs legatione Antium missa [...]. Der vollständige Name des Princeps lautet folglich ab 2 v. Chr. Imperator Caesar divi filius Augustus Pater Patriae; vgl. Weber, Anm. 692.

[2] Die Res gestae sind nicht vollständig chronologisch angelegt, sondern folgen im Aufbau den Notwendig-keiten der subjektiven Darstellung. Um so höher ist die Textchronologie zu bewerten, die hier schon formal die Verleihung des pater-patriae -Namens als Abschluss eines Lebenswerkes erscheinen lässt, den vorschnell ‚krönend’ zu nennen man im Deutschen sogleich versucht ist. Zum grundsätzlichen Aufbau der Res gestae vgl. Weber 102ff.

[3] Strothmann, Vater 83.

[4] Mommsen, Staatsrecht II³, 780. Mommsens Untersuchungen sind auf die staatsrechtliche Dimension des Prinzipats ausgerichtet. Die Bezeichnung pater patriae muss ihm aus dieser Sichtweise tatsächlich wie eine bloße „Zierde der kaiserlichen Titulatur“ (Alföldi über Mommsen, S. 138) erscheinen, da sich der Begriff rechtlich kaum verorten lässt. Zu Mommsens vgl. Stahlmann 42ff.

[5] So nannte etwa der politische noch unerfahrene, junge Octavian den älteren Cicero ehrfürchtig pater. Vgl. Cic. Ad. Brutus I 17, 5; Plut. Cic. 45, 2.

[6] Livius (IV 42, 3) berichtet, wie die Soldaten eines sie gut behandelnden Konsuls diesen mit pater ansprechen. Weitere Beispiele bei Alföldi 42.

[7] Anders als noch Caesar; zum Unterschied von parens patriae und pater patriae vgl. Alföldi 80f; v. Premerstein 168.

[8] Strothmann, Vater 74, Anm. 9: „Die durch ihre Blutsverwandtschaft zur domus gehörenden Mitglieder sind einmal die direkten Familienangehörigen, dann der weitere Familienkreis. Juristisch gehören zur Familie aber auch die personae iure subiectae, die allein durch Mitbewohnung desselben Hauses ausgewiesen sind.“ Familienmitglieder sind also auch die Sklaven.Vgl. Bleicken 173.

[9] Der Begriff der patria ist nicht leicht zu fassen, da man von einem ‚Vaterland’ in dem uns geläufigen Sinne nicht sprechen kann. Vgl. Strabon 6, 4, 2 p. 288, der von „Römern“ und „Bündnern“ spricht, die in gleicher Weise dem väterlichen Schutz des Princeps unterstehen; dazu Kienast 420; Strothmann, Vater 73f; Alföldi 99f.

[10] Und dies ist auch nicht notwendig, da die Vorstellung des pater familias und die Autorität, die dieser genoss, im römischen Denken – ganz im Gegensatz zu den griechischen oder unseren gegenwärtigen Vor-stellungen – eine so zentrale Stellung einnimmt, dass jedem Römer die Bedeutung eines solchen Ehren-namens sicher bewusst gewesen sein muss. Somit steht der Name in engem Zusammenhang zur auctoritas des Princeps. Zu pater patriae / auctoritas vgl. Alföldi 46, Anm. 33; Zitate: a. a. O. 128.

[11] Ebd. Dio (53, 18, 3) hält diesen Namen im Gegensatz zum Augustus-Namen für herrschaftsrelevant; dazu Bleicken 639; Seneca (de clem. 1, 14, 2) formulierte gegenüber dem ihm zur Erziehung anvertrauten jungen Nero: „Die Pflichten eines guten Princeps sind diejenigen eines guten Vaters“.

[12] Strothmann bemerkt in Hinblick auf die Thematik Eid-Patronat-Loyalität: „Die Verletzung der Loyalität war als cirmen maiestatis ausgewiesen [...], wodurch zum erstenmal juristisch fassbar wurde, daß der pater patriae und der Repräsentant des Staatswesens eine Person waren. Träger der maiestas war in der Republik der populus Romanus. [...] Das crimen maiestatis einer Person gegenüber war in der römischen Republik [...] nicht bekannt, in der Spätantike bedeutete es ein Vergehen gegen das Imperium [...].“ (Strothmann, Vater 100); ebenso Baumann. Worin allerdings der Unterschied zu einem Volkstribun bestehen soll, der ja gerade in der Republik Träger eben dieser maiestas des populus romanus gewesen ist, wird von beiden nicht besprochen. Warum also gerade hieraus folgen soll, dass der Princeps zum Repräsentanten des gesamten Staatswesens wird, sehe ich nicht, auch wenn dies aus anderen Gründen plausibel sein mag. Vgl. Tac. ann. I 72, 3; Ulpian Dig. XLVIII 4, 1, 1 (ad legem Iuliam maiestatis).

[13] v. Premerstein hat diesen Zusammenhang in seinem soziologischen Ansatz (Vom Werden und Wesen) erstmals herausgearbeitet; dazu Stahlmann 126ff.

[14] v. Premerstein 167.

[15] Als Beispiel für einen solchen Gefolgschaftseid zitiert v. Premerstein (27) aus den Fragmenten des Diodors den Treueschwur der Italiker für M. Livius Drusus von 91 v. Chr.; vgl. Münzer, RE XIII 878.

[16] Erst 6 n. Chr. wurde allerdings das aerarium militare eingerichtet, das sich neben der Erbschafts- und Auktionssteuer auch aus kaiserlichen Zuwendungen (impensae) speiste. Vgl. RgdA 17; dazu Bengtson 229f.

[17] Die Auszahlung des Truppensoldes wurde im Prinzipat nicht von einer öffentlichen Stelle, sondern von einem hohen Hausbeamten des Kaisers vorgenommen. Vgl. Mommsen, Staatsrecht II, 848f.

[18] Dabei konnte der Princeps kaum ein Interesse daran haben, die vorhandenen Bindungsstrukturen zu zerstören. Er versuchte vielmehr, wenn irgend möglich sie für sich nutzbar zu machen und setzte sich selbst an die Spitze der hohen Patrone. Vgl. Kierdorf 241.

[19] Dazu v. Premerstein 106f und Gardthausen I.2, 524: „Dieses Recht, über das Heer verfügen und zwar allein verfügen zu können, wollte der Caesar (Augustus, d. V.) sich um jeden Preis auch für die Zukunft gesichert wissen.“ Gardthausen betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung des ständigen Imperator-Namens (a. a. O. 527).

[20] v. Premerstein (113) nennt hier das Beispiel des M. Egnatius Rufus, der als Ädil (wahrscheinlich 21 v. Chr.) durch Einrichtung eines privaten Feuerlöschdienstes „die Volksgunst in hohem Maße sich erwarb [...], Augustus aufs äußerste reizte und ihn zu eigenen Maßnahmen auf diesem Gebiet veranlaßte. Der Wettbewerb mit dem Herrscher hat de(n) Rufus schließlich das Leben gekostet.“ Vgl. Fitzler, RE X 350; Dio 53, 24, 5f;

[21] Alföldi 44.

[22] Ders. (47 Anm. 38) meint, es sei für die begriffsgeschichtliche Untersuchung unbedeutend, ob dessen Taten historisch waren oder nicht.

[23] Ders. 29 - 33, 59ff.

[24] Wir können vermuten, dass der Name im Haus des Herrschers in die dort vorhandene corona civica (vgl. RgdA 34) eingefügt wurde, denn es findet sich bei Augustus’ Nachfolgern auf Münzen im Eichenkranz p(ater) p(atriae) ob c(ives) s(ervatos), z.B. bei Caligula: BMC No. 29, 32, 38 - 40; vgl. Alföldi 102ff, Tafeln VI 9, 10; VII 5, VIII 7; Sollte dies so sein, könnten wir analog auch für die Anbringung des Namens in der curia iulia von einer Ergänzung des clipeus virtutes ausgehen, was die auf ihm verzeichneten Tugenden der Tapferkeit, Gerechtigkeit, Milde und Pflichterfüllung in direkten Zusammenhang zum pater patriae stellen würde. Interessant ist außerdem die Gemma Augustea (Anm. 31), in der die Ehrung des Retters mit der noch zu behandelnden Romulus-Nachfolge im selben Bild auftaucht.

[25] Alföldi 47: Diese Taten würden „ebensowenig aus der Eigenart des Hausvaters (fließen), wie (sie) auch unserem Vater-Begriff zuwider (laufen).“

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Details

Titel
pater patriae - Die Selbstdarstellung des Augustus im 35. Kapitel seines Tatenberichts
Hochschule
Universität Passau  (Lehrstuhl für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Die res gestae divi augusti
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
14
Katalognummer
V13165
ISBN (eBook)
9783638188883
ISBN (Buch)
9783640133741
Dateigröße
467 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Augustus, pater patriae, Vater des Vaterlandes, res gestae, Tatenbericht, Rom
Arbeit zitieren
Christof Wockenfuß (Autor:in), 2002, pater patriae - Die Selbstdarstellung des Augustus im 35. Kapitel seines Tatenberichts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13165

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