Die Rolle der bürgerlichen Frau im 19. Jahrhundert war geprägt von strengen Reglementierungen, die aus heutiger Sicht schwer greif- und nachvollziehbar sind. Die etlichen Benimm- und Verhaltensregeln schränkten nicht nur sämtliche Lebensbereiche der Frau ein, sie übten auch einen enormen psychischen Druck aus. Hierbei war gerade ‚der gute Ruf’ im Hinblick auf die Abgrenzung vom Kleinbürgertum und der Unterschichten zu bewahren. Hervorzuheben sei hier der Bereich der Sexualität, der mitunter das größte Tabuthema der Gesellschaft um 1900 war und besonders für die bürgerlichen Frauen galt, die begierdelos zu sein hätten und denen man sogar sexuelle Empfindsamkeit absagte . Die Frau der Jahrhundertwende stand also unter ständigem Leistungs- und Erwartungsdruck, dem gesellschaftlichen Ideal der ‚Dame’ zu entsprechen und standzuhalten. Welche Auswirkungen der psychische Druck von außen einnehmen konnte, zeigt Arthur Schnitzlers Novelle „Fräulein Else“ aus dem Jahr 1924. Er zeichnet eben dieses Bild der determinierten Frau der Jahrhundertwende: „Schnitzler führt eine in gesellschaftlichen Zwängen gefangene Figur vor, die sich unter starkem unmittelbaren Druck einer Entscheidungssituation stellen muss“ und gibt durch das verwendete Stilmittel des "inneren Monologes" eine Innensicht auf den psychischen Zustand Fräulein Elses. Um einen besseren Zugang zu Schnitzlers Werk zu erhalten und vermitteln zu können, soll in dieser Ausarbeitung das aus heutiger Sicht inkomparable Bild der bürgerlichen Frau um die Jahrhundertwende vergleichend mit Fräulein Else skizziert werden.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Konstrukt der,bürgerlichen Frau'
- Mehr Schein als Sein
- Bürgerliche Frauen und Beruf
- Heirat und Sexualität
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausaufgabe analysiert die Rolle der bürgerlichen Frau um die Jahrhundertwende am Beispiel von Arthur Schnitzlers Novelle „Fräulein Else“. Sie untersucht die gesellschaftlichen Zwänge und Erwartungen, die auf Frauen dieser Zeit lasteten, und zeigt, wie diese in der Figur von Fräulein Else zum Ausdruck kommen.
- Die Determiniertheit der Frau durch gesellschaftliche Normen und Erwartungen
- Das Konstrukt der „bürgerlichen Frau“ und ihre Rolle in der Gesellschaft
- Die Bedeutung von Schein und Sein im bürgerlichen Milieu
- Die eingeschränkten Möglichkeiten von Frauen in Bezug auf Beruf und Selbstbestimmung
- Die Ambivalenz von Heirat und Sexualität in der Perspektive von Fräulein Else
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Rolle der bürgerlichen Frau im 19. Jahrhundert vor und zeigt, wie diese durch strenge Reglementierungen und gesellschaftliche Erwartungen geprägt war. Der Fokus liegt dabei auf der Sexualität, die als größtes Tabuthema der Zeit galt. Schnitzlers Novelle „Fräulein Else“ wird als Beispiel für die Determiniertheit der Frau um die Jahrhundertwende vorgestellt.
Das Kapitel „Das Konstrukt der,bürgerlichen Frau'“ beleuchtet die Definition der bürgerlichen Frau im 19. Jahrhundert, die sich aus der „weiblichen Natur“ ableitete. Die Frau wurde als passiv, emotional, schwach, hingebungsvoll, selbstverleugnend und bescheiden dargestellt. Ihre Berufung lag in Ehe und Familie. Die optimale Erfüllung des Idealbildes der Frau ergab sich aus der „Dreifachfunktion Gattin – Hausfrau – Mutter“. Dieses Kapitel zeigt die patriarchale Struktur der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts auf.
Das Kapitel „Mehr Schein als Sein“ beschreibt die bürgerliche Welt des Industrialisierungszeitalters, die geprägt war von einem aufstrebenden Bürgertum, das an die Privilegien der Aristokratie heranreichen wollte. Die Hausfrau war zu strenger Sparsamkeit gemahnt, um den Schein eines gehobenen Prestiges zu wahren und einen sozialen Abstieg zu vermeiden. Dieses Schicksal zeigt sich auch in Elses Familie, deren Vater durch Börsenspekulationen in finanzielle Schwierigkeiten gerät.
Das Kapitel „Bürgerliche Frauen und Beruf“ beleuchtet die eingeschränkten Möglichkeiten von Frauen in Bezug auf Berufstätigkeit. Für Frauen des gehobenen Bürgertums war es verpönt, eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Nur der Beruf der Lehrerin und der „Bonne“ war für unverheiratete Frauen akzeptabel. Die Frau war somit vollständig von der Familie und später vom Ehemann abhängig.
Das Kapitel „Heirat und Sexualität“ untersucht die Ambivalenz von Heirat und Sexualität in der Perspektive von Fräulein Else. Heirat galt als höchstes Prinzip der Verwirklichung der Frau und war die einzige Möglichkeit für eine Frau, finanziell abgesichert zu sein und den elterlichen Haushalt zu verlassen. Else steht in einer Bringschuld gegenüber dem elterlichen Haus und wird auf eine baldige Heirat gedrängt. Gleichzeitig träumt sie von einem freien und unabhängigen Leben, in dem sie sich von den gesellschaftlichen Erwartungen lösen kann.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die bürgerliche Frau, die Determiniertheit der Frau, die gesellschaftlichen Zwänge und Erwartungen, die Sexualität, die Heirat, die Familie, die finanzielle Absicherung, die soziale Schmach, die Selbstbestimmung und die Ambivalenz von Tradition und Moderne. Der Text beleuchtet die Rolle der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts und zeigt, wie diese durch gesellschaftliche Normen und Erwartungen geprägt war. Die Novelle „Fräulein Else“ von Arthur Schnitzler dient als Beispiel für die Herausforderungen, denen Frauen dieser Zeit gegenüberstanden.
- Arbeit zitieren
- Annika Singelmann (Autor:in), 2006, Das Zwiegespräch der Frau - zwischen Libido und Moral, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131664