Nach der Erfahrung des Nationalsozialismus lässt sich im Radbruchschen Denken eine Wende erkennen. Im Jahre 1946 schreibt er den berühmt gewordenen Aufsatz „Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht“, indem er sich von seinem ursprünflichen rechtspositivistischen Ansatz distanziert. Die in der Literatur als „Radbruchsche Formel“ bezeichnete These, derzufolge es legitim sei, das „unerträglich ungerechte“ Gesetz zu brechen, kann im geschichtlichen Kontext interpretiert werden. Mit der Revidierung der eigenen Überzeugungen unternimmt Radbruch den Versuch, die Vergangenheit zu erklären und die Zukunft des Rechts mitzugestalten. Die Positivismus-These, die in den 30er Jahren unter anderem von Radbruch vertreten wurde, verhalf sichtbar „zu einer der größten Geschichtsklitterungen“ innerhalb der Rechtsphilosophie. Radbruch sah sich gezwungen, auf das überpositive Recht zurückzugreifen. Die Rückkehr zum Naturrecht im Sinne einer Sammlung von Normen, deren Verbindlichkeitsansprüche postuliert und gleichzeitig unbegründet bleiben, wird als die einzige Alternative zu der in der Weimarer Republik vorherrschenden Rechtsauffassung angesehen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung: Recht und Moral innerhalb der praktischen Philosophie
- II. Die Kritik der Naturrechtslehre durch Hans Kelsen
- II.I Die Grundnorm und die Geltung des Rechts
- III. Gustav Radbruchs «Rechtsphilosophie»
- III.I Der Begriff des Rechts
- III.II. Das Verhältnis zwischen Recht und Moral
- III.III. Die Antinomien der Rechtsidee
- III.IV. Die Geltung des Rechts
- IV. Die Radbruchsche Formel
- IV.I. Die objektive Gerechtigkeit
- IV.II. Die Praktikabilität der Formel
- V. Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen Recht und Moral anhand der Rechtsphilosophie Gustav Radbruchs. Im Fokus steht der Wandel in Radbruchs Denkweise nach der Erfahrung des Nationalsozialismus, der ihn von einem Anhänger des Rechtspositivismus zu einem Verfechter des Naturrechts führte. Die Arbeit untersucht, wie Radbruch die Grenzen des Rechtspositivismus erkannte und welche moralischen Grundannahmen seiner Rechtsphilosophie zugrunde liegen.
- Die Kritik des Rechtspositivismus durch Hans Kelsen
- Die Entwicklung von Radbruchs Rechtsphilosophie
- Das Verhältnis zwischen Recht und Moral
- Die Geltung des Rechts und die Radbruchsche Formel
- Die Bedeutung der Moral für die Rechtstheorie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung behandelt das komplexe Verhältnis zwischen Recht und Moral in der praktischen Philosophie. Sie stellt fest, dass eine Rechtstheorie immer auf moralische Grundannahmen zurückgreift, und diskutiert die Schwierigkeit, die Geltung des Rechts angesichts unterschiedlicher Moralen und Ideologien in der Gesellschaft zu gewährleisten. Die Kapitel II und III beleuchten die Rechtsphilosophie von Hans Kelsen und Gustav Radbruch. Kelsen kritisiert die Naturrechtslehre und plädiert für eine reine Rechtslehre, die sich auf das positive Recht konzentriert und moralische Gesichtspunkte ausschließt. Radbruch hingegen sieht Recht und Moral in einem dynamischen Verhältnis, das unter bestimmten Umständen eine Abwägung zwischen positiver Rechtsordnung und moralischen Grundsätzen erfordert.
Schlüsselwörter
Rechtspositivismus, Naturrecht, Rechtsphilosophie, Gustav Radbruch, Hans Kelsen, Moral, Gerechtigkeit, Geltung des Rechts, Radbruchsche Formel, Recht und Moral, Ideologie, Demokratie, Rechtstaat, Grundrechte.
- Arbeit zitieren
- Adam Galamaga (Autor:in), 2009, Das Spannungsverhältnis zwischen Recht und Moral bei Gustav Radbruch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131703