Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlegende Begriffe
2.1 Grundlegende technische Begriffe
2.2 Weitere technische Begriffe
2.3 Begriffe zu dem Erhalt neuer Token und virtuellen Währungen
3. Abgrenzung Token - Virtuelle Währungen
4. Kryptowerte im Privatvermögen
4.1 Zuordnungsentscheidung Privat- oder Betriebsvermögen
4.2 Veräußerungserträge aus Kapitalvermögen
4.3 Laufende Einkünfte aus Kapitalvermögen
4.4 Folgewirkung der Zuordnung
4.5 Veräußerungserträge aus privaten Veräußerungsgeschäften
4.5.1 Subsumtion der Rechtsnorm
4.5.2 Token als Wirtschaftsgut
4.5.3 Anschaffungskosten
4.5.4 Veräußerungspreis
4.5.5 Überschussermittlung
4.5.6 Ausdehnung der Haltefrist
4.5.7 Verluste
4.6 Laufende Einkünfte aus sonstigen Einkünften
4.6.1 Tatbestandsermittlung
4.6.2 Subsumtion passives Staking
4.6.3 Subsumtion Lending
4.6.4 Subsumtion Airdrop
4.6.5 Subsumtion Hard Fork
4.6.6 Subsumtion aktive Blockerstellung
4.6.7 Verluste
4.7 Strukturelles Vollzugsdefizit
5. Ertragsbesteuerung Österreich
6. Besteuerungsverfahren
6.1 Entwicklung in Bezug auf Token und virtuellen Währungen
6.2 Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen
6.3 Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten der Steuerpflichtigen
6.4 Strafbefreiende Selbstanzeige
7. Umsatzsteuerliche Würdigung
8. Schlussteil
Literaturverzeichnis
Urteilsverzeichnis
Verzeichnis der Richtlinien
Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen
Rechtsquellenverzeichnis
Internetquellen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Obwohl der erstmalig im Jahre 2008 erwähnte BTC als mutmaßlich bekanntester Token gilt, dürfte aktuell der ETH Token die meiste mediale Aufmerksamkeit widerfahren.1 Bei dem Ethereum Netzwerk erfolgte zum 15. September 2022 ein sogenannter Merge, also eine Hard Fork, bei dem das Netzwerk hinsichtlich der Blockerstellung von dem Proof of Work Verfahren zu dem energiefreundlicheren Proof of Stake Verfahren gewechselt worden ist.2 Beginnend mit der Differenzierung von Token und virtuellen Währungen, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit untersucht, welche Auswirkungen diese Differenzierung auf die Besteuerung hat. Im Fokus dieser Arbeit stehen, die innerhalb der privaten Vermögensphäre gehaltenen, Token und virtuellen Währungen. Damit eine private Vermögensverwaltung nicht ungewollt zu einer gewerblichen Tätigkeit führt oder umgekehrt, ist es notwendig, die Abgrenzungsmerkmale zu berücksichtigen. Unterliegen Token und virtuelle Währungen innerhalb der privaten Vermögensphäre einer Einkunftsart im Sinne des EStG oder sind diese nicht steuerbar beziehungsweise steuerfrei? Erfolgt eine Einordnung unter den Einkünften aus Kapitalvermögen, sodass die Besteuerung mit dem gesonderten Steuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG Anwendung findet? Oder handelt es sich um sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG oder § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG? Eine Möglichkeit einer Zuordnung findet sich im internationalen Vergleich mit Österreich, welche im Verlauf dieser Arbeit betrachtet wird. Im Weiteren internationalen Vergleich wurde in El Salvador, seit der Einführung des BTC als Währung im September 2021, der BTC mit den gesetzlichen Zahlungsmitteln gleich- gestellt.3 Ob in Deutschland eine Gleichstellung von virtuellen Währungen mit den gesetzlichen Zahlungsmitteln stattfindet, wird in dieser Arbeit untersucht. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird die Standhaftigkeit der Bemängelung eines strukturellen Vollzugsdefizits bei der Besteuerung von Token und virtuellen Währungen analysiert. Dabei wird unter anderem die Frage nach verfahrensrechtlichen Defiziten untersucht. Zu der Frage nach möglichen verfahrensrechtlichen Defiziten wird das aktuell geltende Verfahrensrecht im Allgemeinen und in Bezug auf Token betrachtet. Abschließend folgt ein Schlussteil, der die Erkenntnisse aus dieser Arbeit zusammenfassend bewertet und dabei die Fragestellungen aus dieser Einleitung aufgreift.
2. Grundlegende Begriffe
2.1 Grundlegende technische Begriffe
Bei der Distributed Ledger Technologie (verteiltes Hauptbuch Technologie) handelt es sich um eine dezentral gespeicherte Datenbank. Die Speicherung der Datenbank erfolgt dezentral, da keine zentrale Instanz die Speicherung vornimmt. Somit gibt es keinen Intermediär, der die Transaktionen überwacht. Die Überwachung findet gemeinschaftlich, durch das gleichberechtigte teilnehmende Rechnernetzwerk, in Form eines Konsensmechanismus statt. Ein Konsens wird durch die mehrheitliche Zustimmung des teilnehmenden Rechnernetzwerks erreicht. Eine Übertragung von Werten kann somit direkt als sogenannte peer-to-peer Übertragung, zwischen zwei Parteien erfolgen, ohne auf einen zwischengeschalteten Intermediär angewiesen zu sein. Diesen Rechnernetzwerkteilnehmenden obliegt eine gemeinsame Schreib-, Lese- und Speicherberechtigung.4
Die Blockchain (Blockkette) ist eine aus Blöcken bestehende Datenbank, welche innerhalb eines Rechnernetzwerks auf Basis der Distributed Ledger Technologie dezentral abgespeichert wird. Die dem Netzwerk dieser Datenbank angehörenden Teilnehmenden werden als Nodes (Knoten) bezeichnet.5 Jede Erweiterung dieser Datenblöcke erfolgt zwingend chronologisch und bedarf der mehrheitlichen Zustimmung des beteiligten Netzwerks. Eine nachträgliche Veränderung der Datensätze ist somit nicht möglich, weshalb diese Technologie als fälschungssicher gilt. Die Blockchain-Technologie kann verschiedenste Anwendungen auch außerhalb von Token und virtueller Währungen implementieren, die erste und bekannteste Anwendung ist der BTC.6
Als Hash (Hashwert) werden kryptografisch verschlüsselte Zeichenfolgen bezeichnet. Mithilfe entsprechender Software werden aus Eingabedaten solche Hashs erzeugt. Diese Hashs sind deterministisch und führen bei jeglicher Veränderung der Eingabewerte zu einem vollständig abweichenden Hashwert. Es ist unter vertretbarem Aufwand nicht möglich, aus einem Hash die Eingabedaten zu ermitteln.7
Innerhalb eines peer-to-peer Netzwerkes (gleichrangiges Netzwerk) finden Übertragungen zwischen zwei gleichberechtigten Parteien direkt und unmittelbar statt. Damit ist eine zwischengeschaltete Instanz als Intermediär, wie beispielsweise eine Bank, für eine solche Übertragung nicht erforderlich.8
Das Proof of Work Verfahren (Arbeitsnachweis) ist mit der Nutzung in der BTC-Block- chain das älteste und bekannteste Verfahren, welches zu der Erweiterung einer Blockchain eingesetzt wird.9 Das Verfahren wird auch als Mining, also schürfen bezeichnet. Bei diesem Verfahren wird durch Ausprobieren der Hashwert des nächsten Blocks erzeugt, welcher anschließend mehrheitlich durch das beteiligte Netzwerk bestätigt werden muss. Für die Erweiterung der Blockchain erhält der blockerzeugende Teilnehmer eine Belohnung, sowie die Transaktionsgebühren aus den im Block festgeschriebenen Transaktionen in Form der jeweiligen Token des Blockchain-Netzwerks.10
Proof of Stake (Anteilsnachweis) beschreibt ein weiteres Verfahren, welches zu der Erweiterung bei Blockchains genutzt wird, um auf diese Weise neue Token generieren zu können. Bei diesem Verfahren müssen Teilnehmende eine bestimmte Mindestmenge an Token bereitstellen, um nach dem Zufallsprinzip als nächster Netzwerkknoten auserwählt zu werden. Die Auswahl des nächsten Netzwerkknoten, der die Blockchain erweitern darf und so als Gegenleitung neue Token erhält, erfolgt im Konsensmechanismus mit allen Netzwerkteilnehmern. Die aktive Teilnahme an dem Verfahren wird als Forging (Schmieden) bezeichnet. Die passive Teilnahme an dem Verfahren wird als Staking (Abstecken) bezeichnet. Für die Erweiterung der Blockchain erhalten die Netzwerkteilnehmenden eine Belohnung sowie die Transaktionsgebühren aus den im Block festgeschriebenen Transaktionen. Die Belohnung erfolgt in Form der jeweiligen Token des Block- chain-Netzwerks.11
2.2 Weitere technische Begriffe
Ein Token (Zeichen, Wertmarke) ist eine digitale Abbildung eines Vermögenswertes, dezentral gespeichert auf einer Blockchain. Als Vermögenswert wird ihm durch seine Nachfrage und Angebot im allgemeinen Wirtschaftsverkehr eine Wertigkeit zugesprochen. Ein Token kann verschiedene Rechte oder Ansprüche für dessen Eigentümer ver- körpern.12 Die unterschiedlichen Token Arten werden im Kapitel 3. Abgrenzung Token - Virtuelle Währungen näher erläutert.
Virtual Currency (Virtuelle Währungen) sind digital visualisierte Werteinheiten, sohin das digitale Äquivalent zu einer staatlichen Währung. Dadurch, dass sie von natürlichen und juristischen Personen auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können, gelten sie als Tauschmittel und erfüllen demnach die wesentlichen Charakteristika einer Währung. Sie werden im Gegensatz zu einer staatlichen Währung von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle reguliert und können aufgrund ihrer begrenzten Stückzahl nicht wie eine staatliche Währung in unendlicher Stückzahl ausgegeben werden.13
Die zentrale Eigenschaft eines Non-Fungible Token (nicht austauschbare Wertmarke) lässt sich aus der Übersetzung einer nicht austauschbaren Wertmarke ablesen. Ein NFT basiert auf der Blockchain-Technologie. Nachdem ein NFT erzeugt und somit Bestandteil der Blockchain geworden ist, ist dieser unveränderlich. Innerhalb eines NFT können Verweise auf andere Datenbanken stattfinden, auf denen beispielsweise die Metadaten eines digitalen Kunstwerkes abgespeichert sind.14 Es besteht zudem die Möglichkeit, Rechte aus der realen Welt, wie beispielsweise Eintrittskarten mittels NFT festzuhalten.15
Eine Wallet (Schlüsselbund, Geldbörse) generiert und verwahrt die öffentlichen und privaten Schlüssel von Token. Die Token selbst sind und bleiben unveränderliche Bestandteile der Blockchain. Die Verfügungsmacht an den Token besteht darin, den öffentlichen und privaten Schlüssel der jeweiligen Token zu besitzen. Somit wird für das Empfangen, Halten und Transferieren der meisten Token ein Schlüsselbund benötigt. Die Aufbewahrung des Schlüsselbunds selbst kann in einer Softwareanwendung, auf einer Hardware, einem Papierausdruck oder über einen externen Anbieter erfolgen.16
Eine Fiat Währung zeichnet sich durch ihre institutionelle Kontrolle aus. Beispiele von Fiat Währungen sind der Euro, Dollar oder Yen. Fiat Währungen besitzen keinen inneren Wert. Ursprünglich besaßen staatliche Währungen einen inneren Wert, indem sie gegen Gold eingetauscht werden konnten.17
2.3 Begriffe zu dem Erhalt neuer Token und virtuellen Währungen
Als Staking (Stake: Einsatz) wird die Bereitstellung von Token bezeichnet, welche im Proof of Stake Verfahren dazu eingesetzt werden können, um neue Token zu generieren. Das Staking kann eigenständig oder gemeinschaftlich in Staking-Pools erfolgen.18 Als passives Staking, wie es bei Staking-Pools regelmäßig der Fall ist, wird dabei die Überlassung von Token bezeichnet, ohne dabei innerhalb des Proof of Stake Verfahren aktiv beteiligt zu sein.19
Lending (Ausleihe) ist die entgeltliche Nutzungsüberlassung von Token. Als Entgelt werden üblicherweise dieselben, alternativ andere Token verwendet.20
Unter Inital Coin Offering (Erstausgabe von Münzen) versteht sich die Erstausgabe von Token, im Austausch gegen Einheiten einer virtuellen Währung, oder einer staatlichen Währung. Ein ICO dient ebenso wie der Initial Public Offering (IPO) der Kapitalbeschaffung einer Unternehmung.21 Entgegen den regulierten Prospekten eines IPO, existieren derzeit für einen ICO keine gesetzlichen Bestimmungen für den Inhalt eines Whitepapers. Das Whitepaper kann als Prospekt eines ICO verstanden werden, innerhalb derer das Projekt vorgestellt wird. Die fehlenden Regularien hat die BaFin dazu veranlasst, eine Verbraucherwarnung herauszugeben.22
Ein Airdrop (Fallschirmabwurf) ist eine Marketingmaßnahme dessen Ziel es ist, Onlineplattformen sowie Token, zu bewerben. Die Teilnehmenden eines Airdrops erhalten unentgeltlich, im Austausch von Kundendaten oder als Gegenleistung für die Werbung in sozialen Netzwerken, eine bestimmte oder zufällige Anzahl von Token.23
Bei einer Hard Fork (harte Gabel) spaltet sich eine Blockchain von einer bestehenden Blockchain ab. Daraus resultiert die Aufspaltung der auf der Blockchain basierenden virtuellen Währung, sodass die ursprüngliche neben der neuen virtuellen Währung koexistiert. Nach der Aufspaltung erhalten die Inhaber der ursprünglichen virtuellen Währung die gleiche Anzahl an der abgespalteten neuen virtuellen Währung, ähnlich wie bei einem Aktiensplit.24
3. Abgrenzung Token - Virtuelle Währungen
Bei der Differenzierung von Token und virtuellen Währungen sind zuerst Token als übergeordnete Einheit einer ausführlichen Betrachtung zu unterziehen. Denn erst die Untersuchung der jeweiligen Eigenschaften der Token führt dazu, dass ein Token bei vorhandener Zahlungsmittelfunktion als virtuelle Währung bezeichnet werden kann. In der steuerlichen Fachliteratur haben sich bisher die nachfolgenden Arten von Token herausgebildet. Der Currency Token, der auch als Payment Token oder Exchange Token bekannt ist, verfügt über eine Zahlungsmittelfunktion. Der mutmaßlich bekannteste Currency Token ist der BTC. Anhand des BTC lässt sich die Begrifflichkeit Coin von dem übergeordneten Begriff eines Token trennen. Ein Coin beschreibt einen Currency Token, welcher als sogenannter nativer Token auf einer eigens für ihn entwickelten Blockchain beruht.25 In der steuerlichen Fachliteratur wird die allgemeingeläufige Bezeichnung Kryptowährung einem Currency Token und vornehmlich eines Coins zugeordnet.26 Der Utility Token verkörpert den Anspruch auf ein Produkt oder eine Dienstleistung, seine Funktionsweise ist daher mit der eines Gutscheins gleichzusetzen. Der Security Token, auch bekannt als Investment Token, Asset Token oder Equity Token, lässt seinem Eigentümer, als gesellschaftsrechtlichen Anteil, an einer Unternehmung partizipieren. Sind einem Token die Eigenschaften mehrerer zuvor genannter Token Arten zuzuschreiben, handelt es sich um einen sogenannten Hybriden Token. So können Utility Token und Security Token ebenfalls als Zahlungsmittel verwendet werden, hierdurch als Hybride Token gelten und daher die Eigenschaften einer virtuellen Währung erfüllen.27 Demzufolge sind virtuelle Währungen Token, aber nicht alle Token sind virtuelle Währungen. Aus diesem Grund kann es sein, dass die Termini virtuelle Währungen und Token synonym verwendet werden. Würde eine virtuelle Währung neben der Zahlungsmittelfunktion, wie eine Fiat Währung, eine Wertaufbewahrungsfunktion und Recheneinheitsfunktion aufweisen, gelte die virtuelle Währung im volkswirtschaftlichen Sinne als Geld. Die Wertaufbewahrungsfunktion und Recheneinheitsfunktion sind an die Bedingung geknüpft, wertstabil zu sein. Diese Bedingung haben virtuelle Währungen, insbesondere der BTC, aufgrund einer bisher großen Volatilität nicht erfüllt. Zu der Veranschaulichung der Volatilität kann auf der Website der CoinMarketCap die Tabelle der Marktkapitalisierung sämtlicher virtueller Währungen betrachtet werden.28 Mithilfe von sogenannten Stabelcoins wird der Versuch unternommen, der schwankenden Volatilität unter anderem mit der Bindung an andere Handelsgüter wie beispielsweise Gold oder einer Fiat Währung entgegen zu wirken.29 Zusammenfassend ist ein Token ein digital greifbarer Wert, welcher ein Recht oder einen Anspruch an etwas verkörpert. Verfügen Token über die Funktion eines Zahlungsmittels, sind diese als virtuelle Währung zu bezeichnen.
4. Kryptowerte im Privatvermögen
4.1 Zuordnungsentscheidung Privat- oder Betriebsvermögen
Werden Token innerhalb einer Unternehmung hergestellt, gehandelt oder überlassen, sind besagte Token dem Betriebsvermögen dieser Unternehmung zuzuordnen. Findet die Herstellung, der Handel, sowie die Überlassung der Token nicht innerhalb einer Unternehmung statt, kann gegebenenfalls eine Zuordnung zu der privaten Vermögensphäre und somit dem Privatvermögen vorgenommen werden. Insoweit die Herstellung von Token keine untergeordnete Rolle spielt, wird die Herstellung von Token dazu führen, dass es sich um eine gewerbliche Tätigkeit nach § 15 Abs. 2 EStG handelt, sodass die Token dem entsprechenden Betriebsvermögen zuzuordnen sind.30 Ob vermeintlich im Privatvermögen hergestellte, gehandelte und überlassene Token eine gewerbliche Tätigkeit darstellen und somit dem Betriebsvermögen zuzuordnen sind, hängt davon ab, ob die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt werden. In § 15 Abs. 2 EStG werden vier positive und drei negative Tatbestandsmerkmale eines Gewerbebetriebs aufgeführt. Sollte Gewinnerzielungsabsicht, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, selbständige und nachhaltige Tätigkeit vorliegen, wären die positiven Merkmale erfüllt. Sofern dann die negative Abgrenzung mit den Einkünften aus Land- und Fortwirtschaft gem. §13 EStG und Einkünften aus selbständiger Arbeit gem. §18 EStG sowie die Verneinung der privaten Vermögensverwaltung vorgenommen werden kann, würde ein Gewerbebetrieb angenommen werden. Insoweit die vorgenannten Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt werden, sind die Token der privaten Vermögensphäre zuzuordnen und es handelt sich nach § 14 AO um eine Vermögensverwaltung. Aufgrund des Auslegungspotentials einzelner Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG erweist sich die Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit als schwierig und bedarf einer strengeren einzelfallbezogenen Prüfung.31 Mit seinem Urteil vom 10.12.2001 verweist der BFH auf das Gesamtbild der Verhältnisse und ob nach diesem, gem. der allgemeinen Verkehrsanschauung, ein Gewerbebetrieb vorliegt.32 Die private Vermögensverwaltung von Token erfüllt grundsätzlich drei von vier positiven Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG. Das positive Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr wird in der Regel nicht erfüllt, womit eine gewerbliche Tätigkeit nach § 15 Abs. 2 EStG ausscheidet. Auf die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr wird als entscheidendes Tatbestandsmerkmal in H 15.7 (9) EStH verwiesen. Als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr wird nach H 15.7 (9) EStH das Tätigwerden auf fremde Rechnung in den Vordergrund gestellt. Dem schließt sich die steuerliche Fachliteratur an. Des Weiteren werden das Unterhalten eines Büros, eine erhebliche Organisation, sowie der Einsatz von professioneller Expertise als Indizien einer gewerblichen Tätigkeit gewertet.33 Nach der teleologischen Reduktion des § 14 S. 3 AO dient die private Vermögensverwaltung, also das Nichtvorhandensein eines Gewerbebetriebes, der Erhaltung und Verwaltung der Substanz eines privaten Vermögens sowie dessen Frucht- und Nutzenziehung. Soweit die Vermögensumschichtung oder -verwertung in den Vordergrund tritt, soll dies gegenteilig zu der Frucht- und Nutzenziehung eine private Vermögensverwaltung ausschließen.34 Die Zuordnung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG eröffnet dem Steuerpflichtigen die horizontale, sowie vertikale Verlustverrechnung. In der Folge eines Gewerbebetriebes nach § 15 EStG unterliegen jedoch entsprechende Einkünfte der Gewerbesteuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 GewStG.
4.2 Veräußerungserträge aus Kapitalvermögen
Werden Token im Privatvermögen gehandelt, sind die entsprechenden Veräußerungserträge einer der Überschusseinkunftsarten nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG zuzuordnen. Ob eine Zuordnung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen erfolgt, hängt von den Eigenschaften der Token ab. Ein Utility Token verkörpert einen schuldrechtlichen Anspruch an einer Ware oder einer Dienstleistung und scheidet somit ebenfalls aus, unter den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG erfasst zu werden. Im BMF-Schreiben vom 10.05.2022 heißt es, dass eine Zuordnung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 7 EStG erfolgen kann, soweit es sich um Security Token handelt, die nach der BaFin als Wertpapiere oder andere Finanzinstrumente anzusehen sind.35 Die Voraussetzungen, wonach Security Token laut BaFin und damit nach § 2 Abs. 1 und Abs. 4 WpHG sowie Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 MiFID II als Wertpapiere gelten, sind im Einzelnen (1) ihre Übertragbarkeit, (2) die Handelbarkeit am Finanzmarkt, (3) dass sie Gesellschaftsrechte oder schuldrechtliche Ansprüche verkörpern und (4) nicht die Voraussetzungen eines Zahlungsinstruments darstellen.36 Security beziehungsweise Investment Token erfüllen diese vorgenannten Tatbestandsmerkmale, weil sie aufgrund (1) der Distributed-Ledger-Technologie übertragbar sind, (2) auf Handelsplattformen wie beispielsweise Coinbase oder Binance gehandelt werden können, (3) einen gesellschaftsrechtlichen Anteil an einer Unternehmung verkörpern und (4) nicht dazu dienen, als Zahlungsinstrument verwendet zu werden. Dementsprechend scheidet aufgrund der vorhandenen Zahlungsmittelfunktion von Currency Token oder Hybriden Token eine Subsumtion zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG aus. Entscheidend für die Einordnung unter den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 7 EStG ist somit, dass die Token einen gesellschaftsrechtlichen Anteil oder eine Kapitalforderung verkörpern. Das Tatbestandsmerkmal einer Kapitalforderung erfüllen Token nicht, weil sie ertragsteuerlich noch nicht als gesetzliches Zahlungsmittel klassifiziert worden sind.37 Die Absicht der Kapitalüberlassung steht bei der Rechtsnorm des § 20 EStG im Fokus, die investierten Beträge sollen vordergründlich der Fruchtziehung dienen, die abschließende Veräußerung wird als unschädlich betrach- tet.38
4.3 Laufende Einkünfte aus Kapitalvermögen
Werden innerhalb der privaten Vermögensphäre laufende Einkünfte mit Token und virtuellen Währungen erzielt, handelt es sich grundsätzlich um Einkünfte aus dem Staking oder Lending von Token. Einkünfte aus dem Staking, also dem Überlassen von Token, werden nach dem BMF-Schreiben vom 10.05.2022, soweit diese nicht einer der Gewinn- einkunftsarten zuzurechnen sind, den sonstigen Einkünften nach § 22 Abs. 3 EStG zuge- ordnet.39 So wird eine mögliche Subsumtion der Einkünfte aus dem passiven Staking unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen aktuell durch das BMF verneint. Die Subsumtion der Einkünfte aus dem Lending unter den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG wird im Folgenden abgeprüft. Als Tatbestandsmerkmale werden in § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG das Vorliegen eines Ertrages aus einer Kapitalforderung sowie eine Kapitalforderung genannt. Erträge aus einer Kapitalforderung sind alles, was als Einnahme im Sinne des § 8 EStG gefasst wird, somit auch ein Entgelt, welches in Token besteht. Die sonstige Kapitalforderung muss im Sinne dieser Rechtsnorm in einer Geldleistung bestehen.40 Token und vornehmlich Curreny Token als virtuelle Währung werden bisher noch nicht als Geld eingestuft, womit sie daher nicht den Tatbestand einer sonstigen Kapitalforderung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfüllen.41 Bei den Einkünften aus dem Lending werden Token von einem Verleiher vorrübergehend gegen ein Entgelt an einen Entleiher überlassen. Das Entgelt wird üblicherweise in denselben hingegebenen Token gezahlt, kann aber auch je nach Ausgestaltung der Token, in einer Geldleistung erfolgen. Technisch betrachtet handelt es sich um ein verzinsliches Token Darlehen. Die Hingabe der Token, stellt wie oben bereits erwähnt, nach der aktuellen Rechtslage keine Kapitalforderung dar, weshalb auch hier eine Subsumtion unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ausscheidet. In dem BMF-Schreiben vom 11.05.2022 verweist die Finanzverwaltung darauf, dass laufende Einkünfte aus Investment Token zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 EStG gehören.42 Welche Sachverhalte von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst werden sollen, bleibt unklar.
4.4 Folgewirkung der Zuordnung
Vorteilig für die Einordnung unter den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG, kann der abgeltende Einkommensteuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG von 25 Prozent zu- züglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer, gegenüber dem individuellen Einkommensteuertarif nach § 32a EStG, sein. Der abgeltende Einkommensteuertarif gem. § 32d Abs. 1 EStG ist insbesondere dann vorteilig, wenn durch andere Einkunftsarten bereits der Grenzsteuersatz von 42 Prozent oder der Spitzensteuersatz von 45 Prozent erreicht worden ist. Somit ist bei einer Haltedauer der Token von unter einem Jahr die Einordnung unter den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 EStG und daher der abgeltende Steuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG erstrebenswert. Übersteigt die Haltedauer der Token ein Jahr, würden die Veräußerungserträge bei einer Einordnung zu den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 EStG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG steuerfrei und demgegenüber eine Einordnung unter den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG nachteilig sein. Erfolgt eine Zuordnung unter den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG, bleiben Überschüsse bis zu einem Freibetrag von EUR 801,- einkommensteuerfrei gem. § 20 Abs. 9 EStG. Hingegen bei der Zuordnung zu den sonstigen Einkünften nach § 22 EStG die jährlichen Steuerfreigrenzen von EUR 256,- und EUR 600,- gem. §§ 20 Nr. 3 S. 2 und 23 Abs. 3 S. 5 EStG gelten. Ein weiterer Aspekt, der Einordnung unter den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG, ist die horizontale Verlustverrechnung gem. § 20 Abs. 6 S. 1 EStG. Die horizontale Verlustrechnung der Verluste aus Kapitalvermögen hat unter Berücksichtigung von § 20 Abs. 6 S. 4 - 7 EStG zu erfolgen. Demnach kann die horizontale Verlustverrechnung als eingeschränkt bezeichnet werden. Einen Verlustrücktrag für Einkünfte aus Kapitalvermögen gibt es nicht. Gem. § 20 Abs. 6 S. 2 - 3 EStG dürfen Verluste eines Kalenderjahres, mit Gewinnen aus nachfolgenden Kalenderjahren, unter Beachtung der § 20 Abs. 6 S. 4 - 7 EStG, eingeschränkt verrechnet werden. Verluste aus der Veräußerung von Aktien dürfen gem. § 20 Abs. 6 S. 4 EStG nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden. Gem. § 20 Abs. 6 S. 5 EStG dürfen Verluste aus Termingeschäften nur bis zu EUR 20.000,- je Kalenderjahr mit Gewinnen aus Termingeschäften und Stillhalteprämien verrechnet werden. Verluste aus einer ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, sowie jeglicher Art des Verlusts von Wirtschaftsgütern des § 20 Abs. 1 EStG, dürfen nur bis EUR 20.000,- je Kalenderjahr, mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Soweit unterjährig der Einbehalt der Kapitalertragsteuer stattfindet, erfordert eine Verlustverrechnung mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen, dass eine Verlustbescheinigung nach § 43a Abs. 3 S. 4 EStG vorliegt.
4.5 Veräußerungserträge aus privaten Veräußerungsgeschäften
4.5.1 Subsumtion der Rechtsnorm
Werden innerhalb der privaten Vermögensphäre Veräußerungseinkünfte aus der Veräußerung von Token und virtuellen Währung erzielt und greift kein Tatbestand des § 20 Abs. 2 EStG, findet aus Sicht der Finanzverwaltung regelmäßig eine Zuordnung zu den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 EStG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG statt. Das allgemeine Tatbestandsmerkmal der Einkünfteerzielungsabsicht ist bei einem privaten Veräußerungsgeschäft nicht abzuprüfen, denn das Unterschreiten der einjährigen Haltefrist dient bereits als Beweisanzeichen einer Einkünfteerzielungsabsicht. Diese profiskalische Meinung kann dem BMF-Schreiben vom 10.05.2022 entnommen werden.43 Im Folgenden werden die Veräußerungstatbestände genannt, die eine Subsumtion dieser Rechtsnorm bewirken. Es muss sich gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG um ein (1) Veräußerungsgeschäft (2) betreffend andere Wirtschaftsgüter handeln, wobei der (3) Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung weniger als ein Jahr beträgt. Für die Erfüllung eines (1) Veräußerungsgeschäfts im Sinne dieser Rechtsnorm, bedarf es eines rechtswirksam zustande gekommenen zivilrechtlichen Vertrages über die Übertragung von Wirtschaftsgütern.44 Generell wird bei einer Veräußerung von Wirtschaftsgütern der schuldrechtliche Kaufvertrag nach § 433 BGB heranzuziehen sein, jedoch sind Token mangels physischer Körperlichkeit keine Sache im Sinne des § 90 BGB. Dennoch gilt der Kaufvertrag nach § 433 BGB mittelbar, über den Rechtskauf beziehungsweise Verbrauchervertrag über den Kauf digi- taler Inhalte nach § 453 BGB, wonach Token als Rechte oder sonstige Gegenstände einzuordnen sind.45 Insoweit als Gegenleistung die Bezahlung nicht in Geld, sondern anderen Token besteht, handelt es sich um einen Tauschvertrag nach § 480 BGB, welcher ebenfalls auf die Regelungen nach § 433 BGB verweist.46 Zu der Veranschaulichung der Praxis dient das nachfolgende Zitat. „Hauptanwendungsfall sind Transaktionen auf Handelsplattformen, bei welchen Token, insbesondere in Form von Zahlungstoken, gegen Fiatgeld erworben beziehungsweise veräußert werden. Beispielsweise stellt der Erwerb von BTC gegen Euro-Zahlung einen Kaufvertrag nach §§ 453 Abs. 1 Alt. 2, 433 ff BGB dar.“47 Damit es sich im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG um ein (2) anderes Wirtschaftsgut handelt, bedarf es eines selbständig bewertbaren Vermögensgegenstandes. Als Vermögensgegenstände kommen auch tatsächliche Zustände oder konkrete Möglichkeiten in Betracht, die sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt.48 Unter dieser zuletzt genannten Definition, werden Token überwiegend trotz fehlender physischer Greifbarkeit und da sie nicht als Geld angesehen werden, als Wirtschaftsgut bezeichnet. Weitere Ausführungen hierzu folgen im anschließenden Kapitel 4.5.2 Token als Wirtschaftsgut. Damit nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG (3) der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres liegt, erfordert es neben der Unter- schreitung der einjährigen Haltefrist, einen Anschaffungs- sowie einen Veräußerungsvorgang. Als Anschaffungsvorgang kommt neben dem Kauf gegen eine Fiat Währung, ein Tausch gegen andere Token in Betracht. Ob in der privaten Vermögensphäre ein Anschaffungsvorgang bei der Herstellung von Token, also im Wege des Proof of Work oder Proof of Stake Verfahrens vorliegt, ist ebenso umstritten, wie bei einem ICO oder Airdrop. Des Weiteren würden im Wege des Tauschs erhaltene Token gegen Waren oder Dienstleistungen ebenfalls einem Anschaffungsvorgang unterstellt. Im nachfolgenden Kapitel 4.5.3 Anschaffungskosten, folgen weitere Ausführungen zu diesem Thema. Ein Veräußerungsvorgang liegt vor, insoweit eine entgeltliche Übertragung von Token oder der Tausch gegen andere Token, Waren- oder Dienstleistungen an Dritte stattfinden. Die Veräußerung kann daher, wie im BMF-Schreiben vom 11.05.2022 beschrieben, spiegelbildlich zu der Anschaffung verstanden werden.49 Näheres zu der Veräußerung beziehungsweise des Veräußerungspreises folgt im Kapitel 4.5.4 Veräußerungspreis. Maßgebend für die Bestimmung des Veräußerungs- und Anschaffungszeitpunktes und somit für die Berechnung der einjährigen Haltefrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG, ist grundsätzlich die Rechtswirksamkeit der Verträge über die Anschaffung und Veräußerung. Die Rechtwirksamkeit der Verträge bestimmt sich durch den Zeitpunkt des Abschlusses der schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte, somit der abgegebenen übereinstimmenden Willenserklärungen. Nach H 23 (Veräußerungsfrist) EStH ist der Zeitpunkt der obligatorischen Rechtsgeschäfte maßgebend, somit der wirksame, beziehungsweise schwebend wirksame Vertrag und nicht die tatsächliche Übergabe. Einerseits ist die dingliche Erfüllung der Lieferungsverpflichtung für die Rechtswirksamkeit des Vertrages notwendig, andererseits hat die dingliche Erfüllung keinen Einfluss auf den Anschaffungs- beziehungsweise Veräußerungszeitpunkt und somit keinen Einfluss auf die Spekulationsfrist. Anders ist es bei einer dinglichen Erfüllung vor Abschluss des Rechtsgeschäfts, hiernach bestimmt sich das Datum der Anschaffung beziehungsweise der Veräußerung in dem Zeitpunkt der dinglichen Erfüllung, was somit Einfluss auf die Spekulationsfrist hat. Aufgrund dieser Regelungen wird der Spekulationszeitraum ausgedehnt, was sich nachteilig auf die Steuerpflichtigen auswirkt. Verteidigen lässt sich diese Vorgehensweise durch das Zustandekommen eines rechtswirksamen zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts.50 In dem BMF-Schreiben vom 10.05.2022 verweist die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen darauf, dass bei der Verwendung einer Handelsplattform für den Handel mit Token auf die Zeitpunkte der Anschaffung und Veräußerung abzustellen sei, die sich aus der Handelsplattform ergeben würden. Ebenso seien für den Direkthandel ohne Intermediär, die Zeitpunkte der Anschaffung und Veräußerung aus der Wallet heranzuziehen. Sofern die Steuerpflichtigen beabsichtigen, sich auf das obligatorische Rechtsgeschäft zu beziehen, seien der Finanzverwaltung geeignete Unterlagen vorzulegen.51 Der Ausnahmentatbestand nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG wonach Gegenstände des täglichen Gebrauchs nicht unter den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 22 Nr. 2 EStG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG subsumiert werden, greift für Token nicht. Denn der Ausnahmentatbestand soll abnutzbare Wirtschaftsgüter der privaten Vermögensphäre erfassen, welche nicht aus einer Spekulationsabsicht heraus angeschafft werden und daher kein Wertsteigerungspotenzial aufweisen.52 Die einjährige Haltefrist verlängert sich gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2 S. 4 EStG auf zehn Jahre, soweit die anderen Wirtschaftsgüter in einem Kalenderjahr als Einkunftsquelle genutzt werden. Die daher entstandene Ungewissheit, ob bei betreffenden Token die Haltfrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG ebenfalls auf einen Zeitraum von zehn Jahren erweitert würde, wurde von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 10.05.2022 verneint.53 Weitere Ausführungen zu der Haltefrist sind dem Kapitel 4.5.6 Ausdehnung der Haltefrist zu entnehmen. Soweit die Gesamtgewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften eines Kalenderjahres unterhalb der Freigrenze von EUR 600,- liegen, sind die Gewinne gem. § 23 Abs. 3 S. 5 EStG einkommensteuerfrei. Eine Übertragung ungenutzter Beträge auf die Ehegatten ist nach H 23 (Freigrenze) EStH nicht möglich. Im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung angefallene Werbungskosten können nach § 23 Abs. 3 S. 1 EStG abgezogen werden. Zu den Werbungskosten zählen beispielsweise Hard- und Softwarekosten, sowie Schuldzinsen für die Fremdfinanzierung des Handels mit Token.
[...]
1 Vgl. Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, 31.10.2008.
2 Vgl. Imöhl/Forhn, Merge ist vorbei: Was man zur Ethereum-Reform wissen muss, 15.09.2022.
3 Vgl. Eglau/Pfister, Deutschlandfunk, El Salvadors gewagte Pläne mit dem Kryptogeld, 06.12.2021.
4 Vgl. Diehl, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 46, Rn. 5.
5 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, S. 668, Rn. 6.
6 Vgl. BaFin, Blockchain-Technologie, 19.06.2017.
7 Vgl. Bundesnetzagentur, Die Blockchain-Technologie - Grundlagen, Potentiale und Herausforderungen, Juli 2021, S. 8.
8 Vgl. Mange-Nestler, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 412-413, Rn. 7.
9 Vgl. Bundesnetzagentur, Die Blockchain-Technologie - Grundlagen, Potentiale und Herausforderungen, Juli 2021, S. 11.
10 Vgl. Brinkmann, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 623624, Rn. 11-12.
11 Vgl. Brinkmann, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 625626, Rn. 13-14.
12 Vgl. BaFin, Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, WA 51-Wp 7100-2019/0011 und IF 1-AZB 1505-2019/0003, 2019, S. 1.
13 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, S. 668, Rn. 1; Vgl. BaFin, Virtuelle Währungen/ Virtual Currency (VC), 18.09.2020.
14 Vgl. Zunke, in: Haufe Steuer Office Gold online, Digitalisierungslexikon, (HI13629035), 10.02.2020; Vgl. Guntermann, RDi 2022, S. 201 - 202.
15 Vgl. Fesenmair/Faßbender, SpoPrax 2021, S. 360.
16 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, S. 668, Rn. 16 - 19.
17 Vgl. Mange-Nestler, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 426-427, Rn. 25.
18 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, S. 668, Rn. 13.
19 Vgl. Sanning, FR 2022, S. 248.
20 Vgl. Brinkmann, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 637638, Rn. 40.
21 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, S. 668, Rn. 25.
22 Vgl. BaFin, Verbraucherwarnung: Risiken von Initial Coin Offerings, 09.11.2017.
23 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, S. 668, Rn. 29; Vgl. Böckem, Ge- uer, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 483, Rn. 74.
24 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, S. 668, Rn. 27.
25 Vgl. Lehmann, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 186, Rn. 29; Vgl. Siegel, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 101, Rn. 155.
26 Vgl. Levedag, in: Schmidt (Bgr./Hrsg.), Einkommensteuergesetz, 2022, § 23 Rn. 23-28; Vgl. Linberg: in: Frotscher/ Geurts (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuergesetz, 2022, § 23 Rn. 25a; Vgl. Kube, in: Kirch- hof/Seer (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuergesetz, Kommentar, 2022, § 23 Rn. 7.
27 Vgl . BaFin, Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token, GZ: WA 51-Wp 7100-2019/0011 und IF 1-AZB 1505-2019/0003, 2019, S. 5 - 6; Vgl. Zöllner, BKR 2020, S. 119.
28 CoinMarketCap, Globale Kryptowährungstabelle - Marktkapitalisierung von Kryptowährung insgesamt.
29 Vgl. Zöllner, BKR 2020, S. 119.
30 Vgl. Moritz/ Strom, in: Littmann/ Bitz/ Pust (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuergesetz, 2022, § 15 Rn. 135b; Wacker, in: Schmidt (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuergesetz, 2022, § 15 Rn. 150.
31 Vgl. Fischer, DStR 2009, S. 398 - 399.
32 Vgl. BFH, 10.12.2001 - GrS 1/98, BStBl. II 2002, S. 291.
33 Vgl. Krumm, in: Kirchhof/Seer (Hrsg), Einkommenssteuergesetz, 2022, § 15 Rn. 131a; Vgl. Moritz/ Strom, in: Littmann/ Bitz/ Pust (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuergesetz, 2022, § 15 Rn 135b; Vgl. Wacker, in: Schmidt (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuergesetz, 2022, § 15 Rn. 91.
34 Vgl . Kratzsch, in: Schwarz/ Pahlke (Bgr./Hrsg.), Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, 2022, § 14 AO Rn. 9; Vgl. Werthebach, in: Frotscher/ Geurts (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuergesetz, 2022, § 15 Rn. 98.
35 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, Rn. 81 - 87.
36 Vgl. BaFin, Hinweisschreiben (WA) Aufsichtsrechtliche Einordnung von sog. Initial Coin Offerings (ICOs) zugrunde liegenden Token bzw. Kryptowährungen als Finanzinstrumente im Bereich der Wertpapieraufsicht, GZ: WA 11-QB 4100-2017/0010, 2018, S. 2.
37 Vgl. Arendt (Bgr./Hrsg.), Kryptowerte, in: Beck'sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 2022, Rn. 105.
38 Vgl. Buge, in: Herrmann/Heuer/Raupach (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 2022, § 20 EStG Rn. 40.
39 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, Rn. 45 - 48.
40 Vgl. Buge, in: Herrmann/Heuer/Raupach (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 2022, § 20 EStG Rn. 292 - 294.
41 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, Rn. 1.
42 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, Rn. 83.
43 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, Rn. 53.
44 Vgl. Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 2022, § 23 EStG Rn. 51 - 53.
45 Vgl FG Köln, 25.11.2021 - 14 K 1178/20, DStRE 2022, S. 667 Rn. 54; Vgl. Omlor, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 281, Rn. 50.
46 Vgl. FG Köln, 25.11.2021 - 14 K 1178/20, DStRE 2022, S. 667 Rn. 54.
47 Omlor, in: Omlor/Link (Bgr./Hrsg.), Handbuch Kryptowährungen und Token, 2021, S. 281, Rn. 50.
48 Vgl. Ratschow, in: Brandis/Heuermann (Bgr./Hrsg.), Ertragsteuerrecht, 2022, § 23 EStG Rn. 62; Vgl. Kube, in: Kirchhof/Seer (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuergesetz, 2022, § 23 Rn. 7.
49 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, Rn. 54.
50 Vgl. Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 2022, § 23 EStG Rn. 54; Vgl. Kube, in: Kirchhof/Seer (Bgr./Hrsg.), Einkommenssteuergesetz, 2022, § 23 Rn. 17.
51 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, Rn. 55.
52 Vgl. Ratschow, in: Brandis/Heuermann (Bgr./Hrsg.), Ertragsteuerrecht, 2022, § 23 EStG Rn. 67.
53 Vgl. BMF, 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022, Rn. 63.