Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Ausnahmezustand
2.1 Rückschau auf das Notstandsrecht
2.2 Die Terminologie des Ausnahmezustands nach Schmitt
2.3 Der Ausnahmezustand aus der Perspektive Agambens
2.4 Zentrale Unterschiede zwischen Schmitt und Agamben
3 Die Bedienung der Rhetorik vom Ausnahmezustand in der Corona-Krise
3.1 Kritischer Diskurs in der Corona-Krise
3.2 Kritik des Verfassers der Hausarbeit
4 Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit dem Thema „Der Ausnahmezustand bei Carl Schmitt und Giorgio Agamben vor dem Hintergrund der Berufung auf ihn in der Corona-Krise“.
Am 25. Oktober 2021 zitierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung den geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit den Worten „ Der Ausnahmezustand, vom Bundestag festgestellt, der kann aus meiner Sicht beendet werden [.] “ (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung Online: 2021). Dieser Satz repräsentiert symbolhaft die anhaltende Diskussion um die Ausweitung der staatlichen Befugnisse seit dem Beginn der Corona-Krise Anfang des Jahres 2020 bis heute. Dabei wird die Rhetorik vom Ausnahmezustand augenscheinlich als Begründung für staatliches Handeln und insbesondere für die Einschränkung von Grundrechten herangezogen (vgl. Lepsius 2020). In diesem Kontext scheint es geboten, den Begriff des Ausnahmezustands einer genauen Diagnose zu unterziehen. Dafür bieten sich die Arbeiten von Carl Schmitt und Giorgio Agamben, die im wissenschaftlichen Diskurs über den Ausnahmezustand eine hohe Relevanz aufweisen, an. Vor diesem Hintergrund unterzieht die vorliegende Hausarbeit den Terminus Ausnahmezustand anhand der folgenden Forschungsfrage einer genauen Untersuchung: Wie unterscheiden sich die Terminologien des Ausnahmezustands von Carl Schmitt und Giorgio Agamben und wie sind sie vor dem Hintergrund der Berufung auf ihn in der Corona-Krise einzuordnen?
Der erste Teil der Arbeit widmet sich dem Terminus Ausnahmezustand. Es wird zunächst ein Rückblick auf die Notrechtslehre vorgenommen. Darauf folgt eine Rezeption des Terminus Ausnahmezustand aus den Perspektiven von Schmitt und Agamben, bevor ihre zentralen Unterschiede diskutiert werden. Anschließend erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit der Rhetorik vom Ausnahmezustand in der anhaltenden Diskussion über die Einschränkung von Grundrechten in der Corona-Krise. Hierzu werden Beiträge von Agamben, Barczak, Hoffmann und Stübinger herangezogen. Daran schließt sich eine eigene Einschätzung des Verfassers der vorliegenden Arbeit an. Im Fazit werden die Ergebnisse aus dem ersten Teil der Arbeit mit den Befunden aus dem kritischen Diskurs über die Rhetorik vom Ausnahmezustand zusammengeführt.
2 Der Ausnahmezustand
Der Begriff des Ausnahmezustands ist in der seit Anfang 2020 anhaltenden Corona-Krise zu einem integralen Bestandteil gesellschaftlicher Debatten um die Ausweitung staatlicher Befugnisse und die (temporäre) Einschränkung von Grundrechten geworden. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Auslegung des Begriffs Ausnahmezustand, spätestens seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, auf einem schmalen Grat zwischen Recht und Politik bewegt (vgl. Hetzer 2008: 217). Stübinger diagnostiziert eine gewisse Gewöhnung an die Verwendung des Begriffs vom Ausnahmezustand in gesellschaftlichen Debatten, wenngleich auch jede Ausnahmesituation anders geartet ist. Die Gemeinsamkeit aller Ausnahmesituationen liegt in ihrem unerwünschten Auftreten und der daraus resultierenden Abweichung von der Normalität (vgl. Stübinger 2020: 2). Während Stübinger aufgrund der Divergenz einzelner Ausnahmezustände eine allgemeingültige Definition negiert (vgl. Ebd.: 2), definiert Weber den Ausnahmezustand als:
„[...] eine durch eine gefährliche Krise (Aufruhr, Katastrophen u. dgl.) hervorgerufene innerstaatliche Lage, der zur Erhaltung der staatlichen Ordnung durch teilweise Außerkraftsetzung von Verfassungsnormen und insbes. von -> Grundrechten begegnet werden soll [...]. Das GG kennt den Begriff des Ausnahmezustands nicht [...]“ (Weber 2021).
Wenngleich auch Webers Begriffsbestimmung den Eindruck erweckt, es gäbe eine greifbare Grundlage für seine Begriffsdefinition, bleibt dennoch festzuhalten, dass es im öffentlichen Recht keine Theorie des Ausnahmezustands gibt (vgl. Agamben 2014: 7; vgl. Hetzer 2008: 218). Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich diese „Zone der Unbestimmtheit“ im Zwiespalt zwischen Öffentlichem Recht und politischer Realität (vgl. Hetzer 2008: 218), oder „ [.] dieses Niemandsland zwischen öffentlichem Recht und politischer Faktizität, zwischen Rechtsordnung und Leben [.] “ (Agamben 2014: 8) einer genauen Untersuchung zu unterziehen. Im Folgenden Abschnitt wird zunächst eine Rückschau auf das Notstandsrecht aus der Sicht Schneiders vorgenommen, bevor der Ausnahmezustand nach Schmitt rezipiert und im Anschluss aus der Perspektive Agambens diskutiert wird.
2.1 Rückschau auf das Notstandsrecht
Im Notstandsrecht sind alle formellen und materiellen Rechtsnormen zur Begegnung eines Staatsnotstandes zusammengeführt. Ein Staatsnotstand kann durch drei mögliche Szenarien hervorgerufen werden. Ausschlaggebend ist eine Bedrohungslage, die die Existenz des Staates gefährdet. Diese kann von innen heraus durch Bürgerkrieg ausgelöst oder durch kriegerische Handlungen von außen herangetragen werden. Ferner stellt auch der Katastrophenfall einen Notstandsfall dar, sofern von ihm die Aufrechterhaltung zentraler Bereiche der öffentlichen Versorgung des Volkes unmittelbar bedroht sind und die Mobilisierung aller möglichen Kräfte zur Begegnung der Notlage erforderlich ist (vgl. Schneider 1987: 2254).
Schneider diskutiert das Notstandsrecht vor dem Hintergrund des zu Grunde liegenden Staatstyps und kommt zu dem Schluss, dass es im Fall unbegrenzter Befugnisse einer staatlichen Instanz keine Probleme mit der Umsetzung gibt. In diesem Fall kann der Träger unbeschränkter Befugnisse alle aus seiner Sicht erforderlichen Maßnahmen zur Begegnung des Staatsnotstandes autark initiieren. Demgegenüber entstehen Probleme, wenn die geltende Rechtsordnung als eine machtbeschränkende Ordnung etabliert ist und unbeschränkte Befugnisse für eine staatliche Instanz negiert (vgl. Ebd.: 2254). Vor diesem Hintergrund tritt „ [.] das Problem des Verhältnisses zwischen Rechtsordnung als Normalordnung und Notstandsrecht als Ausnahmeordnung“ (Schneider 1987: 2254) hervor. Schneider diskutiert zwei mögliche Ansätze, wie den Herausforderungen des Notstandsrechts begegnet werden kann. Die erste Möglichkeit stellt die Integration des Notstandsrechts als Ausnahmerecht in die normale Rechtsordnung dar. Charakteristisch für diesen Ansatz ist die Ausformulierung möglichst vieler möglicher Notstandsszenarien und die sachliche und zeitliche Begrenzung von Zuständigkeiten für Maßnahmen, um die ausgeweiteten Befugnisse unter Kontrolle zu halten. Die Schwachstellen dieses Ansatzes sind die engen Beschränkungen, die Hindernisse in der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen erwarten lassen. Demgegenüber steht der zweite Ansatz, wonach das Notstandsrecht als Machtrecht außerhalb der Rechtsordnung angesiedelt wird. Dabei wird das Notstandsrecht aus jeglicher rechtlichen Verbindlichkeit herausgelöst und ermöglicht die Ausschöpfung aller erforderlichen Maßnahmen ohne rechtliche Beschränkung (vgl. Schneider 1987: 2254). „ Das Gesetz des Handelns ergibt sich allein aus den konkreten Anforderungen der zu bewältigenden Notlage“ (Schneider 1987: 2254) . In diesem Kontext fallen die Zuständigkeiten für Maßnahmen losgelöst von der Rechtsordnung demjenigen Akteur zu, der zur Bewältigung der Lage befähigt zu sein scheint. Vor diesem Hintergrund wird die Notstandslage zum Gradmesser des Notstandsrechts und zugleich auch zur Grenze des Rechts. In diesem Moment wird die Notstandslage vom Recht nicht mehr umfasst und derjenige Akteur, der über die Notstandslage befindet entscheidet über das Recht (vgl. Schneider 1987: 2254). Schneider kommt zu folgendem Schluss: „ Das Recht der Macht begrenzt die Macht des Rechts, der Machtstaat den Rechtsstaat“ (Schneider 1987: 2254) .
2.2 Die Terminologie des Ausnahmezustands nach Schmitt
Das Phänomen des Ausnahmezustands wurde von Schmitt in seinen beiden Werken „Die Diktatur“ und „Politische Theologie“ aus zwei verschiedenen Perspektiven untersucht (vgl. Agamben 2014: 42). In seinem Buch „Die Diktatur“ wird der Ausnahmezustand vor dem Hintergrund der Genese der Begriffe Diktator und Diktatur untersucht (vgl. Schmitt 2006: 1). In seiner Publikation „Politische Theologie“ steht der Begriff der Souveränität im Kontext mit dem Ausnahmezustand im Fokus (vgl. Schmitt 2021: 13 ff.).
Der Begriff der Diktatur wird erstmals in der frühen römischen Geschichte erwähnt und wurde in der Folge bis ins 19. Jahrhundert in nahezu unveränderter Form überliefert. Demnach war der Diktator ein imposanter römischer Magistrat, der vom Senat auserwählt und vom Konsul ernannt wurde. Entscheidend ist, dass seine Ernennung vor dem Hintergrund einer gefährlichen Lage, in Form von innerem Aufruhr oder Krieg, erfolgte. Für seine klar definierte Aufgabe, die Beseitigung der gefährlichen Lage und die Herstellung stabiler Verhältnisse, war er nicht an das Gesetz gebunden. Der Diktator wurde begrenzt auf sechs Monate gewählt, legte sein Amt aber nach Erledigung seiner Aufgabe auch frühzeitig nieder (vgl. Schmitt 2006: 1 f.; vgl. Günther 2000: 104 f.). Der Diktator besaß jedoch keine Gesetzgebungskompetenz und keinen Einfluss auf die Verfassung, wodurch seine Macht begrenzt wurde (vgl. Schmitt 2006: 6 f.).
Im Laufe der Jahrhunderte hat sich der Begriff Diktatur in der politischen und staatsrechtlichen Literatur zu einem Begriff der allgemeinen Staatslehre entwickelt (vgl. Schmitt 2006: 5). Vor diesem Hintergrund setzt sich Schmitt mit den Werken Machiavellis auseinander. Machiavelli erkennt in der gesetzmäßig erteilten Diktatur Roms einen entscheidenden Faktor für die Größe und Stabilität des Römischen Reiches und weist die Gleichsetzung von Diktatur und Tyrannis deutlich zurück (vgl. Günther 2000: 104 f.). Schmitt schließt sich Machiavellis Ansicht an und sieht in der Diktatur ein der republikanischen Verfassung inhärentes Instrument zur Sicherung der Freiheit, bei dem die Aufrechterhaltung der ordentlichen Behörden als eine Art Kontrollinstanz fungiert. In diesem Kontext ist der Diktator ein außerordentliches verfassungskonformes republikanisches Staatsorgan (vgl. Schmitt 2006: 6 f.).
Im weiteren Verlauf seines Werkes diskutiert Schmitt die Charakteristika der Diktatur und des Diktators. Die Aufgabe des Diktators ist es, eine ihm übertragene Aufgabe erfolgreich zu erledigen. Die Diktatur ist dadurch charakterisiert, dass sie zur Sicherstellung des staatlichen Funktionierens keinerlei Hemmnissen des Rechts unterliegt (vgl. Schmitt 2006: 11). Schmitt unterscheidet zwischen kommissarischer und souveräner Diktatur. Während die erstgenannte darauf abzielt die verfassungsmäßige Ordnung zu erhalten, zielt die souveräne Diktatur auf einen Umsturz der bestehenden Ordnung ab (Agamben 2014: 15).
Aus seiner Analyse der Diktatur leitet Schmitt die Voraussetzungen für die Entstehung des modernen Staates ab (vgl. Schmitt 2006: 12). „ Der moderne Staat ist historisch aus einer politischen Sachtechnik entstanden“ (Schmitt 2006: 12) . Mit dem modernen Staat beginnt die Lehre von der Staatsraison:
„[.] d.h . einer über den Gegensatz von Recht und Unrecht sich erhebenden, nur aus den Notwendigkeiten der Behauptung und Erweiterung politischer Macht gewonnenen soziologisch-politischen Maxime. Militär und bürokratisch geschultes Beamtentum sind der Kern dieses Staats, der seinem Wesen nach Exekutive ist“ (Schmitt 2006: 12).
Vor diesem Hintergrund diskutiert Schmitt die umfangreiche Literatur der Staatsraison und hebt dabei den Begriff des politischen „Arcanum“, insbesondere den Staatsgeheimnissen der Politik, hervor. Sein Fokus liegt dabei auf Arnold Clapmars Ausführungen der Arcana1 aus dem 17. Jahrhundert. Clapmar unterscheidet innerhalb der Arcana zwischen den Arcana imperii, die den tatsächlich bestehenden Machtzustand im Staat und dessen Erhalt in normalen Verhältnissen beschreiben und den Arcana dominationis, die sich auf die Sicherung und Verteidigung der herrschenden Kräfte in Zeiten außerordentlicher Zustände wie Rebellion und Revolution und deren Entgegnung beziehen (vgl. Schmitt 2006: 13 f.). Die Arcana imperii und die Arcana dominationis werden im weiteren Verlauf zu den jura imperii (verschiedene Souveränitätsrechte) und den jura dominationis (öffentliches Ausnahmerecht) in einem begrifflichen Gegensatz betrachtet (vgl. Ebd.: 15 f.). Die jura dominationis umfassen das öffentliche Ausnahmerecht, dass dem Souverän in Zeiten von Krieg und Aufruhr zur Sicherung der staatlichen Existenz und öffentlichen Ordnung ein Ausnahmerecht (jus speciale) gegenüber dem allgemeinen Souveränitätsrecht (jus generale) zuschreibt. Da der Souverän in normalen Zeiten an geltendes Recht gebunden ist, entfallen für ihn erst mit dem Ausnahmerecht alle rechtlichen Beschränkungen. Clapmar bezeichnet den Ausnahmezustand als eine „legitime Tyrannis“, die letztendlich eine rechtlich unbeschränkte Machtbefugnis beinhaltet und Eingriffe in geltende Rechtsordnungen, Ämter und bürgerliche Rechte legitimiert. Der Souverän fungiert als konstituierende Gewalt, die alle anderen Gewalten überragt. Ausgehend von der Frage was in einer vorliegenden Situation zu tun ist, liegt das alleinige (unbegrenzte) Entscheidungsrecht beim Souverän. Der machtvolle Souverän entscheidet über den Ausnamezustand. Schmitt kommt zu dem Ergebnis, dass sich das Ausnahmerecht sinngemäß als „Recht“ über den Begriffsbestandteil „Ausnahme“ selbst begrenzt. Dennoch ist der Entscheider über den Ausnahmezustand gleichzeitig der machtvolle Herrscher über den Staat, denn er bestimmt wann dieser Zustand eintreten soll und welche Maßnahmen erforderlich sind (vgl. Ebd.: 16 f.). „ So endet alles Recht in dem Hinweis an die Lage der Sache “ (Schmitt 2006: 17 f.).
Schmitt beginnt sein Werk „Politische Theologie“ mit den Worten „ Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“ (Schmitt 2021: 13). Der Begriff der Souveränität repräsentiert in Schmitts Ausführungen einen Grenzbegriff, dessen Definition aus einem Grenzfall abgeleitet wird (vgl . Schmitt 2021: 13 ). Schmitt definiert Souveränität wie folgt: „ Souveränität ist höchste, rechtlich unabhängige, nicht abgeleitete Macht“ ( Schmitt 2021: 26 ). Vor diesem Hintergrund ist der Begriff des Ausnahmezustands für Schmitt ein konstitutives Element für eine juristische Definition des Souveränitätsbegriffs. Die Ausrufung einer Ausnahme ist genauer betrachtet eine Entscheidung. Die Entscheidung über eine Ausnahmesituation kann jedoch in ihrer Komplexität nicht vom bestehenden Recht als allgemein geltende Norm in allen möglichen Facetten erfasst werden (vgl. Schmitt 2021: 13). Schmitt räumt der Frage nach der Entscheidungsgewalt im Konfliktfall und der Auslegung öffentlicher und staatlicher Interessen besondere Bedeutung ein. In diesem Kontext kann ein Ausnahmefall nur als extremste Form einer Notsituation oder eine existentielle Gefährdung des Staates angesehen werden. Ein Ausnahmefall lässt sich weder aus vordefinierten Kriterien ableiten, noch lässt sich vor Eintreten einer solchen Situation festschreiben welche Maßnahmen geeignet sind die existentielle Gefahr vom Staat abzuwenden. Ausgehend von dieser schwierigen Ausgangslage stellt sich erst die Frage nach dem Träger der Souveränität und der Bedeutung des Souveränitätsbegriffs (vgl. Schmitt 2021: 13 f.). In diesem Zusammenhang diskutiert Schmitt die Frage der Kompetenz im Ausnahmefall und kommt zu dem Ergebnis, dass im rechtsstaatlichen Sinne keine Kompetenz zugewiesen wird. Liegt der Fall vor, dass in einer Ausnahmesituation Entscheidungen getroffen werden, die nicht mit der Praxis rechtsstaatlicher Gewaltenteilung konform gehen, beantwortet sich die Frage nach dem Souverän praktisch von selbst (vgl. Schmitt 2021: 14). „ Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“ (Schmitt 2021: 13). Der Souverän entscheidet nach Feststellung einer extremen Notsituation über die erforderlichen Schritte bis hin zur Suspendierung der geltenden Rechtsordnung (vgl. Schmitt 2021: 14). Schmitt hebt einen Aspekt besonders hervor. Eine polizeiliche Notstandsmaßnahme oder Notverordnung führen nicht unweigerlich in einen Ausnahmezustand. Erst in dem Moment, wo die bestehende Ordnung suspendiert wird und das Recht zurücktritt, um Chaos und anarchieähnliche Zustände zu verhindern, also der Staat seine Existenz sichert, tritt der Ausnahmezustand ein. In diesem Zustand besteht faktisch immer noch eine Ordnung. Auch wenn die bestehende Ordnung keine Rechtsordnung darstellt, so zeigt doch der Fortbestand des Staates, dass die Gültigkeit der Rechtsordnung dem Selbsterhaltungsrecht des Staates untergeordnet wird (vgl. Schmitt 2021: 18 f.).
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1 De Arcanis rerumpublicanum 1. VI, Bremen 1605