Rechtsgrundlagen für Ordnungsbehörden zur Sperrung sittenwidriger Internetinhalte


Seminararbeit, 2003

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Verwaltungsrechtliche Grundlagen

3. Gesetzesnormen
3.1. Der Mediendienstestaatsvetrag (MDStV)
3.2. Das Teledienstegesetz. (TDG)
3.3. Das Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen (OBG NW)

4. Die Akteure des Internet
4.1. Der Content-Provider (vergl. § 5 Abs. 1 TDG u. § 5 Abs. 1 MDStV)
4.2. Der Host/Service-Provider (vergl. § 5 Abs. 2 TDG u. § 5 Abs. 2 MDStV)
4.3. Der Access-Provider (vergl. § 5 Abs. 3 TDG u. § 5 Abs. 3 MDStV)
4.4. Der Nutzer (User)

5. Vorraussetzungen zur Sperrung
5.1. Die Handhabung des § 18 MDStV
5.2. Die Sperrungsverfügung gegen Access-Provider
5.3. Technische Möglichkeiten zur Sperrung
5.4. Die Zumutbarkeit der Sperrung
5.5. Die Verhältnismäßigkeit der Sperrung

6. Sperrungen nach dem TDG und OBG

7. Fazit

1. Einleitung

Eine Beschäftigung mit ordnungsrechtlichen Instrumentarien im Bereich des Medienrechts, noch dazu im Bereich des dynamischen Internet-Rechts, mutet angesichts der regen Diskussion über „(regulierte) Selbstregulierung“, „Cyberlaw“, „intelligente Regulierung“ und „prozeduale Designs“ fast schon anachronistisch an. Wird doch im Rahmen der Reformdiskussion des Verwaltungsrechts immer wieder betont, dass gerade die Starrheit des klassischen Ordnungsrechts zu einem Staatsversagen führt oder – allgemeiner gesprochen – den Verwaltungsstaat in eine Krise geführt hat.1. Aktuelle Beispiele wie der Fall des Kannibalen von Rotenburg2 und die anschließende Wertediskussion über die Abgründe des Internets sowie die Sperrungsverfügung3 der Bezirksregierung Düsseldorf zeigen, dass – zumindest mancherorts – das Bedürfnis nach ordnungsbehördlicher Regulierung für bestimmte Inhalte vorhanden ist.

Wenn sich der Staat nicht auf eine lediglich symbolische Form von Gesetzgebung mit einem ausschließlich moralischen Geltungsanspruch zurückziehen will, ist in einem ersten Schritt das Regulierungsumfeld zu analysieren, um dann in einem weiteren Schritt eine darauf abgestimmte Regulierungsstrategie zu entwickeln – wobei mit der umstrittenen Sperrungsverfügung versucht wird, dem erstmals Rechnung zu tragen. Aber für das Regulierungsumfeld des Internet gelten dabei einige Besonderheiten: Aufgegriffen werden sollen in diesem Zusammenhang die technischen Spezifika des Internet sowie das Verhalten der Internet-User.

In technischer Hinsicht leistet das Internet eine für die neuere Informationstechnologie typische Verknüpfung standardisierter Datenaustauschprotokolle. Diese sind nicht an ein bestimmtes Netzwerk gebunden und schalten alle miteinander verbundenen zu einem a-zentrischem, d. h. nicht hierarchisch aufgebauten Netzwerk zusammen4. Anders ausgedrückt handelt es sich hierbei also um ein weltweit verwobenes Kommunikationssystem, das seinen Ursprung gerade nicht in einem oder mehreren zentralen Rechnerknoten nimmt. Diese Struktur als „network of networks“ unterscheidet es auch von den herkömmlichen (Massen-) Kommunikationsnetzen, die wie die klassische Verbreitung von Rundfunk, die Distributionsketten von Presseunternehmen oder das klassische Verlagswesen insgesamt hierarchisch und funktional aufgebaut sind und deshalb viel eher einer so genannten „top-down“- Regulierung zugänglich sind5. Deshalb ist vorschnellen Vergleichen bei der Regulierung des Internet mit z. B. dem Presserecht mit Vorsicht zu begegnen.

Das vorliegende Dokument befasst sich also dem zu Folge in erster Linie mit den verwaltungsrechtlichen Normen hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf die neueren Technologien. Zum besseren Verständnis werden technische Grundlagen erörtert und ihre Relevanz hinsichtlich einer möglichen Sperrung untersucht. Des Weiteren sollen auch Schwierigkeiten aufgezeigt werden, die sich aus der historischen Entwicklung der Internetstruktur, deren anarchischen Nutzern und den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten einer nationalen Regulierung ergeben.

Mögliche inkriminierte sittenwidrige Websites beinhalten insbesondere Contents, die gegen Recht und Ordnung verstoßen, zu nennen sind hier pornographische Inhalte, Hass- und Volksverletzende Inhalte, jugendgefährdende Inhalte und Aufforderungen zu Straftaten. Hier sind im Rahmen der aktuellen Diskussion6 beispielhaft drei Angebote zu nennen: www.rotten.com – Diese US-amerikanisch gehostete Seite zeigt in zynischer Weise menschenunwürdige Darstellungen von Verletzten, Leichen, Kriegsopfern und sexuellen Abnormitäten. Exemplarisch ist diese Seite für die in jüngster Zeit vermehrt aufgetretenen Gore Seiten7. www.stormfront.org ist ein kanadisch gehostetes rechtsextremes internationales Portal, das seinen Usern Hetzschriften gegen Minderheiten und ein Forum für faschistische Ideologien jeglicher Couleur bietet. www.nazi-lauck-nsdapo.com ist die Seite des Engländers Garry Lauck, der auf seinem kanadisch gehosteten Portal die Auschwitz-Lüge verbreitet, indizierte MP3-Dateien neonazistischer Lieder sowie downloadbare Spiele wie beispielsweise KZ-Jagd anbietet. Diese drei Beispiele dienen der Veranschaulichung der gegenwärtigen Diskussion und sind bezüglich ihres Inhalts nur als exemplarisch für etwaige beanstandbare Seiten zu betrachten.

2. Verwaltungsrechtliche Grundlagen

Im Bewusstsein der deutschen juristischen Öffentlichkeit steht bislang die zivil- und insbesondere strafrechtliche8 Verantwortung von Providern im Vordergrund. Neben dem Straf- und Zivilrecht stellen sich die Fragen nach den Pflichten der Provider in gleicher Weise aber auch für den Bereich des Verwaltungsrechts9 und damit der staatlichen Internetaufsicht und ihrer ordnungsrechtlichen Instrumente.

Ein Blick auf die einschlägige Literatur zeigt jedoch, dass das Verwaltungsrecht hier bislang eher eine stiefmütterliche Rolle einnimmt.

Wichtig ist an dieser Stelle zunächst einmal, allgemein die Funktionsweise vom Ordnungsrecht für die staatliche Aufsicht zu beschreiben. Zentraler Anknüpfungspunkt eines jeden ordnungsrechtlichen Vorgehens ist der Gefahrenbegriff. Erst das Vorliegen einer potentiell gefahrenträchtigen Situation für als schützenswert erachtete Rechtsgüter rechtfertigt den Einsatz staatlichen Ordnungsrecht und staatlicher Intervention.

Darüber hinaus wird aber auch deutlich, welches Ziel – im Gegensatz zum Strafrecht und Zivilrecht – das Ordnungsrecht verfolgt: das Ziel der Prävention. Des Weiteren sollte in diesem Zusammenhang hervorgehoben werden, dass das Ordnungsrecht es nicht auf die Sanktionierung individueller Pflichtverletzungen abgesehen hat In der Praxis wird also in erster Linie das Ziel verfolgt, Gefahren gemäß dem Prinzip der Effektivität zu verhindern oder diese zumindest zu reduzieren.

Für die Strategie ordnungsrechtlichen Handelns hält die verwaltungsrechtliche Dogmatik das so genannte Opportunitätsprinzip bereit10. Nach diesem Prinzip bleibt es regelmäßig dem Ermessen der Aufsichtsbehörde überlassen, ob, wie und gegenüber wem sie im konkreten Fall vorgehen soll. In juristischen Fachtermini bezeichnet man die Handlungsfragen nach dem Ob, dem Wie und dem Wem als Entschließungsermessen, Auswahlermessen und Ermessen bei der Störerauswahl. Wie im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch erkennbar sein wird, liegt im Ermessen bei der Störerauswahl die besondere Brisanz im Zuge der gegenwärtigen Diskussion zur Sperrungsverfügung der Bezirksregierung Düsseldorf.

Das Vorgehen der Behörden nach dem Prinzip der Opportunität ermöglicht ihnen hierbei ein flexibles Vorgehen mit Blick auf den schon erwähnten Effektivitätsgrundsatz und entspricht auch der Praxis, nach der Ordnungsbehörden ihr Einschreiten auch von der Schwere oder Evidenz einer drohenden Gefahr abhängig machen. Anders gesagt verlangt das deutsche Ordnungsrecht gerade keine Omnipräsenz staatlicher Ordnungsmacht11.

Ein modernes und zeitgemäßes Verständnis von Ordnungsrecht macht zudem eine Flexibilisierung der einzusetzenden Mittel erforderlich. Ist die Verwaltung beschränkt auf den lediglich einseitigen Mitteleinsatz durch (bußgeldbehaftete) Ge- und Verbote, spricht man von einer so genannten negativen Regulierung12. Verlieren jedoch ordnungsbehördliche Instrumente an Wirkungskraft, muss nach Alternativen gesucht werden. Die Gefahrenabwehr weitet sich damit zur Gefahrenvorsorge im Zuge der Prävention. Der Gesetzgeber hat sich mit seiner Ultima-ratio-Strategie, welche bestimmte Verfügungen und Verbote eindeutig als letztes Mittel ansieht, bewusst Handlungsspielräume eingeräumt, um auch auf dem komplexen und sich wandelnden Gebiet der Neuen Medien handlungsfähig zu bleiben. Gefahrenvorsorge kann also im Zuge einer modernen und lernenden Verwaltung heißen, den Aufbau von privat- öffentlichen Regulierungsnetzwerken zu fördern und dadurch überhaupt erst Handlungsfähigkeit im eigentlichen Sinne dauerhaft zu erhalten. Weitergehend bedeutet dies, dass sich Ordnungsbehörden viel stärker als bisher als Beobachter und Moderatoren gesellschaftlicher Prozesse und nicht nur als bloße Exekutoren einseitiger Vorgaben begreifen müssen.

3. Gesetzesnormen

Mit dem Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- u. Kommunikationsdienste-Gesetz IuKDG) und dem Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) wurden 1997 erstmals neue Rahmenbedingungen geschaffen, die die versuchen, der rasanten Entwicklung in den Bereichen der Neuen Medien Rechnung zu tragen. Parallel zum MDStV liefert das IuKDG mit dem Artikel 1 das Gesetz zur Regelung von Telediensten (Teledienstegesetz - TDG). Als dritte Gesetzesnorm und bezüglich ihrer Relevanz im Bereich der der Gefahrenvorsorge ist noch das Ordnungsbehördengesetz (OBG) zu nennen.

[...]


1 Hoffman-Riem, Von der dualen Rundfunkordnung zur dienstspezifisch diversifizierten Informationsordnung, Einführung, in Kops/Schulz/Held, Von der dualen Rundfunkordnung zur dienstspezifisch diversifizierten Informationsordnung?, 2001

2 „Ich will Dich schlachten“ aus „Der Spiegel“, Ausg. 51/2002

3 http://odem.org/material/verfuegung/sperrungsverfuegung.pdf, zuletzt abgerufen am 05.02.2003

4 Federrath, Zur Kontrollierbarkeit des Internet, ZUM 1999

5 Hoffman-Riem, Von der dualen Rundfunkordnung zur dienstspezifisch diversifizierten Informationsordnung, Einführung, in Kops/Schulz/Held, Von der dualen Rundfunkordnung zur dienstspezifisch diversifizierten Informationsordnung?, 2001

6 http://www.heise-online.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/data/hod-15.10.01- 000/default.shtml&words=Str%F6mer, abgerufen am 05.02.2003

7 http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,226835,00.html, abgerufen am 05.02.2003

8 vergl. Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, 1999

9 So Wimme r, Die Verantwortlichkeit des Providers nach dem neuen Multimediarecht, ZUM 1999

10 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2000 Rn 16

11 Vesting, in Roßnagel, Recht der Multimediadienste

12 Hoffman-Riem, Von der dualen Rundfunkordnung zur dienstspezifisch diversifizierten Informationsordnung, Einführung, in Kops/Schulz/Held, Von der dualen Rundfunkordnung zur dienstspezifisch diversifizierten Informationsordnung?, 2001

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Rechtsgrundlagen für Ordnungsbehörden zur Sperrung sittenwidriger Internetinhalte
Hochschule
Universität Paderborn  (Wirtschafts- und Multimediarecht)
Veranstaltung
Seminar Computer- und Multimediarecht
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V13181
ISBN (eBook)
9783638188968
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zitierung über Fußnoten
Schlagworte
Rechtsgrundlagen, Ordnungsbehörden, Sperrung, Internetinhalte, Seminar, Computer-, Multimediarecht
Arbeit zitieren
Dominik Gertenbach (Autor:in), 2003, Rechtsgrundlagen für Ordnungsbehörden zur Sperrung sittenwidriger Internetinhalte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13181

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