Mehr Hörer, aber wie?

Strategie zur Programmoptimierung privater Webradios auf Basis einer Höreranalyse


Fachbuch, 2009

95 Seiten, Note: nicht bewertet


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Webradio
2.1 Begriffsklärung und Definition
2.2 Geschichtliche Entwicklung

3. Forschungsdesign
3.1 Handlungsleitende Forschungsfragen
3.2 Forschungsmethoden
3.3 Konzeption des Fragebogens
3.4 Der Fragebogen in der Pretestphase

4. Datenanalyse
4.1 Aktuelle Forschungsergebnisse
4.2 Ergebnisse der Hörerbefragung

5. Handlungsempfehlungen
5.1 Grundlagen zur Programmoptimierung
5.2 Prog.-Optimierung unter Gender-Gesichtspunkten..Seite
5.3 Das optimale Webradio (laut Höreranalyse)

6. Zusammenfassung

7. Anhang und Nachweise

1. Einleitung

Mit der rasanten Verbreitung des Internets hat sich in den letzten Jahren ein neuer Zweig des Mediums Radio entwickelt, den es so vorher noch nicht gegeben hat: das Webradio. Im Gegensatz zum Internetfernsehen, das bislang in Deutschland nur eine kleine Rolle spielt, erfreuen sich Internetradios bei Machern und Hörern sehr großer Beliebtheit. Auf Internetportalen wie flatcast.com werden tausende1 dieser kleinen Webradioprogramme angeboten. Schätzungen des Deutschen Internet-Radio Verbundes (DIRV)2 gehen davon aus, dass es mittlerweile mehr Internetradios als klassische Hörfunksender gibt. Da in diesem neuen Marktsegment jedoch auch eine sehr hohe Fluktuation herrscht, lässt sich eine genaue Zahl der Webradios nicht benennen.

Um einen Internetsender zu betreiben, benötigt man nicht sonderlich viel Technik: Einen Computer, ein Mikrofon und einen Internetanschluss - mit dieser Minimalausstattung kann man bereits über das Internet „on air" gehen und weltweit gehört werden. Das Senden selbst ist für den Betreiber zunächst erst einmal kostenlos und prinzipiell hat so ein kleiner Ein-Mann-Betrieb über das Internet die gleichen technischen Chancen, seine Hörer zu erreichen, wie beispielsweise ein großes ARD-Programm, das mit bedeutend höherem Aufwand an Technik und Redaktion betrieben wird. Allerdings fallen unter Umständen auch für den privaten Betreiber Gebühren für Strom, Internet, Personal und diverse Lizenzen an.

Der geringe Einstiegsaufwand hat dazu geführt, dass zahlreiche Privatpersonen und Vereinigungen ihren eigenen Internetsender gegründet haben. Sie tun das manchmal mit breit gefächerter, oftmals aber mit nur marginaler beruflicher Vorbildung3 und aus höchst unterschiedlichen Motiven. So variierend wie das programmliche Angebot, ist demzufolge auch die Qualität der angebotenen Programme.

In den allerwenigsten Fällen tragen sich diese privaten Webradios in wirtschaftlicher Hinsicht und noch seltener werfen sie Gewinne ab, obwohl sie häufig nach den Prinzipien eines klassischen, kommerziellen Privatradios aufgebaut sind und auch nicht selten versuchen, eben diese Programme inhaltlich und musikalisch zu kopieren. Einer der gewichtigsten Gründe für die fehlende Wirtschaftlichkeit, ist die geringe Einschaltquote privater Webradio­Programme. Ihnen gelingt es offensichtlich nicht, eine so große Hörerschicht an sich zu binden, dass sie für die Werbewirtschaft interessant werden, über deren Werbebudgets sich die Betriebsausgaben des Senders refinanzieren und eventuell auch Gewinne erwirtschaften lassen würden.

Gibt es einen Weg, mit dem ein privater Internetradiobetreiber seine Einschaltquoten verbessern kann? Was wollen die Hörer eines Webradios hören und wann wollen sie es hören? Warum schalten sie ein? Wie kann man eine Erhöhung der Quoten durch Berücksichtigung einzelner Gendergruppen erreichen? Gibt es „goldene Regeln" für verschiedene Sender, die von den Machern Format übergreifend eingesetzt werden können? In diesem Buch soll versucht werden, auch mittels einer exemplarischen Höreranalyse, auf diese Fragen eine Antwort zu finden.

Zunächst soll die gemeinsame Ausgangssituation der Webradios erörtert werden. Dann wird ein Fragebogen für eine Onlineumfrage erstellt und im Anschluss daran werden die Ergebnisse der durchgeführten Hörerbefragung dargestellt und ausgewertet. Anhand der Ergebnisse sollen Handlungsempfehlungen zur Optimierung des Programmes gegeben werden. Einerseits wird ein „Erfolgs-Gerüst" entwickelt, das zur grundlegenden Strukturierung eines privaten deutschsprachigen Webradio-Programmes beitragen und auch Sparten übergreifend einsetzbar sein soll. Im Anschluss daran werden Empfehlungen zur Ausgestaltung des Programmes nach Gender-Gesichtspunkten gegeben, da sich über diesen Weg ebenfalls die Einschaltquoten optimieren lassen. Und die dritte Empfehlung soll der detaillierte, beispielhafte Entwurf eines Webradio-Programmformates sein, der sich an den durch die Befragung gewonnenen Bedürfnissen der Hörer orientiert und die größte vorhandene Zielgruppe anspricht.

Diese Vorgehensweise dürfte für Betreiber von privaten deutschsprachigen Webradios von Interesse sein, weil die Ergebnisse ein Wissen über die Erforschung von Hörer-Bedürfnissen vermitteln und bei entsprechend konseguenter Umsetzung dazu beitragen, den Höreranteil des Senders zu erhöhen. Dadurch kann ein wirtschaftlicher Erfolg gesteigert, bzw. überhaupt erst erreicht werden. Zudem kann der Sender selbst durch hohe Hörerzahlen an gesellschaftlichem Einfluss gewinnen.

Erwähnt sei an dieser Stelle beispielhaft das in Dresden ansässige Webradio „Radio DD63". Seine Betreiber und Programmakteure sind überwiegend regional ansässige Diskotheker ohne größeres Vorwissen, was die Gestaltung eines Radioprogramms betrifft. Sie unterhalten ein 24/7-Vollprogramm4 mit einem eigenem Studiokomplex, der mit semiprofessioneller Technik ausgestattet ist. Trotz des verhältnismäßig hohen technischen, aber auch redaktionellen Aufwandes, wird „Radio DD63" nach eigenen Angaben5 in einer durchschnittlichen Sendestunde von nur 30 Hörern gleichzeitig eingeschaltet. Selbst die für Spitzenzeiten genannten 350 parallelen Hörer reichen nicht aus, um das Programm für Werbekunden attraktiv werden zu lassen.

Für kleine Webradios dieses Formates sollen die Ergebnisse der vorliegenden Ausarbeitung ein Leitfaden sein. Schon mit wenigen Handgriffen lassen sich vorhandene Programme professionell formatieren, ohne in dem engen Korsett eines Radioformates zu stecken, wie es bei denMachern von klassischen Hörfunkprogrammen oft der Fall ist. Durch wenige Handgriffe kann eine höhere Akzeptanz beim Hörer erreicht werden, die sich letztendlich in der Höhe der Einschaltguote widerspiegelt, weil er ein Programm, das er mag, wiederholt einschaltet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbi: ModeratorimSendestudio von Radio DD63

Zur Präzisierung sei noch angefügt, dass sich alle hier erwähnten Untersuchungen auf den deutschsprachigen europäischen Sprachraum beziehen. Bedingt durch diverse kulturelle Einflüsse lassen sich die Ergebnisse nicht unmittelbar auf davon abweichende Sendegebiete übertragen. Radiohörer, die beispielsweise in den deutschsprachigen Gebieten von Südbrasilien oder Namibia leben, haben mit großer Wahrscheinlichkeit einen anderen Anspruch an ein Radioprogramm, als wir Mitteleuropäer.

In den nun folgenden Kapiteln soll zunächst einmal die geschichtliche Entwicklung des Webradios beleuchtet und die Forschungsfrage, die dieser Untersuchung zu Grunde liegt, näher erläutert werden. Außerdem werden die Forschungsmethoden näher erläutert und der Aufbau der Höreranalyse erklärt.

2. Das Webradio

2.1 Begriffsklärung und Definition

Als Webradio bezeichnet man einen Radiosender, der das Internet als Verbreitungsmedium benutzt. Die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM), deren Mitglieder auch Webradios beaufsichtigen, definiert ein Webradio so:

„Als Internetradio (Webradio) bezeichnet man ein Internet­basiertes Angebot an Radiosendungen. Die Übertragung erfolgt in der Regel als Streaming Audio; zur Nutzung sind entsprechende Streaming-Clients erforderlich. Webradios bieten ein Programm mit Interaktionsmöglichkeiten. Die Hörer können beispielsweise ihre eigenen Programme zusammenstellen und Programmteile auf CD-Rom oder Memosticks abspeichern."6

Als klassischer Hörfunk wird im aktuellenen Kontext ein Radiosender definiert, der seine Hörer durch das Aussenden von hochfreguenten elektromagnetischen Schwingungen im Lang-, Mittel-, Kurz- oder Ultrakurzwellenbereich erreicht. Die Hörer verwenden zum Empfang des klassischen Rundfunks eigens dafür hergestellte Elektrogeräte, die Radiogeräte.

Beim Webradio ist das anders. Hier besteht zwischen dem Sender und allen seinen Empfängern eine direkte Verbindung. Es wäre technisch zwar nicht ganz korrekt, wenn man behauptet, dass Sender und Empfänger durch eine Leitung miteinander verbunden sind. Dennoch: die Rahmenbedingungen sind ganz ähnlich wie beispielsweise beim DIAS (Drahtfunk im amerikanischen Sektor), der nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin per Kabel gesendet hat und der Vorgänger vom (drahtlosen) RIAS war.

Zum Empfang eines Webradioprogrammes benötigt der Hörer kein gesondertes Radiogerät mehr. Die Programme können mit jedem Computer empfangen werden, der über eine ausreichend schnelle Leitung mit dem Internet verbunden und für die Wiedergabe von Tönen ausgerüstet ist. Eventuell ist noch zusätzlich eine Dekodierungs- und Abspiel-Software vonnöten.

Ein wesentlicher Vorteil des neuen Verbreitungsweges liegt darin, dass unter diesen Voraussetzungen ein Webradio-Programm ohne Mehraufwand an jedem Punkt der Erde in gleichbleibender Qualität empfangen werden kann.

Als ein weiterer Vorteil des Hörfunks über das Internet kann der Rückkanal bezeichnet werden. Er bietet dem Hörer erstmals die Gelegenheit unmittelbar mit dem Sender (mit dem Sendenden) in Verbindung zu treten. Der ermöglicht ihm, selbst Teil der Sendung zu werden, bzw. diese aktiver mitzugestalten, als das beim klassischen Rundfunk über das Telefon möglich war. Außerdem lassen sich durch die Direktverbindung zwischen Hörer und Sender die Einschaltguoten sehr präzise bestimmen. Das war, bzw. ist beim klassischen Rundfunk, wo die Einschaltguoten anhand einer Stichprobe hochgerechnet werden, nicht so.

Wissenschaftlich (und auch juristisch7 ) betrachtet, ist das Hören eines Webradios über einen Livestream weder als Pull- noch als Push-Dienst einzuordnen, sagt Jörg Lips in seiner Inaugural­Dissertation. Und weiter schreibt der Leipziger Rechtsanwalt:

„Der Rezipient muss zwar selbst tätig werden, um in den Genuss der Übertragung zu kommen (Pull-Element), gleichwohl ist er in die vom Sender vorgegebene Sendereihenfolge eingebunden und kann diese nur durch ausschalten beeinflussen (Push-Element)."8

Diese Betrachtungsweise ist vor allem in den hermeneutischen Ansätzen der Hörfunkforschung von Bedeutung und für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, wenn es darum geht, die Streitfrage zu klären, ob es sich bei einem Computer um ein Rundfunkgerät im herkömmlichen Sinne handelt, für das gegebenenfalls Rundfunkgebühren zu entrichten sind.

2.2 Geschichtliche Entwicklung

In seinen Anfangstagen in den 1970er Jahren war das Internet für die Verbreitung von Webradios noch nicht geeignet. Einerseits aus technischen Gründen, andererseits aber auch weil das Netz für Privatpersonen noch nicht freigegeben war. Zudem fehlte den Computern noch die nötige Rechenleistung für einen störungsfreien Empfang. Das änderte sich erst in den 1980er Jahren, als die PCs leistungsfähiger wurden und am 13. April des Jahres 1993, als man das Internet auch für Privatpersonen zugänglich machte. Diese Grundlagen verhalfen der Verbreitung von Medieninhalten mittels Streaming Media zu einer breiteren Akzeptanz in der Bevölkerung, bzw. ermöglichten sie überhaupt erst.

Die erste Internet-Radiosendung der Welt namens „Internet Talk Radio" wurde noch 1993 von dem Amerikaner Carl Malamud produziert. Allerdings sendete Malamud nicht live. Er zeichnete wöchentlich ein Interview mit einem Computer-Experten auf und bot es dann zum Download an. Gewissermaßen als Podcast. Etwa ein Jahr später, am 7. November 1994, unternahmen mit WXYC aus Chapel Hill und WREK aus Atlanta die ersten beiden traditionellen UKW-Radiosender zeitgleich ihre ersten Gehversuche im Netz auf der Basis eines Livestreams. Das Webradio war geboren.

Das erste deutschsprachige Radio im Internet war das Info-Radio Berlin-Brandenburg, eine Gemeinschaftsproduktion vom Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) und dem Sender Freies Berlin (SFB). Es bot ab 1995 in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin erstmals einen Stream on demand (etwa: Sendung auf Abruf) an.

Nachdem das Webradio in Deutschland eine kurze Zeit der Testphase hinter sich hatte, begann es, sich dynamisch zu entwickeln. Nahezu alle öffentlich-rechtlichen Hörfunksender streamten ihr Programm nun über das Internet. „Der öffentlich­rechtliche Rundfunk ist seit 1996 im Internet präsent. Seitdem hat er seine Aktivitäten im Netz ständig ausgebaut und erweitert."9 Allerdings sahen sich die privatwirtschaftlichen Medienunternehmer dadurch schnell be- und verdrängt und unter anderem ihre Proteste führten dazu, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk imjahr 2000 durch den 5. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sowohl Werbung als auch Sponsoring in seinen Onlineangeboten, der so genannten „Dritten Programmsäule", untersagt worden ist. Werbung und Sponsoring sind für Privatradios auch im Internet die wichtigste Einnahmeguelle. Noch heute versuchen Betreiber von privatrechtlich agierenden Medienunternehmen neue Internet-Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen zu unterbinden oder anderweitig auf politischem Wege regulieren zu lassen, weil sie diese Konkurrenz sehr fürchten. Ein aktuelles Beispiel: Auf Drängen privater Medienunternehmer wurde im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag 2008 festgelegt, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihre bereits produzierten, mediale, Inhalte (z. B. Beiträge und Manuskripte) nur noch sieben Tage nach Ausstrahlung im Internet zum Abruf anbieten dürfen und danach löschen müssen. Das ist insofern problematisch, da es sich bei diesen Inhalten um Produkte handelt, die durch den Gebührenzahler finanziert worden sind. Und diesem dürfen sie nun nach sieben Tagen nicht mehr zur Verfügung stehen, weil die Privaten das als Konkurrenz zu ihren Angeboten fürchten.

In den ersten Jahren nach dem Jahrtausendwechsel stiegen die Nutzerzahlen im Internet auch in Deutschland weiter stark an. Dennoch unterschätzten selbst Fachleute, welche technische Revolution sich damit anbahnte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb 2: Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland von 2002 bis 2008

So schrieb der Medienexperte Christian Breunig noch imjahre 2001 in der Fachzeitschrift Media Perspektiven:

„Trotz alternativer Übertragungswege wie Kabel, Satellit, Internet und Mobilfunk wird die terrestrische UKW- Frequenz in absehbarer Zeit der bei weitem wichtigste Übertragungsweg bleiben."10

Wie schnell diese absehbare Zeit nun vorübergegangen ist, verdeutlicht eine Pressenote der Europäischen Kommission, in der nur vierJahre später schon ein konkreter Fahrplan für die endgültige Abschaltung des analogen terrestrischen Rundfunks vorgegeben wird.11 Darin heißt es:

„Die Kommission erwartet, dass der Übergang zum digitalen Rundfunk 2010 weit fortgeschritten sein wird, und schlägt als Frist für die Abschaltung des herkömmlichen analogen terrestrischen Rundfunks Anfang 2012 vor. (...) Die meisten EU-Mitgliedstaaten, die bereits ein Datum für die Abschaltung festgelegt haben, haben sich für 2010 entschieden. Sechs weitere Staaten haben spätestens 2012 gewählt."

Auch die digitale Aussendung von Hörfunk und Fernsehen über technische Standards wie DAB, DABplus, DRM oder DVB-T wird zunehmend durch das Internet abgelöst.12 Eine flächendeckende Verbreitung des Internets in Deutschland, ähnlich wie ein Mobilfunknetz und mit großer Bandbreite, dürfte diesen Prozess weiter beschleunigen. Bereits jetzt werden mobile Datentarife nach dem HSDPA-Standard angeboten, die in puncto Leistungsfähigkeit dem heimischen DSL-Anschluss in nichts nachstehen. Mit weiterem Voranschreiten dieser Entwicklung dürften sich die digitalen Standards (DVB-T, DAB, DRM, etc.) technisch überlebt haben.

Die Elektronikhersteller messen dem Internet als Medium eine große Bedeutung bei. Seit mehreren Jahren gibt es Bestrebungen, verschiedene herkömmliche Geräte an das Internet anzuschließen. So kann man heute zum Beispiel mit dem Mobiltelefon, dem Fernsehgerät oder gar dem Kühlschrank im Internet surfen und damit auch Webradio empfangen. Außerdem sind Empfangsgeräte entwickelt worden, die den drahtlosen Webradio-Empfang unabhängig vonjedem Computer ermöglichen.

Die Entwicklung dieser Technik wirft allerdings auch verschiedene Probleme auf. So wird zum Beispiel darüber gestritten, ob ein internetfähiger PC als Rundfunkgerät zu werten und damit gebührenpflichtig ist. Rechtsanwalt jörg Lips dazu:

„Neue 'Rundfunkempfangsgeräte' wie der Internet-PC, das UMTS-Handy oder vergleichbare Telekommunikations­geräte sind nach dem derzeitigen Stand der Technik [im Jahr 2004 - Anmerkung des Autors] nicht rundfunkgebührenpflichtig. (...) Bei Änderung der notwendigen technischen Voraussetzungen können diese Geräte aber rundfunkgebührenpflichtig sein. (...) Um aus der Rundfunkgebühr finanziert werden zu können, muss das Internet rundfunkmäßige Relevanz haben. Bei Nutzung als (bloßer) zusätzlicher Übertragungsweg ist eine solche Relevanz nicht gegeben."13

Mittlerweile haben sich die von Lips genannten Vorzeichen jedoch gewandelt und zumindest für einen Internet-PC muss nun doch Rundfunkgebühr bezahlt werden.14

Mit einem ganz anderen Problem sieht sich so mancher Webradio­Betreiber konfrontiert, dessen Hörerzahlen stark schwanken. Es kann zum Beispiel Vorkommen, dass eine große Zahl von Hörern bei ihm, bzw. bei seinem Internetprovider auch entsprechend viel Datenverkehr (im Internet auch „Traffic" genannt) verursacht, der dann finanziell stark zu Buche schlägt.

Außerdem herrscht bei kleinen, privat betriebenen Webradios in Deutschland oft Unwissenheit darüber, welche Gebühren zu entrichten sind. Dabei sind diese nicht unerheblich. Für ein kleines Webradio mit weniger als 2700 unterschiedlichen Hörern und weniger als 430,- Euro monatlichen Netto-Einnahmen belaufen sich die GEMA-Gebühren für Urheberrechte an Musiktiteln auf 30,- Euro netto im Monat (Stand: Anfang 200915 ). Zusätzlich muss ein Vertrag mit der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) abgeschlossen werden. Dieser kostet für ein nichtkommerzielles Webradio mindestens 500,- Euro jährlich. Wenn das Webradio in seinem Programm auch Werbung oder Sponsoring sendet, also kommerziell arbeitet, dann gelten 1500,- Euro als Minimalgebühr der GVL (Stand: Anfang 2009).

Die Gestaltung ihrer Programme gehen die Betreiber kleiner Webradios in Deutschland häufig mit mangelnder Sachkunde an; musikalisch ist neben vereinzelten Ambitionen in Richtung Spartenprogramm nicht selten auch der Versuch zu hören, die Mainstreamprogramme des klassischen Hörfunks zu kopieren. So ist es wohl eine zwingende Folgeerscheinung, dass nur wenige Hörer solch ein Programmformat einschalten, das ursprünglich aus einem Begleitmedium stammt und nun in ein typisches Einschaltmedium transportiert, bzw. kopiert worden ist. Oder um es mit anderen Worten zu sagen: Ein Hörer, der sich von einem klassischen Mainstreamsender abwendet, um sich eine Alternative zu suchen, der wird mit ziemlich großer Sicherheit im Internet nicht ein ähnlich strukturiertes Programm einschalten.

Auch die Ausgestaltung des Wortanteils im Programm stellt die Produzenten von kleinen, privat betriebenen Webradios offenbar vor größere Schwierigkeiten. Die redaktionellen Inhalte sind oftmals ein recht kosten- bzw. arbeitsintensiver Teil, der fachlich geschultes oder zumindest ambitioniertes Personal erfordert, auf welches nur in den seltensten Fällen auch wirklich zurückgegriffen werden kann. Die derzeit auf dem deutschen Markt verfügbaren Webradios unterscheiden sich gerade in der Qualität ihres Wortanteils sehr stark voneinander. So gibt es eine Vielzahl von Programmen, deren nahezu einziger Wortinhalt daraus besteht, die Teilnehmer eines parallel laufenden Chats zu begrüßen, zu verabschieden oder auf deren Chatnachrichten zu reagieren (z. B. Radio Plattenküche16 ). Andere Anbieter versuchen durch die Ausstrahlung von kostenlos zur Verfügung gestellten PR-Beiträgen ihren Wortanteil zu erhöhen (z. B. Radio RMN). Und gelegentlich sind auch rechtlich äußerst bedenkliche Vorgehensweisen zu beobachten. So zum Beispiel bei Radio DD6317. Dort wurden in den ersten Wochen nach der Sender­Gründung im Jahr 2008 mehrmals am Tag von der Homepage des Deutschlandradio Berlin die Welt-Nachrichten in Form einer MP3- Datei heruntergeladen und jeweils zur vollen Stunde als eigene Nachrichtensendung im Programm präsentiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kurzum: Ein anspruchsvolles oder zumindest ein ansprechendes Wortprogramm bieten von den kleinen privaten Webradios bislang nur sehr wenige. Und dennoch wächst nicht nur die Zahl der neuen Programme, sondern auch die Zahl der Hörer insgesamt seit Jahren gewaltig. Laut dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Medien e. V. (BITKOM)18 gab es imjahr 2005 rund 15,1 Millionen Webradio-Hörer in Europa. Nur einjahr später waren es schon 20,4 Millionen und bis zum kommenden Jahr (2010) soll es in Europa knapp 32 Millionen Menschen geben, die sich regelmäßig für das Programm eines Internetradios entscheiden und es einschalten.

Die Goldmedia-Untersuchung im Auftrag der BITKOM benennt auch die Ursachen für die rasante Steigerung der Zuwächse auf diesem Gebiet. Einerseits nimmt die Zahl der Haushalte, die mit breitbandigen Internet-Anschlüssen versorgt sind, beständig zu und andererseits erhöht sich auch die Anzahl der Internetradiostationen immer weiter. Eine wachsene Gruppe technisch erreichbarer Hörer trifft also auf ein zunehmend attraktiver werdenes Angebot. Das sind zwei wesentliche Faktoren, die für ein schnelles Wachstum dieses Marktsegmentes sorgen werden.

Die unmittelbar bevorstehende Digitalisierung des Hörfunks und die Verbreitung des Internets auf drahtlosem Wege werden dem noch zusätzlich Vorschub leisten. Das allerdings bringt auch grundlegende Veränderungen mit sich, wie Christoph Barth, Medien­wissenschaftler der Universität Trier, zu berichten weiß.

„Der Prozess der Auflösung des ,klassischen' Radiobegriffs schreitet im Internet schnell voran. Zumeist beinhalten Webradios nicht viel mehr als eine Anzahl von Musiktiteln. Hier scheint der Begriff Radio nur noch mangels einer anderen, treffenderen Begrifflichkeit wie etwa „Music Entertainment Platform" im Gebrauch zu sein. Die im traditionellen Radio entwickelten Formen der Dramaturgie für ein erfolgreiches Programmprofil finden im Internet nur bei den wenigen Vollprogrammen Berücksichtigung."19

[...]


1 Stand Februar 2009: 2340 angebotene Streams

2 DIRV, online, dirv.de, 2009.

3 das Betreiben eines Hörfunksenders betreffend.

4 sendet 24 Stunden lang an allen sieben Wochentagen, also rund um die Uhr

5 Stand Februar 2009.

6 ALM online, 2009, http://www.alm.de/115.html

7 mehr dazu in Kapitel 2.2.

8 Lips, Das Internet als „Rundfunkübertragungsweg“, 2004, S. 30.

9 Lips, Das Internet als „Rundfunkübertragungsweg“, 2004, S. 59.

10 Breunig, Radiomarkt in Deutschland, 2001, S. 469.

11 Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/05/595 vom 24.5.2005.

12 Branchenmagazin Teltarif, PM vom 11.1.2007

13 Lips, Das Internet als „Rundfunkübertragungsweg“, 2004, S. 169

14 Quelle: Gebühreneinzugszentrale (GEZ)

15 laut Gesellschaftfür musikal. Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA)

16 vgl. www.radio-plattenkueche.de

17 vgl. www.radio-dd63.de

18 BITKOM, Pressemeldung vom 11.6.2006, S. 1

19 Barth et al., Webradios in der Phase der Etablierung, MP 1/2001, S. 49

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Mehr Hörer, aber wie?
Untertitel
Strategie zur Programmoptimierung privater Webradios auf Basis einer Höreranalyse
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft)
Note
nicht bewertet
Autor
Jahr
2009
Seiten
95
Katalognummer
V131816
ISBN (eBook)
9783640376759
ISBN (Buch)
9783640376698
Dateigröße
1026 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Wie bekomme ich mehr Hörer für mein Internetradio? Dieses Buch bietet eine ausführliche Anleitung zum Erheben und Bedienen der Bedürfnisse von Hörern kleiner, privater Webradios.
Schlagworte
Mehr, Hörer, Strategie, Programmoptimierung, Webradios, Basis, Höreranalyse
Arbeit zitieren
Mark Hegewald (Autor:in), 2009, Mehr Hörer, aber wie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131816

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