Zur Theorie der vertikalen Lexikologie und ihre Wiederaufnahme in der Diskurslexikologie


Hausarbeit, 2008

35 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Umriss einer Lexikologie der Vertikalität
2.1 Die Idee der vertikalen Lexikologie
2.2 Grundbegriffe der vertikalen Lexikologie
2.2.1 Gliederungsdimension Vertikalität
2.2.2 Fachsprache vs. Gemeinsprache
2.2.3 Der Laie und der Experte
2.3 Putnams Theorie der gesellschaftlichen Arbeitsteilung
2.4 Anforderungen an ein geeignetes Beschreibungsverfahren
2.5 Die Theorie in der Praxis – am Beispiel „Strukturvergleich“

3 Diskurslexikologie
3.1 Die Idee der Diskurslexikologie
3.2 Der Diskurs um den Diskurs
3.3 Die Theorie der vertikalen Lexikologie in der Diskurslexikologie

4 Schluss

5 Literatur
5.1 Wörterbücher
5.2 Sekundär- und Fachliteratur
5.3 Internetquellen

6 Anhang

1 Einleitung

Wir leben in einer Zeit ständig voranschreitender gesellschaftlicher Differenzierung. Diese Differenzierung geht mit einem enormen Wissenszuwachs einher, dem eine uns umgebende moderne Medienlandschaft versucht auf unterschiedlichsten Wegen Herr zu werden. In verschiedensten Medienformaten findet alltäglich Wissenstransfer statt. Da wenden sich Politiker in Talkshows an ein interessiertes Publikum, in Zeitungen berichten Journalisten über Innovationen in der Forschung, im Radio hört man Rezensionen über literarische Neuerscheinungen und im Internet werben Firmen für ihre neuen Produkte. Wissenstransfer findet also nicht mehr nur im institutionellen Rahmen statt. Und dennoch haben die angegebenen Beispiele etwas gemeinsam. Der Transfer von Wissen konstituiert sich in einer Dichotomie von Experten und Laien. Aus diesem Sachverhalt ergeben sich Probleme für den Wissenstransfer, die es auch aus linguistischer Sicht zu betrachten gilt. Gegenstand der vorliegenden Arbeit sollen zwei Publikationen sein, die sich den Problemen des Wissenstransfers aus linguistischer Perspektive widmen. Zuerst soll die Theorie der vertikalen Lexikologie von Sigurd Wichter[1] in seinen wesentlichen Zügen dargeboten werden. Die Betrachtung soll den Hauptteil der Arbeit ausmachen. Dabei gilt es zunächst auf die Idee der Lexikologie der Vertikalität einzugehen, bevor anschließend einige Grundbegriffe näher beleuchtet werden. Bevor die Theorie der vertikalen Lexikologie anhand eines Beispiels in einen Praxisbezug gesetzt wird, soll noch auf geeignete Beschreibungsverfahren eingegangen werden. Bei der Bearbeitung der Wichter'schen Theorie sollen die Fragen beantwortet werden, worin der Grund für die Verständigungsprobleme in der Experten-Laien-Kommunikation besteht und inwieweit Wichters Ansatz zur Lösung dieser Probleme beitragen kann. Im weiteren Verlauf soll dann eine Publikation von Albert Busch[2] im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Es soll untersucht werden, in welchem Ausmaß sich Wichters Theorie der vertikalen Lexikologie in der vertikalitätstheoretischen Diskurslexikologie bei Albert Busch wieder findet. Hierbei möchte ich mich auf die theoretischen Grundlagen der Diskurslexikologie beschränken, und die Anwendung auf den Bereich der Computertechnologie, die Busch verfolgt, aus thematischen Gründen ausblenden. Ausgehend von den wesentlichen Grundzügen der Wichter'schen Theorie, sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Übernahme vertikalitätstheoretischer Aspekte in die Diskurslexikologie die Parameter meines Vergleiches bilden. An geeigneten Stellen werde ich weitere Literatur aus den Bereichen Sprachwissenschaft und Philosophie zitieren. Im Schlussteil sollen die Ergebnisse dann summarisch rekapituliert werden, um noch einmal resümierend auf die Fragen der Arbeit eingehen zu können.

2 Umriss einer Lexikologie der Vertikalität

2.1 Die Idee der vertikalen Lexikologie

Wissenstransfer kann sich auf drei verschiedene Arten konstituieren. Zum einen kann er Gegenstand von Experten-Experten-Kommunikation sein. Dann findet Wissenstransfer entweder in einem fachinternen Rahmen statt, so z.B. auf Medizinerkongressen, oder er ereignet sich zwischen verschiedenen fachlichen Disziplinen, also in einem interfachlichen Rahmen, wie es in der interdisziplinären Forschung der Fall ist. Zum anderen kann Wissenstransfer aber auch Gegenstand der Experten-Laien-Kommunikation sein. Der Transfer von Wissen vollzieht sich dann entweder im „top-down-Verfahren“[3] vom Experten ausgehend hin zum Laien, oder im „buttom-up-Verfahren“[4] vom Laien ausgehend hin zum Experten. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um fachexternen Wissenstransfer. Sigurd Wichter widmet sich in seiner Publikation Experten- und Laienwortschätze[5] der fachexternen Kommunikation, wie sie sich im „top-down-Verfahren“ darstellt. Als Untersuchungsgegenstand dient dem Autor die vertikale Wortschatzvariation. Wichter interessiert hier vor allem die Beschaffenheit der Beziehung, die sich zwischen den verschiedenen Wortschätzen konstituiert. „Aufgabe der diesem Gegenstand zuzuordnenden Forschungseinrichtung einer Lexikologie der Vertikalität ist es, die nach Fächern und Sachgebieten zu differenzierenden Wortschätze der Experten und Laien [...] zu eruieren, zu beschreiben, zu analysieren und zu erklären.“[6] Für Wichter stellt die vertikale Wortschatzvariation nur einen Teil des Gesamtgebietes der sprachlichen vertikalen Variation dar. Sie bildet ein Subsystem, welches seinerseits wieder nach inhaltsbezogener Variation und ausdrucksbezogener Variation unterschieden werden muss. Diese Feststellung bedeutet zweierlei. Zum einen gestaltet sich das gesamte sprachliche System als Summe von sprachlichen Variationen auf verschiedensten linguistischen Ebenen, die sich in Subsysteme gliedern, und zum anderen erfährt die Untersuchung Wichters durch die Beschränkung auf die Lexik einen überschaubaren Rahmen, der es ermöglicht, die Vertikalität des Sprachsystems leichter erfassen zu können. Für Wichter kann eine vertikalitätsbezogene Lexikologie nicht losgelöst von einer vertikalitätsbezogenen Wissensforschung betrachtet werden. Der Wortschatz wird so eng an ein entsprechendes Wissen gekoppelt, oder mit anderen Worten, Wissen ist sprachlich konstituiert. Die ständig voranschreitende gesellschaftliche Differenzierung geht zunächst mit einer Spezialisierung der Arbeitsbereiche einher, die ihrerseits an eine signifikante Differenzierung eines spezifischen Wissenshaushaltes gekoppelt ist. In den so entstehenden autarken Wissensbereichen vollziehen sich selbstständige Wortbildungsverfahren, sowohl auf inhaltsbezogener Ebene des sprachlichen Zeichens als auch auf der ausdrucksbezogenen Ebene.

Das Ergebnis dieser Entwicklung ist eine Vielzahl an Wortschätzen, die an einen je besonderen Wissensbereich gebunden sind. Die ständig wachsende Anzahl von Fachtermini ist ein eindeutiger Beleg dafür. Dieser Sachverhalt beeinflusst natürlich auch die Kommunikation und da besonders die fachexterne Kommunikation, die Wichter als Arbeitsfeld gewählt hat und deren Aufgabe in der Übertragung fachlicher Grundlagen in den gemeinsprachlichen Bereich besteht. Findet fachexterne Kommunikation statt, so treffen stets Fachsprache und Gemeinsprache aufeinander. Aus personeller Perspektive findet dann ein Wissenstransfer zwischen der Gruppe der Experten und der Gruppe der Laien statt. Wichter interessiert sich hier vorrangig für das „top-down-Verfahren“, bei dem sich der Wissenstransfer vom Experten hin zum Laien vollzieht. Das Zusammentreffen von Experten und Laien im kommunikativen Kontext einer komplexen Gesellschaft bedeutet demnach ein Zusammentreffen von je verschiedenen Wissens- und Wortschätzen, deren Verhältnis „je nach Kultur variiert und im extremen so beschaffen sein kann, daß selbst Teile des kollektiven Wissens [...] dem gründlichen individuellen Zugriff vollkommen entzogen sind.“[7] In diesem Zusammenhang stellt sich Wichter die Frage, auf welche Weise sich der kollektive Wissenshaushalt in einer komplexen Gesellschaft bildet und verfügbar ist. Für die Beantwortung dieser Frage zieht Wichter das Putnam'sche Modell der „sprachlichen Arbeitsteilung“ heran, dessen Ausführung und Bedeutung für die Wichter'sche Theorie in Abschnitt 2.3 bearbeitet wird. Für Wichter ist die fachexterne Kommunikation von einer Wissensasymmetrie gekennzeichnet, die Verständigungs-probleme zur Folge hat, deren Gründe es zu erforschen gilt, um die Probleme letztlich lösen zu können. Teilkomplexe des gesellschaftlichen Wissenshaushaltes und somit Quellen eines vertikalitätstheoretischen lexikologischen Forschungsfeldes sind das Wissen von Personen und Personengruppen sowie Dokumentationen, „des vor allem schriftlich konstituiert dargestellten und einen bestimmten Geltungsanspruch erhebenden Wissens.“[8] Eine Eruierung der je verschiedenen Wissenshaushalte und ein sich anschließender Vergleich der Ergebnisse soll laut Wichter dazu beitragen, die Gründe für die Verständigungsprobleme zwischen Experten und Laien in der fachexternen Kommunikation, sichtbar und so einer Analyse zugänglich zu machen, an deren Ende Lösungsansätze für eine Überwindung der Verständigungsprobleme einer fachexternen Kommunikation stehen sollen. Der Eruierung liegt ein Beschreibungsverfahren, welches durch hohe systematische Anforderungen gekennzeichnet ist, zugrunde. Im Abschnitt 2.4 soll dann intensiver auf die Suche nach dem geeigneten Repräsentationsmodell eingegangen werden. Wichter favorisiert schließlich das Schemakonzept, wie es auch Tergan[9] beschreibt. Der Autor findet sich in einem schier unerschöpflichen Feld verschiedenster schemabezogener Exemplifizierungen wieder, aus dem er letztlich die Baumnotation als das praktikabelste Beschreibungsmodell auswählt und zum Werkzeug seiner Eruierung macht. Der vertikale Bereich von Wissensbeständen auf der Grundlage empirischer Erhebungen kann dann auf lexikalischer Ebene durch einen Einzelwortvergleich oder einen Strukturvergleich untersucht werden. In Abschnitt 2.5 wird näher auf die Ausführung eines Strukturvergleichs eingegangen. Da für Wichter die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Experten und Laien in den Unterschieden der Wissensniveaus begründet liegt, sieht er die Lösung des Problems in der Überwindung der Wissenskluft durch die Schaffung einer gemeinsamen Wirklichkeit, in der dann fachexterne Kommunikation problemlos stattfinden kann. Um dies zu erreichen bedarf es zunächst der Erforschung des Verhältnisses zwischen Experten- und Laienwortschätzen. Differenzen und Schnittmengen, die aus den Analysen der Ergebnisse der Eruierungen gewonnen werden, sollen als Ausgangspunkte dienen, eine gemeinsame Wirklichkeit zu schaffen, die letztlich Raum für eine funktionierende fachexterne Kommunikation bietet. Wichter bietet in seinem Lösungsansatz jedoch keinen konkreten Plan, nach dem eine solche gemeinsame Wirklichkeit gestaltet werden kann. In diesem Punkt bleibt sein Vorschlag ansatzhaft. Dennoch bietet die Theorie der Lexikologie der Vertikalität, die Wichter entfaltet, ein plausibles und praktikables Modell, mit deren Hilfe es möglich ist, die Unterschiede der Wissensniveaus von Experten und Laien sichtbar und somit analysierbar zu machen. Auf diese Weise können zumindest die Gründe für die Verständigungsprobleme in der fachexternen Kommunikation dargelegt werden. Die Wichter'sche Theorie ist somit als probates Instrument einer vertikalitätstheoretischen Forschung, auch für einen interdisziplinären Bereich, anzusehen.

Um das Modell der Lexikologie der Vertikalität noch deutlicher und detaillierter und somit komplexer beschreiben zu können, wird im weiteren Verlauf der Arbeit zunächst auf die Grundbegriffe der vertikalen Lexikologie eingegangen. Anschließend wird der thematische Bezug zum Putnam'schen Modell der „sprachlichen Arbeitsteilung“ hergestellt und die Suche nach einem geeigneten Beschreibungsmodell vertikalitätstheoretischer Erhebungen nachgezeichnet. Die Betrachtung des Umrisses einer Lexikologie der Vertikalität soll dann durch die Einbettung des theoretischen Konstrukts in einen praktischen Kontext, am Beispiel des „Strukturvergleichs“, zu einem Ende geführt werden.

2.2 Grundbegriffe der vertikalen Lexikologie

Im folgenden Abschnitt sollen die wesentlichen Grundbegriffe, auf die die Theorie der vertikalen Lexikologie aufbaut, näher betrachtet werden. Eine Auseinandersetzung mit ihnen ist sinnvoll und nützlich, da der Umriss der Lexikologie der Vertikalität durch die begriffliche Klärung an Kontur und Schlüssigkeit gewinnt. Zwar bleibt der Bereich der Lexik der thematische Kern der Wichter'schen Theorie, doch bilden die Grundbegriffe den notwendigen Rahmen, der die Wissenschaftlichkeit der Theorie erst gewährleistet. Zunächst wird auf die Gliederungsdimension Vertikalität, als konstituierendes Moment, nicht nur für die Theorie der vertikalen Lexikologie, eingegangen. Anschließend erfolgt die begriffliche Fassung der Konstrukte Fachsprache und Gemeinsprache, die für Wichter eine große Rolle spielen. Mit der Beschreibung des Laienbegriffs, in dessen Abgrenzung auch der Expertenbegriff herausgestellt wird, soll die Betrachtung der wesentlichen Grundbegriffe der Lexikologie der Vertikalität abgeschlossen werden.

2.2.1 Gliederungsdimension Vertikalität

Wichter stellt im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit der vertikalen Lexikologie drei verschiedene Gliederungsdimensionen vor. Zum einen befasst er sich mit allgemeinen sprach- und kommunikationsbezogenen Gliederungsdimensionen, zum anderen stellt er die Gliederungsdimension der Vertikalität vor, und schließlich befasst sich der Autor mit der Horizontalität als Gliederungsdimension. Die Gliederungsdimensionen haben alle eine ordnungstiftende Funktion inne. Sie ermöglichen einen gerichteten Vergleich auf lexikalischer Ebene dadurch, dass jede für sich, auf eine eigene Bezugsgröße verweist. Für die allgemeine sprach- und kommunikationsbezogene Gliederungsdimension bedeutet dies, die „Bezugsgröße des Vergleichs ist das Wissen.“[10] Als Bezugsgröße für die Gliederungsdimension der Horizontalität dient das ordnende Konstrukt des Faches bzw. des Sachbereichs, in dessen Kontext dann ein Vergleich auf lexikalischer Ebene stattfinden kann. Alle drei Gliederungsdimensionen stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander, in welchem jede ihren eigenen Bezugsrahmen hat. Die für die Theorie der Lexikologie der Vertikalität aber bedeutendste Bezugsgröße ist die Vertikalität. Wichter bestimmt bereits durch die Benennung seiner Theorie und deren Gegenstandsbezeichnung als „vertikale Wortschatzvariation“[11] die Gliederungsdimension der Vertikalität als zentrales Moment seiner Betrachtung. Die Dimension der Vertikalität ist für die Lexikologie der Vertikalität somit konstitutiv. Der Autor verweist auf die, für die Untersuchung notwendige Unterscheidung in Fälle unbestrittener Vertikalität, Fälle bestrittener Vertikalität und Fälle hierarchieneutraler Koexistenz von Wissenskomplexen. Im weiteren Verlauf seiner Arbeit beschränkt sich Wichter auf den Fall der unbestrittenen, anerkannten Vertikalität. Vertikalität verweist auf Wissensvertikalität und somit auf „ein bestimmtes Verhältnis zwischen zwei oder mehr Wissenskomplexen“[12], die dann den Gegenstand eines Vergleiches bilden. Der Autor nimmt hier implizit auf die wechselseitige Beziehung von Wissen und Wortschatz Bezug, die bereits in Abschnitt 2.1 thematisiert wurde. Vertikalität ist aber nicht nur ein sprachwissenschaftliches Ordnungsprinzip. Wie Wichter konstatiert, ist die Vertikalität „zunächst ein allgemeines praktisches Konzept, ein Konzept, das in der Sprachgemeinschaft allgemein bekannt ist und das als Ordnungsprinzip darüber hinaus im allgemeinen Wissen und Handeln verankert ist.“[13] In der Anerkennung von Autoritäten und einer damit verbundenen Übernahme von Wissen sieht der Autor den Beleg für seine These. Überdies sei die Vertikalität „ein weithin eingesetztes und wirkendes Gliederungsprinzip der Wirtschaft, der Politik und des Bildungswesens.“[14] Vertikalität lässt hierarchische Strukturen entstehen, die eine ordnungstiftende Funktion haben. Man könnte sagen, dass das Prinzip der Vertikalität vielen Gesellschaften bzw. vielen gesellschaftlichen Strukturen inhärent ist, so sind Sportvereine, wirtschaftliche Betriebe, Bildungseinrichtungen, ja sogar ganze Staatsgefüge vertikal strukturiert. Dabei läuft die Auseinandersetzung mit der Gliederungsdimension der Vertikalität stets auf dichotome Modelle hinaus. Im Hinblick auf den Bereich der fachexternen Kommunikation ergibt sich im einfachsten Fall eine Dichotomie von Experten einerseits und Laien andererseits. Für die Theorie Wichters hat dieses Verhältnis tiefgreifende Bedeutung. Die Dichotomie zwischen Experten und Laien bildet die Grundlage seiner Betrachtung und ist für die Lexikologie der Vertikalität ebenso wesentlich wie die Vertikalität als Gliederungsdimension. Experte und Laie werden als personelle Vertreter eines vertikalen Raumes verstanden, der keine soziale Bewertung impliziert. Beide Gruppen verfügen über je verschiedenes Wissen, welches Wichter seinerseits noch einmal in spezifische Wissensniveaus untergliedert. Der Experte verfügt so über ein bestimmtes Expertenwissen, welches in unterschiedliche Expertenniveaus unterteilt werden kann. „Im einfachen dichotomen Fall hat man [dann] das Experten- und das Laienniveau.“[15] In dem für Wichters Betrachtung relevanten „top-down-Verfahren“ eines Wissenstransfers im Feld fachexterner Kommunikation bildet die Expertengruppe die autorative Instanz, der die Gruppe der Laien entgegengesetzt werden kann. Diese ist wiederum mit einem spezifischen Laienwissen verbunden, welches in verschiedene Laienniveaus untergliedert ist. Jeder Mensch verfügt über eine je spezifische Niveaukonstellation, die sich aus den verschiedenen fach- bzw. sachgebietsbezogenen Niveaustufen zusammensetzt. Fachexterne Kommunikation findet stets in einem vertikalitätsrelevanten Kontext statt. So erlebt der Laie „das eigene Wissen und das des Experten [...] nur im Horizont des Gegensatzes zwischen zwei Niveaus, unbeschadet der Tatsache, daß diese Niveaukonstellationen im einzelnen sehr differenziert ausfallen.“[16] Für Wichter ist es wichtig, dass die Autorität des Experten akzeptiert wird. Das dichotome Modell, das der Autor seiner Theorie zugrunde legt, hat weitreichende Folgen für die Lexik. Ordnet man, wie Wichter es für seine Betrachtung vorsieht, die Gruppe der Experten lexikalisch dem Fachkontext zu und die Laien entsprechend dem fachfreien Kontext, dann ergibt sich eine Dreiteilung der Lexik[17]. „Ein Teil der Wörter kann usuell nur im Fachkontext verwendet werden, ein weiterer Teil sowohl im Fachkontext als auch im fachfreien Kontext, und für einen dritten Teil ist der Kontextbezug irrelevant.“[18] In diesem Sachverhalt sieht der Autor das größte Potential für Verständigungsprobleme zwischen Experten und Laien. Die vertikale Organisation des Wortschatzes ist demnach der Grund für nicht gelingende fachexterne Kommunikation.[19] Was fehlt, ist eine Vermittlungsinstanz oder wie Wichter schreibt, eine gemeinsame Wirklichkeit in der fachexterne Kommunikation problemlos gelingen kann. Festzuhalten bleibt die enorme Bedeutung der Vertikalität als Gliederungs- und Ordnungsmodell. Es findet sich in vielen gemeinschaft-stiftenden Organisationen, sei es in Sport, Politik, Wirtschaft oder Bildung. Auch unser Wortschatz

[...]


[1] Wichter, Sigurd: Experten- und Laienwortschätze. Umriss einer Lexikologie der Vertikalität. Tübingen: Niemeyer Verlag 1994

[2] Busch, Albert: Diskurslexikologie und Sprachgeschichte der Computertechnologie. Tübingen: Niemeyer Verlag 2004

[3] Antos, Gerd/ Pfänder,Stefan: Transferwissenschaft. Chancen und Barrieren des Zugangs zu Wissen in Zeiten der Informationsflut und der Wissensexplosion. In: S. Wichter/ G. Antos (Hrsg.): Transferwissenschaften. Band 1: Wissenstransfer zwischen Experten und Laien. Umriss einer Transferwissenschaft. Frankfurt a.M./Berlin/Bern/New York/Oxford/Wien: 2001 S.22

[4] Ebd.

[5] Wichter, Sigurd: Experten- und Laienwortschätze. Umriß einer Lexikologie der Vertikalität. Tübingen: Niemeyer Verlag 1994

[6] Ebd. S.1

[7] Wichter (1994) S.2

[8] Ebd. S.121

[9] Tergan, Sigmar-Olaf: Modelle der Wissensrepräsentation als Grundlage qualitativer Wissensdiagnostik. Opladen: Westdeutscher Verlag 1986. S.105f.

[10] Wichter (1994) S.7

[11] Ebd. S.9

[12] Wichter (1994) S.9

[13] Ebd.

[14] Ebd.

[15] Ebd. S.9f

[16] Wichter (1994) S.9

[17] Ich möchte die Wichter'sche Dreiteilung, durch die Ergänzung des Teiles der Lexik, die nur im fachfreien Kontext verwendet werden, noch erweitern, da ich glaube, dass auch dieser Teil der Lexik, die fachexterne Kommunikation beeinflussen kann. Für den Fall des Wissenstransfers im „top-down-Verfahren“ scheint der von mir angesprochene Teil der Lexik jedoch keine tragende Rolle zu spielen.

[18] Wichter (1994) S.10

[19] Auf die theoretischen Grundlagen der Verständigungsprobleme wird in Abschnitt 2.3 noch näher eingegangen.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Zur Theorie der vertikalen Lexikologie und ihre Wiederaufnahme in der Diskurslexikologie
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Germanistik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
35
Katalognummer
V131971
ISBN (eBook)
9783640378296
ISBN (Buch)
9783640378715
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theorie, Lexikologie, Wiederaufnahme, Diskurslexikologie
Arbeit zitieren
Sebastian Langer (Autor:in), 2008, Zur Theorie der vertikalen Lexikologie und ihre Wiederaufnahme in der Diskurslexikologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131971

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