Die Ausgangsbedingungen für die Industrielle Revolution im „Mutterland“ Großbritannien


Seminararbeit, 2004

13 Seiten, Note: 2,0

MA Sven Sochorik (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Politische und Gesellschaftliche Vorrausetzungen
2.1.2. Bevölkerungsentwicklung
2.2. Außenpolitische und Handelspolitische Faktoren
2.3. Technische Vorrausetzungen
2.3.2 Verkehrswesen
2.4. Die Agrarrevolution

3. Schlussbetrachtungen

Literaturliste:

1. Einleitung

Die Industrielle Revolution kann man als epochale Umwälzung begreifen. Sie beschreibt den Übergang von einer Agrargesellschaft hin zu einer Industriegesellschaft, die gesellschaftliche und technische Veränderungen mit vorher nicht bekannten Ausmaßes bewirkten. "The industrial revolution formed one of the central transformations of human history."[1]

Die Industrielle Revolution beginnt in England im Laufe des 18. Jahrhunderts.

Verschiedene Historiker definieren unterschiedliche Anfangszeiten, so definiert Wilhelm Treue: “Die sechziger Jahre des 18.Jahrhunderts bildeten das Anfangsjahrzehnt der Industriellen Revolution.“[2] England war damit Vorreiter und beispielgebend für die späteren Entwicklungen in Teilen Kontinentaleuropas, Amerikas, Russlands und Japans bzw. bis zur Gegenwart in weiten Teilen der Welt. Dabei ist zu bemerken, dass die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen daher auch zu anderen Entwicklungen geführt haben. „ImZusammenhang mit der Industriellen Revolution wird schließlich die Geschichte der Wirtschaft und der Technik mehr als in jeder anderen Phase zur Geistesgeschichte".[3]

Im Folgenden möchte ich die Vorbedingungen für die Industrielle Revolution in England analysieren und aufzeigen warum gerade in England die Vorraussetzungen gegeben waren, in ein neues Zeitalter aufzubrechen. Die Determinanten dieses Prozesses sind hier nicht allein in dem Vorhandensein von Ressourcen und den bahnbrechenden technischen Entwicklungen zu sehen, sondern auch die gesellschaftlichen Bedingungen, bzw. institutioneller Faktoren die zu dieser Entwicklung führten. So waren es also verschiedene, sich gegenseitig bedingende Vorrausetzungen, die für den Entwicklungsprozess ausschlaggebend waren.

"Zur Erfassung der technisch- wirtschaftlichen Ereignisse des 19. Jahrhunderts und für ihre richtige Einordnung in die Gesellschaftsgeschichte ist es nicht so wichtig, die Erfindungen und Entwicklungen bis zur kleinsten Einzelheit aufzuzählen und ihre Auswirkungen auf Produktion, Preise und Konsum bis zur letzten Dezimale zu berechnen und zu vergleichen, als vielmehr ihre grundsätzlichen Ursachen und Wirkungen zu betrachten. Häufig ist es sogar ergiebiger, die "Vorgeschichte" der bedeutungsvollsten Ereignisse sorgfältig zu beleuchten, als ihre Auswirkungen bis zum Vorabend des ersten Weltkrieges zu verfolgen."[4] Dabei möchte ich im Einzelnen auf die sozialen, politischen und religiösen Vorbedingungen eingehen. Des Weiteren werde ich die Handels- und Agrarspezifischen Vorbedingungen untersuchen, technische Errungenschaften beurteilen und den Stellenwert der Bevölkerungsentwicklung, des Verkehrswesens und die natürlichen Ressourcen in England im Zusammenhang mit der Industriellen Revolution bewerten.

2. Hauptteil

2.1. Politische und Gesellschaftliche Vorrausetzungen

England hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein einzigartiges politisches System. Im Vergleich zu anderen Staaten Kontinentaleuropas wie z. B. Deutschland und Frankreich herrschte in England Freiheit, Toleranz und Rechtssicherheit. Die konstitutionelle Monarchie war etabliert und die „[...] britische Aristokratie, deren Adelstitel nur auf jeweils einen Namensträger vererbt werden, bürgerlicher Denkungsart viel näher als die feudalen Herren auf dem Kontinent.“[5] Demnach herrschte in England ein liberales Klima und der Staat beschränkte sein Eingreifen in den Wirtschaftskreislauf. „Fast noch bedeutender war die Tatsache, dass die Anfangsphase des modernen Wirtschaftswachstums in England ein Marktergebnis war – das wenig dem unmittelbaren Handeln des Staates verdankt.“[6] Allerdings muss man einwenden, dass im Laufe der Industriellen Revolution der Staat “[...] genau in die Richtung eines kontinuierlichen Abbaus der strukturellen, fiskalischen und wirtschaftlichen Behinderungen der Mobilität von Menschen und Ressourcen [...]“[7] handelte.

Beispielgebend hierfür sind die Veränderungen durch die sogenannte glorreiche Revolution von 1688/89 zu nennen. Umgestaltungen gab es im politischen Bereich bei der Verfassung und auf wirtschaftlichem Gebiet sind die Gründung der Bank of England und die Klärung der Staatsschulden, Vorrausetzungen für die Entwicklung eines organisierten Marktes für staatliche und private Wertpapiere. Die Verbindung von Politik und Wirtschaft wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Abhandlungen thematisiert. Adam Smith befasste sich zum Beispiel mit dem wirtschaftlichen Wohlstand der Völker. Im Vergleich zur mittelalterlichen Gesellschaftsauffassung stellte Smith hier Individualismus und Wohlstand der Menschen als Grundlage des Lebens in den Vordergrund. Es war in England möglich, durch Landbesitz in den Adelsstand aufgenommen zu werden, was wirtschaftlichem Handeln und Gewinnstreben zusätzlichen Antrieb verlieh.

Die verbreitete calvinistische Ethik legitimierte wirtschaftlichen Erfolg und versprach so „göttliche Belohnung“. Leistung und Wohlstand waren also nicht durch die Kirche sanktioniert und gestattete so die freie Entfaltungsmöglichkeit. So waren insgesamt politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen, die für privates Unternehmertum äußerst günstig waren. „The British state was less interventionist. This was not always an advantage, […] but it perhaps served well in setting a favourable framework for the first industrial revolution.”[8]

2.1.2. Bevölkerungsentwicklung

Nach der Entdeckung Amerikas und der Eroberung von Kolonien, kam es in England zu einer Auswanderungswelle in diese Gebiete. Außerdem begann die Bevölkerung im Land selbst zu wachsen. Diese Entwicklung, die man in der Literatur auch als demographische Revolution bezeichnet, hatte mehrere Ursachen. Zu einem gab es eine gute Versorgungslage der Menschen mit Lebensmitteln aufgrund der Veränderungen in der Landwirtschaft, auf die ich im Kapitel 2.4. gesondert eingehen werde. Des Weiteren führte der wachsende Wohlstand zu verbesserten hygienischen Bedingungen und die Sterbeziffern sanken in Folge dessen. Außerdem gab es im medizinischen Bereich Fortschritte, große Epidemien blieben aus. Diese verschiedenen Faktoren führten auch zu einer Senkung des Heiratsalters, zu einer Erhöhung der Fruchtbarkeit und einem damit zusammenhängenden Anstieg der Geburtenrate. Damit war diese demographische Revolution mit Vorrausetzung für die Industrielle Revolution. „Durch die Erhöhung oder Verringerung der Zahlen von Erzeugern und Verbrauchern wirkten sich die demographischen Prozesse unmittelbar auf das industrielle Wachstum aus.“[9] So hatte sich die Bevölkerung im Zeitraum von 1740 bis 1840 fast verdreifacht. Es kam zunehmend auch zu Wanderungsbewegungen im Inland insbesondere in die Städte, weil dort die Auskommenschancen größer waren. Das führte zu einem anwachsen der Städte und zu der Bildung von ersten Ballungszentren wie unter anderem London, Liverpool und Manchester.

2.2. Außenpolitische und Handelspolitische Faktoren

Durch die geostrategische Lage als Inselstaat, war England weitestgehend von den kriegerischen Auseinandersetzungen Kontinentaleuropas verschont geblieben. Die Seefahrertraditionen und die starke Seemacht erlaubten es der englischen Flotte, Kolonien zu erobern und dort Handelsmonopole zu einrichten. „The seventeenth-century Navigation Laws, which were not seriously modified before 1786, gave English merchants and shipowners an almost complete monopoly of trade with the colonies.”[10]

Die Außenpolitik Englands war nach ökonomischen Zielsetzungen ausgerichtet. In den Kriegen mit anderen Nationen wie zum Beispiel Spanien und Frankreich ging es um die Absatzmärkte in den Kolonien und um die Vormachtsstellung als Seemacht.

Der Produktionsanstieg im Exportgewerbe umfasste einen breiten Bereich inländischer. Also war der Export nicht wie bisher auf Wollhandel und dem Reexport von Kolonialwaren beschränkt, sondern England begann eine Vielzahl von einheimischen Produkten im Europa und auf den neuen Märkten in Amerika, Afrika, Asien und Indien abzusetzen. Im Zuge dieser Handelstätigkeit wurden neue Verfahren entwickelt, die es erlaubten, den Handel sicherer und kostengünstiger zu gestalten. „Erfolgreiche Kaufleute gingen ganz natürlicherweise vom Handel mit Waren zum Bank – und Wechselgeschäft über und das wachsende Können und Ansehen der Gemeinschaft Londoner Kaufmannsleute zogen eine beachtliche Elite von Kaufleuten und Finanzexperten aus Europa an.“[11]

Die Kapitalakkumulation aus den Kolonien, die aus Geschäftsgewinnen, Ausnutzung der Bodenschätze oder Ausbeutung von Arbeitskräften erreicht wurde, führte zu Investitionen im Mutterland selbst. Die wiederum sorgte für wachsenden Wohlstand und eine stetig anwachsende Binnennachfrage.

England bildete einen weitestgehend einheitlichen Wirtschaftsraum. Dem freien Handel und Warenverkehr waren durch die Absenz von Zöllen und durch die einheitlichen Maßeinheiten keine künstlichen Behinderungen und Grenzen gesetzt und außerdem war die Gewerbefreiheit Realität, denn berufständische Vorschriften und Einschränkungen waren nicht vorhanden. Im Vergleich mit Kontinentaleuropa „[...] würde man das Ausmaß, in dem die Industrie auf dem Kontinent durch staatliche Vorschriften und Einmischung der Zünfte beschränkt war, der vergleichsweise großen Freiheit ihres Britischen Gegenstücks entgegensetzen.“[12]

[...]


[1] Stearns, N. Peter: The Industrial Revolution in World History, Boulder, 1993, S.13.

[2] Treue, Wilhelm: Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, Stuttgart, 1962, S. 372.

[3] Treue, Wilhelm: Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, Stuttgart, 1962, S. 372.

[4] Treue, Wilhelm: Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, Stuttgart, 1962, S. 372.

[5] Rübberdt, Rudolf: Geschichte der Industrialisierung, München, 1972, S. 11.

[6] Supple, Barry: Der Staat und die industrielle Revolution, in: Europäische Wirtschaftsgeschichte, Band 3, Hrsg.: Cipolla, M. Carlo, Stuttgart, 1976, S. 195.

[7] Supple, Barry: Der Staat und die industrielle Revolution, in: Europäische Wirtschaftsgeschichte, Band 3, Hrsg.: Cipolla, M. Carlo, Stuttgart, 1976, S. 207.

[8] Stearns, N. Peter: The Industrial Revolution in World History, Boulder, 1993, S.38.

[9] Armengaud, Andre: Die Bevölkerung Europas, in: Europäische Wirtschaftsgeschichte, Band 3, Hrsg.: Cipolla, M. Carlo, Stuttgart, 1976, S. 43.

[10] Davis, Ralph: English Foreign Trade, 1700-1774, in: Trade and the Industrial Revolution, 1700-1850, Volume Volume I, Hrsg.: Engerman, L. Stanley, Cheltenham, 1996, S. 112.

[11] Deane, Phyllis: Die Industrielle Revolution in Großbritannien, in: Europäische Wirtschaftsgeschichte, Band 4, Hrsg.: Cipolla, M. Carlo, Borchardt, Knut, Stuttgart, 1985, S. 7.

[12] Lilley, Samuel: Technischer Fortschritt, in: Europäische Wirtschaftsgeschichte, Band 3, Hrsg.: Cipolla, M. Carlo,Stuttgart, 1976, S. 143.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Ausgangsbedingungen für die Industrielle Revolution im „Mutterland“ Großbritannien
Hochschule
Technische Universität Dresden
Veranstaltung
Ein sächsisches Wirtschaftswunder? Technik, Industrie und Wirtschaft Sachsens im “langen” 19. Jahrhundert
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V132123
ISBN (eBook)
9783640428854
ISBN (Buch)
9783640428670
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ausgangsbedingungen, Industrielle, Revolution, Großbritannien, Thema Industrielle Revolution
Arbeit zitieren
MA Sven Sochorik (Autor:in), 2004, Die Ausgangsbedingungen für die Industrielle Revolution im „Mutterland“ Großbritannien , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132123

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