Paraguay war das erste Land Lateinamerikas, das offiziell die Unabhängigkeit von Spanien erklärte und sich gleichzeitig vom Vizekönigreich Río de la Plata lossagte.
An diesem Unabhängigkeitsprozess Paraguays hatte der kreolische Advokat Dr. José Gaspar Rodríguez de Francia einen erheblichen Anteil. Er entsprang der Asuncener Elite und war in Asunción als Rechtsanwalt tätig.
Durch sein Mitwirken wurde die Republik ausgerufen und daraufhin wurde er gemeinsam mit dem Militär Fulgencio Yegros zum Konsul gewählt.
1814 ließ er ließ sich auf einem Volkskongress, bei dem zum ersten Mal das allgemeine Wahlrecht für Männer angewandt wurde, zum Diktator für fünf Jahre begrenzt wählen und wurde 1816 vom alljährlich zusammenkommenden Kongress zum „Dictador Supremo“ auf Lebzeiten gewählt.
Seit dem Zeitpunkt seiner Wahl zum Diktator konnte Dr. Francia mit unumschränkter Macht herrschen und bewahrte sich diese absolute Machtstellung bis zu seinem Tod im Jahre 1840. Während seiner fast dreißigjährigen Herrschaft wurde die Opposition, die sich aus der spanischen und kreolischen Elite zusammensetzte, unterdrückt und nicht einmal eine große Verschwörung im Jahre 1820, an der ein großer Teil der Oligarchie beteiligt war, konnten den Diktator seine Machtstellung streitig machen.
Damit stellt er ein seltenes Beispiel eines Herrschers in den Revolutions- und Bürgerkriegen Lateinamerikas der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dar, der bis zu seinem Tode seine Macht erhalten konnte und eines natürlichen Todes starb.
In der Historiographie löste die Persönlichkeit Francias eine recht widersprüchliche Diskussion aus, die bis heute nicht entschieden zu sein scheint. Lange Zeit im 19. Jahrhundert bot die Politik Francias großen Anlass zur Kritik, die vor allem von seinen politischen Gegnern, der kreolisch-spanischen Oligarchie und den sich in Paraguay aufhaltenden Aus-ländern, geführt wurde. Deswegen war seine Herrschaft lange hindurch nur als reine Tyrannei bekannt, die er durch grausame Repression aufrechterhalten konnte.
Die moderne Historiographie jedoch unternahm eine gewaltige Anstrengung, dieses Bild des Tyrannen einer sorgfältigen Analyse zu unterziehen und entdeckte in ihm einen Vorläufer sozialistischer Ideen, der durch aufgeklärtes Gedankengut das Wohl der Mehrheit der Be-völkerung im Auge hatte und vor allem den Aufbau einer sicheren, souveränen und unabhängigen Nation gewährleisten wollte.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- I. Teil
- PARAGUAYS WEG VON DER KOLONIALZEIT BIS ZUR UNABHÄNGIGKEIT
- 1. Paraguay während der Kolonialzeit
- 2. Die Unabhängigkeit
- 2.1. Die Invasion Belgranos
- 2.2. Die Mairevolution und die Proklamation der Republik
- II. Teil
- DIE DIKTATUR DES DR. FRANCIA
- 1. Dr. Francias Aufstieg zur Macht
- 1.1. Zur Person des Dr. Francia
- 1.2. Francias wachsender Einfluss auf die paraguayische Politik
- 1.2.1. Teilnahme an Verschwörung und Regierungsarbeit
- 1.2.2. Verhandlungen mit Buenos Aires/gleichzeitiger Rücktritt Francias
- 1.2.3. Abermaliger Rücktritt Francias und Steigerung seines Ansehens
- 1.2.4. Notwendigkeit der Rückkehr Francias in die Regierung
- 2. Die Errichtung der Republik und der Konsulatsregierung: Francia wird Konsul
- 3. Der Übergang von der Konsulatsregierung zur Diktatur: Francia wird Diktator
- 3.1. Der Kongress von 1814
- 3.2. Das erste Regierungsjahr der Diktatur
- 3.3. Der Kongress von 1816
- 4. Die Diktatur
- 4.1. Ausbau der Macht
- 4.1.1. Francias Eliten- und Ausländerpolitik
- 4.1.1.1. Das ,,Droit d'Aubaine"
- 4.1.1.2. Heiratsbestimmungen
- 4.1.1.3. Zur ,,Fremdenfeindlichkeit\" Francias
- 4.1.2. Bildung einer loyalen Armee
- 4.1.3. Aufbau einer paraguayischen Nationalkirche
- 4.1.3.1. Francias antiklerikale Einstellung
- 4.1.3.2. Maßnahmen gegen die Kirche
- 4.1.3.3. Vorteile Francias Kirchenpolitik für den Staat
- 4.1.4. Verschwörung und Repression
- 4.1.4.1. Die große Verschwörung von 1820
- 4.1.4.2. Die Repression
- 4.1.4.3. Bewertung seiner repressiven Politik
- 4.2. Das Reformwerk Francias
- 4.2.1. Verwaltung, Infrastruktur und öffentliche Sicherheit
- 4.2.2. Wirtschaftsreformen
- 4.2.3. Landwirtschaft
- 4.2.4. Industrie und Gewerbe
- 4.2.5. Bildungspolitik
- 4.2.5.1. Förderung des Elementarunterrichts
- 4.2.5.2. Vernachlässigung der höheren Bildung
- 4.2.5.3. Zur „Intelligenz-Vernichtungss-These\" der Politik Francias
- 4.3. Außenhandel und Außenpolitik – zur „Isolationspolitik“ Francias
- 4.3.1. Verhältnis zu Buenos Aires/Argentinien / Handel über Pilar
- 4.3.2. Verhältnis zu Brasilien / Handel über Itapúa
- 4.3.3. Verhältnis zu England
- 4.3.4. Verhältnis zu Entre Ríos / Uruguay
- 4.3.5. Verhältnis zu Bolivien
- 4.3.6. Konsequenzen der Isolationspolitik Francias
- 4.4. Das Erbe der Diktatur Francias
- III. Teil
- FRANCIAS HERRSCHAFT IM HISTORISCHEN KONTEXT LATEINAMERIKAS: CAUDILLO UND CHARISMATIKER?
- 1. Die widersprüchliche Darstellung der Diktatur Francias in der Historiographie
- 1.1. Die Geschichtsscheibung Europas im 19. Jahrhundert
- 1.2. Die Lateinamerikanische Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts
- 1.3. Die Neuinterpretation moderner Historiker des 20. Jahrhunderts
- 2. Francias Herrschaft im lateinamerikanischen Kontext: Caudillo und Charismatiker?
- 2.1. Das Herrschaftsmodell laut Weber - die charismatische Herrschaft
- 2.2. Francia - ein charismatischer Herrscher?
- 2.3. Allgemeine Betrachtungen zum Begriff Caudillo
- 2.4. Francia ein Caudillo?
- SCHLUSSBETRACHTUNG
- Anhang:
- Der Katechismus des Dr. Francia
- Die Entwicklung Paraguays von der Kolonialzeit bis zur Unabhängigkeit
- Der Aufstieg des Dr. Francia zur Macht und die Etablierung seiner Diktatur
- Die innen- und außenpolitischen Maßnahmen Francias, einschließlich seiner Reformen, der Ausländerpolitik und seiner Kirchenpolitik
- Die Einordnung Francias in die lateinamerikanische Geschichte - seine Rolle als Caudillo oder Charismatiker
- Die Bewertung des Erbes der Diktatur Francias für Paraguay
- Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Diplomarbeit ein und stellt die Zielsetzung und den Aufbau der Arbeit vor.
- I. Teil: Paraguays Weg von der Kolonialzeit bis zur Unabhängigkeit: Dieser Teil skizziert die historische Entwicklung Paraguays während der Kolonialzeit und die Entstehung der Republik.
- II. Teil: Die Diktatur des Dr. Francia: Dieser Teil analysiert den Aufstieg des Dr. Francia zur Macht, die Etablierung seiner Diktatur und die wichtigsten Aspekte seiner Herrschaft. Dazu zählen seine Politik im Bereich der Verwaltung, der Wirtschaft, des Bildungswesens und der Außenpolitik.
- III. Teil: Francias Herrschaft im historischen Kontext Lateinamerikas: Caudillo und Charismatiker?: Der letzte Teil befasst sich mit der Einordnung der Herrschaft Francias in den lateinamerikanischen Kontext. Die Arbeit untersucht, ob Francia als Caudillo oder Charismatiker betrachtet werden kann und welche Charakteristika seine Herrschaft in diesem Kontext kennzeichnen.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit widmet sich der Interpretation der Herrschaft des Dr. Francia in Paraguay im Zeitraum von 1814 bis 1840. Die Arbeit untersucht seine Herrschaft im Kontext des lateinamerikanischen Raums und hinterfragt, ob Francia als Caudillo oder Charismatiker klassifiziert werden kann.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die Diplomarbeit konzentriert sich auf die Themenbereiche lateinamerikanische Geschichte, Paraguay, Diktatur, Dr. Francia, Caudillismus, Charisma, Kolonialzeit, Unabhängigkeit, Politik, Wirtschaft, Religion, Bildung, Außenpolitik. Sie behandelt zentrale Themen wie die Ausgestaltung und Folgen der Diktatur Francias, die Bedeutung der Isolation Paraguays und die Einordnung Francias in das lateinamerikanische Herrschaftsmodell. Die Diplomarbeit basiert auf historischen Quellen und wissenschaftlichen Studien zur lateinamerikanischen Geschichte und behandelt die Thematik der paraguayischen Geschichte mit einem Schwerpunkt auf der Herrschaft des Dr. Francia.
- Arbeit zitieren
- Birgit Hittenberger (Autor:in), 2002, Dr. Francia, Diktator Paraguays 1814-1840 - Der Versuch einer Interpretation seiner Herrschaft im lateinamerikanischen Kontext: Caudillo und Charismatiker?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13215