Grundlagen der marktwirtschaftlichen Ordnung: Die Problematik der Fusionskontrolle aus Sicht der Österreichischen Schule

Der Fall Hochtief / Holzmann


Studienarbeit, 2009

24 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Die Fusionskontrolle als zentrales Thema der Wirtschaftspolitik

2 Der Fall Hochtief / Holzmann
2.1 Der Fall aus Sicht des GWB
2.2 Die Schwierigkeit des GWB

3 Die Österreichische Schule als Alternative
3.1 Das Konzept der Österreichischen Schule
3.2 Die Implikationen für eine Fusionskontrolle
3.2.1 Die Unternehmensmacht als Kriterium
3.2.2 Die Bewertung von Unternehmenskonzentrationen
3.2.3 Die Beschränkung des Wettbewerbs
3.2.4 Die Abgrenzung des relevanten Marktes
3.3 Die systemkonformen Lösungen
3.3.1 Das allgemeine Fusionsverbot
3.3.2 Die generelle Fusionsfreiheit

4 Die Anwendbarkeit des Konzepts

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Die Fusionskontrolle als zentrales Thema der Wirtschaftspolitik

Schon seit dem Recht der Dekartellierung und Entflechtung der Alliierten ist die Fusionskontrolle zentrales und kontrovers diskutiertes Thema der Wirtschaftspolitik. Obwohl sich bereits 1950 die Bundesregierung für ein deutsches Kartellgesetz einsetzte, konnte erst 1957 ein politischer Konsens über dessen Inhalt gefunden werden.[1] Die im Entwurf vorhandene Regelung bzgl. einer Fusionskontrolle wurde jedoch nicht in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aufgenommen. Es enthielt ein Kartellverbot und ein Verbot kartellrechtlicher Austauschverträge sowie eine Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und sollte damit private Störungen des Wettbewerbs durch Wettbewerbsbeschränkungen verhindern. In der zweiten Novelle von 1973 wurde die Fusionskontrolle über marktbeherrschende Unternehmen in das GWB aufgenommen und in den folgenden Novellen von 1976, 1980 und 1989 noch verschärft.

Das politische Ziel, den Wettbewerb als Mittel zur Leistungssteigerung und bestmöglichen Marktversorgung einzusetzen, trat immer weiter in den Vordergrund, und der Funktionsweise des Marktsystems wurde kaum noch Beachtung geschenkt. Die “... merkwürdige Auffassung, es sei die Wettbewerbspolitik, die Wettbewerb erzeuge”, wird dazu herangezogen, den Wettbewerb als staatliche Veranstaltung zu legitimieren.[2] “Wettbewerbspolitik ist heute bei uns auf weiten Strecken schlicht identisch mit Fusionskontrolle.”[3]

Dem Bundeskartellamt (BKartA) kommt dabei die Aufgabe zu, den Ermessensspielraum des Gesetzes durch Auslegung aufzufüllen und im konkreten Einzelfall eine Entscheidung zu treffen. Daher ist die Thematik der Fusionskontrolle bei jedem “größeren” Fusionsvorhaben wieder aktueller denn je.

2 Der Fall Hochtief / Holzmann

Am 19. September 1994 gibt die Hochtief AG eine öffentliche Erklärung ab, ihre Beteiligung an der Philipp Holzmann AG von 20 auf 30% erhöhen zu wollen und stellt gleichzeitig einen entsprechenden Antrag auf Genehmigung an das BKartA. Holzmann steht diesem Vorhaben jedoch argwöhnisch gegenüber und beantragt eine Verfahrensbeteiligung beim BKartA.[4]

2.1 Der Fall aus Sicht des GWB

Schon seit den achtziger Jahren verfolgen die “Wettbewerbshüter” des BKartA das Geschehen um die beiden Bauunternehmen, denn ihre Kontrollbefugnis geht über Fusionen im eigentlich rechtlichen Sinn[5] hinaus. Erfasst werden praktisch alle Formen des externen Unternehmenswachstums, die mit entsprechenden Einflussmöglichkeiten verbunden sind. Diese “... reichen [nach § 23 II GWB] vom Erwerb von stimmberechtigten Anteilen ... bis hin zu jeder sonstigen beherrschenden Einflussmöglichkeit über ein anderes Unternehmen”[6].

1981 verkaufte die Westdeutsche Landesbank ihre fast 25-prozentige Beteiligung am Frankfurter Holzmann Konzern an die Commerzbank. Diese gab ein 20%-Paket an Hochtief weiter. Seitdem ist die Hochtief AG, als Branchendritte, mit 20% am Branchenführer Holzmann beteiligt.[7] Schon damals teilte das BKartA sein Unbehagen an der Machtkonzentration mit, hatte aber keine Eingriffsmöglichkeiten, da die 25%-Marke[8] nicht überschritten wurde. Ein Unternehmenszusammenschluss kann erst dann untersagt werden, wenn zu erwarten ist, dass dadurch eine marktbeherrschende Stellung (Marktbeherrschung[9]) entsteht oder verstärkt wird. Es sei denn, die beteiligten Unternehmen weisen nach, dass durch den Zusammenschluss Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (Abwägungsklausel des § 24 I GWB).

1988 räumte die BfG der Essener Hochtief AG ein Vorkaufsrecht auf ihre zehnprozentige Holzmannbeteiligung bis zum 15. September 1994 ein. Hochtief sah sich zum Handeln veranlasst und meldete das gem. § 24a GWB anzeigepflichtige Vorhaben dem BKartA. Da mit diesem Kaufvorhaben eine Beteiligung an Holzmann von über 25% vorliegen würde, muss das BKartA das Tatbestandsmerkmal der Marktbeherrschung untersuchen. Schon bei Markt-anteilen von mehr als einem Drittel kann die Behörde ein Veto gegen die Fusion aussprechen, da der Tatbestand einer marktbeherrschenden Position erfüllt ist.

Nach Meinung des Hochtief Vorstandsvorsitzenden Keitel ist dies nicht der Fall, da beide Konzerne gemeinsam in Deutschland nur auf einen Marktanteil von 2,5% kommen. Der Präsident des BKartA, Wolf, ist anderer Auffassung und beabsichtigt auch die Teilmärkte zu berücksichtigen, da er dort eine Marktbeherrschung vermutet.[10]

Um die Fusion zu verhindern, lieferte Mayer, Vorstandvorsitzender der Holzmann AG, dem BKartA Marktdaten und andere brancheninterne Informationen. Durch diese Unterlagen erhält die Berliner Behörde einen einzigartigen Einblick in die Baubranche, die mit ca. 70.000 Baufirmen oberflächlich betrachtet mittelständisch erscheint.

Aus den Daten geht auch hervor, in welchen Bausegmenten und Regionen eine Marktbeherrschung nach der Fusion aufträte. Bei Großprojekten mit mehr als 50 Millionen Mark Bausumme kämen nach diesen Angaben die Unternehmen bundesweit auf einen Marktanteil von mehr als 40% und in den Regionen “Nordhessen/Thüringen” und “Großraum Hannover” schon auf knapp 50%. In den Gebieten “Rhein/Ruhr” und “Rhein/Main” entfallen auf sie sogar weit über 60% aller größeren Projekte, vorwiegend Konzernverwaltungen und Einkaufszentren.[11]

In den meisten Fällen konkurrierten die Konzerne mit Preisnachlässen um die Bauaufträge. Sollten sie jetzt fusionieren, könnten sie ihre Marktmacht gegenüber Kunden und Konkurrenten ausspielen, denn sie verfügen schon heute nicht nur über die Finanzkraft auch millionenschwere Vorhaben vorzufinanzieren, sondern auch über moderne Bautechnik und einen aufwendigen Maschinenpark. Dieses zeigt sich auch daran, dass nur sie in Deutschland Hochhäuser von mehr als 40 Meter Höhe bauen können.

Diese Fakten reichten aus, “um den GAU beim Bau zu verhindern” - wie es der Kartellamtspräsident Wolf ausdrückte.[12] Das BKartA untersagte am 25. Januar 1995 den Zusammenschluss Hochtief/Holzmann. Hochtief kündigte jedoch schon an, gegen die Untersagungsverfügung Beschwerde beim Kammergericht einzulegen.[13]

2.2 Die Schwierigkeit des GWB

Die Schwierigkeit der Anwendung des GWB zeigt sich immer wieder aufs Neue. Die Beamten des BKartA müssen zur Beurteilung des Tatbestands der Marktbeherrschung zunächst “den Markt” definieren um dann dessen Beherrschung überprüfen zu können. Dabei bedienen sie sich des Konzepts des relevanten Marktes, das den Teil des gesamten Marktgeschehens virtuell herausschneidet, der für den konkreten Einzelfall als relevant erachtet wird. Auf die verschiedenen Konzepte der Marktabgrenzung soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, denn “die eigentliche Schwäche des Konzeptes des “relevanten Marktes” liegt im Fehlen eindeutiger Kriterien für relevant und irrelevant”[14]. Dieses Beispiel verdeutlicht bereits eine der Anwendungsschwierigkeiten des GWB. Da dieses Problem aber schon in der Konzeption, die der Wirtschaftspolitik und somit auch dem Gesetz zugrundeliegt, begründet ist, soll im Folgenden die Sichtweise eines anderen wirtschaftstheoretischen Ansatzes gezeigt werden.

3 Die Österreichische Schule als Alternative

Die Vertreter der Österreichischen Schule haben mit dem Konzept der Wettbewerbsfreiheit ein anderes ordnungspolitisches Verständnis und damit auch eine andere Sicht zu den “Problemen” der Fusionskontrolle. Speziell die Ausführungen Hoppmanns sollen die Grundlage der weiteren Ausführungen darstellen. Es scheint deshalb zweckmäßig, das theoretische Konzept der Wettbewerbsfreiheit näher zu erläutern.

3.1 Das Konzept der Österreichischen Schule

Der geschichtliche Keim des Konzepts der Wettbewerbsfreiheit ist im Ansatz der Klassiker (ins. Adam Smith) zu sehen, die den Wettbewerb schon als dynamischen Prozess erkannten. Deshalb wird das Konzept Hoppmanns auch als neuklassisch bezeichnet.

Das Neuklassische Konzept der Wettbewerbsfreiheit sieht den Markt, und insbesondere den Wettbewerb - den marktwirtschaftlichen Funktions-mechanismus - , als spontan koordiniertes, evolutorisches System hoher Komplexität. Es ist diese “...Summe von Tatsachen, die in ihrer Gesamtheit weder dem wissenschaftlichen Beobachter noch irgendeinem anderen Einzelverstand bekannt sein können”[15], die die Vorhersagekraft in der Theorie sozialer Strukturen im Allgemeinen, und in der Wettbewerbstheorie im speziellen drastisch beschränken.[16] Auf die marktwirtschaftlichen Systeme bezogen stellt Hoppmann neben die praktische Unmöglichkeit der Erhebung auch eine absolute, da erst durch den Wettbewerbsprozess das Wissen hervorgebracht wird, was ex ante nötig gewesen wäre, um adäquate Voraussagen zu treffen.[17] Vielmehr handelt es sich beim Wettbewerb um ein Entdeckungsverfahren.[18] Konkrete Marktergebnisse können daher zwangsläufig nicht ex ante bekannt sein und nur in Form von Muster-Voraussagen getroffen werden. Die Vertreter der Österreichischen Schule zweifeln nicht an der Existenz bestimmter Beziehungen zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis, sehen sie vielmehr als zu komplex an, als sie vorhersagen zu können. Das Wissen um die Unwissenheit ist einer der grundlegenden Unterschiede zwischen den Anhängern der freiheitlich-dynamischen und der statisch-konstruktivistischen Wettbewerbskonzeption.

[...]


[1] Vgl. Emmerich (1991), S. 29.

[2] Vgl. Hoppmann (1988), S. 362.

[3] Emmerich (1991), S. 334.

[4] Vgl. Pfeiffer (1994), S. 1.

[5] Fusion im rechtlichen Sinn ist die Verschmelzung von zwei oder mehr selbstständigen Unternehmen zu einer rechtlichen und wirtschaftlichen Einheit.

[6] Canenbley/Moosecker (1982), S. 6.

[7] Vgl. o.V. (1994a), S. 117.

[8] Gemäß § 23 II 2 a) GWB gelten Unternehmensbeteiligungen von über 25% als Zusammenschluss.

[9] Marktbeherrschung liegt vor, wenn Unternehmen keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sind oder eine überragende Marktstellung besitzen (§ 22 I 2 GWB).

[10] Vgl. Sturbeck (1994), S. 17.

[11] Vgl. o.V. (1994b), S. 122.

[12] Vgl. o.V. (1994b), S. 122.

[13] Vgl. Hobbiebrunken (1995), S. 1.

[14] Oberender (1975), S. 578.

[15] Hayek (1975), S. 15.

[16] Vgl. Emmerich (1991), S. 12f.

[17] Vgl. Hoppmann (1972), S. 21f.

[18] Vgl. Hayek (1968), S. 3.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Grundlagen der marktwirtschaftlichen Ordnung: Die Problematik der Fusionskontrolle aus Sicht der Österreichischen Schule
Untertitel
Der Fall Hochtief / Holzmann
Autor
Jahr
2009
Seiten
24
Katalognummer
V132223
ISBN (eBook)
9783640381197
ISBN (Buch)
9783640380862
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundlagen, Ordnung, Problematik, Fusionskontrolle, Sicht, Schule, Fall, Hochtief, Holzmann
Arbeit zitieren
Diplom Kaufmann Stefan Ebbinghaus (Autor:in), 2009, Grundlagen der marktwirtschaftlichen Ordnung: Die Problematik der Fusionskontrolle aus Sicht der Österreichischen Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132223

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