Leseprobe
Übersicht
1. Einführung
2. Feinsteuerungsoperationen
3. Instrumente der Feinsteuerung
3.1 Befristete Transaktionen
3.2 Endgültige Käufe bzw. Verkäufe
3.3 Devisenswapgeschäfte
3.4 Hereinnahme von Termineinlagen
4. Feinsteuerungsoperationen: Verfahren und Bestimmungen
5. Feinsteuerungsoperationen von 1999 bis August 2007
6. Feinsteuerungsoperationen 2007 und die US-Subprime-Krise
7. Schlussbemerkung
1. Einführung
Am 1. Januar 1999 nahm das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) seine Arbeit auf, womit die dritte Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion startete. Mit dieser dritten Stufe wurde ein neues monetäres Regime geschaffen, welches sich wesentlich von den bisherigen nationalen monetären Systemen unterscheidet. Es wurde erschaffen, um vornehmlich einem Ziel zu dienen; der Gewährleistung der Preisstabilität.1 Um dieses Ziel auch erreihen zu können, wurde die Europäische Zentralbank (EZB) mit einem geldpolitischen Instrumentarium ausgestattet, mit welchen sie Offenmarktgeschäfte durchführt, ständige Fazilitäten anbietet und das Halten von Mindestreserven den Kreditinstituten vorschreibt.2
Die vorliegende Arbeit will speziell auf die Feinsteuerungsoperationen des ESZB eingehen. Nachdem die Feinsteuerungsmaßnahmen im Allgemeinen dargestellt werden (2.), bemüht sich die Arbeit, die einzelnen Instrumente der Feinsteuerung (3.) sowie das Verfahren und die Bestimmungen von Feinsteuerungsoperationen (4.) bündig zu erörtern. Im Anschluss soll die Anwendung der Feinbesteuerungsinstrumente in der Praxis seit Bestehen der ESZB (5. und 6.) untersucht werden. Dabei soll auch gezeigt werden, wie massiv die EZB seit den weltweiten Finanzmarkt-Turbulenzen im August 2007 eingreifen musste, um ihrem obersten Ziel, der Preisstabilität, dienlich zu sein.
2. Feinsteuerungsoperationen
Die Feinsteuerungsmaßnahmen sind Teil der Offenmarktgeschäfte des Eurosystems. Sie lassen sich in vier Kategorien unterteilen: Hauptrefinanzierungsgeschäfte, längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, strukturelle Operationen und Feinsteuerungsoperationen. Eingesetzt um die Zinssätze sowie die Liquidität am Markt zu steuern und um Signale (den geldpolitischen Kurs betreffend) zu senden, spielen die Offenmarktgeschäfte eine zentrale Rolle in der Geldpolitik der EZB.3
Die Feinsteuerungsmaßnahmen werden zur Steuerung der Marktliquidität und der Zinssätze eingesetzt, vor allem um unerwartete Liquiditätsschwankungen und deren Auswirkungen auf die Zinssätze auszugleichen. Sie spielen aber auch eine zentrale Rolle bei der Unterstützung eines reibungslosen Ablaufs der Märkte und der Liquiditätsbereitstellung in Extremfällen, wie dies z.B. nach dem 11. September 2001 bei den Terroranschlägen auf die USA von Nöten war.4 So führte die EZB am 12. und am 13. September 2001 jeweils liquiditätszuführende Feinsteuerungsoperationen mittels Schnelltender durch. Sie erfüllte an beiden Tagen die Gebote und ließ am 12. September Liquidität in Höhe von 69,3 Mrd. EUR und am 13. September Liquidität in Höhe von 40,5 Mrd. EUR dem Markt zukommen. Des Weiteren wurde mit der Federal Reserve Bank of New York am 12. September ein Devisenswapgeschäft getätigt um die Liquidität des Dollars weiter zu gewährleisten.5
Die Feinsteuerungsoperationen verschaffen der EZB ein hohes Maß an Flexibilität. So kann das Eurosystem seine Offenmarktgeschäfte durch Feinsteuerungsmaßnahmen den jeweiligen Situationen entsprechend anpassen und bei unerwarteten Marktentwicklungen zügig handeln, da Häufigkeit und Laufzeit dieser Geschäfte nicht standardisiert sind.6
3. Instrumente der Feisteuerung
Das Eurosystem verfügt über eine ganze Reihe von geldpolitischen Instrumenten. Der Feinsteuerung dienlich sind aber nur die befristeten Transaktionen, die endgültigen Käufe bzw. Verkäufe, die Devisenswapgeschäfte und die Hereinnahme von Termineinlagen. 7 Diese Instrumente zur Feinsteuerung sollen im Folgenden näher erläutert werden.
In der Regel werden Feinsteuerungsoperationen dezentral, von den nationalen Zentralbanken (NZBen), durchgeführt. Sie können aber auch von der EZB selbst vorgenommen werden, was allerdings eines Beschlusses des EZB-Rates bedarf.8
3.1 Befristete Transaktionen
Befristete Transaktionen sind das zentrale Instrument der Offenmarktgeschäfte. Sie können für alle Typen von liquiditätszuführenden Offenmarktgeschäften genutzt werden.9 „Als befristete Transaktionen werden Geschäfte bezeichnet, bei denen das Eurosystem refinanzierungsfähige Sicherheiten im Rahmen von Rückkaufsvereinbarungen kauft oder verkauft (Pensionsgeschäfte) oder Kreditgeschäfte gegen Hereinnahme refinanzierungsfähiger Sicherheiten durchführt.“10
Dabei kann es sich um liquiditätszuführende und liquiditätsabsorbierende Maßnahmen handeln. Die liquiditätszuführenden Operationen werden in der Regel über Schnelltender durchgeführt, wobei bilaterale Geschäfte nicht ausgeschlossen sind. Die liquiditätsabsorbierenden Maßnahmen hingegen werden normalerweise über die bilateralen Geschäfte getätigt. Generell müssen die befristeten Transaktionen mit Sicherheiten (der Kategorie 1 oder der Kategorie 2) unterlegt sein.11
Rechtscharakter und Zinsgestaltung
Die befristeten Transaktionen können in Form von Pensionsgeschäften oder besicherten Krediten von den nationalen Zentralbanken durchgeführt werden.
Bei Pensionsgeschäften wird das Eigentum des Vermögenswerts auf den Gläubiger übertragen und eine Rückübertragung zu einem späteren Zeitpunkt vereinbart, bei der der Schuldner wieder das Eigentum am gehandelten Vermögenswert erhält.
Bei besicherten Krediten dagegen findet keine Eigentumsübertragung statt, da davon ausgegangen wird, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen nachkommt. Stattdessen besteht für den Gläubiger ein rechtswirksames Sicherungsrecht an den als Pfand hinterlegten Vermögenswerten.12
Die für die Laufzeit des bereitgestellten bzw. aufgenommenen Betrages anfallenden Zinsen sind bei den Pensionsgeschäften bereits im Rückkaufpreis13 enthalten. Bei den besicherten Krediten ergeben sich die anfallenden Zinsen aus der Laufzeit und des Volumens der Transaktion sowie einem festgesetzten Zinssatz.14
3.2 Endgültige Käufe bzw. Verkäufe
Dieses Instrument wird ausschließlich für liquiditätszuführende (endgültiger Kauf) oder liquiditätsabsorbierende (endgültiger Verkauf) Feinsteuerungsmaßnahmen und strukturelle Operationen genutzt und wird stets als bilaterales Geschäft durchgeführt.15 Dabei kauft bzw. verkauft das Eurosystem refinanzierungsfähige Sicherheiten (ohne Rückkaufvereinbarungen) am Markt und stellt somit Liquidität bereit oder absorbiert sie (endgültige Offenmarkttransaktionen).16
Rechtscharakter und Kurs-/Preisgestaltung
Endgültige Offenmarktgeschäfte werden, dem Schuldtitel entsprechend, nach den marktüblichen Konditionen gehandelt. Das Eigentum am Vermögenswert geht hierbei vollständig vom Verkäufer auf den Käufer über, ohne dass eine Rückkaufvereinbarung getroffen wird. 17
Die Kurse und Preise richten sich, wie die Konditionen auch, nach den Marktgepflogenheiten die für den gehandelten Schuldtitel üblich sind.18
3.3 Devisenswapgeschäfte
Devisenswapgeschäfte bei Feinsteuerungsoperationen werden vorwiegend zur Steuerung der Liquidität und der Zinssätze am Markt getätigt.19 Bei dieser Maßnahme handelt es sich um die „gleichzeitige Durchführung einer Kassa- und einer Termintransaktion in Euro gegen Fremdwährung“20. Ihren Eigenschaften entsprechend können sie liquiditätszuführend (Devisenkauf durch das Eurosystem) oder liquiditätsabsorbierend (Devisenverkauf durch das Eurosystem) sein.21
Rechtscharakter
Die Einzelheiten der Devisenswapgeschäfte werden vertraglich, den Bedingungen der jeweiligen nationalen Zentralbank (oder EZB) entsprechend, geregelt. Allerdings wird stets per Kasse eine Fremdwährung erworben (oder verkauft) und gleichzeitig zu einem bestimmten Termin bzw. Datum wieder verkauft (oder zurückgekauft).22
Währungen und Wechselkursgestaltungen
Normalerweise werden Devisenswapgeschäfte nur in gängigen Währungen und gemäß den üblichen Marktkonditionen getätigt. Für jedes Geschäft wird stets ein Swapsatz durch die Geschäftspartner festgelegt. Dieser entspricht der Differenz zwischen dem Kassakurs (Kurs des Euro gegenüber der gehandelten Fremdwährung am Abschlusstag des Devisenswapgeschäfts) und dem Terminkurs (Kurs des Euro gegenüber der gehandelten Fremdwährung am Rückkauftag des Devisenswapgeschäfts).23
3.4 Hereinnahme von Termineinlagen
Termineinlagen können nur zur Liquiditätsabschöpfung genutzt werden. Das ESZB bietet dabei seinen Geschäftspartnern die Hereinnahme verzinslicher Termineinlagen bei den NZBen der Mitgliedsstaaten an, in denen sich Niederlassungen der Geschäftspartner befinden.24 Diese Operationen werden meist über Schnelltender durchgeführt, können aber auch über bilaterale Geschäfte getätigt werden. Die Anzahl der Geschäftspartner die zu dieser Art der Feinsteuerungsoperation zugelassen ist, ist allerdings begrenzt.25
Rechtscharakter und Zinsgestaltung
Die Einlagen, die die Geschäftspartner hereinnehmen, haben eine festgesetzte Laufzeit (Termineinlage) und einen festgesetzten Zinssatz. Allerdings sind die Einlagen nicht mit Sicherheiten seitens der nationalen Zentralbanken unterlegt.26
Die Verzinsung wird nach der Eurozinsmethode27 (act/360) berechnet und am Ende der Laufzeit gezahlt.28
4. Feinsteuerungsoperationen: Verfahren und Bestimmungen
Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) muss all seine Offenmarktgeschäfte ausreichend mit Sicherheiten unterlegen. Diese refinanzierungsfähigen Sicherheiten werden in zwei Kategorien (Sicherheiten der Kategorie I und Sicherheiten der Kategorie II), jeweils abhängig von ihren Zulassungskriterien, unterschieden.
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1 Vgl. Schmidhuber, Peter M.: Geldpolitik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, in: Sparkasse – Zeitschrift des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, 116. Jahrgang, 1999, Heft 1, S. 12.
2 Vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 310 vom 11.12.2000: Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 31. August 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems, S. 8.
3 Vgl. ebd., S. 8-9.
4 Vgl. Europäische Zentralbank: Durchführung der Geldpolitik, in: Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 88.
5 Vgl. European Central Bank: Monetary policy operations and liquidity conditions in the reserve maintenance period ending on 23 September 2001, in: Monthly Bulletin October 2001, S.13.
6 Vgl. Europäische Zentralbank: Durchführung der Geldpolitik, in: Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 88.
7 Vgl. Europäische Zentralbank: Überblick über den geldpolitischen Handlungsrahmen, in: Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet, September 2006, S. 9.
8 Vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 310 vom 11.12.2000: Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 31. August 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems, S. 13-18.
9 Vgl. Europäische Zentralbank: Durchführung der Geldpolitik, in: Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 89.
10 Vgl. ebd., S. 89.
11 Vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 310 vom 11.12.2000: Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 31. August 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems, S. 14.
12 Vgl. ebd., S. 13.
13 Der Rückkaufpreis entspricht dem Kaufpreis und der für die Laufzeit anfallenden Zinsen.
14 Vgl. Europäische Zentralbank: Durchführung der Geldpolitik, in: Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 89.
15 Vgl. Europäische Zentralbank: Offenmarktgeschäfte, in: Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet, September 2006, S. 18.
16 Vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 310 vom 11.12.2000: Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 31. August 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems, S. 15.
17 Vgl. ebd., S. 15.
18 Vgl. Europäische Zentralbank: Offenmarktgeschäfte, in: Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet, September 2006, S. 18.
19 Vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 310 vom 11.12.2000: Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 31. August 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems, S. 17.
20 Europäische Zentralbank: Durchführung der Geldpolitik, in: Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 89.
21 Vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 310 vom 11.12.2000: Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 31. August 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems, S. 17.
22 Vgl. ebd., S. 17.
23 Vgl. Europäische Zentralbank: Offenmarktgeschäfte, in: Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet, September 2006, S. 19-20.
24 Europäische Zentralbank: Durchführung der Geldpolitik, in: Die Geldpolitik der EZB, 2004, S. 89.
25 Vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 310 vom 11.12.2000: Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 31. August 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems, S. 18.
26 Vgl. ebd., S. 18.
27 Eurozinsmethode: „Zinsberechnungsmethode, bei der die Zinsen taggenau berechnet werden, wobei für die Ermittlung des Zinsdivisors das Jahr zu 360 Tagen angenommen wird. Diese Zinsberechnungsmethode wird bei den geldpolitischen Operationen des Eurosystems angewandt.“, Europäische Zentralbank: Glossar, in: Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet, September 2006, S. 88.
28 Vgl. Europäische Zentralbank: Offenmarktgeschäfte, in: Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet, September 2006, S. 21.