Soziale Arbeit mit psychisch kranken Rechtsbrecher:innen im Maßregelvollzug

Eine professionstheoretische Auseinandersetzung


Bachelorarbeit, 2022

45 Seiten, Note: 1,9

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Erklärung

Danksagung

Abstract

1. Einleitung

2. Die Soziale Arbeit als Profession
2.1. Profession - eine Begriffserklärung
2.2. Der professionstheoretische Diskurs
2.2.1. Der Strukturtheoretische Ansatz nach Oevermann
2.2.2. Der Machttheoretische Ansatz nach Abbott
2.3. Strukturmerkmale der professionellen Sozialen Arbeit
2.3.1. Diffuse Allzuständigkeiten
2.3.2. Doppelte Loyalitätsverpflichtung
2.3.3. Geringe Standardisierbarkeit des professionellen Handelns
2.3.4. Arbeitsbeziehung-Koproduktion
2.3.5. Die eigene Person als Arbeitsinstrument
2.3.6. Ethische Grundlagen
2.4. Kritisches Fazit der professionstheoretischen Auseinandersetzung

3. Die forensische Psychiatrie
3.1. Die forensische Psychiatrie - eine Begriffserklärung
3.2. Historische Entwicklung des Maßregelvollzuges
3.3. Rechtliche Grundlagen im föderalen System
3.3.1. Kranke gefährliche Täter:innen -Die psychiatrische Maßregel, § 63 StGB
3.3.2. Suchtmittelmissbrauch - Die Entziehungsmaßregel, § 64 StGB
3.3.3. Einstweilige Unterbringung - § 126a StPO
3.4. Voraussetzungen für die Einweisung in eine forensische Psychiatrie
3.5. Behandlungsziele

4. Soziale Arbeit in der forensischen Psychiatrie
4.1. Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der forensischen Psychiatrie
4.2. Aktuelles Tätigkeitsfeld in der forensischen Psychiatrie
4.3. Casemanagement - eine Methode der Sozialen Arbeit
4.4. Die interprofessionelle Kooperation

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

Abstract

Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit der Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der forensischen Psychiatrie. Die Soziale Arbeit hat erst vor einigen Jahren ein Tätigkeitsfeld in der forensischen Psychiatrie etabliert, daraus resultiert, dass sie zu einem neueren und wenig erforschten Handlungsfeld der Sozialen Arbeit gehört. Ziel dieser Arbeit, ist es anhand herausgearbeiteter Professionalisierungskriterien eine mögliche Professionalisierung der Sozialen Arbeit in der forensischen Psychiatrie aufzuzeigen. Zu Beginn dieser Arbeit wird deshalb eine Professionstheoretische Auseinandersetzung durchgeführt. Anhand ausgewählter

Professionstheorien werden die Merkmale einer professionellen Sozialen Arbeit formuliert und aufgezeigt. Darauf folgt im zweiten Teil dieser Arbeit eine Allgemeine Ausarbeitung von Informationen über die forensische Psychiatrie. Im letzten Teil dieser Arbeit wird dann in Bezug auf die vorherigen Kapitel, die aktuelle sozialarbeiterische Tätigkeit im Maßregelvollzug erläutert und dargestellt. Unter Berücksichtigung der vorher erarbeiteten Merkmale einer professionellen Sozialen Arbeit werden die spezifischen Professionalisierungskriterien für die Soziale Arbeit in der forensischen Psychiatrie herausgearbeitet und anhand der forensischen Fachsozialarbeit eine mögliche Perspektive aufgezeigt

Schlüsselwörter: Soziale Arbeit, Maßregelvollzug, forensische Psychiatrie, Professionstheorien, professionelle Soziale Arbeit, Professionstheoretische Auseinandersetzung

This bachelor thesis deals with the professionalization of social work in forensic psychiatry. Social work has only a few years ago a field of activity in forensic psychiatry, resulting from the fact that it belongs to a newer and little researched field of action of social work. The aim of this thesis is to show a possible professionalization of social work in forensic psychiatry by means of elaborated professionalization criteria. At the beginning of this work, therefore, a profession-theoretical discussion is made. Based on selected professional theories, the characteristics of a professional social work are formulated and pointed out. This is followed in the second part of this thesis by a general elaboration of information about forensic psychiatry. In the last part of this thesis, in reference to the previous chapters, the current social work activity in the forensic psychiatric hospital is explained and presented. Considering the previously elaborated characteristics of professional social work, the specific professionalization criteria for social work in forensic psychiatry will be elaborated and a possible perspective will be shown based on forensic specialist social work.

Keywords: Social work, correctional services, forensic psychiatry, professional theories, professional social work, professional theory debate.

1. Einleitung

Die Behandlung und Sicherung straffälliger gewordenen Menschen mit einer psychischen und/oder suchtspezifischer Störung in der forensischen Psychiatrie ist seit mehreren Jahren in der Bevölkerung, in der Politik und somit auch in den Medien ein zunehmend diskutierte Thematik (Kawamura-Reindl & Schneider, 2015, S. 260). Die forensische Psychiatrie ist die Schnittstelle zwischen Psychiatrie und Strafvollzug. Ziel der forensischen Psychiatrie ist nicht nur die Sicherung von psychisch kranken Straftäter:innen sondern auch die Besserung, welche die Behandlung von beinhaltet. Zum Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit in der forensischen Psychiatrie gehören bisher hauptsächlich sozialadministrative Abklärungen von Leistungen und Kostenfragen. Gleichzeitig arbeiten Sozialarbeiter:innen im Rahmen eines multiprofessionellen Teams, im Bereich der Resozialisierung. Das Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit in der forensischen Psychiatrie ist jedoch noch relativ neu und wenig fachlich spezialisiert. Dementsprechend wird die Umsetzung der Sozialen Arbeit in den forensischen Psychiatrien sehr unterschiedlich gehandhabt (Schmidt- Quernheim, 2018,S. 269). Sowohl der Mangel an Studien und Forschungen als auch fehlende angepasste Arbeitsinstrumente und Methoden führen dazu, dass in der Praxis zurzeit oftmals noch eine eher traditionelle/konservative Soziale Arbeit in der Forensik angeboten wird. Dies bedeutet, dass die Soziale Arbeit mehrheitlich auf eine Funktion reduziert wird, in der sie lediglich Kostenübernahme abklärt oder Nachsorgeplätze für die Patientinnen nach der Entlassung koordiniert (Gorynia, 2005, S. 4). An dieser Stelle wird klar, dass eine Professionalisierung der Sozialen Arbeit im Bereich der forensischen Psychiatrie notwendig ist um den gesellschaftlichen und politischen Forderungen und Ansprüche gerecht zu werden.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die forensische Psychiatrie als Arbeitsgebiet der Sozialen Arbeit vorzustellen, den aktuellen Aufgabenbereich der Sozialen Arbeit in der forensischen Psychiatrie zu beleuchten und ein Professionsverständnis der Sozialen Arbeit in dem Bereich zu erarbeiten. Meine persönliche Motivation und Zielsetzung für diese Thematik, ist es einerseits ausreichende Informationen über die forensische Psychiatrie zu liefern und gleichzeitig auf die bis heute wenig genutzte Möglichkeiten und Chancen der Profession Soziale Arbeit in der forensischen Psychiatrie aufmerksam zu machen. Andererseits sollen in dieser Arbeit Ansätze für die Weiterentwicklung einer professionellen Sozialen Arbeit im Arbeitsfeld der forensischen Psychiatrie ermittelt werden. Dabei werden die Chancen und Grenzen der Sozialen Arbeit beachtet und einbezogen.

Um die Forschungsfragen beantworten zu können, wird die Literaturrecherche als methodisches Vorgehen gewählt. Dabei soll auf die Hypothese eingegangen werden, dass die Soziale Arbeit erst seit einigen Jahren Bestandteil der forensischen Psychiatrie ist und aus dem Grund zu einem der neueren und wenig erforschten Handlungsfelder der Sozialen Arbeit gehört.

Der Ausgangspunkt meiner Untersuchungen liegt zunächst in der Allgemeinen Beschreibung der Sozialen Arbeit als Profession. Dabei wird eine professionstheoretische Auseinandersetzung durchgeführt, die mit einer Begriffserklärung und dem historischen Kontext, der Professionalisierungsdebatte beginnt. Darauffolgen zwei unterschiedliche Professionstheorien. Dabei handelt es sich um den Machttheoretischen Ansatz von Abbott und den Strukturtheoretischen Ansatz von Oevermann. Anhand dieser beiden Professionstheorien sollen in einem weiteren Kapitel die Grundlegenden Merkmale einer professionellen Sozialen Arbeit aufgezeigt und erläutert werden. Abgerundet wird dieser erste Teil der vorliegenden Bachelorarbeit, mit einem kritischen Fazit, welches sich mit den Ergebnissen der professionstheoretischen Auseinandersetzung der Sozialen Arbeit auseinandersetzt.

In einem zweiten Teil dieser Bachelorarbeit, folgt eine Beschreibung des Maßregelvollzuges. Es erfolgt eine Darstellung und Erörterung historischer und juristischer Aspekte. Dabei wird ebenfalls auf die Voraussetzungen für eine Einweisung eingegangen und die Behandlungsziele aufgezeigt.

Der dritte Teil dieser Bachelorarbeit, auf dem das Augenmerk liegen soll, befasst sich mit der Kombination zwischen der Sozialen Arbeit als Profession und der forensischen Psychiatrie. In diesem Teil der Bachelorarbeit wird spezifisch auf die Soziale Arbeit im Maßregelvollzug eingegangen. Dabei wird der Ist-Zustand der Sozialen Arbeit in der forensischen Psychiatrie erläutert und eine dementsprechende Professionalisierung und Spezialisierung in dem Bereich erläutert. Des Weiteren wird die Methode des Casemanagements erläutert, die eine Methode der Sozialen Arbeit in der forensischen Psychiatrie darstellen soll. In einem Abschließenden Fazit, werden die Ergebnisse zusammengefasst und aufgezeigt.

2. Die Soziale Arbeit als Profession

Die Geschichte der Sozialen Arbeit reicht von der Armenpflege und Fürsorge bis hin zur der heutigen Sozialen Arbeit. Die Soziale Arbeit blickt auf eine langjährige Professionalisierungsdebatte zurück, wobei bis heute die Frage, ob die Soziale Arbeit als Beruf oder als Profession gilt, unbeantwortet bleibt (Schilling & Klus, 2018, S. 93). Dabei orientiert sich die Soziale Arbeit in der ersten Aufbruchsphase dieser Debatte, ähnlich wie andere Berufsgruppen aus dem Gesundheitsbereich an den grundlegenden Merkmalen des klassischen Professionsmodells. Die unterschiedlichen Berufsgruppen aus dem Gesundheitsbereich erfüllen gemeinnützige Funktionen in sensiblen Lebenssituationen, in denen mangelhafte Qualität der Arbeit, gravierende Folgen für die betroffenen Klient:innen haben kann. Dies resultierte in den Professionalisierungsbedarf dieser Berufe sowie die Forderung einer akademischen Ausbildungsmöglichkeit im Fachbereich Soziale Arbeit (Hochuli Freund & Stolz, 2021, S. 42).

Der erste Teil dieser Bachelorarbeit befasst sich mit der professionstheoretischen Auseinandersetzung der Sozialen Arbeit. Dazu wird zuerst der Begriff „Profession“ allgemein definiert und dessen Abgrenzung zur Disziplin aufgezeigt. Darauffolgt die Geschichte der Professionalisierungsdebatte der Sozialen Arbeit für ein erstes Verständnis zur Problematik der Professionalisierung der Sozialen Arbeit. Auf die Professionalisierungsdebatte folgt dann eine tiefgreifende Aufspaltung der Professionalisierung in zwei verschiedene Ansätze. Zum einen wird das strukturbezogene Professionsmodell von Overmann erläutert und zum anderen das machttheoretische Professionsmodell von Abbott, um das Professionsverständnis dieser Arbeit zu definieren. Anhand dieser professionstheoretischen Ansätze werden die zu kennzeichnenden Merkmale der professionellen Sozialen Arbeit aufgezeigt.

Um das erste Kapitel dieser Arbeit abzuschließen, wird in einem kritischen Fazit Bezug auf die Kernfrage der Professionalisierung der Sozialen Arbeit genommen und die Ergebnisse der professionstheoretischen Auseinandersetzung zusammengefasst.

2.1. Profession - eine Begriffserklärung

Fuchs-Heinritz (2011) definiert den Begriff „Profession“ als „für die Gesellschaft relevanter Dienstleistungsberuf mit hohem Prestige und Einkommen, der hochgradig spezialisiertes und systematisiertes, nur im Laufe langer Ausbildung erwerbbares technisches und/oder institutionelles Wissen relativ autonom und kollektivitätsorientiert anwendet (z.B. Arzt/Richter)“ (Fuchs-Heinritz et al., 2011, S. 532). Diese Begriffsbeschreibung ist jedoch sehr ungenau und wird in dementsprechend in der Literatur diskutiert.

Unter dem Begriff „Profession“ wird nach aktuellen definitionsstand für die Soziale Arbeit, eine Spezialisierung und Verwissenschaftlichung von bestimmten Methoden und Handlungsvollzügen verstanden. Eine Verwissenschaftlichung zu einer höheren Qualifizierung der Sozialarbeiter:innen ist somit erforderlich, um die Spezialisierung und die Anforderungen an das berufliche Fachwissen sowie die einhergehenden Handlungsanforderungen an die Berufsgruppe zu erreichen. Des weiteren gehört zu einer Profession, die Schaffung von Berufsverbänden oder Berufskammern, welche besondere Verhaltensregeln in Form von berufsethische Normen definieren, sowie deren Einhaltung kontrollieren. Gleichzeitig bemühen sich Berufsverbände um Leistungssteigerungen als auch für die Berufsautonomie mit dem Ziel, das Prestige und das Einkommen der Berufstätigen zu verbessern (Knoll, 2010, S. 80-81).

Professionen unterliegen im Gegensatz zur sogenannten Disziplin der Sozialen Arbeit, einem Handlungs- und Entscheidungszwang, welcher durch die Wissenssysteme verschiedener Disziplinen wie beispielsweise der Sozialwissenschaften gesteuert wird. Disziplinen sind im Gegensatz zu Professionen keine Handlungssysteme, sondern Wissenssysteme, auf welche sich eine Profession fundiert. Disziplinen unterliegen einem Begründungs- und Rechtfertigungszwang. Während Disziplinen die Zieldimension der Richtigkeit beziehungsweise Wahrheit und Widerspruchslosigkeit verfolgen, verfolgt die Profession das Referenzkriterium der Wirksamkeit (Knoll, 2010, S. 81).

Hinzuzufügen ist, dass die Systeme in keinem hierarchischen Verhältnis zueinanderstehen. Sie ergänzen sich und aus ihren Differenzen ergeben sich entscheidende Fragen und Antworten für das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Praxis (Von Spiegel, 2013, S. 36).

2.2. Der professionstheoretische Diskurs

Die Professionalisierungsdebatte innerhalb der Sozialen Arbeit, setzt sich bereits seit Mitte des 20. Jahrhundert mit den Fragen, ob die Soziale Arbeit nun eine Profession ist, welche Bedingungen und Anforderungen zu erfüllen sind damit die Soziale Arbeit eine Profession ist und was professionelle Handlungskompetenzen in der Sozialen Arbeit ausmacht, auseinander (Wendt, 2008, S.77). Seit 1970 bis zum heutigen Tag wird im deutschsprachigen Raum eine fachliche Diskussion über die Professionalisierung der Sozialen Arbeit geführt, welche sich mit den Rahmenbedingungen, Chancen, Möglichkeiten und Grenzen der Professionalisierung befasst. In den 70er Jahren war die Soziale Arbeit noch nicht so etabliert und verbreitet. Primär wird in der Debatte um die Professionalisierung der Sozialen Arbeit um einen Zugewinn an beruflicher Autonomie diskutiert, die über eine wissenschaftliche Fundierung des beruflichen Wissens und Könnens der Fachkräfte vermittelt wird. Mit der Professionalisierung eines Berufes bildet sich eine Autonomie, welche der Fachkraft einen größeren Freiraum an Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten gewährt ohne externen Druck (Galuske, 2013, S. 125). Hinsichtlich der ersten Phase der Professionalisierungsdebatte im Jahre 1970, lässt sich zusammenfassen, dass die Diskussion primär von Statusinteresse getragen wurde und durch den Vergleich mit den klassischen Professionen, wie beispielsweise aus dem Fachbereich der klassischen Medizin gekennzeichnet war. Des Weiteren war diese Diskussion vom Glauben geprägt, dass mittels wissenschaftlicher Erkenntnisse und Verwissenschaftlichung der Ausbildung ein vergleichbar hohes Maß an sozialtechnologischer Effizienz und Effektivität zu erreichen, wie die anderen Professionen sie zu scheinen haben. Offen blieb die Frage nach der Methodik der Sozialen Arbeit, was die Grundlage des spezifischen professionellen Wissenssystem anging. Die zweite Phase der Professionalisierungsdebatte wurde geprägt durch die Auseinandersetzung um die Frage der Handlungskompetenzen in der Sozialen Arbeit. Diese setzte sich mit den drei klassischen sozialarbeiterischen Methoden der Einzelfallhilfe, der Gruppenarbeit und der Gemeinwesenarbeit auseinander. Die Debatte blieb jedoch aufgrund der mangelnden sozialwissenschaftlichen Fundierungen der Methoden erstmals weitgehend ohne Konsequenzen (Galuske, 2013, S. 130­133).

Nachfolgend wird anhand des strukturtheoretischen Ansatzes nach Overmann das Professionsverständnis dieser Arbeit erläutert. Sein Professionstheoretischer Ansatz war für die Soziale Arbeit wegweisend und gibt Aufschluss über den Professionalisierungsgrad sowie über die prinzipielle Professionalisierbarkeit der Sozialen Arbeit. Anschließend wird Overmanns Perspektive vom Machttheoretischen Ansatz von Abbott ergänzt.

2.2.1. Der Strukturtheoretische Ansatz nach Oevermann

Der Soziologe Ulrich Oevermann hat den neueren theoretischen Diskurs zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit entscheidend mitgeprägt. Seine Hauptwerke beziehen sich auf Strukturlogiken und die Grundprobleme von professionalisiertem Handeln sowie auf die These der Professionalisierungsbedürftigkeit der Sozialen Arbeit und die daran anknüpfende Wichtigkeit der Habitualisierung für das professionelle Handeln (Oehler, 2017, S. 70).

Der zentrale Aspekt der Professionstheorie Overmanns besteht darin, eine idealtypische Struktur von professionellem Handeln im Hinblick auf die zu bearbeitenden Probleme und Krisen der Adressat:innen, zu definieren. Overmann verbindet damit eine prinzipielle Professionalisierungsbedürftigkeit der Sozialen Arbeit. Für ihn ist berufliches Handeln in der Sozialen Arbeit professionalisierungsbedürftig, wenn es systematisch auf die laut Definition, Bewältigung einer Krise gerichtet ist. Die Funktion professionellen Handelns liegt nach Overmann in der stellvertretenden Krisenbewältigung, welche zum ersten Strukturmerkmal, der Nicht­Standardisierbarkeit führt. Um die gesellschaftliche Funktion der stellvertretenden Krisenbewältigung erfüllen zu können, brauchen Expert:innen eine fachspezifische Kompetenz. Damit meint er, dass die unterschiedlichen Professionen auf der einen Seite über ein fachspezifisches Wissen, Methoden, Allgemeinwissen und Methodologien verfügen müssen und auf der anderen Seite brauchen Expert:innen eine interventionspraktische Kompetenz, die es ihnen ermöglicht, das erlangte Fachwissen fallspezifisch anzuwenden. Diese beiden Kompetenzen stehen jedoch in einem Wiederspruch, da Handlungssituationen in der Sozialen Arbeit nicht mittels Routinen bearbeitet werden können, da sie nicht standardisierbar sind und nicht verallgemeinert werden können. Für eine stellvertretende Krisenbewältigung ist der Bezug des allgemeinen Wissens auf einen spezifischen Fall notwendig. Dieses allgemeine Wissen beinhaltet theoretisches sowie empirisches Wissen und Verfahrenswissen. Das professionelle Wissen ist eine grundlegende Ressource eines:einer Sozialarbeiter:in, die zu einer wissensgestützten professionellen Fallbeurteilung führt und somit über eine bestimmte Interventionsform entschieden werden kann (Oehler, 2017, S. 70-72). Ein weiteres Strukturmerkmal, ist die Autonomie der Expert:innen. Da die Handlungssituationen, wie oben schon erwähnt, nicht standardisierbar sind, ist es notwendig dass die Expert:innen ihre Entscheidungen autonom auf Basis ihrer individuellen Einschätzung treffen können. Das treffen eigener Entscheidungen führt dazu, dass Expert:innen ihr Handeln mittels Reflexivität so kontrollieren, dass sie aus gewonnenen Erkenntnissen ihr Wissen weiterentwickeln können (Oehler, 2017, S. 77). Ein weiteres Strukturmerkmal aus Oevermanns Theorie, ist das besondere Arbeitsbündnis in der Sozialen Arbeit zwischen Sozialarbeiter:innen und den Adressat:innen. Die Krisenbewältigung und somit die Herstellung eines Arbeitsbündnisses wird in dem Strukturmerkmal als besonders schwierig erachtet, wenn die Intervention nicht auf freiwilliger Basis der:die Adressat:innen stattfindet sondern aufgrund gesetzlicher oder struktureller Vorgaben erfolgt wie in Bezug auf die forensische Psychiatrie, in der die Patient:innen sich oftmals nicht befinden. Mit der Fehlenden Freiwilligkeit der:die Adressat:innen, kommt Oevermann in seiner Professionstheorie zum Ergebnis, dass es sich bei der Sozialen Arbeit um eine Semi-Profession handelt.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Soziale Arbeit sich durch einen Subjekt- und Strukturbezug auszeichnet. Das heißt, dass in Interventions- und Unterstützungsprozessen, sowie in den davor stattgefundenen Analyseprozessen der jeweiligen Lebenssituation der:die Adressat:innen, subjektive Aspekte wie zum Beispiel Bedürfnisse, Ressourcen, Schwierigkeiten ebenso beachtet werden müssen wie die individuelle Beeinflussbarkeit von Strukturen. Des weitern sind Krisenbewältigungen und Unterstützungsprozesse nicht standardisierbar, aufgrund den individuellen und unterschiedlichen Lebenssituationen und/oder Problemlagen eines:einer Adressat:in (Kawamura-Reindl & Schneider, 2015, S. 17).

2.2.2. Der Machttheoretische Ansatz nach Abbott

Der Soziologe Andrew Abbots veröffentlichte 1988 sein Hauptwerk „The System of Professions“ zur Professionstheorie. Abbots Betrachtungsweise auf Professionen, zeichnet sich durch eine sozialökologische und kulturelle Betrachtungsweise aus. Er macht Professionen nicht an bestimmten Strukturmerkmalen fest, sondern an einer besonderen Form von Arbeit, der erkämpften Zuständigkeiten und gleichzeitige Kontrolle einer Berufsgruppe und ihre Kontrolle über ein festgelegtes Arbeitsgebiet (Oehler,2017, S. 98).

Abbott (2010) schreibt in seinem Buch „Berufe existieren meiner Ansicht nach, weil es sich um Gruppen handelt, die es schaffen, Zuständigkeit und Kontrolle über ein Arbeitsgebiet zu erlangen. Die strukturelle Form, die sie annehmen, wird von der Notwendigkeit einer Zuständigkeitskontrolle bestimmt, nicht umgekehrt „(Abbott, 2010, S. 16).

Demnach fokussiert sich Abbotts Forschungsinteresse in seiner Professionstheorie auf drei verschiedene Punkte. Als erster Punkt ist die Arbeit als „professional work“ zu benennen, die Professionen in einem bestimmten und definierten Arbeitsbereich leisten. Als zweiter Punkt benennt Abbott die „jurisdiction“, also der beanspruchte Zuständigkeitsbereich einer Profession. Als letzter Punkt die „Competition“, weil er davon ausgeht, dass Konflikte zwischen unterschiedlichen Professionen/Berufsgruppen sowie Konkurrenzkämpfe entstehen können. In Bezug auf die forensische Psychiatrie kann dabei das multiprofessionelle Team in Betracht gezogen werden, wobei es zu Aufgaben und Zuständigkeits Konflikten kommen kann. Abbott versteht Professionen also als Teil eines miteinander interagierenden Systems von verschiedenen Professionen und unterschiedlich fachlich spezialisierter Arbeitsteilung (Oehler, 2017, S.99).

Abbott lenkt die Aufmerksamkeit in seiner Professionstheorie auf zwei weitere Aspekte. Er benennt diese als kulturelle und strukturelle Aspekte von Zuständigkeit. Der kulturelle Aspekt umfasst die Ausarbeitung und Festlegung von Arbeitsgebieten sowie die Verteidigung dieser Bereiche gegen Konkurrenzversuche anderer Berufsgruppen. Der (sozial-) strukturelle Aspekt bezieht sich auf die Etablierung einer bestimmten Struktur, wie zum Beispiel die Ausbildung und/oder Zulassungskriterien der Arbeitnehmer:innen. Des Weiteren bezieht sich dieser Aspekt auf den Aufbau und die Organisation einer sozialen Einrichtung (Oehler, 2017, S. 100).

Nach dem machttheoretischen Professionsverständnis stellt sich die Frage, wie die Soziale Arbeit aus ihrer schwachen Machtposition herauskommt, um für die gesellschaftlich relevanten sozialen Arbeitsbereiche ein Zuständigkeitsbereich zu etablieren. Abbott versteht die Entwicklung einer Profession als einen unabhängigen, systematischen Prozess. Der Prozess, Zuständigkeitsbereiche festzulegen und zu erlangen, ist dynamisch und bringt verschiedene Berufe in Konflikt. Nach Abbott wird die Historie einer Profession durch den Wettbewerb der Zuständigkeiten gekennzeichnet. Dabei zählen der Staat, die Öffentlichkeit und der Arbeitsplatz als die drei zentralen Umweltfaktoren einer Profession. Die Möglichkeit, eine Zuständigkeit zu erlangen und zu kontrollieren besteht nur wenn eine Berufsgruppe über eine Problemlösung verfüg und diese umsetzen kann. Als kompetente Problemlösung in der Sozialen Arbeit, ist eine interprofessionelle Erstellung einer sozialen Diagnose, darauf bezogene Schlussfolgerungen und schließlich die Behandlung dieser, zu verstehen. Dieser dreiphasiger Problemlösungsprozess ist wissensbezogen und nicht standardisiert. Als Beispiel könnte der Hilfeplanprozess herangezogen werden. Der Kern dieses Prozesses ist für Abbott die soziale Diagnose und bildet somit den Kern der professionellen Rationalität. Dieser macht gleichzeitig die kognitive Struktur des Anspruchs auf die Zuständigkeit aus. Der Arbeitsplatz gilt in Abbotts Theorie als der Platz, an dem kompetente Problemlösung angewendet wird (Nadai et al, 2005, S. 31-33).

Gleichzeitig gilt das Ansehen akademischen Wissens als eine zentrale Machtquelle einer Profession. In der Sozialen Arbeit ist die Funktion des Wissens auf der Ebene der Legitimation zu verstehen und nicht auf der Ebene der konkreten Anwendung. Folglich geht es innerhalb der Sozialen Arbeit darum, auf Politischer Ebene Einfluss zu nehmen, da diese Entscheidungen existentiell für die Ressourcenzuteilung der Profession sind (Oehler, 2017, S. 101).

Zusammenfassend lässt sich über die Soziale Arbeit sagen, dass die Chance, eine Zuständigkeit zu erlangen und zu institutionalisieren, nur dann besteht, wenn sie über eine kompetente Problemlösung verfügt und diese umsetzen kann. Kritisch ist beim machttheoretischen Ansatz jedoch zu vermerken, dass wenn nur der Machtkampf um Zuständigkeiten zwischen den Professionen im Mittelpunkt steht, Kooperationen verhindert werden könnten. Die Machtkämpfe müssen also Nebensache in der interdisziplinären Zusammenarbeit sein, so dass die Kernfunktionen der Profession weiterhin ausgeführt werden können (Oehler, 2012, S. 98-101).

2.3. Strukturmerkmale der professionellen Sozialen Arbeit

Ausgangspunkt für die Benennung der grundlegenden Merkmale einer professionellen Sozialen Arbeit sind die verschiedenen professionstheoretischen Ansätze welche den Schwerpunkt auf unterschiedliche Strukturmerkmale der der Sozialen Arbeit als Profession legen. Zu Beantwortung dieser Frage, kann auf vielfältige unterschiedliche Professionstheorien eingegangen werden, welches zu umfassend für den Rahmen dieser Bachelorarbeit wäre und daher eine Beschränkung auf 2 Grundlegende Professionstheorien erforderte. Zu den professionstheoretischen Ansätzen der Sozialen Arbeit gehören neben den beiden erläuterten Ansätzen, der Merkmalsorientierte Ansatz, der Funktionalistische Ansatz, der Systemtheoretische Ansatz, der Reflexive Professionsansatz und die Habitualisierung (Knoll, 2010, S. 87-103).

Nachfolgend werden die Strukturmerkmale und Strukturprobleme einer allgemeinen professionellen Sozialen Arbeit nach Hochuli-Freund und Stotz erläutert. Zum Schluss folgt dann ein kritisches Fazit der professionstheoretischen Auseinandersetzung.

2.3.1. Diffuse Allzuständigkeiten

In Bezug auf Zuständigkeit und Spezialisierung unterscheidet sich die Soziale Arbeit also deutlich von anderen Professionen. Eine klassische Profession zeichnet sich, wie vorher bereits im Machttheoretischen Ansatz nach Abbott (Kapitel 2.2.2.) erwähnt, durch ihren Zuständigkeitsbereich aus, wie beispielsweise im Fachbereich der Medizin. Der:Die Mediziner:in ist Zuständig für den menschlichen Körper, für seine Gesundheit und deren Gefährdung. Somit hat dieser Fachbereich ein Monopol der Zuständigkeiten und Leistungen definiert und kann sie vergleichsweise zur Sozialen Arbeit klar eingrenzen. Die Soziale Arbeit kümmert sich um die Probleme in diversen sozialen Lebenssituationen, welche in der Regel sehr komplex und oftmals diffus sind (Hochuli Freund & Stotz, .2021, S.48). Die konkrete Problemstellung und der Zuständigkeitsbereich der Sozialen Arbeit ist dabei nur schwer einzugrenzen, denn alles, was das Alltagsleben an Problemen mit sich bringt, kann potenziell zum Gegenstand sozialarbeiterischer Unterstützungsarbeit werden. Der in diesem Zusammenhang benutzte Begriff der Allzuständigkeiten bezieht sich auf die enorme Bandbreite von Problemen, die zum Gegenstand der Sozialen Arbeit werden könnten. Die Soziale Arbeit wird durch die Fehlende Zuordnung des Zuständigkeitsbereiches als diese diffuse Allzuständigkeit gekennzeichnet. Diffuse Allzuständigkeit ist nach Abbott in mehrfacher Hinsicht problematisch für die Professionalisierung der Sozialen Arbeit, weil es durch die Heterogenität der Arbeitsfelder schwierig ist, einen Zuständigkeitsmonopol zu erlangen. Dies resultiert als Konsequenz in einem fehlenden Grad an Spezialisierung für eine Professionalisierung der Sozialen Arbeit. Es gilt für die Soziale Arbeit ihre Funktion innerhalb des organisationalen Kontextes festzulegen und den Gegenstand der Problembearbeitung eines Falles im situativen Kontext mit dem:der Klient:in zu präzisieren. Der doppelte Fokus der Problembearbeitung führt zur Ungewissheit und die professionelle Soziale Arbeit muss in der Lage sein mit dieser Ungewissheit umgehen zu können und den Gegenstand einer Problembearbeitung zu definieren. Dabei ist es notwendig Interventionsmöglichkeiten und die eigenen Zuständigkeiten festzulegen. Der Umgang mit dieser Ungewissheit zählt hierbei zu einem wesentlichen Kernelement einer professionellen Sozialen Arbeit. Eine weitere Schwierigkeit im Zusammenhang mit der diffusen Allzuständigkeit bildet das unklare gesellschaftliche Mandat, welches tendenziell zu einer eher geringen gesellschaftlichen Anerkennung der Sozialen Arbeit als Profession führt (Hochuli Freund & Stotz, .2021, S. 48-51).

Zusammengefasst, wird das Merkmal der diffusen Allzuständigkeit bei komplexen Problemlagen durch die geringe Spezialisierung, fehlende Monopolisierung der Zuständigkeitsbereiche und eine systematische unklare und nicht eingrenzbare Zuständigkeit der Sozialen Arbeit. Dies ist konstitutiv für die Soziale Arbeit.

2.3.2. Doppelte Loyalitätsverpflichtung

Die Soziale Arbeit ist gekennzeichnet durch eine starke Abhängigkeit von staatlicher Steuerung und direkter Einbindung in bürokratischen Organisationen, dies umfasst, dass die Soziale Arbeit einerseits im administrativ-rechtspflegerischen Bereich sozialer Kontrolle sowie sozialpolitischer Interventionen agiert und gleichzeitig orientiert sie sich im Bereich der Beratung, Bildung und Begleitung von individuellen Problemlagen. Dies führt zu widersprüchlichen Handlungslogiken, denn die professionelle Beratung und Unterstützung folgt einer anderen Logik und Rationalität als bürokratische Handeln. Das professionelle Handeln in der Sozialen Arbeit wird durch die Orientierung nach individuellen Bedürfnissen eines Menschen gekennzeichnet und braucht Freiraum für flexible, individuelle Lösungsansätze.

Im Bereich der Bürokratie, also der administrativ-rechtspflegerischen Seite, gilt es die standardisierten und normierten Rechtsgrundlagen zu gewährleisten. Die Soziale Arbeit unterliegt gleichzeitig zwei verschiedenen Handlungslogiken. Dieser strukturelle Paradox hinsichtlich der unterschiedlichen Handlungslogiken führt dazu, dass die Soziale Arbeit Träger eines doppelten Mandates ist indem sie einerseits der Bearbeitung der individuellen Anliegen und Interessen des Klientel entgegenkommt und andererseits gegenüber des Staates verpflichtet sind. Dabei wird die Art der Unterstützung von der Gesellschaft definiert, welche die Soziale Arbeit erbringen soll. Gleichzeitig wird eine Kontrolle der individuellen Hilfeleistungen von ihnen erwartet. Die Soziale Arbeit ist abhängig von der staatlichen Finanzierung und agiert in einem weit verzweigten Sozialrecht (Hochuli Freund & Strotz, 2021, S. 51-54). Schwander (2009, S. 23) schreibt in seinem Buch „Der Staat braucht die Soziale Arbeit, die Soziale Arbeit braucht den Staat und ist oft selbst staatliches Handeln.“ Schwander beschreibt mit dieser Aussage die Abhängigkeit und der Zusammenhang vom Sozialstaat und der Sozialen Arbeit, denn der Sozialstaat hat die Zielsetzung die soziale Sicherheit und Gerechtigkeit zu bewahren und/oder wiederherzustellen. Die Sozialpolitik hat erkannt, dass dieses Gelingen und der Schutz vor den Folgen sozialer Risiken durchzunehmende Soziale Dienstleistungen geschehen. In Deutschland basiert die soziale Sicherung auf dem Sozialrecht (Hochuli Freund & Strotz, 2021, S. 77).

In Bezug auf Overmanns Professionstheorie (Kapitel 2.3.1.), wird der Wiederspruch der Loyalitätsverpflichtung gegenüber dem Staat und gleichzeitig der Gesellschaft, als konstitutives Merkmal der Professionellen Sozialen Arbeit verstanden. Das doppelte Mandat von Hilfe und Kontrolle erfordert ein reflexiver Umgang in der Praxis und eine Integration der doppelten Orientierung in das Professionsverständnis. Die fallbezogene Reflexion des Wiederspruches ist eine Anforderung an die Fachkräfte der Sozialen Arbeit und ist gleichzeitig ein Qualitätsmerkmal einer Profession. Auf der Handlungsebene gilt es die Widersprüchlichkeiten zu erfassen, zu klären und diese kritisch zu beurteilen dabei wird das wissensgestützte. Fallverstehen als Grundlage für einen gelingenden Umgang mit dem Merkmal des doppelten Mandates betrachtet (Hochuli Freund & Strotz, 2021, S. 53).

2.3.3. Geringe Standardisierbarkeit des professionellen Handelns

Gekennzeichnet wird sie Soziale Arbeit durch die Unterstützung von Menschen bei Problemen der Lebensbewältigung und der sozialen Integration. Die Unterstützungs- und Bearbeitungsmöglichkeiten dieser Probleme stellen ein weiteres Strukturmerkmal Sozialer Arbeit dar. Soziale Probleme sind nicht so einfach zu handhaben, wie beispielsweise technische Probleme denn diese haben meist standardisierte Lösungsansätze wie bei einem spezifischen Problem wird durch ein definiertes Verfahren eine bestimmte Wirkung erzielt. Soziale Probleme können nicht so durch ein Standardisiertes Verfahren gelöst werden denn soziale Probleme sind komplexer, unvorhersehbar und ganz individuell. Somit verfügt die Soziale Arbeit über keine wirkungsvollen Technologien, mit denen standardisierte Lösungsansätze verfolgt werden können. (Hochuli Freund & Strotz, 2021, S. 54). Dieser Umstand wird von Lumann und Schorr (1982, S. 14) als ein „strukturell Begründetes Technologiedefizit“ definiert welches ein weiteres Merkmal der professionellen Sozialen Arbeit darstellt.

Overmann gewichtet die Nicht-Standardisierbarkeit des professionellen Handelns der Sozialen Arbeit in seinem professionstheoretischen Ansatz besonders und betont, dass die Problemlösekompetenz der Sozialen Arbeit nach keiner Herstellungslogik erfolgen kann. Das Theoriewissen in Verbindung mit dem fallbezogenen Wissen setzt die praktische Umsetzung voraus. Die geringe Standardisierbarkeit des professionellen Handelns in der Sozialen Arbeit ist ein weiteres Strukturmerkmal und daraus wird die Notwendigkeit eines methodisch strukturierten Vorgehens begründet (Huchuli Freund & Strotz, 2021, S. 56).

2.3.4. Arbeitsbeziehung-Koproduktion

Die Soziale Arbeit wird im Rahmen der Sozialpolitik als eine soziale Dienstleistung verstanden und kann zwischen sachbezogene und personenbezogene Dienstleistungen unterscheidet werden. Die personenbezogene Dienstleistung macht jedoch den Hauptteil der Sozialen Arbeit aus und bezieht sich beispielsweise auf die Beratung, Betreuung und Unterstützungen von psychisch kranken Rechtsbrecher:inen. Für eine Personenbezogene Dienstleistung ist charakteristisch, dass Prozesse und Ergebnisse gleichzeitig produziert und konsumiert werden. Dabei entsteht das Uno-actu- Prinzip, welches den:die Sozialarbeiter:in als Produzent bezeichnet und gleichzeitig agiert der:die Klient:in als Konsument:in. Die Tatsache, dass ohne Mitwirkung des Betroffenen keine Dienstleistung erbracht werden kann, bekommt der Klient den Status eines:einer Ko-Produzent:in. Die Beteiligung einer hilfesuchenden Person an einer sogenannten Kooperation ist deswegen in der Sozialen Arbeit unverzichtbar. Die personenbezogene Dienstleistung kann nur in einem dialogischen Verständnisprozess gemeinsam von einem:einer Sozialarbeiter:in und einem:einer Klient:in erbracht werden. Jedoch wenn der:die Klient:in sich nicht an dieser Art von Kooperation beteiligen, ist es wichtig dass von Seiten der:die zuständige:r Sozialarbeite:in, die Kooperation gewollt und gesucht wird. Dies kennzeichnet eine professionelle Grundhaltung in der Sozialen Arbeit (Huchuli Freund & Strotz, 2021, S. 57).

Diesen Aspekt der Grundhaltung ist übertragbar auf die soziale Arbeit in der forensischen Psychiatrie, denn diese Menschen sind gezwungenermaßen und meist unfreiwillig dort. Es muss also eine Kooperation unter Zwang stattfinden, dabei ist es wichtig auf den:die Klient:in einzugehen und eine Vertrauensbasis herzustellen damit eine Kooperation und eine Arbeitsbeziehung stattfinden kann. Nach Overmann ist die Fähigkeit jemanden für sich zu gewinnen und somit eine Arbeitsbeziehung zu erzeugen eine wichtige Professionskompetenz. Dabei wird eine strukturelle Asymmetrie des Arbeitsbündnisses sichtbar, weil der:die Sozialarbeiter:in aufgrund des doppelten Mandates und ihrem Wissensvorsprung in einer höheren Machtposition steht und somit entsteht eine gewisse Hierarchie im Arbeitsbündnis. Um die Asymmetrie zu reduzieren, ist es wichtig dass der:die Sozialarbeiter:in versteht dass seine:ihre Realität des Falls anders aussieht als die Realität des betroffenen Menschen (Huchuli Freund & Strotz, 2021, S. 56-60).

2.3.5. Die eigene Person als Arbeitsinstrument

Das nächste Merkmal der professionellen Sozialen Arbeit konzentriert sich auf die Beteiligung der:die Sozialarbeiter:in als ganze Person, welche einen Prozess maßgeblich verändern kann. Das professionelle Handeln in der Sozialen Arbeit bezieht sich also aus dieser Perspektive nicht nur auf das methodische Handeln, sondern der:die Sozialarbeiter:in stellt in seiner:ihrer Person, in seinem:ihrem Handeln und seiner:ihrer Interaktion mit der:die hilfesuchende:n Person eine Einheit aus Theorie und Praxis. Das heißt, dass er:sie das institutionelle Angebot verkörpert und dadurch eine Arbeitsbeziehung beeinflusst. Zudem wird das die Arbeitsbeziehung durch das fachliche Wissen und dessen Persönlichkeitsstruktur beeinflusst. Es ist wichtig dass der:die Sozialarbeiter:in sich dessen bewusst ist, dass sie in dem Unterstützungsprozess als ganze Person involviert ist und diese reflektieren können. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion ist somit ein weiteres Kernelement der professionellen Sozialen Arbeit und wird vorausgesetzt um methodische Prinzipien angemessen anwenden und begründen zu können (Huchuli Freund & Strotz, 2021, S. 60-62).

2.3.6. Ethische Grundlagen

Ein weiteres Merkmal der professionellen Sozialen Arbeit ist es über einen Berufsethos zu verfügen, welche moralisch begründete Verhaltenslinien einer Profession entwickeln und auf die in Krisensituationen zurück zu greifen sind. In Deutschland wurden die berufsethischen Prinzipien vom deutschen Berufsverband der Sozialen Arbeit e.V. (DBSH) entwickelt. Zu den Grundwerten der Sozialen Arbeit gehören die Menschenrechte und die Menschenwürde so wie auch die soziale Gerechtigkeit. Die Einhaltung der Grundsätze der Gleichstellung, der Selbstbestimmung, der Partizipation, der Integration und der Ermächtigung sind weitere ethische Merkmale, welche eine professionelle Soziale Arbeit ausmachen. Es handelt sich hierbei um die Basis für eine ethische begründete Praxis in der Sozialen Arbeit (Huchuli Freund & Strotz, 2021, S. 64-71).

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Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Soziale Arbeit mit psychisch kranken Rechtsbrecher:innen im Maßregelvollzug
Untertitel
Eine professionstheoretische Auseinandersetzung
Note
1,9
Jahr
2022
Seiten
45
Katalognummer
V1324314
ISBN (Buch)
9783346808059
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Profession Professionstheorien Soziale Arbeit Psychologie, Maßregelvollzug, Forensische Psychiatrie, Soziale Arbeit, Forensische Nachsorge, Professionstheorien, Soziale Arbeit als Profession, Psychisch kranke Straftäter:innen
Arbeit zitieren
Anonym, 2022, Soziale Arbeit mit psychisch kranken Rechtsbrecher:innen im Maßregelvollzug, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1324314

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