Rationalität und Sucht


Seminararbeit, 2009

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

2 EINFÜHRUNGEN
2.1 RATIONAL CHOICE THEORIE
2.2 SPIELTHEORIE
2.3 GEFANGENENDILEMMA

3 THEORIE DER INTERNEN SPIELE
3.1 INTERNE GEFANGENENDILEMMATA
3.2 THE USE OF INTERNAL GAMES: THE CASE OF ADDICTION
3.3 KRITIK AN THE USE OF INTERNAL GAMES: THE CASE OF ADDICTION
3.4 ALTERNATIVE ANSÄTZE ZUR ERKLÄRUNG VON SUCHT
3.4.1 Innerhalb der Spieltheorie
3.4.2 Unvollständige Rationalität und Selbstbindung
3.4.3 Ein Sozio-ökonomischer Ansatz

4 FAZIT UND KONSEQUENZEN FÜR DIE DROGENPOLITIK

QUELLEN

1 EINLEITUNG

Die Bedeutung von Sucht für individuelle Entscheidungen spielt in den Untersuchungen zu ratio-nalem Verhalten eine immer wichtigere Rolle – Sucht stellt einen Ausnahmefall dar, der bisher nicht empirisch erklärt werden konnte. Entscheidungen von Individuen, die nicht nach scheinbar rationalen Mustern handeln, sondern für außenstehende irrationale Dinge tun, untergraben teil-und verständlicherweise grundlegende Annahmen der Rational Choice Theorie.

Doch wie lassen sich diese unverständlichen Entscheidungen empirisch untersuchen? Welche Ansätze sollten zu Erklärung von Verhalten unter Suchteinfluss herangezogen werden? Ist die Spieltheorie mit ihren internen Spielen hier auf dem richtigen Weg? Und können Wirtschaftswis-senschaftler mit ihrem Instrumentarium tiefenpsychologische, unterbewusste individuelle suchtgesteuerte Verhaltensmuster überhaupt nachvollziehen, geschweige denn Erklären oder Vorhersagen?

Der deutsche Ökonom Prof. Dr. Björn Frank hat hierzu einen maßgeblichen Aufsatz verfasst. The use of internal Games: The case of addiction versucht, Drogenkonsum mit Methoden aus der Spieltheorie auf Basis von Kavkas Darstellungen zu internen Spielen zu erklären. Doch dieser Versuch erzeugte heftige Kritik: Als Antwort auf Björn Franks Aufsatz haben der Berliner Ökonom Werner Güth und der Duisburger Philosoph Hartmut Kliemt den Text One Person – many Players verfasst. Im Hauptteil dieser Seminararbeit soll zunächst Kavkas Theorie der internen Spiele er-läutert, dann die beiden deutschen Aufsätze vorgestellt und die aufgeführten Ansätze verglichen und überprüft werden. Auch anderweitige Erklärungsversuche für suchtgesteuertes Verhalten sollen in einem Überblick erläutert werden. Und obwohl es Modellen in der Rational Choice Theorie oft an empirischer Belegbarkeit1 mangelt, wird der Vergleich im Idealfall ein Fazit er-möglichen, indem bestimmt werden kann, wie sich die Rational Choice Forschung und Sucht in Einklang bringen lassen kann.

2 EINFÜHRUNGEN

2.1 RATIONAL CHOICE THEORIE

Die Theorie der rationalen Entscheidungen oder eben Rational choice theory bildet einen Ober-begriff für diverse Überzeugungen und Ansätze aus verschiedenen Geisteswissenschaften, vor-nehmlich und ursprünglich aus den Wirtschaftswissenschaften. Mittlerweile hat sich die die Theorie jedoch auch in der Soziologie und den Politikwissenschaften einen Namen gemacht und wird als zumindest diskussionswürdig betrachtet. Mit ihren Werken als Vertreter der RC-Theorie gelten Mancur Olson2, Gary S. Becker3, James S. Coleman4, Raymond Bourdon5 und Robert Axel rod6, um nur die bedeutendsten Namen zu nehmen.

Die Gemeinsamkeit aller Ansätze und Fachrichtungen liegt in der Grundannahme, das sich Ak-teure (egal ob Individuen oder Gruppen) grundsätzlich rational Verhalten und Handeln de-mentsprechend.

Aus dem Blickwinkel der Ökonomie bedeutet rationales Verhalten, auf Grundlage von knappen Ressourcen eine Entscheidung zugunsten einer aus mindestens zwei Alternativen zu treffen, die den Nutzen des Einzelnen maximieren, bzw. seine Kosten minimieren.7 Zur Erklärung individuel-len Verhaltens in solchen Entscheidungssituationen bedient man sich in den Wirtschaftswissen-schaften dem 1906 zuerst von Vilfredo Pareto in seinem wegweisenden Werk Manuale di eco-nomia politica so benannten8 Modell Homo Oeconomicus, einem künstlichen Wirtschaftsmen-schen, der streng egoistisch nach Nutzenkalkül handelt. Eine Entscheidungssituation des Homo Oeconomicus wird durch zwei Nebenbedingungen beschränkt, den Präferenzen und Restriktio-nen.9 Restriktionen können Einkommensbeschränkungen, rechtliche Rahmenbedingungen oder Ähnliches sein. Die Nebenbedingungen durch Präferenzen eines Individuums bei der Entschei-dungsfindung stellen für diese Arbeit die wesentliche Grundlage dar. Generell gilt: Die Präferen-zen eines Individuums ergeben sich aus seinen Wertvorstellungen10 und bestimmen somit einen großen Teil der letztendlichen Entscheidung.

Die klassische Rational-Choice-Theorie fragt an diesem Punkt nicht weiter nach und auch das klassische Modell des Homo Oeconomicus gelangt an seine Grenzen.11 Doch dass die gemachten pauschalen Aussagen durchaus umstritten sind, und Präferenzen auch durch Faktoren wie nicht-materielle Interessen, altruistisches Handeln, soziale Strukturen12 oder eben Sucht bestimmt werden können und somit Handeln als scheinbar irrational gedeutet werden kann13, bildet die Basis für diese Arbeit.

Andere aktuelle Ansätze zur Erweiterung und Erneuerung der RC-Theorie bzw. des Homo Oeco-nomicus14 sollen hierbei nicht außer Acht gelassen werden, eine ausführliche Diskussion dieser würde jedoch den Rahmen der Arbeit sprengen.

2.2 SPIELTHEORIE

Methoden der Spieltheorie werden heute in vielen Bereichen der Wirtschafts- und Sozialwissen-schaften nachhaltig angewandt. Gegenstand des Verfahrens ist die Analyse von strategischen Entscheidungen von Gruppen, Individuen, aber auch intra-personellen Agenten15, bei denen der letztendliche Output – im Gegensatz zur klassischen Entscheidungstheorie - von anderen Ge-genspielern abhängt.16 Als Begründer der für diese Arbeit relevanten Form der Spieltheorie17 gilt John Nash, der hierfür 1994 zusammen mit John C. Harsany und Reinhard Selten den Nobelpreis erhielt. Er fand mit dem Nash-Gleichgewicht eine allgemeine Lösung für alle Arten von Spielen. Aufgrund der Ausgangssituation, dass eine Interdependenz zum Gegenspieler vorliegt und sich alle Entscheidungsträger dieser Interdependenzen bewusst sind, gelten Interessenkonflikte und Koordinationsprobleme als übliche Charakteristika von strategischen Entscheidungssituatio-nen.18 Da viele ökonomische Situationen die beschriebene Umgebung aufweisen, stellen Hol-ler/Illing folgerichtig fest, das die Spieltheorie „heute als die formale Sprache der ökonomischen Theorie“19 zu betrachten ist, während Ortmanns / Albert sie zum „Standardwerkzeugkasten“20 zur Lösung ökonomischer Problemstellungen küren.

Diese Einführung zur Spieltheorie hat keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit - die sie auch ange-sichts der Länge dieser Arbeit und der Masse an Literatur zum Thema auch nicht haben kann - sie soll – ähnlich wie Kapitel 2.1 - lediglich als Vorüberlegungen zu den folgenden Kapiteln gelten.

2.3 GEFANGENENDILEMMA

Da das Gefangenendilemma für die in den Kapiteln 3 und 4 angestellten Untersuchungen essen-tiell ist, möchte ich diese Situation im Folgenden kurz umreißen. Die Ausgangslage des Dilemmas wurde zuerst 1957 von Duncan Luce und Howard Raiffa im folgenden Originaltext formuliert:

„Zwei Verdächtige werden in Einzelhaft genommen. Der Staatsanwalt ist sich sicher, dass sie beide ei-nes schweren Verbrechens schuldig sind, doch verfügt er über keine ausreichenden Beweise, um sie vor Gericht zu überführen. Er weist jeden Verdächtigen darauf hin, das er zwei Möglichkeiten hat: das Verbrechen zu geste-hen oder aber nicht zu gestehen. Wenn beide nicht gestehen, dann, so der Staatsanwalt, wird er sie wegen ein paar minderer Delikte wie illegalem Waffenbesitz anklagen, und sie werden eine geringe Strafe bekommen. Wenn beide gestehen, werden sie zusammen angeklagt, aber er wird nicht die Höchststrafe beantragen. Macht einer ein Geständnis, der andere jedoch nicht, so wird der Geständige nach kurzer Zeit freigelassen, während der andere die Höchststrafe erhält.“ 21

Die Gefangenen werden demnach vom Staatsanwalt vor ein strategisches Entscheidungsproblem gestellt. Die Auszahlung in Jahren Gefängnis hängt nicht nur von der eigenen, sondern auch von der Entscheidung des Komplizen ab. In Fall des Gefangenendilemmas bietet sich die Darstellung mithilfe einer Auszahlungsmatrix in Normalform an, um anschließend in der Lösungsfindung eine individuell rationale Strategie festzulegen.22

Gefangener 2

Nicht Gestehen Gestehen

Nicht Gestehen 1,1 10,0

Gestehen 0,10 8,8

Die beiden Gefangenen G1 und G2 können entweder Gestehen oder Nicht Gestehen, wobei sie keine Möglichkeit haben zu kommunizieren. Die Pay-Offs sind die Jahre im Gefängnis, die sie verbringen müssten. Um mit einer geringen Strafe davonzukommen, sollten beide demnach ein-fach nur Nicht Gestehen.

Doch Nicht Gestehen ist an dieser Stelle kein individuell rationales Verhalten, da G1/2 keine ver-bindlichen Abmachungen eingehen können (nicht-kooperatives Spiel) und aufgrund der Kron-zeugenregelung diese Situation nicht stabil wäre;23 denn jeder G kann sich durch Inanspruchnahme dieser einseitig verbessern und muss davon ausgehen, das der andere G dies auch tut.

[...]


1 Vgl.: Güth / Kliemt (1996), S. 664

2 Olson (1968)

3 Becker (1982)

4 Coleman (1991)

5 Boudon (1979)

6 Axelrod (1987)

7 Vgl.: Kirchgässner (2000), S. 12

8 Das ursprüngliche Modell eines rational handelnden Wirtschaftssubjektes lässt sich jedoch zurückverfolgen bis zu Adam Smith und John Stuart Mill.

9 Vgl.: Kirchgässner (2000), S. 13

10 Vgl.: Kirchgässner (2000), S. 14

11 Vgl.: Ockenfels (2005), S. 1

12 Vgl.: Diekmann / Voss (2004), S. 13

13 Vgl.: Elster (1987), S. 67

14 Siehe ebenfalls Seminarthemen 9-12

15 Vgl.: Kavka (1991), S. 146

16 Vgl.: Holler / Illing (2000), S. 1

17 Die Begründer der Spieltheorie sind zweifelsohne John von Neumann / Oskar Morgenstern (1953), ihre mathematiklasti-gen Ausführungen zum hier nicht relevanten Nullsummenspiel möchte ich jedoch an dieser Stelle bewusst außen vor las-sen.

18 Vgl.: Holler / Illing (2000), S. 1

19 ebda

20 Ortmanns / Albert (2008) S. 72

21 Luce / Raiffa (1957), S. 95

22 Vgl.: Holler / Illing (2000), S. 1

23 Vgl.: Güth / Berninghaus / Ehrhart(2007), S. 15

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Rationalität und Sucht
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Ökonomische Bildung)
Veranstaltung
Ökonomische Rational-Choice-Theorie
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
19
Katalognummer
V132518
ISBN (eBook)
9783640387847
ISBN (Buch)
9783640388226
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rational Choice, Sucht, Spieltheorie, Interne Spiele, Homo Oeconomicus
Arbeit zitieren
Alexander Otto (Autor:in), 2009, Rationalität und Sucht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132518

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