Dissoziationen bei Kindern und Jugendlichen. Prävention und Gesundheitsförderung in der Schule


Bachelorarbeit, 2022

52 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1. Theoretischer Hintergrund
1.1 Dissoziative Störungen als Krankheitsbild
1.1.1 Definition
1.1.2 Formen und Symptome
1.1.3 Prävalenz
1.2 Aktueller Forschungsstand
1.3 Untersuchungsleitende Fragestellungen und Hypothesen

2. Methodik
2.1 Forschungsdesign
2.2 Stichprobe
2.3 Datenerhebungsinstrument
2.4 Datenerhebung
2.5 Datenauswertung

3. Ergebnisse
3.1 Stichprobencharakteristika
3.2 Prüfung der untersuchungsleitenden Hypothesen
3.3 Zusätzliche Untersuchungsergebnisse

4. Diskussion

Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abstract

Kinder und Jugendliche zeigen sich aufgrund mangelnder Copingstrategien sensibel für das Entstehen von dissoziativen Störungen. Aufgrund der vielen Zeit, die Lernende1 in der Schule verbringen, wird dieser Institution eine hohe Bedeutung bezüglich Prävention und Gesundheitsförderung beigemessen. Während es für andere psychische Erkrankungen bereits eine Menge präventiver und gesundheitsfördernder Maßnahmen gibt, ist dies bei dissoziativen Störungen nicht der Fall. Um hierfür Maßnahmen zu entwickeln, benötigt es jedoch zunächst einmal den aktuellen Wissensstand über dissoziative Störungen an sich.

Das Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit ist es daher, die Forschungsfragen zu beantworten, inwieweit angehende Lehrende in Deutschland Kenntnisse in Bezug auf dissoziative Störungen besitzen und ob angehende Lehrende weniger über dissoziative Störungen als, am Beispiel der Depressionen, über andere psychische Erkrankungen informiert sind. Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen ist eine quantitative Studie mittels Online-Umfragebogen zum aktuellen Kenntnisstand bei angehenden Lehrenden durchgeführt worden. Spezifisch haben die Befragten an einem Wissenstest teilgenommen sowie ihre Kenntnisse selbst eingeschätzt. Dabei hat sich diese Wissensabfrage sowohl auf dissoziative Störungen als auch auf Depressionen bezogen. Des Weiteren haben die Befragten die Relevanz dieser Störung für angehende Lehrende eingeschätzt und angegeben, ob sie sich mehr Informationen diesbezüglich wünschen würden.

Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass angehende Lehrende in Deutschland nur wenig bzw. wenig korrektes Wissen über dissoziative Störungen aufweisen und signifikant mehr Wissen über Depressionen als über dissoziative Störungen besitzen, wobei der Wunsch nach mehr Wissen und eine von angehenden Lehrenden erkennbare Relevanz dieser Störung für ihr Berufsfeld vorhanden ist. Eine Vorbildung im medizinischen, pädiatrischen, psychiatrischen oder psychosomatischen Bereich hat dabei keine Auswirkungen auf den Wissensstand gezeigt.

Dies hat zur Folge, dass eine Implementierung präventiver und gesundheitsfördernder Maßnahmen zunächst vor allem im Bereich der Informationsvermittlung, z.B. in Form von Informationsveranstaltungen, innerhalb der Schule sinnvoll ist. Weiterführende Forschung könnte auf die Wirksamkeit von stressreduzierenden Maßnahmen auf die Prävention und Gesundheitsförderung dissoziativer Störungen ausgerichtet sein.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Erreichte Punktwerte der Stichprobe im Wissenstest über das Krankheitsbild der Depressionen (n = 188) (eigene Darstellung)

Abbildung 2: Erreichte Punktwerte der Stichprobe im Wissenstest über das Krankheitsbild der dissoziativen Störungen (n = 188) (eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Prävalenz dissoziativer Störungen (Quelle: Priebe et al., 2013, S. 35)

Tabelle 2: Stichprobenbeschreibung (n = 188) (eigene Darstellung)

Tabelle 3: Zusammengefasste Studienfächer der Stichprobe nach Mehrfachantwortoption (M = 2.43) (n = 188) (eigene Darstellung)

Tabelle 4: Vorhandene Ausbildung oder Tätigkeit der Stichprobe im medizinischen, pädiatrischen, psychiatrischen oder psychosomatischen Bereich (n = 188) sowie deren Spezifizierung nach Mehrfachantwortoption (M = 0.22) (eigene Darstellung)

Tabelle 5: Kontingenztabelle subjektives Wissen der Stichprobe (n = 188) vor Teilnahme an der Online-Umfrage über die Krankheitsbilder Depressionen und dissoziative Störungen

Tabelle 6: Kontingenztabelle subjektive Einschätzung der Stichprobe (n = 188) zum vorhandenen Wissen über dissoziative Störungen im Vergleich zur erreichten Punktzahl beim objektiven Wissenstest (eigene Darstellung)

Tabelle 7: Kontingenztabelle subjektive Einschätzung der Stichprobe (n = 188) zum vorhandenen Wissen über Depressionen im Vergleich zur erreichten Punktzahl beim objektiven Wissenstest (eigene Darstellung)

Tabelle 8: Kontingenztabelle vorhandene Ausbildung oder Tätigkeit der Stichprobe (n = 188) im pädiatrisch, psychiatrisch oder psychosomatischen Bereich im Vergleich zur erreichten Punktzahl beim objektiven Wissenstest (eigene Darstellung)

Tabelle 9: Angabe der Stichprobe über die subjektiv empfundene Relevanz dissoziativer Störungen für (angehende) Lehrende [-100;100] und über den Wunsch nach mehr Informationen darüber (n = 188) (eigene Darstellung)

Abkürzungsverzeichnis

BfArM: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

DES: Dissociative Experiences Scale

DSM-IV-TR: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders – 4. Auflage –Textrevision

IBL: Institut für Berufliche Lehrerbildung

ICD-10-GM: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme – 10. Revision – German Modification

PILOTS: Published International Literature On Traumatic Stress

SCID-D: Structured Clinical Interview for DSM-IV Dissociative Disorders

Einleitung

Plötzlich umkippen, krampfen oder nicht mehr laufen können, ohne diagnostizierbare physische Ursache. Was sich anhört wie im Krimi, ist in unserer Gesellschaft Realität. Jeder Mensch erfährt im eigenen Leben Situationen, welche einen emotional an die Belastungsgrenze bringen. Von der Scheidung oder dem Tod der eigenen Eltern hin zum ersten Liebeskummer oder Stress. Die Bewältigung dieser emotionalen Ausnahmezustände wird individuell gehandhabt, je nachdem welche Copingstrategien das Individuum verinnerlicht hat. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sind solche Copingstrategien noch nicht ausreichend entwickelt, was dazu führt, dass Kinder und Jugendliche emotional belastende Situationen häufig unterbewusst verdrängen. Diese Verdrängung beeinflusst daraufhin Körper und Geist, was das Entstehen von dissoziativen Störungen bedingt.

Da Kinder und Jugendliche einen Großteil ihres Alltags in der Schule verbringen, liegt es nahe, dass der Prävention und Gesundheitsförderung von dissoziativen Störungen im Kontext Schule große Bedeutung zukommen. Um hier präventiv und gesundheitsfördernd handeln zu können, benötigt es allerdings zunächst einmal das Wissen um die dissoziativen Störungen an sich, welches die Basis für die Entwicklung solcher Maßnahmen bildet. In dieser Bachelorarbeit soll daher untersucht werden, ob Wissen über dissoziative Störungen bei angehenden Lehrenden in Deutschland vorhanden ist.

Dafür wird zunächst, im theoretischen Teil, das Krankheitsbild der dissoziativen Störungen dargelegt und erforscht, inwiefern es bereits ähnliche Studien gibt, welche den Kenntnisstand von Lehrenden über dissoziative Störungen sowie mögliche präventive oder gesundheitsfördernde Maßnahmen im Schulalltag untersuchen. Daraufhin werden anhand dessen Forschungsfragen und Hypothesen entwickelt, welche das Fundament für den empirischen Teil dieser Bachelorarbeit bilden. In diesem folgenden empirischen Teil wird dann die Methodik der Forschung beschrieben und die Ergebnisse der Datenerhebung ausgewertet. Anschließend erfolgt eine Diskussion, in welcher der empirische Teil vor dem Hintergrund des theoretischen Teils reflektiert und analysiert wird. Zum Abschluss wird dann schließlich ein Fazit gezogen, welches die Schlussfolgerungen dieser Bachelorarbeit beinhaltet.

1. Theoretischer Hintergrund

Nachfolgend werden zunächst dissoziative Störungen als Krankheitsbild mittels vorhandener Literatur vorgestellt und abgegrenzt. Anschließend wird der aktuelle Forschungsstand in Bezug auf den Kenntnisstand von angehenden Lehrenden zum Thema dissoziative Störungen beschrieben und darauf aufbauend untersuchungsleitende Fragestellungen sowie Hypothesen entwickelt.

1.1 Dissoziative Störungen als Krankheitsbild

In dem folgenden Kapitel werden dissoziative Störungen definiert sowie ihre unterschiedlichen Formen und Symptome dargelegt. Anschließend wird zudem die Prävalenz dissoziativer Störungen in Deutschland betrachtet und kritisch analysiert.

1.1.1 Definition

Der Begriff der Dissoziation ist per se nicht pathologisch attribuiert. Im Alltag erfährt jeder Mensch gesunde Dissoziationen, welche das Tagträumen ermöglichen oder eine Reizüberflutung des Bewusstseins verhindern und somit als Schutzmechanismen dienen. Sind die Dissoziationen hingegen pathologischer Natur, so ist der Zugang zu speziellen Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen oder Handlungen gestört und diese damit vom Bewusstsein abgespalten (Senger, 2017, S. 16). Lediglich diese pathologischen Dissoziationen werden daher in der Literatur als dissoziative Störungen bezeichnet und von der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme – 10. Revision – German Modification (ICD-10-GM) definiert als „teilweise[r] oder völlige[r] Verlust der normalen Integration der Erinnerung an die Vergangenheit, des Identitätsbewusstseins, der Wahrnehmung unmittelbarer Empfindungen sowie der Kontrolle von Körperbewegungen“ (2022, F44.-).

Darüber hinaus findet sich in der Literatur der Begriff der Konversionsstörungen als Bezeichnung für dissoziative Störungen. Hierbei herrscht Uneinigkeit darüber, ob diese als Synonym oder als Unterform einer dissoziativen Störung angesehen werden kann (Priebe, Schmahl & Stiglmayr, 2013, S. 11-12). In einem Lehrbuch für Auszubildende im Gesundheitswesen findet sich eine leicht verständliche Definition für dissoziative Störungen, welche den Begriff der Konversionsstörungen als Synonym verwendet und zusätzlich beschreibt:

Bei einer dissoziativen Störung bestehen körperliche und psychische Beeinträchtigungen, für die es keine organische Ursache gibt. Vielmehr handelt es sich um eine „Abwehrreaktion“, bei der seelische Probleme in körperliche Symptome „umgewandelt“ werden (lat. conversio = Umwandlung, daher auch „Konversionsstörung“) (Georg Thieme Verlag, 2015, S. 1240).

In der vorliegenden Bachelorarbeit wird sich daher auf die Definitionen dieses Lehrbuchs und der ICD-10-GM bezogen, welche die Konversionsstörungen als Synonym für dissoziative Störungen verwenden.

1.1.2 Formen und Symptome

Der Begriff der dissoziativen Störungen wird „als Oberbegriff für sehr unterschiedliche Krankheitsbilder verwendet, die isoliert oder kombiniert vorkommen“ (Sonnenmoser, 2004, S. 372). Je nach Klassifikationssystem werden z.T. verschiedene Störungsformen und Symptome unter der Begrifflichkeit der dissoziativen Störungen zusammengefasst. In den nachfolgenden Ausführungen wird sich der Einfachheit halber daher erneut auf die bereits erwähnte ICD-10-GM bezogen, welche Konversionssymptome einschließt sowie Depersonalisations- bzw. Derealisationssymptome ausschließt und somit den dissoziativen Störungen dreizehn verschiedene Störungsformen zuordnet (2022, F44.0 – F44.9).

Die erste Störungsform wird als dissoziative Amnesie bezeichnet und „kennzeichnet eine Unfähigkeit, sich an wichtige persönliche autobiografische Informationen zu erinnern, die zumeist traumatischer oder belastender Natur sind“ (Fiedler, 2013, S. 3). Dabei kann diese Unfähigkeit sowohl plötzlich als auch schleichend auftreten und sowohl einen akuten als auch einen chronischen Verlauf bieten. Aufgrund ihrer dissoziativen Eigenschaft ist diese Art der Amnesie jedoch reversibel (Bartsch & Falkai, 2013, S. 96). Differentialdiagnostisch ist es bei dieser Störung relevant, organische psychische Störungen sowie Ermüdung oder Vergesslichkeit als Ursachen auszuschließen (Senger, 2017, S. 16). Dies ist vor allem bei Kindern problematisch, da sich hier die dissoziative Störung mit „Unaufmerksamkeit, Angst, oppositionellem Verhalten, Lernstörungen, psychotischen Störungen und einer entwicklungsangemessenen Kindheitsamnesie (d.h. die schwächer werdende Erinnerung an Ereignisse, die vor dem 5.Lebensjahr stattfanden) vermischen kann“ (Sass, Wittchen, Zaudig & Houben, 2003, S. 577).

Als zweite dissoziative Störung wird in der ICD-10-GM die dissoziative Fugue genannt. Hierbei kommt es zu einem zielbewussten Ortswechsel der Betroffenen aus dem Alltag heraus. Betroffene verlassen z.B. unerwartet und plötzlich ihren Arbeitsplatz oder ihr Haus und bewegen sich zielgerichtet an einen anderen Ort, wobei sie sich für Außenstehende vollkommen normal und unauffällig verhalten. Nach einigen Stunden oder sogar Tagen fragen Betroffene sich dann jedoch, warum und wie sie an diesen anderen Ort gekommen sind (Senger, 2017, S. 16). Während die Betroffenen innerhalb des Fuguezustands eine Amnesie für ihre persönliche Lebenssituation und ihre Vergangenheit haben, weisen sie nach Beendigung des Fuguezustands eine Amnesie für eben diesen Zeitraum des Fuguezustands auf. Die dissoziative Fugue schließt demnach auch die Kennzeichen einer dissoziativen Amnesie ein, weshalb dementsprechend die gleichen differentialdiagnostischen Ursachen ausgeschlossen werden sollten. Darüber hinaus kann es bei einer dissoziativen Fugue in seltenen Fällen zudem zur Annahme einer neuen Identität kommen (Eckhardt-Henn, 2004, S. 57; Fiedler, 2013, S. 5).

Der dissoziative Stupor als dritte dissoziative Störung „wird aufgrund einer beträchtlichen Verringerung oder des Fehlens von willkürlichen Bewegungen und normalen Reaktionen auf äußere Reize wie Licht, Geräusche oder Berührung diagnostiziert“ (ICD-10-GM, 2022, F44.2). Des Weiteren nehmen die Betroffenen keine Nahrung oder Flüssigkeit mehr zu sich und auch Wörter werden kaum bis gar nicht mehr gesprochen, trotz dass die Betroffenen wach und bei Bewusstsein sind. Die Dauer dieses Zustands variiert bei einem fluktuierenden Verlauf von Minuten bis Tage oder selten auch Wochen. Nach dem Abklingen dieses Zustands weisen die Betroffenen, ähnlich wie bei der dissoziativen Fugue, eine Amnesie für den stuporösen Zustand sowie dessen auslösende Situation auf. Auch hier gilt es differentialdiagnostisch andere organische oder psychische Ursachen, wie z.B. katatone Zustände, auszuschließen (Eckhardt-Henn, 2004, S. 58).

Trance- und Besessenheitszustände bilden die vierte dissoziative Störung, bei welcher es zu einem vorübergehenden Verlust der eigenen Identität sowie der kompletten Umgebungswahrnehmung kommt. „Betroffene sind überzeugt, von einem Geist, einer Macht oder einer Gottheit beherrscht zu werden (Besessenheitszustand)“ (Senger, 2017, S. 17). In die Störungsdefinition eingeschlossen sind Trance- und Bewusstseinszustände, welche auf ungewollter oder unfreiwilliger Basis entstehen, nicht jedoch, welche religiöser oder kultureller Natur sind. Darüber hinaus werden differentialdiagnostisch zudem psychotrope Substanzen, Schizophrenie, organische Persönlichkeitsstörungen oder temporäre akute psychotische Störungen als Ursachen ausgeschlossen (ICD-10-GM, 2022, F44.3).

Darauffolgend werden dissoziative Bewegungsstörungen als fünfte dissoziative Störungsform genannt. Hierbei kommt es meist zu einem „vollständigen oder teilweisen Verlust der Bewegungsfähigkeit eines oder mehrerer Körperglieder. Sie haben große Ähnlichkeit mit fast jeder Form von Ataxie, Apraxie, Akinesie, Aphonie, Dysarthrie, Dyskinesie, Anfällen oder Lähmungen“ (ICD-10-GM, 2022, F44.4). Dabei handelt es sich um Bewegungen, welche die Betroffenen regulär willkürlich steuern können. Plötzlich nicht mehr allein stehen zu können oder Koordinationsstörungen zu haben, sind ebenfalls Symptome einer dissoziativen Bewegungsstörung (Kölch, Rassenhofer & Fegert, 2020, S. 142). Differentialdiagnostisch gilt es hier physische Ursachen bzw. Erkrankungen auszuschließen und zudem muss „ein überzeugender zeitlicher Zusammenhang zwischen den dissoziativen Symptomen und belastenden Ereignissen, Problemen und Bedürfnissen für die Diagnosestellung [vorhanden sein]“ (Kölch et al., 2020, S. 143). Des Weiteren lassen sich laut Kölch et al. einige Auffälligkeiten der Symptomatik ausmachen, welche für das Vorhandensein einer dissoziativen Bewegungsstörung sprechen. So zeigen sich bei dissoziativen Bewegungsstörungen z.B. Gangbildstörungen mit unphysiologischen und eigentümlichen Bewegungsabläufen oder Schwankungen und Wechsel der Symptomatiken, u.a. auch in Abhängigkeit vom Grad der Hilfe und Aufmerksamkeit durch das Umfeld (2020, S. 146).

Bei der sechsten dissoziativen Störung handelt es sich um dissoziative Krampfanfälle, welche auch als pseudoepileptische Anfälle bezeichnet werden. Aufgrund der negativen Konnotationen mit letzterem Begriff, sollte jedoch auf dessen Verwendung verzichtet werden (Uhlmann & Baier, 2010, S. 225). Dissoziative Krampfanfälle „können epileptischen Anfällen bezüglich ihrer Bewegungen sehr stark ähneln. Zungenbiss, Verletzungen beim Sturz oder Urininkontinenz sind jedoch selten. Ein Bewusstseinsverlust fehlt oder es findet sich stattdessen [sic.] ein stupor- oder tranceähnlicher Zustand“ (ICD-10-GM, 2022, F44.5). Differentialdiagnostisch sind daher vor allem epileptische Anfälle sowie internistische Erkrankungen und Intoxikationen als Ursachen auszuschließen. Weitere Symptome, die Betroffene mit dissoziativen Krampfanfällen häufig wahrnehmen sind zudem „prodromale Missempfindungen wie Geruchsempfindungen, diffuse Angst, Ohrensausen, Herzklopfen, Atemnot mit Erstickungsgefühlen, Druck im Epigastrium, Schwindel u.a. (‚Auren‘)“ (Eckhardt-Henn, 2004, S. 60).

Als siebte dissoziative Störung werden Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen angegeben, bei denen ein „teilweiser oder vollständiger Verlust einer oder aller normalen Hautempfindungen an Körperteilen oder am ganzen Körper bzw. [ein] teilweiser oder vollständiger Seh-, Hör- oder Riechverlust [auftritt]“ (Kölch et al., 2020, S. 143). So können Betroffene symptomatisch bezogen auf die Hautempfindungen z.B. Temperaturen und Berührungen kaum bzw. gar nicht mehr wahrnehmen oder ein Kribbeln und Taubheit in den betroffenen Körperteilen empfinden, wohingegen sie bezogen auf den Verlust der anderen Sinnesorgane z.B. nur noch weniger scharf oder mit einem verringerten Sichtfeld sehen können. Differentialdiagnostisch sind daher körperliche Ursachen, wie z.B. Nervenverletzungen, auszuschließen (Stahlschmidt, 2017a).

Die achte dissoziative Störung wird als „[d]issoziative Störungen [Konversionsstörungen] [sic.], gemischt“ (ICD-10-GM, 2022, F44.7) bezeichnet. Diese umfassen verschiedenste Kombinationen der zuvor beschriebenen sieben Störungsformen und werden daher nicht weiter ausgeführt.

Vier weitere Störungsformen werden in der ICD-10-GM unter der Bezeichnung „[s]onstige dissoziative Störungen [Konversionsstörungen] [sic.]“ (2022, F44.8) zusammengefasst. So wird zunächst das Ganser-Syndrom genannt, welches im Rahmen der dissoziativen Störungen ziemlich selten auftritt, nur kurz andauert und häufig in forensischen Settings beobachtet wird, weshalb eine Abgrenzung zur Simulation oftmals schwierig ist (Eckhardt-Henn, 2014, S. 64). Dieses Syndrom wird gekennzeichnet durch ein „»haarscharfes« [sic.] Vorbeiantworten […], wobei die Antworten erkennen lassen, dass der Inhalt der Frage durchaus verstanden wurde. Zusätzlich finden sich meist Bewusstseinseintrübungen, pseudoneurologische Symptome wie Bewegungs-, Sensibilitäts- oder Empfindungsstörungen sowie Pseudohalluzinationen“ (Priebe et al., 2013, S. 33).

Darauffolgend wird die multiple Persönlichkeitsstörung aufgelistet, welche zugleich die gravierendste als auch die umstrittenste aller dissoziativen Störungsformen bildet (Priebe et al., 2013, S. 23). Sie zeichnet sich aus durch: das Vorhandensein von zwei oder mehreren verschiedenen Persönlichkeiten bzw. Persönlichkeitsanteilen innerhalb eines Individuums […], wobei jeweils nur eine in Erscheinung tritt. Jeder Teil hat sein eigenes Gedächtnis, eigene Vorlieben und Verhaltensweisen und übernimmt in unterschiedlichem zeitlichem Ausmaß die volle Kontrolle über das Verhalten der Betroffenen. Meist haben die verschiedenen Persönlichkeitsanteile keinen Zugang zu der Existenz oder den Erinnerungen der anderen Anteile“ (Reimer & Rüger, 2012, S. 258).

Priebe et al. weisen in ihrem Werk (2013, S. 228) darauf hin, dass die Bezeichnung der multiplen Persönlichkeitsstörung, welche noch immer in der ICD-10-GM verwendet wird, irreführend sei und bei vielen Kritikern auch heute noch Skepsis und Unsicherheiten über die Existenz dieser Störungsform hervorrufe, da es sich nicht um mehrere Personen und auch um keine Persönlichkeitsstörung per se handle, sondern lediglich um dissoziierte Persönlichkeitsanteile. Diese seien „als personifizierte Bewältigungsstrategien mit ihren jeweiligen kognitiv-affektiven Mustern verstehbar“ (Priebe et al, 2013, S. 228-229). Auch andere Autoren sehen diese Bezeichnung als überholt an und empfehlen, diese nicht mehr zu verwenden und sich stattdessen an die Bezeichnung der dissoziativen Identitätsstörung zu halten, wie sie ab der vierten Ausgabe im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV-TR) zu finden ist (Fiedler, 2013, S. 11).

Während die danach folgende „[t]ransitorische [d]issoziative Störung (Konversionsstörungen) des Kindes- und Jugendalters […] vorübergehende somatoforme dissoziative Symptome bei Kindern und Jugendlichen [beschreibt]“ (Weiß et al., 2014, S. 69), wird die letzte der vier unter F44.8 zusammengefassten Störungsformen als „sonstige dissoziative Störungen psychogen“ (Senger, 2017, S. 16) bezeichnet, in welcher der psychogene Dämmerzustand sowie die psychogene Verwirrtheit als Symptome umfasst werden (ICD-10-GM, 2022, F44.88).

Als dreizehnte Störungsform wird in der ICD-10-GM dann schließlich noch die „Dissoziative Störung [Konversionsstörung] [sic.], nicht näher bezeichnet“ genannt. Diese wird in der ICD-10-GM, wie der Name schon sagt, nicht genauer definiert (2022, F.44.9).

1.1.3 Prävalenz

Sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in anderen Teilen der Welt finden dissoziative Störungen nur wenig Beachtung innerhalb von Forschung und Versorgung. Die Diagnosestellung einer solchen Störung ist eher die Ausnahme als die Regel, wenngleich die Prävalenzzahlen nicht unerheblich sind (Priebe et al., 2013, S. 5). Innerhalb der Allgemeinbevölkerung wird für dissoziative Störungen als eigenständiges Krankheitsbild eine Prävalenz von ca. 2-6%, mit einem vermehrten Auftreten beim weiblichen Geschlecht, angenommen. Diese Zahlen erhöhen sich, wenn man dissoziative Störungen im Kontext anderer Störungen, z.B. Posttraumatischer Belastungsstörungen oder Angststörungen, betrachtet. Im Zuge dieser treten dissoziative Symptomatiken und Störungen häufig als Folge von belastenden oder traumatischen Erfahrungen auf (Senger, 2017, S. 17; Priebe & Schmahl, 2008, S. 246).

Diese erhöhten Zahlen werden u.a. in Tabelle 1 dargestellt. Dort wird illustriert, dass laut Studien dissoziative Krampanfälle, mit einem Vorkommen von 10-58% im klinischen Bereich, eine der häufigsten dissoziativen Störungsformen sind, wohingegen sie innerhalb der Allgemeinbevölkerung mit nur 0,002-0,033% eine der seltensten ist. Da darüber hinaus auch die anderen dissoziativen Störungsformen im klinischen Bereich meist eine deutlich höhere Prävalenz zeigen als innerhalb der Allgemeinbevölkerung, unterstützt dies die Aussage, dass dissoziative Störungen häufig im Kontext anderer (psychischer) Störungen in Erscheinung treten.

Tabelle 1 : Prävalenz dissoziativer Störungen (Quelle: Priebe et al., 2013, S. 35)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Priebe et al. verweisen in ihrem Werk jedoch auch auf eine bedeutsame Problematik bei der Nennung konkreter Prävalenzzahlen:

Im Unterschied zu früheren Annahmen weisen neuere Prävalenzzahlen auf ein vergleichsweise häufiges Auftreten dissoziativer Symptome und Störungen hin. Grundlage für diese neuen Zahlen war die zunehmende Entwicklung psychometrischer Messinstrumente zur Erfassung dissoziativer Symptome wie auch Störungen seit Ende der 80er-Jahre. Allerdings liegen mangels Studien nicht für alle dissoziativen Störungen aussagekräftige Zahlen vor (2013, S. 34).

Die Autoren beschreiben in diesem Zitat zum einen den Fortschritt zum Erkennen dissoziativer Symptomatiken und Störungen innerhalb der letzten Jahrzehnte und zum anderen aber auch den Bedarf an weiteren Studien, um das Ausmaß konkreter erfassen zu können. So würden derzeit die wenigen existenten Studien oft nur Screeninginstrumente wie die Dissociative Experiences Scale (DES), nicht aber Diagnostikinstrumente wie das Structured Clinical Interview for DSM-IV Dissociative Disorders (SCID-D) anwenden. Dadurch werde die Erhebung von Prävalenzen für einige dissoziative Störungsformen von vornherein ausgeschlossen und sei auch dem geschuldet, dass als Untersuchungsschwerpunkte meist komplexe und chronische dissoziative Störungen gewählt werden sowie nicht in allen internationalen Klassifikationssystemen für Krankheiten die gleichen Formen unter dissoziative Störungen zusammengefasst werden (2013, S. 34-36). Dies hat zur Folge, dass es z.B. für die dissoziativen Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen keine konkreten Prävalenzzahlen gibt, wie Tabelle 1 zeigt.

Darüber hinaus werden dissoziative Störungen auf der ganzen Welt oft nicht oder erst nach mehreren Jahren und vielen Untersuchungen diagnostiziert, was ebenfalls einen Einfluss auf die Prävalenzzahlen bedeutet. Diese jahrelange Ungewissheit für an dissoziativen Störungen Erkrankte liegt u.a. darin begründet, dass differentialdiagnostisch andere psychische und organische Ursachen ausgeschlossen werden müssen, viele Ärzte auch heute noch dissoziativen Störungen skeptisch gegenüberstehen, und diese als eine Art Modeerscheinung betrachten, sowie dementsprechend auch wenig Erfahrung mit der Behandlung dieser Störungen besitzen, wie ein Artikel in der Harvard Review of Psychiatry offenbart (Brand et al., 2016, S. 259-261). Auch die Meinung, dissoziative Störungen seien spezifische Folgestörungen eines schweren Traumas, ist weit verbreitet, jedoch lässt sich beim Auftreten von dissoziativen Störungen nicht automatisch auf eine Traumatisierung des Betroffenen schließen, da das Krankheitsbild auch eigenständig und unabhängig von einem Trauma auftreten kann (Sonnenmoser, 2004, S. 373; Eckhardt-Henn, 2004, S. 55).

1.2 Aktueller Forschungsstand

In der Literatur lassen sich keine Studien finden, die den Kenntnisstand von angehenden Lehrenden über dissoziative Störungen als eigenes Krankheitsbild im Schulalltag untersuchen. Auch die Vorstellung präventiver bzw. gesundheitsfördernder Maßnahmen lassen sich in diesem Rahmen nur schwer finden. Weder Google Scholar noch medizinische Datenbanken wie PubMed oder Published International Literature On Traumatic Stress (PILOTS) zeigen hier treffende Ergebnisse. Wohl aber werden dissoziative Störungen im Rahmen von Posttraumatischen Belastungsstörungen in der Literatur aufgegriffen, zu dessen Krankheitsbild es unter dem Begriff der Traumapädagogik einiges an Leitfäden für Lehrende gibt (Gahleitner, Hensel, Baierl, Kühn & Schmid, 2017, S. 95-112; Hehmsoth, 2021, S. 15-23). Die Notwendigkeit von fachspezifischem Wissen bei Lehrenden über Psychotraumatologie beim Krankheitsbild der Posttraumatischen Belastungsstörungen, und die Förderung dieses Wissens durch z.B. Fortbildungen, stellen u.a. Gahleitner et al. in ihrem Werk dar (2017, S. 111-112). Dies lässt darauf schließen, dass auch für dissoziative Störungen als eigenständiges Krankheitsbild fachspezifisches Wissen bei Lehrenden notwendig ist.

„In unserem alltagspsychologischen Wissen tauchen dissoziative Symptome nicht auf. Wir wissen vielleicht, was Zwang ist, was Angst, was Depression. Jedoch nicht, was Dissoziation ist.“ (Weiß et al., 2014, S. 64). Die Psychologin Esther Kamala Friedrich beschreibt in diesem Zitat, dass Dissoziationen, und damit auch dissoziative Störungen, in unserer Gesellschaft in Deutschland nicht präsent sind. Dies habe zur Folge, dass das Auftreten von dissoziativen Symptomen zu einer negativen Bewertung und zu Unverständnis führe, da diese als verrückt und merkwürdig betrachtet werden würden. Aufgabe eines Pädagogen bzw. Lehrenden sei es daher, „Kindern dabei [zu] helfen, ihre Dissoziation zu verstehen […] [und] ihre Selbstermächtigung zu fördern“ (2014, S. 65). Als eine der wenigen Literaturquellen weist dieses Buch damit auf eine erste mögliche Maßnahme zur Gesundheitsförderung sowie zur Prävention bei dissoziativen Störungen hin.

Darüber hinaus weist die Therapeutin Sandra Wieland in ihrem Buch darauf hin, dass auch der Großteil der Therapeuten nicht auf dissoziative Störungen spezialisiert ist, sie aber dennoch behandelt und dadurch nicht die bestmögliche Therapie gegeben ist. Fortbildungskurse zur Diagnostik und Behandlung sowie Erfahrungsberichte von anderen Therapeuten und deren Umgang mit an dissoziativen Störungen Erkrankten, sieht sie als gesundheitsfördernde Maßnahmen an (Wieland, 2014, S. 11). Auch Stephan Stahlschmidt (2017b) geht auf diese Problematik ein. Aufgrund der Unwissenheit von Betroffenen und Ärzten würden dissoziative Symptome oftmals als z.B. Symptome einer Depression fehlinterpretiert und dadurch die dissoziative Störung nicht oder falsch diagnostiziert sowie behandelt werden. Die Unbekanntheit innerhalb der Allgemeinbevölkerung sei somit ein wichtiger Ansatzpunkt für die Prävention und Gesundheitsförderung von dissoziativen Störungen und Symptomen. Aufklärung für Betroffene und Ärzte sowie fachlich korrektes Wissen sieht dieser als Maßnahmen, um Fehldiagnosen und falsche Behandlungen entgegenzuwirken.

1.3 Untersuchungsleitende Fragestellungen und Hypothesen

Die bislang dargestellten Ergebnisse lassen vermuten, dass das Krankheitsbild der dissoziativen Störungen in Deutschland wenig bis gar nicht präsent ist und sogar unterschätzt wird. Darüber hinaus scheint das Krankheitsbild der dissoziativen Störungen im Schatten anderer psychischer Erkrankungen, wie z.B. Depressionen, unterzugehen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse lassen sich daher folgende Forschungsfragen herausstellen:

- Inwieweit besitzen angehende Lehrende in Deutschland Kenntnisse über dissoziative Störungen?
- Sind angehende Lehrende in Deutschland weniger über dissoziative Störungen als, am Beispiel der Depressionen, über andere psychische Erkrankungen informiert?

Des Weiteren können aufgrund dessen folgende Hypothesen formuliert werden:

- Angehende Lehrende in Deutschland haben keine Kenntnisse über dissoziative Störungen.
- Angehende Lehrende in Deutschland sind mehr über andere psychische Erkrankungen, am Beispiel der Depressionen, informiert als über dissoziative Störungen.

2. Methodik

Im Folgenden wird die empirische Vorgehensweise zur Bearbeitung der Forschungsfragen sowie zur Verifizierung oder Falsifizierung der aufgestellten Hypothesen dargestellt, indem zunächst das Forschungsdesign illustriert wird. Anschließend werden die Stichprobe sowie das Datenerhebungsinstrument beschrieben. Darauf aufbauend wird die Durchführung der Datenerhebung erläutert und schließlich die Methodik für die Datenauswertung vorgestellt.

2.1 Forschungsdesign

Die Datenerhebung erfolgte als quantitative Querschnittsstudie in Form einer Online-Umfrage. Aufgrund der Forschungsfragen und Hypothesen bot sich die Anwendung des geschlossen Fragenformats an, um eine bessere Vergleichbarkeit sowie eine höhere Validität, Reliabilität und Objektivität zu gewährleisten. Durch die Wahl zur Zustimmung oder Ablehnung der anonymisierten Datenverarbeitung zu Beginn der Online-Umfrage, sind zudem die forschungsethischen Kriterien eingehalten worden.

2.2 Stichprobe

Die Stichprobe schloss ausschließlich angehende Lehrende ein, welche sich zum Zeitpunkt der Erhebung bereits im Lehramtsstudium, im Staatsexamen oder im Referendariat befanden. Dabei war die Schulform oder die Fächerkombination der Studierenden nicht von Bedeutung. Die Erhebung dieser diente lediglich der Auswertung für mögliche Hintergründe zum vorhandenen Kenntnisstand sowie zur besseren Vergleichbarkeit.

Im Rahmen dieser Bachelorarbeit wurde die Anzahl angehender Lehrender in Deutschland als Gesamterhebungsumfang zugrunde gelegt. Es wurde sich zum Ziel gesetzt, mindestens 118 angehende Lehrende zu befragen und somit lediglich eine Teilerhebung durchzuführen. Nach Schließung der Umfrage sind insgesamt 218 angehende Lehrende befragt worden, wovon 29 die Umfrage aus unbekannten Gründen nicht abgeschlossen haben und somit für die Datenauswertung nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus hat eine befragte Person der anonymisierten Verarbeitung Ihrer Daten und den Umfragevoraussetzungen nicht zugestimmt, weshalb diese ebenfalls für die folgende Datenauswertung nicht berücksichtigt wird. Insgesamt stehen damit die Beantwortungen von 188 angehenden Lehrenden in Deutschland für die Datenauswertung zur Verfügung, wodurch das zuvor gesetzte Ziel übertroffen worden ist.

Die Stichprobe umfasst ausschließlich angehende Lehrende in Deutschland, da zum einen davon ausgegangen wurde, dass Studierende wissbegierig sind sowie bestens auf ihren zukünftigen Beruf vorbereitet sein wollen, und zum anderen, dass diese über einen Internetzugang und Social-Media-Kanäle verfügen, wodurch diese Zielgruppe leichter zu erreichen war als bereits ausgebildete und damit ältere Lehrende. Darüber hinaus wurde gehofft, dass die Zielgruppe der angehenden Lehrenden durch die Umfrage sensibilisiert und angeregt worden ist, sich differenzierter mit der Thematik auseinanderzusetzen und so ein kleiner Beitrag zur Prävention und Gesundheitsförderung von dissoziativen Störungen im Schulalltag geleistet werden konnte.

2.3 Datenerhebungsinstrument

Bei dem Datenerhebungsinstrument handelte es sich um einen Online-Fragebogen, welcher in Anhang C aufgeführt ist. Dieser bestand aus 16 Seiten, welche sich aus 18 geschlossenen Fragen zusammensetzten sowie einer Möglichkeit Fragen, Wünsche oder Anregungen niederzuschreiben. Die Verwendung der geschlossenen Fragen wurde dazu genutzt, um auf der einen Seite den Kenntnisstand und auf der anderen Seite Hintergründe zum vorhandenen Kenntnisstand in Erfahrung zu bringen.

Nachdem die Befragten zu Beginn mehrere Antworten zu Geschlecht, Alter und Studiengang geben sollten, wurden sie nach einer bereits vorhandenen Ausbildung oder Tätigkeit im medizinischen, pädiatrischen, psychiatrischen oder psychosomatischen Bereich gefragt. Dies diente dem Zweck, mögliche Hintergründe zum vorhandenen Kenntnisstand in Erfahrung zu bringen.

Darauffolgend sollten die Befragten einen Wissenstest beantworten. Dieses bestand aus drei Items à fünf Beschreibungen für dissoziative Störungen sowie aus drei Items à fünf Beschreibungen zu Depressionen. Die Befragten wurden aufgefordert, je eine der fünf möglichen Beschreibungen zu wählen, wenn sie zu wissen glauben, dass diese den dissoziativen Störungen bzw. Depressionen zugeschrieben werden kann. Waren die Befragten sich nicht sicher oder wussten generell nichts mit den Begriffen anzufangen, so sollten diese die sechste mögliche Option wählen, es nicht zu wissen, anstatt zu raten.

Anschließend wurden zwei Definitionen zu dissoziativen Störungen vorgelegt, woraufhin eine ehrliche Beantwortung der Frage, ob vor der Umfrage Wissen darüber vorhanden war, was sich hinter dem Begriff der dissoziativen Störungen verbirgt, gegeben werden sollte. Darüber hinaus sollten die Befragten außerdem angeben, inwiefern Sie glauben, dass dissoziative Störungen eine Relevanz für (angehende) Lehrende haben und ob sie gerne mehr über dissoziative Störungen wissen wollen würden. Zum Vergleich wurde den Befragten danach auch noch eine Definition für Depressionen vorgelegt und ebenfalls gefragt, ob die Befragten vor der Umfrage bereits wussten, was sich hinter dem Begriff der Depressionen verbirgt.

Abschließend gab es die Möglichkeit zur freiwilligen Angabe von Fragen, Wünschen oder Anmerkungen. Gab es keine derartigen, so sollten die Befragten einfach den Absenden-Button anklicken und die Umfrage damit beenden.

2.4 Datenerhebung

Der Zeitraum der Datenerhebung fand zwischen dem 27. April und dem 17. Mai 2022 statt und umfasste damit einen Erhebungszeitraum von ca. drei Wochen. Aus zeitlichen Gründen wurde auf die Durchführung eines Pretests zur Funktionalität des Datenerhebungsinstruments verzichtet. Dies hätte Probleme mit dem Fragebogen während der Befragung zur Folge haben können, weshalb vorsorglich eine E-Mail-Adresse in der Fußzeile des Online-Umfragebogens angegeben worden ist, mit dem Vermerk, sich bei Fragen oder Anmerkungen zu melden. Darüber hinaus hatten die Befragten zudem die Gelegenheit, sich über das letzte Item des Online-Umfragebogens mitzuteilen.

Innerhalb des Erhebungszeitraums kam es zu keinerlei gravierenden Schwierigkeiten oder E-Mail-Austausch. Eine Veränderung des Online-Umfragebogens erfolgte lediglich durch eine Anpassung der beschriebenen Teilnahmedauer von 10-15 Minuten auf 5-10 Minuten sowie, nach Anmerkung einiger Befragter, durch das Hinzufügen zweier Schulfächer in die Auflistung zu Beginn des Online-Umfragebogens. Hinsichtlich der Software und des Verständnisses der Fragestellungen gestaltete sich der Ablauf reibungslos.

Der Online-Fragebogen wurde an persönliche Kontakte über WhatsApp und Instagram verschickt, mit der Bitte um Weiterleitung an andere angehende Lehrende. Die Zahl der Befragten wurde dabei in regelmäßigen Abständen geprüft. Da es zu Beginn des Erhebungszeitraums eine große Anzahl an Aufrufen bei in Relation wenigen Beantwortungen gab, ist der Online-Umfragebogen aufgrund dessen auch noch in verschiedene Gruppen für Lehramtsstudierende auf Facebook gepostet und an den E-Mail-Verteiler für Lehramtsstudierende des Instituts für Berufliche Lehrerbildung (IBL) Münster verschickt worden. Insbesondere letzteres ließ die Anzahl der Beantwortungen exponentiell steigen.

2.5 Datenauswertung

Zur statistischen Auswertung der gesammelten Daten wird das Microsoft Office Programm Excel hinzugezogen. Dieses bietet die Möglichkeit, die gesammelten Daten in einer Datenmatrix darzustellen, um so die erhobenen Daten anschaulich und zuverlässig analysieren zu können. Die dafür erforderlichen Rohdaten werden über die Plattform der Online-Umfrage UmfrageOnline als Excel-Datei zur Verfügung gestellt. Die Analyse der Daten erfolgt dann in einem ersten Schritt durch die Errechnung der erreichten Punktwerte jeder befragten Person für den Wissenstest über dissoziative Störungen und Depressionen. In einem zweiten Schritt werden die angegebenen Freitextantworten auf Mehrfachnennungen überprüft und so z.B. bei der Frage nach der Spezifizierung der Ausbildung bzw. Tätigkeit im medizinischen, pädiatrischen, psychiatrischen oder psychosomatischen Bereich die Antwortmöglichkeit Zahnmedizinischer Fachangestellter in der Datenmatrix ergänzt. Anschließend wird die Datenmatrix als CSV-Datei gespeichert und so für das statistische Datenauswertungsprogramm Jasp bereitgestellt. Mit diesem erfolgt dann zunächst die Auswertung der soziodemographischen Daten. Hierbei werden zum einen der Mittelwert sowie das Minimum und Maximum des Alters der Befragten und zum anderen für Geschlecht, Studienphase, Studiengang, Studienfächer und vorhandene Ausbildung bzw. Tätigkeit im medizinischen, pädiatrischen, psychiatrischen oder psychosomatischen Bereich und dessen Spezifizierung die absoluten und relativen Häufigkeiten berechnet. Darauffolgend wird in einem nächsten Schritt die Alternativhypothese überprüft, ob angehende Lehrende laut Wissenstest objektiv mehr über Depressionen wissen als über dissoziative Störungen, indem ein t-Test für verbundene Stichproben durchgeführt wird. Eine Normalverteilung für die Differenz der Punktwerte für die beiden Krankheitsbilder wird anschließend mittels Shapiro-Wilk-Test überprüft. Die erreichten Punktwerte der Stichprobe im Wissenstest für die beiden Krankheitsbilder werden danach zudem deskriptiv dargestellt und beschrieben sowie der Mittelwert, die Standardabweichung und der Standardfehler des Mittelwerts berechnet. Auf Grundlage all dieser Ergebnisse wird die aufgestellte Alternativhypothese dann in der Diskussion bestätigt oder widerlegt werden können. Im Anschluss daran wird Chi²-Test zusammen mit einer Kontingenztabelle die Alternativhypothese untersuchen, inwieweit angehende Lehrende auch subjektiv angeben, mehr über Depressionen zu wissen als über dissoziative Störungen. Auch diese Alternativhypothese wird auf Grundlage der Erkenntnisse der Untersuchung dann in der späteren Diskussion bestätigt oder widerlegt werden können. Schließlich werden noch weitere Untersuchungsergebnisse ausgewertet, indem das subjektive Wissen über die beiden Krankheitsbilder mit dem objektiven Wissen mittels Kontingenztabellen abgeglichen und der Mittelwert der von der Stichprobe empfundenen Relevanz von dissoziativen Störungen für angehende Lehrende sowie die absoluten und relativen Häufigkeiten des Wunsches nach weiteren Informationen darüber dargestellt werden.

[...]


1 Hinweis zur geschlechtergerechten Sprache: Die Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Bereichen ist im Leitbild der FH Münster verankert. Nach Möglichkeit verwenden wir geschlechtsneutrale Formulierungen. Wo sich dies nicht umsetzen lässt, benutzen wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum. Selbstverständlich sind dabei Frauen eingeschlossen.

Ende der Leseprobe aus 52 Seiten

Details

Titel
Dissoziationen bei Kindern und Jugendlichen. Prävention und Gesundheitsförderung in der Schule
Hochschule
Fachhochschule Münster
Note
2,0
Autor
Jahr
2022
Seiten
52
Katalognummer
V1326401
ISBN (Buch)
9783346816856
Sprache
Deutsch
Schlagworte
dissoziationen, kindern, jugendlichen, prävention, gesundheitsförderung, schule
Arbeit zitieren
Hannah Marquardt (Autor:in), 2022, Dissoziationen bei Kindern und Jugendlichen. Prävention und Gesundheitsförderung in der Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1326401

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