Während der Themenbereich von Geschlechtsunterschieden in der Sprache als fester Bestandteil soziolinguistischer Forschung etabliert ist, scheint sich die Einordnung der Frage nach Differenzen im Spracherwerb von Jungen und Mädchen weitaus schwieriger darzustellen. Zwar beschäftigen sich nicht wenige Untersuchungen mit dem Zusammenhang von Geschlechtszugehörigkeit und Spracherwerbsstil; eine eindeutige und umfassende Arbeit zu diesem Themengebiet scheint jedoch nicht vorzuliegen. Methodische Mängel der betreffenden Untersuchungen, wie beispielsweise die zu geringe Größe der Samples und die wenig geeignete, aber doch häufig verwendete Form der Querschnittsuntersuchung, werden von vielen Überblicksarbeiten beklagt. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse der Forschung zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Geschlecht und Sprachentwicklungsform bzw. -verlauf beim natürlichen Erstspracherwerb von Kindern anzubieten.
Hierzu werden die wissenschaftstheoretischen Implikationen der Fragestellung beleuchtet, wobei bereits kurz die angedeutete Interdisziplinarität und die Rechtfertigungsproblematik von Geschlechterstudien im allgemeinen skizziert werden. Im dritten Kapitel werden in einer ausschnitthaften Zusammenstellung die wichtigsten Ergebnisse der soziolinguistischen Forschungen zur Gegenüberstellung von Männer- und Frauensprache thematisiert, um später beurteilen zu können, inwieweit Geschlechtsunterschiede in Sprach- und Kommunikationsstil schon in der Kindheit angelegt sind. Der Hauptteil gliedert sich in zwei Teile: Zunächst sollen einige empirische Befunde zum Einfluss des Geschlechtes auf den Spracherwerb vorgestellt werden. Wie sich herausstellen wird, scheint die empirische Praxis allein nur in sehr begrenztem Umfang aussagekräftige Ergebnisse zu liefern, sodass schließlich verschiedene theoretische Erklärungsmodelle auf ihre Relevanz für die hier behandelte Fragestellung hin geprüft werden sollen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wissenschaftstheoretische Hintergründe der Fragestellung
- Interdisziplinarität
- Rechtfertigungsproblematik der Fragestellung
- Männersprache vs. Frauensprache: Der Dimorphismus von Sprache als Konstrukt der Wissenschaften?
- Ähnlichkeiten und Unterschiede im Spracherwerb von Jungen und Mädchen: Empirische Befunde zur Relevanz der Variable Geschlecht
- Beginn und Tempo des Spracherwerbs
- Phonologie, Phonetik und Intonation
- Syntax
- Lexikon und Semantik
- Pragmatik und kommunikative Kompetenz
- Diskussion der empirischen Befunde
- Hinweise auf den Zusammenhang von Geschlecht und Spracherwerb: Theoretische Erklärungsmodelle
- Biologische Argumentation
- Kognitionspsychologische Argumentation
- Sozialisationstheoretische Argumentation
- Diskussion der Ergebnisse
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Ergebnisse der Forschung zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Geschlecht und Sprachentwicklungsform bzw. -verlauf beim natürlichen Erstspracherwerb von Kindern zu bieten. Hierfür wird die wissenschaftstheoretische Implikation der Fragestellung beleuchtet und die Interdisziplinarität sowie die Rechtfertigungsproblematik von Geschlechterstudien thematisiert. Die Arbeit analysiert zudem die Ergebnisse der soziolinguistischen Forschungen zur Gegenüberstellung von Männer- und Frauensprache, um später beurteilen zu können, inwieweit Geschlechtsunterschiede in Sprach- und Kommunikationsstil bereits in der Kindheit angelegt sind. Der Hauptteil der Arbeit fokussiert auf empirische Befunde zum Einfluss des Geschlechtes auf den Spracherwerb, die in unterschiedlichen Phasen und Ebenen des Spracherwerbs analysiert werden. Schließlich werden verschiedene theoretische Erklärungsmodelle auf ihre Relevanz für die behandelte Fragestellung hin geprüft, darunter biologische, kognitionspsychologische und sozialisationstheoretische Ansätze.
- Zusammenhang zwischen Geschlecht und Sprachentwicklung beim Erstspracherwerb
- Wissenschaftstheoretische Implikationen der Fragestellung
- Interdisziplinarität der Forschung
- Rechtfertigungsproblematik von Geschlechterstudien
- Empirische Befunde zum Einfluss des Geschlechts auf den Spracherwerb
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung des Zusammenhangs zwischen Geschlecht und Sprachentwicklung beim Erstspracherwerb von Kindern dar. Sie erläutert den Forschungsbedarf und die methodischen Herausforderungen in diesem Bereich. Das zweite Kapitel befasst sich mit den wissenschaftstheoretischen Hintergründen der Fragestellung. Hier werden die Interdisziplinarität des Themas, die Rolle verschiedener Disziplinen wie Psychologie, Linguistik und Soziolinguistik, sowie die Rechtfertigungsproblematik von Geschlechterforschung beleuchtet. Die Kritik an der Suche nach Geschlechtsunterschieden wird diskutiert, und es werden Argumente für die Erforschung von Differenzen zwischen den Geschlechtern präsentiert.
Schlüsselwörter
Geschlecht, Spracherwerb, Erstspracherwerb, Sprachentwicklung, Geschlechterforschung, Interdisziplinarität, Rechtfertigungsproblematik, Männer- und Frauensprache, empirische Befunde, theoretische Modelle, biologische Argumentation, kognitionspsychologische Argumentation, Sozialisationstheorie
- Arbeit zitieren
- Johanna Rott (Autor:in), 2002, Geschlechtsunterschiede im Spracherwerb? Versuch eines Forschungsüberblicks, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13272