Der Einfluss der Musik auf die Abstraktion in der Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts


Hausarbeit, 2006

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1) Einleitung

2) Das offene Kunstwerk

3) Die Musik Arnold Schönbergs als offenes Kunstwerk

4) Der Einfluss der Musik auf die Bildende Kunst
4.1) Der Einfluss des „Blauen Reiters“
4.2) Das Verhältnis von Bildsujet und Hintergrund
4.3) Der Stellenwert der Musik in Wassily Kandinskys Werken
4.4) Die Kategorien Bewegung und Zeit in der Bildenden Kunst

5) Fazit

6) Bibiliographie

1) Einleitung

Alle Künste haben ihre besonderen Eigenheiten, daher ist der Versuch einer Übertragung der Prinzipien einer Kunst auf die andere immer kompliziert und führt nie zu einem befriedigenden Ergebnis. Trotzdem gibt es immer wieder Berührungspunkte, an denen die Grenzen nicht mehr klar definiert sind und sich verschiedene Künste gegenseitig beeinflussen. Dies geschah zum Beispiel auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Künstler sowohl in der Musik als auch in der Bildenden Kunst auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten waren und dabei oft ähnliche Umsetzungsmöglichkeiten suchten.

Die Tendenzen zur Abstraktion in der Bildenden Kunst begannen nicht erst mit dem 20. Jahrhundert, sondern stellen nur einen Punkt in einer langen Entwicklung dar, die vor allem im Impressionismus einen Vorläufer hat. Auch der in Mexiko geborene Schriftsteller Octavio Paz hatte die bedeutenden Veränderungen innerhalb der Kunst bemerkt und versucht dafür in seiner Essaysammlung „Hombres en su siglo“ - hier in Bezug auf seinen Freund, den spanischen Maler Joan Miró - eine mögliche Erklärung zu geben:

Desde el Renacimiento la historia del arte fue la de un aprendizaje: había que dominar las reglas de la perspectiva y la composición. Pero al despuntar el siglo xx esos cuadros perfectos comenzaron a aburrir a los hombres. El arte moderno ha sido un desaprendizaje : un desaprender las recetas, los trucos y las mañas para recobrar la frescura de la mirada primigenia. [...] Wordsworth decía que el niño es el padre del hombre. El arte de Miró confirma esta idea. Debo añadir que Miró pintó como un niño de cinco mil años de edad. Un arte como el suyo es el fruto de muchos siglos de civilización y aparece cuando los hombres, cansados de dar vueltas y vueltas alrededor de los mismos ídolos, deciden volver al comienzo.[1]

Diese Ablehnung der traditionellen Malerei und die Suche nach anderen Möglichkeiten erreichen ihren vorläufigen Höhepunkt im 20. Jahrhundert in vielen verschiedenen Bereichen der Modernen Kunst. Nicht nur bei surrealistischen Künstlern wie Miró, sondern zum Beispiel auch in der Künstlervereinigung „Der Blaue Reiter“, bei Wassily Kandinsky, Franz Marc und Paul Klee oder aber bei amerikanischen Künstlern wie Jackson Pollock und Alexander Calder. Diese Arbeit soll sich hauptsächlich auf den russischen Expressionisten Wassily Kandinsky beziehen und auf den großen Einfluss der Musik Arnold Schönbergs auf seine Malerei, die sich sowohl der in persönlichen Beziehungen von Maler und Musiker bzw. Komponist untereinander, als auch in gegenseitiger theoretischer Einflussnahme äußert.

2) Das offene Kunstwerk

Ein Begriff, der die avantgardistische abstrakte Kunst am besten beschreibt ist der des „offenen Kunstwerks“[2]. Der große Unterschied zu der traditionellen Bildenden Kunst der vorherigen Jahrhunderte ist die Auflösung der Form; die Darstellung konkreter Figuren tritt in den Hintergrund. Schon bei den Impressionistischen Malern, von denen sich der Komponist Claude Débussy beeinflussen ließ, wurden die Zeichen unpräzise und verloren ihre Eindeutigkeit. Zunächst lösten sich die Grenzen zwischen Bildhintergrund und den Figuren auf, bis schließlich in den extremsten Ausprägungen keine Eindeutigen Gegenstände oder Situationen mehr zu erkennen sind. Allerdings handelt es sich nicht um eine lineare Entwicklung, die eine stetig zunehmende Abstraktion erkennen lässt. Stattdessen existieren verschiedene Auffassungen und unterschiedliche Arten zu Malen bei nebeneinander.

All diese Tendenzen haben entstehen nicht aus sich selbst heraus, sondern haben durchaus auch historische und gesellschaftliche Grundlagen. Die Neuerungen des späten 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts bieten Erklärungen für dieses Infragestellen der Welt durch die Kunst. Erfindungen wie das Mikroskop oder Erkenntnisse die Relativitätstheorie von Albert Einstein, die Heisenberg’sche

Unschärferelation oder andere wissenschaftliche Entdeckungen führen zu der Überzeugung, dass eine genaue Darstellung der Welt als genaue Abbildung nicht möglich ist. Die Abstraktion in der Kunst ist also der Versuch, die neu erfahrene „Diskontinuität der Phänomene“[4] darzustellen. Wassily Kandinsky war daher auch der Meinung, in seinen Bildern die eigentliche Welt darzustellen, daher trifft für ihn der Begriff „reale Malerei“ vor allem auf seine Kunst zu[5].

Aber was sagt ein Bild aus, was kann es dem Betrachter mitteilen, wenn es nichts Konkretes darstellt?

Die Bedeutung ist umso klarer und eindeutiger, je mehr ich mich an Wahrscheinlichkeitsregeln und Organisationsgesetze halte, die vorher festgelegt sind - und durch Wiederholung der vorhersehbaren Elemente bekräftigt werden. Umgekehrt, je mehr die Struktur unwahrscheinlich, mehrdeutig, unvorhersehbar, ungeordnet wird, desto mehr nimmt die Information zu.[6]

Wenn die Bedeutung vom Rezipienten nicht mehr vollständig und eindeutig erfasst werden kann, steigt die Zahl der Möglichkeiten, ein Kunstwerk zu verstehen. Weil die Betrachtungsweise in keine festgelegte Richtung gelenkt wird sind verschiedene „Lesarten“ möglich. Jeder beliebige Punkt auf der Leinwand kann unendlich viele differenzierte Assoziationen und Suggestionen hervorrufen. Das führt dazu, dass ein Bild für jeden Betrachter eine eigene Bedeutung bekommt, die außerdem stark veränderlich ist, da sich der Betrachter bei jedem neuen Anschauen in einer anderen Situation befindet und neue Erfahrungen mitbringt. Umberto Eco macht jedoch auf die Problematik aufmerksam, dass diese Zunahme an Informationen nur in einem begrenzten Rahmen möglich ist. Diesen Rahmen bildet die der Kunst selbst bzw. die Intention des Künstlers. Die weißen Leinwände Robert Rauschenbergs zum Beispiel werden erst durch die Absicht des Künstlers zum Kunstwerk. Würde man diese Einschränkung nicht vornehmen, könnte theoretisch jede beliebige Fläche auf der Welt als Kunstwerk gelesen werden und die Kunst an sich würde ihre Bedeutung verlieren.

[...]


[1] Octavio Paz. Hombres en su siglo. Barcelona 1990. (Seit der Renaissance war die Kunstgeschichte eine Geschichte des Erlernens: man musste die Regeln von Perspektive und Komposition beherrschen. Aber mit dem Anbruch des 20. Jahrhunderts begannen diese Perfekten Bilder, die Menschen zu langweilen. Die Moderne Kunst war ein Verlernen: ein Verlernen der Rezepte, der Kunstgriffe und der Geschicklichkeiten um die Ungezwungenheit des ursprünglichen Blickes wiederzuerlangen. [...] Wordsworth sagte, dass das Kind der Vater des Mannes sei. Die Kunst Mirós bestätigt diese Idee. Ich muss hinzufügen, dass Miró malte wie ein Kind von fünftausend Jahren. Eine Kunst wie die seine ist die Frucht vieler Jahre der Zivilisation und tritt dann auf, wenn die Menschen, ermüdet davon, sich immer und immer wieder um die gleichen Götzenbilder im Kreis zu drehen, sich entschließen, an den Anfang zurückzukehren.)

[2] Umberto Eco. Das offene Kunstwerk. Frankfurt am Main 1977. S. 154.

[3] ibid. S. 164f.

[4] Nicolaus de Palézieux. Der geometrische Punkt ist ein unsichtbares Wesen. Hamburg 1998. S. 6

[5] Umberto Eco. Das offene Kunstwerk. Frankfurt am Main 1977. S. 168

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss der Musik auf die Abstraktion in der Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Veranstaltung
Seminar: Musik und Bildende Kunst
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V132756
ISBN (eBook)
9783640415243
ISBN (Buch)
9783640411528
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arnold Schönberg, Igor Strawinksy, Abstrakte Malerei, Zwölftonmusik, Atonalität
Arbeit zitieren
Martina Drautzburg (Autor:in), 2006, Der Einfluss der Musik auf die Abstraktion in der Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132756

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Einfluss der Musik auf die Abstraktion in der Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden