Rudolf Steiner und Jean-Jacques Rousseau im Vergleich

Inwiefern unterscheiden sich die pädagogischen Ansätze von Rudolf Steiner und Jean-Jacques Rousseau hinsichtlich der Rolle der Erzieher*innen?


Hausarbeit, 2022

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


1. Einleitung

Die Erziehung von Kindern hat sich in den letzten Jahrhundertern immer wieder grundlegend verändert. Auch die Betrachtung von Kindern war bis ins 18. Jahrhundert noch eine andere. Kinder wurden bis dahin noch als kleine Erwachsene angesehen. Der Philosoph Jean-Jacques Rousseau überdachte seiner Zeit – in der Epoche der Aufklärung von 1700 bis 1800 - sämtliche bestehenden pädagogischen Ansätze und gesellschaftliche Menschenbilder und betrachtete die Kindheit nicht mehr als Durchgangsstadium bis hin zum Erwachsenenalter (Bernhard, 2017, S. 147). In den letzten Jahrhunderten hat sich vieles verändert in der Erziehung, doch Ansätze von Rousseau und Steiner prägen noch immer die heutige Pädagogik. Genau deswegen beschäftigt sich die vorliegende Hausarbeit mit der Frage, inwiefern sich die pädagogischen Ansätze Steiners und Rousseaus hinsichtlich der Erzieher*innen voneinander unterscheiden.

Zunächst wird der Lebenslauf von Rudolf Steiner – dem Begründer der Anthroposophie und der Waldorfpädagogik – betrachtet. Anschließend wird in der vorliegenden Hausarbeit das Menschen- und Weltbild Steiners charakterisiert, seine erzieherischen Ansätze beleuchtet und die Waldorfpädagogik mit ihren Waldorfschulen vorgestellt. Als zweiten Pädagogen beschreibt diese Hausarbeit die ausführliche Biografie von Jean-Jacques Rousseau, seine Bedeutung als prägende Person der heutigen Pädagogik und die Zustände zur Zeit Rousseaus. Auch die besonders vielen schriftlichen Werke Rousseaus werden dargestellt, sowie sein Menschenbild des Naturmenschen. Zum Schluss wird sein pädagogischer Ansatz durchleuchtet.

Am Ende der vorliegenden Hausarbeit werden die beiden Pädagogen Rudolf Steiner und Jean-Jacques Rousseau mit ihren pädagogischen Ansätzen gegenübergestellt und auf ein fiktives Fallbeispiel angewendet. Mit Hilfe des Vergleiches wird die Forschungsfrage „Inwiefern unterscheiden sich die pädagogischen Ansätze von Rudolf Steiner und Jean-Jacques Rousseau hinsichtlich der Rolle der Erzieher*innen“ bearbeitet und in einem Fazit eine Antwort darauf gegeben, sowie Kritik geäußert.

2. Rudolf Joseph Lorenz Steiner – Begründer der Anthroposophie (1861 – 1925)

2.1 Biographie

Rudolf Steiner wurde am 27. Februar 1861 im kroatischen Kraljevec (damals Ungarn) geboren (Stumpf, 2015, S. 117). Sein Vater arbeitete als Telegraphist bei der Bahn und war gebürtiger Österreicher. Steiner hatte zwei kleinere Geschwister (Kuhlmann, 2013, S. 115). Die Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen. Er fiel mit guten Noten in der Wiener Ober-Realschule auf und schloss diese mit Auszeichnung ab. Von 1879 bis 1883 studierte er die Fächer Mathematik, Naturgeschichte und Chemie an der Technischen Hochschule Wien, um später Realschullehrer zu werden. Steiner verließ die Universität ohne Abschluss und war von 1884 bis 1890 als Hauslehrer in einer Familie tätig, in der er sich vor allem um den körperlich behinderten Sohn kümmerte. Anschließend arbeitete er von 1890-1897 als freier Mitarbeiter am Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar (Stumpf, 2015, S. 117). „Daneben betrieb er autodidaktische, philosophische Studien und erlangte an der Universität in Rostock die Promotion mit einer Schrift über die naturwissenschaftlichen Studien Goethes“ (Kuhlmann, 2013, S. 115). Im Jahr 1894 veröffentlichte Rudolf Steiner dann sein philosophisches Hauptwerk „Philosophie der Freiheit“. Allerdings erhielt sein Werk in der damaligen Fachwelt keine große Beachtung. 1897 zog Steiner mit seiner Familie von Weimar nach Berlin und war zunächst arbeitslos. Er schlug sich mit Beschäftigungen als Lehrbeauftragter für Geschichte an einer marxistisch ausgerichteten Arbeiterbildungsschule durch. Außerdem war er Mitherausgeber des Magazins für Literatur und Lehrkraft an einer Fortbildungsschule für Mädchen. Ab 1900 wurde Steiner in Berlin zu Vorträgen über Nietzsche, Goethe und die deutschen Mystiker*innen in die Theosophische Bibliothek eingeladen. Steiner lernt in diesem Kreis, einem Kreis von Interessierten der fernöstlichen Weisheitslehre und Esoterik, seine zweite Ehefrau Marie von Sivers kennen. Im Jahr 1902 übernahm er die Geschäftsführung der Theosophischen Geschäftsführung, begann sich intensiver mit den Schriften Nietzsches zu beschäftigen und stand in Kontakt mit verschiedenen lebensreformerischen Kreisen (Stumpf, 2015, S. 117f). „Im Rahmen der Theosophischen Gesellschaft entfaltete Steiner bald seine eigene Richtung, die der „Anthroposophie“ und hielt in ganz Deutschland Vorträge zu diesem Thema“ (Kuhlmann, 2013, S.115). „Mehr als 6000 mitgeschriebene Vorträge sind dokumentiert und parallel etwa dreißig Monographien entstanden“ (Stumpf, 2015, S. 118). Steiners Gesamtwerk umfasst mehr als 350 Schriften (Burkart, 2012, S. 16). Lorenzo Ravagli schrieb dazu über Steiners Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens: „Wissenschaft, orientiert an den Bedürfnissen der Seele, zu treiben, nicht Seelen nach den Bedürfnissen der Wissenschaft zu formen“ (1990, S. 17). Im Jahr 1912 kam es dann aufgrund von Differenzen zum Bruch mit den Theosophen (Stumpf, 2015, S. 118). „Steiner gründete daraufhin die „Anthroposophische Gesellschaft“, dessen Anliegen es ist, eine spirituelle Erneuerung des Lebens in den Bereichen von Wissenschaft, Religion und Kunst zu erreichen“ (Kuhlmann, 2013, S. 115). Der Erziehungswissenschaftler Alfred K. Treml unterteilt die Erkenntnistheorie – und damit die Basis der Anthroposophie- Steiners, in drei Phasen. „Die erste Phase ist durch die Dissertation „Wahrheit und Wissenschaft“ (1891) gekennzeichnet, die zweite durch die „Philosophie der Freiheit“ (1894), die dritte durch die „Theosophie…“ (1904) und „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten“ (1904/05)“ (1990, S. 18). Bei der Suche und den Plänen zum Bau einer eigenen Tagungs- und Aufführungsstätte gelang Steiner 1914 nach Dornach bei Basel (Stumpf, 2015, S. 118).

Als charismatischer Gründer einer ganz allein auf ihn konzentrierten weltanschaulichen Gemeinschaft entwickelt Steiner im letzten Jahrzehnt seines Lebens das Programm für eine spirituelle Erneuerung des Lebens, nicht nur auf dem Gebiet der Kunst, sondern auch der Erziehung, Politik und Wirtschaft, der Medizin, Landwirtschaft und christlichen Religion. (Stumpf, 2015, S. 118f)

Die erste Freie Waldorfschule eröffnete Rudolf Steiner im Jahr 1919 in Stuttgart für 191 Arbeiterkinder der Waldorf-Astoria-Zigarrenfabrik und 65 Kinder bürgerlich anthroposophischen Elternhäusern. Steiner nahm an rund 70 Lehrerkonferenzen teil und trieb das Modell der Waldorfschule so weit voran, dass die Anzahl der Schüler schnell anstieg. Bis zu seinem Tod im Jahr 1925 aufgrund einer Krebserkrankung waren bereits fünf weitere Waldorfschulen in Deutschland, England und in den Niederlanden eröffnet. „Bis heute folgten zahlreiche weitere Schuleröffnungen in Europa und Übersee“ (Stumpf, 2015, S. 119).

2.2 Menschen- und Weltbild Rudolf Steiners

Rudolf Steiner ist der Begründer der Anthroposophie – einer bis heute sich ausbreitenden Weltanschauung. Es ist ein sehr spezielles und eigenes Menschenbild Steiners. „Der Menschen [sic] wird als ein geistiges Wesen angesehen, das sich auf seinem Bildungsweg von den materiellen Bindungen an die Erde wieder befreien und zu einer geistigen Existenz gelangen muss“ (Kuhlmann, 2013, S.115). Mit Anthroposophie ist die Weisheit vom Menschen gemeint. Diese Lehre beansprucht die volle Menschenkenntnis zu erhalten (Wiegmann, 1990, S. 107). Steiner behauptet, dass sich der Mensch nach seinem Tod wieder von seinem materiellen Sein löst und eine gerechte Strafe oder einen Lohn für sein vorheriges Leben erhält (Kuhlmann, 2013, S. 115). „Der physische Tod wird als Voraussetzung für das Aufgehen in einer höheren Welt verstanden, die Geburt als Abstieg in die materielle Welt“. Die Begriffe Wiedergeburt und Karma sind in seinen Ansätzen dabei immer wieder präsent (Wiegmann, 1990, S. 108). In seiner Theorie hat der Mensch vier Kräfte in sich, die sich jeweils nach sieben Jahren entfalten – es ist also von vier verschiedenen Entwicklungsstufen des Menschen auszugehen (Kuhlmann, 2013, S. 116):

(1) physischer Leib: In diesem Leib gelten die Gesetze des Mineralreiches (0-7 Jahre)
Die Sinnesorgane werden durch Nachahmen und Aufnehmen aus der Umgebung entfaltet (Scheuerl, 1997, S. 215).
(2) ätherischer Lebensleib: die Wachstumskräfte wirken wie im Pflanzenreich (7-14 Jahre)
Bilder, Rhythmen, reimen und Phantasiegestalten sowie das Verlangen nach erzieherischer Autorität stehen im Fokus des Kindes (Scheuerl, 1997, S. 216).
(3) astralischer Empfindungsleib: nach den Gesetzen der animalischen Welt (Triebe/Leidenschaften) (14-21J)
Der Jugendliche erlangt die „Erdenreife“ und sein eigenes Urteilsvermögen (Scheuerl, 1997, S. 216).
(4) Ich-Leib: soll die anderen „Wesenheiten“ vergeistigen (21-28 Jahre)
Der junge Erwachsene erwirbt schlussendlich seinen „Ich-Leib“ als Träger der „höheren Menschenseele“ (Scheuerl, 1997, S. 216).

„Dieser innere Prozess von Wachstum, Verwandlung und Neugeburt lässt sich nach Steiner am äußeren Gestaltwandel des Kindes und Jugendlichen, der sich im Rhythmus von je sieben Jahren vollzieht, ablesen“ (Stumpf, 2015, S. 120).

2.3 Erziehung nach Rudolf Steiner

Rudolf Steiner sah das zeitgemäße Bildungssystem sehr kritisch, weil es zu sehr materialistisch ausgelegt war. Er wollte eine „Durchseelung und Durchgeistung“ der Bildung. Damit das Kind wie bereits oben erwähnt zu seiner geistigen Existenz gelangt, mussten also die bis dahin gängigen Umgangsmethoden mit Kindern verändert werden. Steiners Erziehungsansatz orientiert sich an den vier Entwicklungsstufen, die eine Entfaltung des Ich-Leibes und somit ein geistiges Leben ermöglichen sollen. Dabei stellen Zahnwechsel und Geschlechtsreife in seiner Pädagogik wichtige Einschnitte. Bis zu diesem ersten Wendepunkt – dem Zahnwechsel – ist es bedeutsam, dem Kind einen liebevollen und freudebringenden Raum für seine physische Entfaltung zu ermöglichen. „Das Kind lernt in dieser Phase durch Vorbild und Nachahmung“. Durch das Hören von Gesprächen anderer lernt das Kind das Sprechen. Durch das Vorbild des Sprechens wird es animiert, das Reden zu imitieren (Kuhlmann, 2013, S. 116f).

Nach dem Zahnwechsel liegt der Fokus dann auf „Nachfolge und Autorität“. Dabei kann nun auch auf Merkmale wie Neigungen, Gewohnheiten, das Gewissen, den Charakter, das Gedächtnis sowie das Temperament und somit direkt auf den ätherischen Lebensleib (Ätherleib) eingewirkt werden. Eine besonders wichtige Person in der Erziehung nach Rudolf Steiner ist bis zur Geschlechtsreife der Klassenlehrer oder die Klassenlehrerin. Steiner ging davon aus, dass Kinder besonders durch die Autoritätsausstrahlung der Lehrer*innen lernen und deswegen soll auch nur ein Lehrer oder eine Lehrerin alle Fächer unterrichten. Steiner und auch Montessori nahmen an, dass die geistigen Entwicklungsschritte nach einer festgelegten Reihenfolge geschehen und sich Kinder von selbst in die richtige Richtung entwickeln. Die große Rolle der Selbsttätigkeit in der Waldorfpädagogik ist auf diese Annahme zurückzuführen. Steiners Ansatz hebt sich von Montessoris in dem Punkt ab, dass das Kreative, Künstlerisch-Handwerkliche für ihn großes Gewicht hat. Das Greifbare und die tätigen Auseinandersetzungen stellen für die Entwicklung des Kindes eine große Bedeutung dar, …weil sonst der Mensch nur „gedächtnismäßig“ etwas aufnimmt, ohne es im wahrsten Sinne des Wortes zu „begreifen““. Steiner verlangte auch, dass Kinder erst schreiben und dann erst das Lesen lernen, um erst mit der Hand tätig zu werden. Besonders in der Phase des Ätherleibs ist das Greifbare mit der Hand immens wichtig. Außerdem soll jede Unterrichtshandlung ohne Unterrichtsbücher erfahren werden – nur mit dem Willen, dem Gefühl und dem Denken (Kuhlmann, 2013, S. 117f). Das Denken, Fühlen und Wollen bildete für Steiner die Vorstellung von der Ganzheit des Menschen (Scheuerl, 1997, S. 216).

„Neben den Entwicklungsstufen sollten die Pädagogen die vier verschiedenen Temperamente des Menschen beachten“ (Kuhlmann, 2013, S. 118). Hierdurch soll eine Harmonisierung der kindlichen Kräfte erwartet werden (Wiegmann, 1990, S. 108). „Steiner greift hier auf die bereits in der Antike beschriebenen Charaktertypen zurück“. Diese ordnet er der von ihm beschriebenen Leiber zu (Kuhlmann, 2013, S. 118):

(1) melancholischer Charaktertyp - physischer Leib
(2) phlegmatischer Charaktertyp - Ätherleib
(3) sanguinischer Charaktertyp - Astralleib
(4) cholerischer Charaktertyp - Ich-Leib

Steiner war sich sicher, dass neben Vorbild und Autorität auch die räumliche Umgebung Einfluss auf die Seele von Kindern nimmt. Aufgrund dessen ist die Farbgestaltung in Waldorfschulen meist auffällig. Er nahm an, dass die Farbgestaltung extremen Einfluss auf die verschiedenen Kinder und deren Stimmungen haben kann. Er beschreibt dies in einem Beispiel, in dem eine rote Farbumgebung eine beruhigende Wirkung hat (Kuhlmann, 2013, S. 118).

2.4 Waldorfschulen und Waldorfpädagogik

Die erste Waldorfschule wurde am 07. September 1919 in Stuttgart eröffnet. Emil Molt hatte Steiner damals als Leiter der Astoria-Zigarettenfabrik gebeten, eine Schule für die Kinder der Mitarbeiter*innen zu errichten. Eintrittsalter der Waldorfschulen ist das 7. Lebensjahr, es können anschließend die Schulabschlüsse Mittlere Reife, Fachabitur und Abitur erreicht werden. Der grundlegende Unterschied zwischen Waldorfschulen und staatlichen Regelschulen liegt in den pädagogischen und unterrichtsorganisatorischen Besonderheiten. Der Hauptunterricht beinhaltet die Module Erzählstoff, Geschichte, Sachkunde/Erdkunde, Naturkunde, Physik, Chemie und Rechnen/Mathematik. Dieser Hauptunterricht wird ausschließlich vom jeweiligen Klassenlehrer oder der Klassenlehrerin vom ersten bis achten Schuljahr unterrichtet. In Form eines Epochenunterrichtes wird dabei bis zu mehreren Wochen am Stück ein einziges Fach unterrichtet. Eine besondere Bedeutung in der Waldorfpädagogik bekommt die musische Erziehung sowie die Ausbildung in Eurhythmie. Hier wird eine Form des Ausdrucks- und Bewegungstanzes gelehrt. (Wiegmann, 1990, S. 104ff).

Der Lehrplan wird von den Klassenlehrer*innen vorgegeben und klassische Lehrbücher werden nicht angewandt. Der Hauptunterricht wird zusammen als Klasse erteilt, für den Unterricht in den weiteren Bereichen wird die Klasse geteilt. Für die Aufteilung der Schüler*innen spielt die jeweilige Leistung keine Rolle, sondern der erwartete erzieherische und bildende Effekt sind ausschlaggebend. Diese Module werden meistens von Fachlehrer*innen unterrichtet. Die Schüler*innen können bis zum 12. Schuljahr nicht sitzen bleiben und Noten werden nur dann auf den Zeugnissen erteilt, wenn diese für einen staatlich anerkannten Abschluss benötigt werden (Wiegmann, 1990, S. 106f). Die regelmäßige Reflektion der Klassenlehrer*innen ist dabei sehr wichtig – es gilt das Prinzip der Selbsterziehung der Erzieher*innen. Sie sollen die Fähigkeit besitzen, den jeweiligen Situationen und Problemlagen gewappnet zu sein (Koller, 2012, S. 13).

„Waldorfschulen versprechen, … einen Freiraum geistigen, musischen und verinnerlichten Lernens offenzuhalten, ohne Zensurendruck und Sitzenbleiberelend, ohne kognitive Versalzung und Eintrocknung; eine Schule die nicht nur unterrichtlich instruiert, sondern die vor allem erzieherisch motiviert“. Die Schule soll dem „ganzen Menschen“ gerecht werden und das wirkliche Können und Wissen, Fühlen und Wollen fördern und hervorbringen, gemessen an der Betroffenheit und an den Erlebnissen des Kindes. Es soll ein „angstfreies Lernen“ für alle Schüler*innen ermöglicht werden (Prange, 2000, S. 11). Rudolf Steiner kritisiert in seinen Vorträgen, dass das Lernen auf staatlichen Regelschule auf das Auswendiglernen für die anstehenden Prüfungen ausgelegt ist. Er sagt, dass Schule nicht nur dafür da ist, dass der „Kopf“ belehrt werde und es in den Waldorfschulen deswegen darum gehe, dass nicht der „Kopfmensch“, sondern der „Gliedmaßenmensch“ erzogen wird (Schieren, 2012, S. 78).

3. Jean-Jacques Rousseau (1712-1778 ) in der Epoche der Aufklärung (1700-1800)

3.1 Biografie

„So viele und so intime Details wie über das Leben von Jean-Jacques Rousseau sind kaum über das Leben eines anderen Menschen bekannt“ (Engelke & Borrmann, 2018, S. 68).

Der Genfer Schriftsteller und Kulturkritiker Jean-Jacques Rousseau wurde am 28.06.1712 als Sohn eines Uhrmachers und einer calvinistischen Mutter in ein protestantisches Elternhaus hineingeboren (Bernhard, 2017, S. 140; Stumpf, 2015, S. 40). In seinen ersten zehn Lebensjahren lebte er mit seinem Vater und seiner Schwester zusammen, die die Verantwortung für seine Erziehung übernahmen, nachdem seine Mutter bei seiner Geburt gestorben war. Er hatte eine glückliche Kindheit, bis sein Vater im Jahr 1722 flüchten musste. Dieser zog dabei regelmäßig durch verschiedene Länder, sodass Rousseau erst bei Verwandten und anschließend zur Pflege in einem Pfarrhaushalt unterkam. Er begann eine Lehre als Kupferstecher bis er mit 16 Jahren nach Annecy ging, weil er vor verschlossenen Stadttoren stand. Dort lernte er die vermögende schweizerische Konvertitin Frau von Warens kennen. Die zwölf Jahre ältere Frau wurde für den jungen Rousseau eine Art Mutter und Geliebte zugleich. Er kam bei ihr zwölf Jahre ohne Verantwortung und Arbeit aus. Sie bewegte ihn zum Katholizismus zu konvertieren, doch seine Bekehrung in Turin widerrief er später wieder (Bernhard, 2017, S. 141; Stumpf, 2015, S. 41). Anschließend übte er verschiedene Berufe und Tätigkeiten aus und arbeitete unter anderem als Hauslehrer in adligen Familien, bis er im Jahr 1741 nach Paris ging und nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in Venedig erneut zurück nach Paris kehrte. Dort lernte Jean-Jacques Rousseau die 23-jährige Wäscherin Thérése Le Vasseur kennen, mit der er zusammen fünf Kinder bekam, die nach ihrer Geburt auf Drängen von Rousseau alle ins Findelhaus gegeben wurden. Nach Fluchten in die Schweiz und auf die Insel St. Pierre, weil die Regierung Schriften von ihm als Angriff angesehen hatte, ging er 1766 nach England (Bernhard, 2017, S. 141; Stumpf, 2015, S. 42). Bereits ein Jahr später kam er zurück nach Frankreich und heiratete dort Thérése Le Vasseur. Am 2. Juli 1778 starb er auf Schloss Ermenoville bei Paris (Bernhard, 2017, S. 142; Stumpf, 2015, S. 43).

Er befasste sich seiner Zeit mit Musik, Philosophie, Ethik, der lateinischen Sprache, Astronomie sowie Geschichte (Bernhard 2017, S. 141). Jean-Jacques Rousseau gilt als intellektueller Wegbereiter der Französischen Revolution, sein Grabstein steht auf dem Pariser Panthéon (Bernhard, 2017, S. 139; Stumpf, 2015, S. 43).

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Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Rudolf Steiner und Jean-Jacques Rousseau im Vergleich
Untertitel
Inwiefern unterscheiden sich die pädagogischen Ansätze von Rudolf Steiner und Jean-Jacques Rousseau hinsichtlich der Rolle der Erzieher*innen?
Hochschule
IU Internationale Hochschule
Note
1,3
Autor
Jahr
2022
Seiten
21
Katalognummer
V1329218
ISBN (eBook)
9783346818690
ISBN (Buch)
9783346818706
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rudolf, steiner, jean-jacques, rousseau, vergleich, inwiefern, ansätze, rolle, erzieher*innen
Arbeit zitieren
Frederic Wehrmeyer (Autor:in), 2022, Rudolf Steiner und Jean-Jacques Rousseau im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1329218

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